Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 31–32|
9. August 2010 A 1491K
ürzlich erst widmete das Nachrichtenmagazin„Der Spiegel“ der „Bildungs-Kleinstaaterei“ ei- ne eigene Titelgeschichte und konstatierte dabei einen
„Abgrund von Föderalismus“. Ähnliche Auswüchse lassen sich an vielen Stellen auch im selbstverwalteten Gesundheitswesen ausmachen. Jüngstes Beispiel ist die Signaturkarte, die die Landesärztekammer Hessen als
„beispielhafte Alternative“ zum Heilberufsausweis (HBA) entwickelt hat.
„Leichte Bedienung, geringer Verwaltungsaufwand, schneller Datenzugriff, Kostenersparnis und vor allem Daten- und Rechtssicherheit: Das sind die Vorteile der neuen Karte“, erklärte der Vizepräsident der Kammer, Martin Leimbeck. Der Ausweis ermögliche neben dem Nachweis der Arztidentität überdies auch den sicheren Austausch von Patientendaten zwischen Ärzten und Krankenhäusern. Um die Karte in der Praxis zu erpro- ben, startet die Kammer gemeinsam mit der Techni- schen Hochschule Mittelhessen im Herbst ein Pilotpro- jekt, an dem 30 Ärzte teilnehmen.
Keine Frage – bei der hessischen Chipkarte handelt es sich um einen „echten“ elektronischen Arztausweis, weil die Kammer als Herausgeberin fungiert. Darüber hinaus unterstützt die Karte auch die qualifizierte elek- tronische Signatur eines akkreditierten Trustcenters, und der Arzt kann sogar zwischen Einzelsignatur- oder Multisignaturkarte wählen. Aber: Bei dem hessischen Arztausweismodell handelt es sich um eine Eigenent- wicklung, die nicht kompatibel zum bundesweit gülti- gen elektronischen Arztausweis (eArztausweis) ist und auf eigenen, proprietären Ausgabeprozessen beruht.
Die Landesärztekammer Hessen hatte sich bereits En- de 2008 gegen den von der Bundesärztekammer (BÄK) entwickelten Rahmenvertrag entschieden, der als bun- desweit gültige Grundlage für die Berechtigung zur Aus- gabe von eArztausweisen durch alle Ärztekammern dient. Der Grund: Die Kammer sieht den HBA als Ein- stieg in die elektronische Gesundheitskarte (eGK). Mit der Blockade des bundesweit gültigen eArztausweises, der perspektivisch kompatibel zur Gesundheitskarte ist, glaubt man somit auch diese verhindern zu können. Al-
lerdings haben die Landesärztekammern und auch die zurückliegenden Deutschen Ärztetage zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, dass der HBA völlig unab- hängig von der Gesundheitskarte ein sinnvolles Werk- zeug für die rechtssichere innerärztliche elektronische Kommunikation darstellt. Die Initiative der BÄK, eArzt- ausweise zu entwickeln, ist älter als das eGK-Projekt.
Einige Konsequenzen aus dem Alleingang: Der hes- sische Ausweis ist nicht kammerübergreifend gültig.
Vor dem Hintergrund einer zunehmend mobilen Gesell- schaft bringt dies deutliche Einschränkungen für die In- haber mit sich. Der Ausweis unterstützt auch nicht die berufsrechtlichen Anforderungen hinsichtlich der Kar- tensperrung bei Entzug der Approbation. Mit ihm sind Zugriffe auf Patientendaten, ob diese auf der eGK (Not- falldaten), in der Telematikinfrastruktur oder auf einem dezentralen Speichermedium liegen, unmöglich. Auch die innerärztliche Kommunikation, etwa über einen elektronischen Arztbrief, wird erschwert, da die Tele- matikinfrastruktur den Hessenausweis aus Sicherheits- gründen nicht erkennt.
Wird die eGK schließlich doch irgendwann Realität, wird eine kostenträchtige technische und organisatori- sche Anpassung der Prozesse in den Kammern und Arztpraxen erforderlich. Und der hessische Arzt wird sich einen zweiten, diesmal bundesweit gültigen Aus- weis anschaffen müssen.
ELEKTRONISCHER ARZTAUSWEIS
Im Alleingang
Heike E. Krüger-Brand
Heike E. Krüger-Brand Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik