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„Es genügt nicht, recht zu haben. Man muss es auch beweisen können.“

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© Deutscher Ärzteverlag | zzi | Z Zahnärztl Impl | 2017; 33 (3)

NACHRICHTEN / NEWS 181

Patientenaufklärung und Dokumentation

„Es genügt nicht, recht zu haben. Man muss es auch beweisen können.“

Drei Jahre ist das Patientenrechte- gesetz inzwischen in Kraft. In die- sem sind die Aufklärungs- und Do- kumentationspflichten deutlich strenger gefasst als bisher. Die DGI nahm dies zum Anlass, das Thema gemeinsam mit ihren Landesver- bänden und der Landeszahnärzte- kammer Hessen in den Mittel- punkt eines Symposiums zu stel- len. Denn gerade implantologi- sche Therapien erfordern als Wahleingriffe eine sehr umfassen- de Aufklärung, die entsprechend dokumentiert werden muss. Am 1.

Juli redeten Fachleute in Frank- furt Klartext.

„Bei unterbliebener und unzureichen- der Aufklärung und damit unwirksamer Einwilligung droht eine Verurteilung wegen Körperverletzung, die mit Frei- heitsstrafen bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bestraft wird“, beschrieb die Fachanwältin für Medizinrecht Susanne Ottmann-Kolbe, München, die ver- hängnisvollen Folgen, wenn Ärzte ihrer Aufklärungspflicht nur unzureichend nachkommen. Das war zwar schon im- mer so, aber seit dem Jahr 2013 ist das Risiko gestiegen, hier in Probleme zu ge- raten, wenn es zu einem Prozess kommt.

Denn es war die erklärte Absicht des Gesetzgebers, mit dem damals in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz „die Position der Patientinnen und Patienten

gegenüber Leistungserbringern und Kran- kenkassen zu stärken“.

Das Gesetz hat zwar nichts geändert an der Beurteilung des klassischen Behandlungsfehlers in der Diagnostik oder Therapie, bei dem der Patient in der Beweispflicht ist. Doch an die ärzt liche Aufklärung und deren Dokumentation legen die Gerichte nun strengere Maßstäbe an. Mittlerweile genügt die bloße Aussage, dass die Aufklärung kor- rekt erfolgt sei, zu deren Glaubhaftma- chung nicht mehr. „Vielmehr gehen die Gerichte heute eher davon aus, dass al- les, was nicht dokumentiert wurde, auch nicht erfolgt ist“, brachte DGI-Vizeprä- sident Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz seine Gutachtererfahrungen auf den Punkt.

Das Prozessrisiko Nummer eins:

Verletzung der Aufklärungspflicht.

Dies ist auch die Erfahrung von Dr.

Rainer Fries, dem vorsitzenden Richter am Landgericht Saarbrücken: „Wenn Zahnärzte einen Prozess verlieren, er- folgt die Verurteilung bei einem Groß- teil der Fälle wegen mangelnder Aufklä- rung und Dokumentation.“ Die Verlet- zung der Aufklärungspflicht sei für den Zahnarzt darum heute das Prozessrisiko Nummer eins. Das mag auch damit zu tun haben, dass Anwälte von Patienten Verstöße gegen die Aufklärungs- und Dokumentationspflicht als sogenannte

„Aufhängetatbestände“ nutzen, wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Man-

dant einen Behandlungsfehler im enge- ren Sinne nicht beweisen kann. Durch den Schwenk zum Bereich Aufklärung und Dokumentation kann der Anwalt vielleicht doch noch eine Verurteilung des beklagten Arztes erreichen, wenn dieser in Beweisnot gerät.

Die fünf Ws der Aufklärung. Wer wird aufgeklärt, wer klärt auf, worüber, wie und wann? Mit den Antworten auf diese fünf W-Fragen eröffnete Susanne Ottmann-Kolbe ihren Vortrag. Auf- geklärt wird der Patient – es sei denn, es handelt sich um Kinder und Minderjäh- rige oder nicht einwilligungsfähige Pa- tienten. Die Aufklärung kann allenfalls an einen anderen approbierten Arzt de- legiert werden, aber keinesfalls an Assis- tenzpersonal. Bei der Frage nach dem

„Worüber“ geht es um Art und Umfang einer Therapie, um deren Durchfüh- rung, Notwendigkeit und Dringlichkeit, um ihre Eignung im vorliegenden Fall, um die Erfolgsaussichten und ebenso um mögliche Folgen und Risiken sowie Alternativen.

Die Aufklärung über Risiken und Al- ternativen ist im Fall einer Implantat- therapie besonders wichtig. Schließlich sei bei dieser aufgrund des elektiven Charakters besondere Sorgfalt geboten.

„Je weniger dringlich der Eingriff ist, desto höher sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht und je schwer- wiegender die mögliche Folge, desto

Die Referenten des Sommersymposiums Frankfurt. Foto: Ritzert

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eher ist auch über die Risiken gerin - gerer Wahrscheinlichkeit aufzuklären“, brachte Susanne Ottmann-Kolbe die ju- ristische Bewertung auf den Punkt.

Auch über den Misserfolg aufklä- ren. Aufgeklärt werden müsse auch über die Gefahr des Misserfolgs einer Therapie, betonte Dr. Fries und verwies auf eine Entscheidung des Kölner Oberlandes- gerichts zum Thema Implantate. Im vor- liegenden Fall hätten die Erfolgsraten bei 90 bis 95 Prozent gelegen. Trotzdem habe das Gericht betont, dass ein Risiko bleibe, über das aufgeklärt werden müsse. Sein Rat: Zahnärzte sollten planmäßig darauf hinweisen, dass der Erfolg einer Implan- tation nicht garantiert werden kann.

Auch wenn Knochenersatzmaterialien verwendet würden, müsse über gesund- heitliche Risiken aufgeklärt werden.

„Zur korrekten Aufklärung im Fall einer Implantattherapie gehört auch die Information über die Differenzialthe - rapie und deren jeweilige Belastungen, Risiken und Erfolgschancen“, erklärte Professor Grötz. Der Verzicht auf Zahn- ersatz oder die Optionen einer konven- tionellen Versorgung müssen ebenso angesprochen werden wie die Therapie- kosten und die Erstattungsfähigkeit.

„Zwar ist die Therapiefreiheit des Arztes ein Grundsatz“, betonte Dr. Fries, „doch wenn eine echte Wahlmöglichkeit be- steht, was bei einer Implantattherapie stets gegeben ist, muss auch über die Al- ternativen aufgeklärt werden.“ Dies gel- te auch, wenn einzelne Alternativen zu einer höheren Kostenbelastung führen.

Ebenso muss der Zeitpunkt der Auf- klärung stimmen. Bei einer planbaren Operation genügt diese am Tag vorher, bei einfachen ambulanten Eingriffen am selben Tag. „Erfolgt die Aufklärung auf dem Weg in den OP oder unter dem Eindruck, dass diese sonst nicht durch- geführt wird, ist die Einwilligung juris- tisch unwirksam“, warnte Susanne Ott- mann-Kolbe.

Entscheidend wichtig: die Doku- mentation. Doch die beste Aufklärung nützt vor Gericht nichts, wenn sie nicht dokumentiert ist. „Der Arzt muss diese im eigenen Beweisinteresse dokumen- tieren und auch zehn Jahre aufbewah-

ren“, betonte Dr. Fries. Denn die ärzt- liche Dokumentation habe Beweiswert – gleichgültig ob auf Papier oder elektro- nisch. Auch nachträgliche Eintragun- gen seien möglich, betonte der Richter, es müsse aber das Datum dabei stehen.

Doch wie umfangreich muss diese Do- kumentation sein? „Eine lange Prosa wirkt eher unglaubwürdig“, weiß Profes- sor Grötz. Demgegenüber sei eine Doku- mentation mit Kürzeln absolut authen- tisch, der medizinische Sachverständige könne diese ja beurteilen.

Intensiv diskutierten die Experten das Thema „Aufklärungsformulare“. Da- zu war die Botschaft klar, wie Prof. Dr.

Dr. Bilal Al-Nawas, Halle, am Ende des Symposiums formulierte: „Nicht die Unterschrift des Patienten auf einem Zettel ist wichtig, sondern das persön - liche Gespräch. Denn der Richter sucht nach Hinweisen, dass dieses Gespräch stattgefunden hat.“

Ein unterschriebenes Formular al- lein zählt nicht. In der Tat interessiere sich ein Gericht nicht für die Unterschrift eines Patienten in einem Formular, son- dern dafür, ob das Gespräch zwischen Arzt und Patient stattgefunden hat“, be- tonte Dr. Fries. Das Aufklärungsgespräch könne, so ergänzte Professor Grötz, zwar durch ein Formular mit seinen oft um- fangreichen Informationen unterstützt, aber nicht ersetzt werden. Der Aufklä- rungsbogen werde allenfalls als Indiz ge- wertet, dass das Gespräch stattgefunden habe. Ein standardisiertes Formular, das nur vom Patienten unterschrieben wur- de, lege sogar eher nahe, dass der Arzt bei der Aufklärung auf die individuellen Be- dürfnisse und die Situation des Patienten nicht eingegangen ist. „Dann wird es schwieriger, glaubhaft zu machen, dass

eine individuelle Aufklärung überhaupt stattgefunden hat“, betonte der DGI-Vi- zepräsident.

Aufklärungsformulare individua- lisieren. Gleichwohl waren sich die Ex- perten auch einig, dass Aufklärungsfor- mulare durchaus sinnvoll eingesetzt werden können. Sie müssen aber indivi- dualisiert werden, etwa durch hand- schriftliche Notizen. Wie dieses geht, präsentierte Prof. Dr. Hans-Joachim Ni- ckenig, Köln. Er hat das Aufklärungs- blatt selbst entwickelt, das er bei einer Implantattherapie einsetzt. Dieses ent- hält die medizinische Begründung für die Behandlung, Hinweise auf den geplanten implantatgetragenen Zahn - ersatz und informiert über die Alternati- ven. „Ich zeichne die geplanten Implan- tate während des Gespräches mit dem Patienten immer ein“, erklärte Professor Nickenig. Hinzu kämen auch eine indi- viduelle Erfolgsprognose in Prozent so- wie Angaben zu Knochenersatzmateria- lien. Zudem empfahl der Referent, im- mer eine Assistenz dabei zu haben: „Eine Zeugenaussage kann vor Gericht von Bedeutung sein.“

Die Aufklärung gehört zum Quali- tätsmanagement. Nicht zuletzt sei es wichtig, solche Beratungs- und Aufklä- rungsgespräche zu trainieren, diese im- mer auf dieselbe Art und Weise durch- zuführen und das Vorgehen in das Qua- litätsmanagement der Praxis zu integrie- ren. Professor Nickenig verwies in die- sem Zusammenhang auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm. Dies habe betont, dass „... von einer ordnungs- gemäßen Aufklärung ausgegangen wer- de, wenn nachweisbar ist, dass das Auf- klärungsgespräch nach Art und Inhalt einer ständigen und ausnahmslosen Übung“ entspricht.

Prof. Dr. Peter Pospiech, Berlin, sah dies genauso: Es sei wichtig, für die Do- kumentation eine eigene Systematik zu entwickeln und das Vorgehen zu trainie- ren. „Machen Sie es wie der Pilot im Flugzeug: Der arbeitet bei jedem Start immer wieder seine Checkliste ab, selbst wenn er schon Hunderte von Flügen er- folgreich absolviert hat.“

Barbara Ritzert, Pöcking Sehen und lesen Sie über die einzelnen

Vorträge des Sommersymposiums Frankfurt auf http://pi.dental- online-channel.com/thema/

aufklaerung-und-dokumenta tion/

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