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Subsidiärer Schutzstatus für Musiker aus Afghanistan

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VG Würzburg, Urteil v. 17.03.2017 – W 1 K 16.30751 Titel:

Subsidiärer Schutzstatus für Musiker aus Afghanistan Normenkette:

AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4, § 3e, § 4 Abs. 3 Leitsätze:

1 Musiker bzw. allgemein in der Medienbranche tätige Menschen sind in Afghanistan keine besondere soziale Gruppe iSd § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. (redaktioneller Leitsatz)

2 Eine Gruppenverfolgung von Schiiten findet in Afghanistan nicht statt. (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte:

Afghanistan, subsidiärer Schutz gewährt, aus Fernsehen bekannter Musiker, Zwang zur Zusammenarbeit mit Taliban (hier: glaubhaft), Musiker, keine besondere soziale Gruppe, Ablehnung Zusammenarbeit mit Taliban löst nicht zwingend Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung, Taliban, interner Schutz, körperliche Misshandlung, Vorverfolgung

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Mai 2016 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand 1

Der Kläger zu 1) ist afghanischer Staatsangehöriger und wurde eigenen Angaben zufolge am … im Iran geboren; seit seinem 13. Lebensjahr hat er in Afghanistan in der Stadt Herat gelebt. Er sei tadschikischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit. Die Klägerin zu 2) ist ebenfalls afghanische

Staatsangehörige, wurde eigenen Angaben zufolge am … geboren und stammt aus der Provinz Herat. Sie sei tadschikischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit. Die Klägerin zu 3) ist afghanische Staatsangehörige und wurde am … in der Stadt Herat geboren. Die Kläger haben ihr Heimatland im April/Mai 2015 gemeinsam verlassen und sind am 29. Juni 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo sie am 4. Dezember 2015 einen Asylantrag stellten.

2

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger zu 1) im Wesentlichen an, dass er im Iran die Grundschule besucht habe und in Afghanistan im Rahmen von Privatunterricht die siebte Klasse erreicht habe. Er habe den Beruf des Fotografen erlernt und dadurch sowie als Musiker sein Geld verdient. Seine wirtschaftliche Lage in Afghanistan sei

durchschnittlich gewesen; er sei zufrieden gewesen. Die Fluchtkosten in Höhe von 20.000 $ habe sein Vater finanziert. In seinem Heimatland lebten noch seine Eltern, ein Bruder, eine Schwester sowie Tanten und Onkels. Die Klägerin zu 2) gab vor dem Bundesamt an, sie habe in Afghanistan neun Jahre lang die Schule besucht und sei dann Hausfrau gewesen. Im Heimatland habe sie noch ihre Eltern, einen Bruder, eine Schwester sowie eine Tante. Die finanzielle Situation der Familie sei durchschnittlich gewesen. Zu seinen Fluchtgründen gab der Kläger zu 1) im Wesentlichen an, er habe in Afghanistan Musik gemacht, die auch im Fernsehen übertragen worden sei. Er habe unter anderem auch im Lincoln Center Herat Musik gemacht, welches vom afghanischen Staat und den Amerikanern unterstützt werde. Beim Aga Khan Trust for Culture Center sowie beim Musikverein Afghanistan habe er eine Ausbildung absolviert. Entsprechende

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Unterlagen wurden vorgelegt. Etwa 15 Tage vor seiner Ausreise habe ein Freund ihn gebeten, auf der Hochzeit von dessen Bruders Musik zu machen. Auf dem Nachhauseweg sei er und die anderen Musiker von vermummten Personen entführt worden. Während seiner etwa Gefangenschaft sei er geschlagen worden. Ein Kommandeur der Taliban habe von ihm verlangt, dass er Explosionsmaterial in seinen Instrumenten verstecke, diese an einen bestimmten Ort bringe und mit einem Fernzünder zur Explosion bringe. Er sei dann von der Polizei befreit worden, die sich aufgrund einer Auseinandersetzung zwischen dem Kommandeur des Dorfes und den Taliban in dem besagten Ort aufgehalten habe. Seine Frau habe aufgrund der Aufregung eine Fehlgeburt erlitten. Als er wieder in sein Fotogeschäft zur Arbeit gegangen sei, seien zwei vermummte Personen dorthin gekommen, die ähnlich wie die Entführer ausgesehen hätten. Sie hätten zu ihm gesagt, dass sie ihn zu etwas aufgefordert hätten; sie wüssten, wo er wohne und arbeite und sie ihn überall in Afghanistan finden würden. Wenn er die Forderungen nicht akzeptiere, brächten sie ihn um. Daraufhin habe er sich zur Ausreise entschlossen. Wenn er im Fernsehen Musik gemacht habe, sei er mit seinem Namen vorgestellt worden. Es sei für die Taliban eine große Sünde, wenn man Musik mache und mit Ausländern zu tun habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst vor den Taliban und fürchte um sein Leben. Die Klägerin zu 2) bezog sich hinsichtlich ihrer Fluchtgründe auf die Verfolgung ihres Ehemannes und schilderte diese nach ihrer Erinnerung. Sie wies darauf hin, dass ihr Ehemann ihr aufgrund ihrer Schwangerschaft sowie der Fehlgeburt nicht alle Details habe erzählen wollen. Sie seien nicht in einen anderen Landesteil innerhalb Afghanistans gegangen, da ihr Ehemann ein aus Radio und Fernsehen bekannter Musiker sei und auch bei ausländischen Firmen sei er sehr bekannt.

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Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25. Mai 2016 wurde den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1 des Bescheides), der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3) sowie festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw.

unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß

§ 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6). Zur

Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Verfolgungsgründe nach § 3b AsylG nicht vorlägen.

Den Klägern drohe darüber hinaus im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan kein ernsthafter Schaden. Es sei davon auszugehen, dass der Staat willens und in der Lage sei, den Kläger zu 1) zu beschützen, wie sie dies auch durch die Befreiung bei seiner Entführung getan habe. Der Kläger zu 1) hätte erneut den Schutz der Polizei in Anspruch nehmen können, als die Taliban in sein Fotogeschäft gekommen seien. In der Provinz Herat gelte die Sicherheitslage als ausreichend konstant, da dort die Taliban nicht die Vorherrschaft hätten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor, da der Kläger zu 1) arbeitsfähig sei und bis zu seiner Ausreise ein eigenes Fotogeschäft und eine eigene Fernsehshow gehabt habe, wodurch er den Lebensunterhalt der Familie sichergestellt habe. Aufgrund seines Bekanntheitsgrades sei davon auszugehen, dass er im Falle der Rückkehr mit seiner bisherigen Tätigkeit fortfahren könne. Zur

Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Bescheides im Übrigen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

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Gegen den als Einschreiben am 8. Juni 2016 zur Post gegebenen Bescheid ließen die Kläger mit

Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 13. Juni 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben und beantragen,

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25.5.2016 verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;

hilfsweise den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie hilfsweise festzustellen, dass bei den Klägern Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Des Weiteren wurde beantragt, den Klägern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen.

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Mit Schriftsatz der Beklagten vom 20. Juni 2016 beantragte diese,

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die Klage abzuweisen.

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Mit Bescheid der Beklagten vom 18. November 2016 wurde für die Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt und der Bescheid vom 25. Mai 2016, soweit er dem entgegensteht, aufgehoben.

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Daraufhin wurde das Verfahren, soweit es sich auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezogen hat, übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verfahren wurde insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen W 1 K 17. 30057 durch Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 2. Januar 2017 eingestellt.

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Mit Beschluss vom 9. Februar 2017 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

9

Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand Januar 2017, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17. März 2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe 11

Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO) ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Der Bescheid des Bundesamtes vom 25. Mai 2016 ist daher rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit er diesem Anspruch entgegensteht (§

113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Hingegen haben die Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weshalb die Ablehnung derselben in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Die Ablehnung der Asylanerkennung (Ziffer 2) ist bereits unanfechtbar geworden. Die Ablehnung der Feststellung von

Abschiebungsverboten (Ziffer 4) ist durch die Teilabhilfe mit Bescheid vom 18. November 2016 aufgehoben worden und daher ebenfalls nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

I.

12

Die Kläger haben keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

13

Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs.

1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer

Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 6. August 2016 geltenden, durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939 ff.) geschaffenen Fassung anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder

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Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs.

1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte

darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die

Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.

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1. Der Anspruch scheitert vorliegend daran, dass die Kläger nicht aus einem der in § 3b AsylG genannten Gründe verfolgt werden. Soweit der Klägerbevollmächtigte vorträgt, dass der Kläger zu 1) als Musiker und in der Medienbranche Tätiger einer besonderen sozialen Gruppe nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG angehöre, so kann dieser Argumentation nicht gefolgt werden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass Musiker bzw.

allgemein in der Medienbranche tätige Menschen in Afghanistan eine deutlich abgegrenzte Identität hätten und von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet würden, wie § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG voraussetzt. Auch handelt es sich hierbei nicht um ein angeborenes Merkmal oder ein gemeinsamer Hintergrund, der nicht verändert werden kann bzw. gleichfalls nicht um ein Merkmal, welches so bedeutsam für die persönliche Identität ist, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, hierauf zu verzichten.

Es könnte dem Kläger zu 1) vielmehr ohne Weiteres zugemutet werden, die bislang ausgeübte Tätigkeit eines Musikers zugunsten eines anderen Berufs aufzugeben, da das Flüchtlingsrecht erkennbar nicht dahingehend Schutz vermitteln soll, bestimmte Berufe weiterhin wahrnehmen zu können. Auch aus den UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 ergibt sich nichts anderes. Die Tatsache, dass Personengruppen in diesem Bericht genannt werden, führt keineswegs dazu, dass diese zwangsläufig als besondere soziale Gruppe anzusehen wären; dem UNHCR kommt vielmehr nicht die Kompetenz zu, derartige Gruppen zu definieren bzw. anderweitig hierzu Vorgaben zu machen. Darüber hinaus wird dort (S. 50) ausgeführt, dass abhängig von den Umständen des Einzelfalls für Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen, welche kritisch über von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren als sensibel betrachtete Themen berichten, ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann. Da der Kläger zu 1) vorliegend jedoch im Rahmen seiner Tätigkeit als Musiker in keiner Weise kritisch zum afghanischen Staat oder aber zu den Taliban bzw. anderen aufständischen Gruppen Stellung bezogen hat, kommt auch aus diesem Grunde die Bejahung des Merkmals der besonderen sozialen Gruppe, aber auch eine solche der politischen Überzeugung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 AsylG nicht in Betracht. Vielmehr hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die von Mitmusikern des Klägers zum besten gegebenen Texte keinerlei aktuelle Bezüge aufweisen würden. Eine unterstellte gegen die Taliban gerichtete politische Überzeugung kann vorliegend auch nicht aus dem Grunde angenommen werden, dass der Kläger zu 1) die Erfüllung des Auftrages der Taliban, einen Sprengstoffanschlag durchzuführen,

verweigert habe. Vorliegend hat der Kläger zu 1) bereits gar nicht vorgetragen, dass er sich der

Forderungen der Taliban verweigert habe. Er hat gemäß seiner Aussagen vor dem Bundesamt lediglich erklärt, dass die Durchführung eines Sprengstoffanschlages für ihn nicht möglich und sehr gefährlich sei, da an den Orten, an denen er vor Ausländern und den Streitkräften Musik mache, seine Instrumente von Sprengstoffhunden kontrolliert würden und damit lediglich auf die Aussichtslosigkeit des Planes der Taliban hingewiesen. Darüber hinaus hat sich der Kläger zu 1) in keiner Weise inhaltlich zu den Forderungen der Taliban verhalten; vielmehr wurde er sodann ohne sein eigenes Zutun von der Polizei befreit und wurde nach seiner Rekonvaleszenz in seinem Fotogeschäft erneut von den Taliban aufgesucht, die ihn an ihre Forderung erinnerten. Der Kläger hat sich hierzu nicht geäußert und ist sodann ausgereist. Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, dass er gegenüber den Taliban eine bestimmte Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertreten habe; ebenso ist für das Gericht nicht ersichtlich, aus welchem Verhalten die Taliban vorliegend eine Opposition gegen ihre Organisation ableiten sollten. Darüber hinaus ist bei lebensnaher Einschätzung nicht davon auszugehen, dass die Taliban, deren Ziele aus einer diffusen

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Gemengelage aus politischen, religiösen und wirtschaftlich sozialen Motiven gespeist werden, bereits dann eine gegen sie gerichtete politische Überzeugung annehmen, wenn eine Person aus nachvollziehbaren Gründen die Taliban nicht aktiv unterstützen oder deren Mitglied werden will. Der Kläger zu 1) hat darüber hinaus auch nicht vorgetragen, dass die Taliban ihn aufgrund dessen verfolgten, dass er seine Musik gerade auch für Ausländer und Angehörige der Streitkräfte sowie im Fernsehen mache. Der Kläger hat zudem hierzu in der mündlichen Verhandlung auch vorgetragen, dass ein direkter Kontakt zu Ausländern seinerseits nicht bestehe.

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2. Die Kläger haben angegeben, schiitischen Glaubens zu sein. Eine Gruppenverfolgung von Schiiten findet maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG nicht statt. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt nach der höchstrichterlichen

Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 - juris; U.v. 21.4.2009 - 10 C 11/08 - juris) voraus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegt, die die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt.

Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr einer Betroffenheit besteht. Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den

allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, wenn also auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar ist. Dies zugrunde gelegt droht den Klägern wegen ihrer Zugehörigkeit zur Religionsgruppe der Schiiten nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung.

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Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, unterliegen Hazara und mit ihnen Schiiten in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung;

sie sind derzeit und in überschaubarer Zukunft jedoch keiner an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung ausgesetzt (BayVGH, U.v.

3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris; U.v. 1.2.2013 - 13a B 12.30045 - juris; B.v. 1.12.2015 - 13a ZB 15.30224 - juris; B.v. 20.01.2017 - 13a ZB 16.30996 - juris). Auch durch den neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes wird diese Einschätzung nicht erschüttert. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten seien in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsbelehrten (Ulema) als auch im hohen Friedensrat seien auch Schiiten vertreten; beide Gremien betonten, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe. Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der

afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den IS angegriffen. Dabei seien 85 Menschen ums Leben gekommen und rund 240 verletzt worden. Dieser Schlag habe sich fast ausschließlich gegen Schiiten gerichtet (vgl. zum Ganzen: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 9 ff.). Auch unter Berücksichtigung dessen sowie der jüngsten Anschläge im Zusammenhang mit dem Aschura-Fest in 2016 sowie gegen eine Moschee im Laufe des November 2016, die sich gegen Schiiten richteten und zu denen sich der Islamische Staat bekannt hat, verfügen die

Verfolgungshandlungen, denen Schiiten in Afghanistan ausgesetzt sind, nach Auffassung des Gerichts nicht über die dargestellte für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte.

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Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft besteht nach alledem nicht.

II.

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Die Kläger haben vorliegend jedoch einen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG.

19

Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der QRL dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der

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Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK aus (z.B. EuGH, U.v.

17.2.2009 - Elgafaji, C-465/07 - juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 22 ff.

m.w.N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 - 30696/09 - ZAR 2011, 395, Rn. 220 m.w.N.;

Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 - Jalloh, 54810/00 - NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a.a.O.; Hailbronner a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht,

Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl.

Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z.B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, 25).

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1. Der Kläger zu 1) hat vorliegend sehr detailliert, lebensnah, ohne Übertreibungen und widerspruchsfrei vorgetragen, dass er knapp einen Monat vor der Ausreise der Kläger von Taliban entführt und mehrere Tage festgehalten und hierbei körperlich misshandelt worden sei. Ein Kommandeur der Taliban habe von ihm verlangt, dass er Explosionsmaterial in seinen Musikinstrumenten verstecken, an einen von ihnen vorgegebenen Ort bringen und sodann mittels eines Fernzünders aktivieren solle. Da der Kläger für das Gericht glaubhaft angegeben hat, in Afghanistan - nicht zuletzt aufgrund von Fernsehauftritten, bei denen er auch namentlich genannt wurde - über einen relativ hohen Bekanntheitsgrad zu verfügen und zudem immer wieder vor ausländischen Personen, unter anderem Amerikanern, sowie Angehörigen der Streitkräfte Musik gemacht zu haben, erscheint es nachvollziehbar, dass die Taliban den Kläger für ihre Anschlagspläne gegenüber diesen von ihnen verhassten Personenkreisen nutzen wollten. Da der Kläger durch seine Musikertätigkeit auch Zutritt zu Orten hatte, zu denen die Taliban ansonsten keinen Zutritt gehabt hätten, erscheint der Vortrag realistisch. Dass der Kläger tatsächlich ein in Afghanistan bekannter Musiker ist, ergibt sich für das Gericht aus dem vorgelegten Bildmaterial sowie den Bestätigungen des afghanischen

nationalen Musikinstituts, des Aga Khan Trust for Culture- Instituts sowie des Lincoln Center Herat; an der Echtheit der vorgelegten Dokumente bestehen im vorliegenden Fall aufgrund des insgesamt glaubhaften Vortrag des Klägers sowie des Fehlens anderweitiger entgegenstehender Hinweise keine Bedenken. Der Kläger zu 1) hat sodann weiter glaubhaft berichtet, wie er durch die Polizei, welche in dem Ort, in dem er gefangen gehalten worden ist, aufgrund einer Auseinandersetzung zwischen dem Kommandeur des Dorfes und den Taliban im Einsatz gewesen sei und die dortigen Häuser durchsucht habe, befreit wurde. Nach einer kurzen Krankenhausbehandlung und einem Zeitraum der Erholung sei er wieder zur Arbeit in seinen Fotoladen gegangen, wo er kurze Zeit später wiederum von Personen, die ähnlich wie seine Entführer ausgesehen hätten, aufgesucht worden sei und man ihn an die Aufforderung zur Zusammenarbeit erinnert habe. Gleichzeitig habe man ihm unmissverständlich klargemacht, dass man über seinen Aufenthaltsort Bescheid wisse und er sowie seine Familie umgebracht würden, wenn er den Forderungen der Taliban nicht nachkäme. Auch dieser weitere Vortrag kann dem Kläger zu 1), der in der mündlichen Verhandlung einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat und auf die gestellten Fragen ohne Zögern sowie ohne Übertreibungen geantwortet hat, vollumfänglich geglaubt werden. Es haben sich auch zwischen den Angaben des Klägers zu 1) sowie der Klägerin zu 2) letztlich keine Widersprüche ergeben. Soweit die Klägerin zu 2) vor dem Bundesamt angegeben hat, der Kläger zu 1) habe ihr nach dem erneuten Vorfall in dem Fotogeschäft gesagt, er sei geschlagen und gefoltert worden, während der Kläger zu 1) insbesondere in der mündlichen Verhandlung klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er seiner Ehefrau von diesem Vorfall nichts erzählt habe, da es dieser sehr schlecht gegangen sei, da sie kurz zuvor aufgrund der Aufregung ihr Kind verloren hatte, so hat die Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass sich diese Aussage vor dem Bundesamt auf den Vorfall der Entführung bezogen hat. Dies erscheint auch deshalb nachvollziehbar, weil die Klägerin zu 2) andererseits hinsichtlich des Vorfalls im Fotoladen auch erklärt hat, dass ihr Ehemann ihr nichts habe sagen wollen, damit sie sich nicht aufrege. Offensichtlich ist die Aussage des Ehemanns zu den körperlichen Misshandlungen in Zusammenhang mit Nachfragen der

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Ehefrau nach dem Grund für die Ausreise aus Afghanistan gefallen und hat sich - wie erwähnt - inhaltlich auf die Erlebnisse während der Entführungszeit bezogen. Auch konnten die Kläger zu 1) und 2), die getrennt voneinander befragt wurden, letztlich übereinstimmend die Zeitpunkte von Entführung und

Ausreise sowie den dazwischen liegenden Zeitraum benennen. Dass die Kläger hierbei bemerkten, dass sie diesbezüglich nicht ganz sicher seien, spricht nach Auffassung des Gerichts wiederum für ihre persönliche Glaubwürdigkeit und den objektiven Umstand, dass sie sich seinerzeit in einer absoluten

Ausnahmesituation befunden haben.

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2. Aufgrund der glaubhaft geschilderten Entführung, während der der Kläger zu 1) auch körperlich

misshandelt worden ist, sowie der weiterhin glaubhaft geschilderten Bedrohung in seinem Fotogeschäft, ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger zu 1) vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist ist; die

Misshandlungen während der Entführungszeit sowie die Androhung der Tötung stellen zweifellos eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG dar. Es sind darüber hinaus keine stichhaltigen Gründe i.S.d. § 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie ersichtlich, die dagegen sprächen, dass der Kläger zu 1) bei seiner Rückkehr in sein Heimatland erneut von den Taliban bedroht würde. Auf Schutz vor Verfolgung nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3d AsylG durch den afghanischen Staat kann der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten im angegriffenen Bundesamtsbescheid nicht verwiesen werden, da dieser nicht in der Lage ist, für die Sicherheit des Klägers zu sorgen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 5, 17). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Polizei den Kläger nach seiner Entführung befreit hat, da dies ersichtlich nur dem Umstand geschuldet war, dass sich die Polizei aufgrund einer anderweitigen Auseinandersetzung an dem Entführungsort aufgehalten und dort dann sämtliche Häuser durchsucht hat. Das Auffinden des Klägers stellte daher einen Zufall dar. Ebenso kann der Kläger zu 1) auch nicht auf internen Schutz nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG verwiesen werden. Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen. Das Gericht geht - unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie - davon aus, dass der aus der Stadt Herat stammende Kläger zu 1) im vorliegenden Fall weder in der afghanischen Hauptstadt Kabul noch andernorts in Afghanistan internen Schutz erlangen kann, sondern auch dort die vorgetragene Verfolgungsgefahr zu befürchten hätte. Dies ergibt sich vorliegend insbesondere daraus, dass der Kläger zu 1) durch seine Fernsehauftritte, bei denen er auch namentlich benannt wurde, landesweit bekannt ist. Auch auf YouTube gibt es Videomaterial über seine Auftritte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger darüber hinaus erklärt, dass er auch in Kabul an großen Musikveranstaltungen teilgenommen hat. Es ist daher

festzustellen, dass der Kläger aufgrund dieser Sachlage besonders leicht durch die Taliban aufgefunden werden kann, zumal er sich auch regelmäßig in der Öffentlichkeit bewegen müsste, um den

Lebensunterhalt der Familie zu verdienen. Darüber hinaus werden die Taliban auch weiterhin ein

gesteigertes Interesse daran haben, den Kläger zu 1) für ihre Anschlagspläne an herausragenden Orten zu nutzen. Der Kläger weist damit ein erkennbar erhöhtes Risikoprofil auf, da er aufgrund des beschriebenen besonderen Interesses an seiner Person direkt ins Visier der Taliban geraten ist. Dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zu 1) auf Frage des Gerichts vorgetragen hat, dass sein Vater ihm nichts ausdrücklich dahingehend gesagt habe, dass die Taliban nach seiner Ausreise bei seinen Eltern nach ihm gesucht hätten. Denn die Organisation der Taliban ist zumindest in der Lage, ihre Gegner auch in der Hauptstadt Kabul und andernorts in Afghanistan grundsätzlich aufzuspüren (Dr. Danesch, Gutachten an das OVG Lüneburg vom 30.4.2013, ACCORD: „Fähigkeit der Taliban, Personen (insbesondere

Dolmetscher, die für die US-Armee gearbeitet haben) in ganz Afghanistan aufzuspüren und zu verfolgen“

vom 15. Februar 2013), sodass es nur eine Frage der Zeit sein kann, bis dies tatsächlich geschieht. Nach alledem sprechen hinsichtlich des vorverfolgt ausgereisten Klägers keine stichhaltigen Gründe im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der EU Qualifikationsrichtlinie dafür, dass er in Kabul oder in einer anderen afghanischen Stadt vor einer erneuten politischen Verfolgung durch die Taliban sicher wäre.

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3. Nachdem entsprechend vorstehender Ausführungen feststeht, dass der Kläger zu 1) vorverfolgt aus Afghanistan ausgereist ist und ihm bei seiner Rückkehr gleichfalls eine unmenschliche und erniedrigende

(8)

Behandlung durch die Taliban gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG droht, so gilt dies vorliegend auch für die Klägerinnen zu 2) und 3) als Ehefrau und Tochter des Klägers zu 1). Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Gefahr, der der Kläger zu 1) durch die Taliban ausgesetzt ist, auch für diese nahen Angehörigen gilt und sie damit auch selbst mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen müssten, falls der Kläger zu 1) den Forderungen der Taliban nicht nachkommt. Diese Einschätzung steht darüber hinaus in Übereinstimmung mit der Erkenntnismittellage (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 47), wobei die dortige Aufzählung nach Auffassung des Gerichts nicht als abschließend zu betrachten ist.

23

Nach alledem hat die Klage hinsichtlich des gestellten Hilfsantrages Erfolg. Das Gericht geht hinsichtlich der Kostenaufteilung nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO von einer Gewichtung der verschiedenen

Streitgegenstände im Verhältnis von 2:1 (Flüchtlingseigenschaft im Verhältnis zu subsidiären Schutz) aus (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.9.2016 - W 1 K 16.30258 - juris). Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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