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Archiv "3 Fragen an … Dr. med. Ute Mendes, Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Sozialpädiatrischen Zentrum, Vivantes-Klinikum im Friedrichshain, Berlin" (03.04.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 14⏐⏐3. April 2009 A651

T H E M E N D E R Z E I T

chende Förderung des Kindes be- wirken sollten. Eine Legasthenie beeinflusst die schulische, psychi- sche und soziale Entwicklung der betroffenen Kinder nachhaltig, zu- mal der Verlauf dieser Entwick- lungsstörung oft chronisch ist. In jedem Bundesland ist der Anspruch hinsichtlich Diagnostik und Förde- rung von Kindern mit Legasthenie anders geregelt. Detaillierte Aus- künfte darüber und über den gegebe- nenfalls geltenden Notenschutz für das legasthenische Kind geben die Kultusministerien.

Wulf, Grundschullehrerin für Deutsch, Mathematik und Sport, verfügte schon über zwölfjährige Erfahrungen mit Entwicklungsver- zögerungen im Lesen, Schreiben und Rechtschreiben, als sie 2003 Ambulanzlehrerin-LRS im Netz- werkprojekt des Bezirks Pankow wurde. Vor allem die Schulrätin Ga- briele Münzberg hat maßgeblich an der Umsetzung dieses Projekts mit- gewirkt. An vier Pankower Grund- schulen gibt es jeweils ein LRS- Ambulanzzentrum, das mit sieben bis acht weiteren Grundschulen aus

dem Bezirk zusammenarbeitet. An den jeweiligen Schulen sind speziell ausgebildete LRS-Lehrkräfte tätig, die entweder für die zweite bis vier- te oder für die fünfte und sechste Jahrgangsstufe zuständig sind. Sie fördern die Kinder mit Auffälligkei- ten im Lesen und/oder Rechtschrei-

ben, diagnostizieren gemeinsam mit den Ambulanzlehrerinnen-LRS den Förderbedarf, stellen die individu- ellen Förderpläne auf und führen Elternberatungen durch. Für einen Teil der Kinder wird die Möglich- keit zum Besuch der Intensivkurse eröffnet, die in den Ambulanzzen- tren parallel dreimal pro Schuljahr etwa zwölf Wochen lang in großen Räumen mit bester Computer- und Materialausstattung stattfinden. Die Gruppen bestehen aus zehn bis zwölf Kindern. Münzberg verfolgt gemeinsam mit den Lehrern und

Schulpsychologinnen das Ziel, möglichst früh eine positive Ein- flussnahme auf Kinder mit Auffäl- ligkeiten beim Lesen- und Schrei- benlernen zu nehmen. Sie will die Kompetenzen der Kinder stärken, Störungen im Sozialverhalten ver- hindern, Schulangst vermeiden, die

Klassenlehrerinnen entlasten, die in einer großen Lerngruppe diese För- dermöglichkeiten nicht haben.

„Der Förderunterricht für unser Kind in der Bornholmer Grund- schule ist ein Sechser im Lotto“, sagt die Mutter eines Elfjährigen.

„Wir könnten ihm das aus finanziel- len Gründen nicht ermöglichen.“

Etwa 140 Kinder mit Lese-Recht- schreib-Störungen bekommen im Bezirk Pankow pro Schuljahr die Möglichkeit, an dem LRS-Förder- programm teilzunehmen. I Ulrike Hempel

Was ist besonders wichtig bei der Arbeit mit den betroffenen Kindern und deren Familien?

Ute Mendes:Vor Beginn einer Förderung be- darf es einer umfangreichen Diagnostik. Dazu gehört neben einer Intelligenz- und Teilleistungs- diagnostik (Lese- und Rechtschreibtests) der Ausschluss organischer Ursachen. Weiterhin müssen komorbide (zum Beispiel ADHS) bezie- hungsweise sekundäre psychische Störungen (zum Beispiel Angststörungen) abgeklärt wer- den. Die Behandlung von Kindern mit einer LRS erfordert eine enge, inhaltlich abgestimmte Zu- sammenarbeit zwischen Schule, Elternhaus und gegebenenfalls Lerntherapeuten, Kinder- und Jugendpsychiater oder Psychologen.

Was passiert, wenn eine LRS nicht erkannt wird?

Mendes:Kinder, deren LRS (in der Schule) nicht erkannt wird, leiden häufig an psychoso- matischen Beschwerden, Ängsten oder depres-

siven Verstimmungen. Sie zeigen oft eine große Misserfolgsempfindlichkeit und ein niedriges Selbstwertgefühl. Schulisch droht eine fächer- übergreifende Leistungsminderung (trotz aus- reichender Intelligenz) bis hin zu einem gene- rellen Scheitern. Die Diagnosestellung und Auf- klärung der Eltern, der Lehrer und des Kindes führen oft schon zu einem Rückgang der Folge- störungen, besonders wenn die Kinder dann auch gezielt gefördert und (zum Beispiel durch Notenschutz) entlastet werden. Wichtig ist es, das Vorliegen einer LRS auch dann zu bedenken, wenn zunächst eine andere Problematik geschil- dert wird. Zum Beispiel werden Kinder mit dem Verdacht auf ein ADHS vorgestellt, bei denen sich die Überforderung infolge einer LRS als Ursache der Konzentrationsschwäche erweist.

Wie beraten Sie die Kinder und ihre Eltern?

Mendes:Die Kinder halten sich häufig für dumm. Sie empfinden es als entlastend, wenn

jemand ihr Leistungsvermögen in anderen Bereichen sieht und ihre großen Anstrengun- gen anerkennt. Vor den Eltern liegt meist ein schwerer Weg. Sie müssen lernen, an ihr Kind angemessene Anforderungen zu stellen und individuelle Fortschritte zu sehen. Spezielle schulische Fördermaßnahmen sind nicht überall in ausreichender Qualität und Quan- tität verfügbar. Durch eine außerschulische Lerntherapie entstehen jedoch Kosten, die von den Krankenkassen nicht übernommen wer- den, obwohl LRS eine Diagnose nach der ICD- 10 ist. Eine Finanzierung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (§ 35 a SGB VIII) ist möglich, wenn dem Kind eine „seelische Be- hinderung“ droht oder diese infolge der LRS bereits eingetreten ist und ihre „Teilhabe am Leben in der Gesellschaft“ beeinträchtigt ist.

Eltern müssen für die Rechte ihrer Kinder kämpfen und sind dabei auf Unterstützung angewiesen.

3 FRAGEN AN …

Dr. med. Ute Mendes, Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Sozialpädiatrischen Zentrum, Vivantes-Klinikum im Friedrichshain, Berlin

Der Förderunterricht für unser Kind in der Bornholmer Grundschule ist ein Sechser im Lotto.

Mutter eines elfjährigen Sohnes, der an einer Lese- und Rechtschreibstörung leidet

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