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Technologische Kompatibilität und Immaterialgüterrechte Schnittstellen:

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Schnittstellen:

Technologische Kompatibilität und Immaterialgüterrechte

5. Juli 2017

INGRES-Veranstaltung, Lake Side Casino Zürichhorn Dirk Spacek

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Eine never ending story: What else?

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

Technischer/Wirtschaftlicher Terminus

– Austauschbarkeit, Vereinbarkeit, Gleichwertigkeit von Eigen- schaften von Produkt-«Systemen»;

– Miteinanderfunktionieren von Teilen, da gleiche /ähnliche Bauform/selbe Eigenschaften.

Begriff: Kompatibilität

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Rechtliche Relevanz?

Konsumenten: Kompatibilität fördert Substituierbarkeit von Pro- dukten und Benutzerfreundlichkeit.

«Kompatibler Teil»-Anbieter: Gelegenheit zur Marktpenetration.

– «System»-Anbieter: Erhöhter Wettbewerbsdruck.

Begriff: Kompatibilität

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

Bundespatentgericht, 6. Oktober 2016 (S2016_002), vor- sorglicher Massnahmeentscheid:

– Parteien: Nestlé SA vs. Migros-Genossenschafts-Bund et al. (Delica AG, Total Capsule Solutions SA).

– Streitpunkt: «Vertrieb von Kapseln, die dazu bestimmt sind, durch Injektion von Wasser unter Druck in einer Getränkemaschine, insbesondere in einer Getränkema- schine vom Typ Nescafé

®

Dolce Gusto

®

, extrahiert zu werden

– Anspruchsgrundlage: Europäisches Patent EP 1 472 156 B1.

Jüngster Entscheid

5

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Funktionsweise Kapsel:

– Lagerung: Kapsel enthält/isoliert Kaffee.

– Einlegen: Kapsel wird von Kapselkäfig umschlossen und durch Stechdornen heisses Wasser mit hohem Druck in die Kapsel gepresst. Kaffee brüht innerhalb der Kapsel.

– Prozess: Durch internen Druckanstieg reisst Aluminium-Mem- bran an Unterseite der Kapsel (Selbstöffnung), wobei Film über den darunterliegenden, jeweils «erhöhten und zurückversetz- ten Elementen» reisst.

– Im Einzelnen: Siehe Patentansprüche 1 -27 in EP 1 472 156 B1.

Jüngster Entscheid

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

Weichenstellungen:

– Zu verbietende Ausführungsform (Kapsel) darf nicht über den Schutzbereich des Klagepatents hinausgehen.

– Der für Auslegung der Merkmale relevante Fachmann ist «ein Verpackungs- oder Maschineningenieur mit Erfahrung in der Verpackung von Lebensmittelprodukten und auf dem Gebiet der Haushaltsapparate und Kapselmaschinen im Speziellen».

– Eingeschränkte Erfindung : Definition technisches Problem und Auslegung Patentanspruch (Merkmalskombination) sind ver- knüpft und sollten nicht erst nachgelagert geprüft werden.

Jüngster Entscheid

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Ergebnis:

– Abweisung Massnahmebegehren für Total Capsule Solution S.A (Vertrieb und Herstellung durch diese Beklagte nicht glaubhaft).

– Unterschiedliche Meinungen zum «Reissverhalten» der Alumi- niumfolie an Kapsel.

– Rissbildung der Kapsel der Beklagten unterscheidet sich von der im Patent umschriebenen Rissbildung (Vorsprünge eben und parallel zur Folie, kein

«Reissen an erhöhten und zurückversetzten Elementen»).

– Rechtsbegehren gehen über den im Patent gewährten Schutzbereich hin- aus.

– Endergebnis: Abweisung Massnahmebegehren.

– Einredeweise vorgebracht, aber nicht beurteilt: Rechtsbeständig- keit des Patents (vorbestehender Stand der Technik).

Jüngster Entscheid

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

Art. 8 PatG:

– «Das Patent verschafft seinem Inhaber das Recht, anderen zu verbieten, die Erfindung gewerbsmässig zu benützen» (Schutz- umfang).

– Unter Art. 8 PatG wird auch die Herstellung von Ersatzteilten verstanden.

Patentrecht

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PETER HEINRICH, BLUM/PEDRAZZINI:

– Wenn das Ersatzteil als solches unter die Ansprüche eines Patents fällt und alle Merkmale wenigstens eines

Patenanspruchs erfüllt,…liegt eine Patentverletzung vor.

– Wenn andererseits das Ersatzteil überhaupt nicht zum

patentgeschützten Teil der Vorrichtung gehört, liegt keine Patentverletzung vor.

– Problematisch sind die Fälle, in denen die Erfindung darin besteht, mehrere Teile in sinnvoller Weise zu kombinieren.

Wenn dann ein Teil ausgewechselt wird, das funktionell zur Erfindung gehört, fällt das Ersatzteil unter das Patent.

Patentrecht

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

1) Ist kompatibles Ersatzteil selbst patentrechtlich geschützt?

Ja/nein.

2) Ist Produktsystem eine Kombinationserfindung? Ja/nein.

- Gibt das Ersatzteil die wesentlichen Eigenschaften der Kombinationserfindung wieder? Ja/nein.

3) Ist das Patent rechtsbeständig (Neuheit)? Ja/nein.

4) Prüfung Vorliegen einer patentverletzenden Handlung (Art. 66 lit. a. und d. PatG); (Vorsicht bei lit. d. «indirekt»).

Prüfungsraster im Patentrecht

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(12)

-Art. 1 MSchG: «Die Marke ist ein Zeichen, das geeignet ist,

Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden» (positive Voraus-

setzung).

-Art. 2 lit. b. MSchG: Vom Markenschutz ausgeschlossen sind

«Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, und Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind» (negativ – Ausschlussgrund).

Markenrecht

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

Markenrecht

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– Art. 2 lit. b. MSchG: Vom Markenschutz ausgeschlossen sind:

– «Formen, die das Wesen der Ware ausmachen, und Formen der Ware oder Verpackung, die technisch notwendig sind.»

Lehre/Rechtsprechung:

– Markenrecht sollte nicht dazu dienen, technischen Zwecken dienende Formen zu monopolisieren (bzw. abgelaufenen

Patentschutz zu perpetuieren).

– MARKUS WANG, DAVID/MEISSER/DANIEL BOHREN, LUCAS DAVID: Funktionale Formen von Teilen eines Produkts sind vom Markenschutz auszuschliessen, sofern die mechanische Kompatibilität mit anderen Produkten darunter leidet.

Markenrecht

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

– Urteil HGer 4A_20/2012 – «Nestlé v. Denner»:

– Expertengutachten zur technischen Notwendigkeit: Form- marke von Nestlé (Kaffeekapsel) ist markenschutzfähig. Nur der Flansch (der Rand der Kapsel) sei technisch notwendig, nicht aber die Form an sich.

– Nestlé-Marke sei aber technisch mitbeeinflusst und deshalb nur schwach unterscheidungskräftig. Es besteht deshalb keine Verwechslungsgefahr.

Markenrecht – Entscheide

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– Leading Case: BGE 129 III 514 ff. – «Lego vs. Megablocks»

– Trias: a. technisch notwendige (Markenausschluss), b. tech- nisch bedingte (i.d.R. nicht unterscheidungskräftig), c. tech- nisch mitbeeinflusste Formen (grundsätzlich schutzfähig).

– «Technisch notwendig» = wenn Konkurrenten für ein Produkt der betreffenden Art keine alternative Form technisch zur

Verfügung steht oder zugemutet werden kann.

– «Nicht zumutbar»: 1) weniger praktische, 2) weniger solide oder 3) mit grösseren Herstellungskosten verbundene Form- gebungen.

– BGEr 4A_20/2012: Lego-Formmarken definitiv nichtig erklärt.

Markenrecht – Entscheide

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

- 1) Definition des technischen Problems und Lösung einer Form (bei Formmarke).

- 2) Zumutbarkeit von gleichwertigen Alternativformen für Pro- dukte – Spielraum für wettbewerbspolitische Argumentation.

- 3) Technische Mitbeeinflussung von Marken: Allenfalls

«schwache» Marke → keine Verwechslungsgefahr.

- 4) Zweckwidrigkeit (Art. 2 ZGB)? Zweck Marke Kapsel ist eigene Herkunftsfunktion, nicht des Produktsystems.

Prüfungsraster im Markenrecht

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-Art. 1 und 2 DesG: Designgesetz «schützt Gestaltungen von Er- zeugnissen oder Teilen von Erzeugnissen, die namentlich durch die Anordnung von Linien, Flächen, Konturen oder Farben oder durch das verwendete Material charakterisiert sind» … «Design ist

schutzfähig, soweit es neu ist und Eigenart aufweist» (positive Voraussetzung).

-Art. 4 DesG: «Der Designschutz ist ausgeschlossen, wenn … die Merkmale des Designs ausschliesslich durch die technische Funk- tion des Erzeugnisses bedingt sind» (negativer Schutzausschluss).

Designrecht

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

Abrenzungsfragen in Lehre & Rechtsprechung ähnlich wie im Markenrecht (Details siehe vertieft in auf Folie 25 referen-

zierter Publikation).

Besonderheiten:

EU-«Must fit»-Rule als Spezialregelung.

Zusätzliche Prüfungsaspekte:

– Fehlende Eigenart und Neuheit eines Designs (Art. 2 DesG).

– Art. 9 DesG. Gestalterische Ausschliesslichkeit des Designs: Ersatzteile eines designrechtlich geschützten Produkts dürfen vertrieben werden, wenn sie die gestalterischen Eigenschaften des Designs nicht wiedergeben (z.B. nicht

sichtbares Innenbauteil).

Prüfungsraster im Designrecht

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Art. 1 URG: «Dieses Gesetz regelt den Schutz der Urheber und Urheberinnen von Werken der Literatur und Kunst».

Art. 2 Abs. 4 URG: «Ebenfalls geschützt sind Entwürfe, Titel und Teile von Werken, sofern es sich um geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter handelt».

Art. 21 URG: Recht zur Entschlüsselung von Schnittstelleninforma- tionen «zur Entwicklung, Wartung und zum Gebrauch von intero- perablen Computerprogrammen, soweit dadurch weder die nor- male Auswertung des Programms noch die rechtmässigen Inte- ressen der Rechtsinhaber und -inhaberinnen unzumutbar beein- trächtigt werden».

Urheberrecht

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

-Art. 2 UWG: «Unlauter und widerrechtlich ist jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glau- ben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst» (Generalklausel).

-Art. 3 UWG: Spezialtatbestände (bei Kompatibilitätsfragen häu- fig thematisiert: Art. 3 Abs. 1 lit. b. und d. UWG).

Wettbewerbsrecht

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Reichhaltige Rechtsprechung:

– Ähnliche Ansätze/Interessenabwägungen wie im Marken- und Designrecht zum Aspekt der technischen Motivation einer Pro- duktausstattung (siehe z.B. BGE 79 II 316 ff. «Druckknopfschal- ter»).

– Vertrieb kompatibler Ersatzteile grundsätzlich zulässig. Qualifi- ziert irreführende oder rufausbeutende Umstände, damit Ver- halten effektiv als unlauter qualifiziert (siehe z.B. BGE 73 II 194 ff. «Gilette»).

– Unlauterkeit liegt nicht vor, wenn Verwechslungsgefahr vor- gebeugt wird (siehe z.B. BGE 108 II 327 ff. «Bausteine»).

Wettbewerbsrecht

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

Zitat:

«Es ist vielmehr im Interesse des weit verstandenen und auch vom UWG bezweckten Schutzes sowie der Förderung des Wettbewerbs, eine die Kompatibilität bezweckende Nachahmung zu gestatten…»

(PHILIPPE SPITZ/SIMONE BRAUCHBAR BIRKHÄUSER in: Bundes- gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG), Hand- kommentar, Bern 2010, Art. 3 lit. b. N 73; ähnlich auch CARL BAUDENBACHER, UWG, Art. 2 N 226; MARIO M. PEDRAZZINI

DREDERICO A. PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb, 2. Aufl., Bern 2002, N 4.24).

Wettbewerbsrecht

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

– Kompatibilität ist ein IP-Schnittstellengebiet. Es wird nicht nur über die Eingriffsfunktion des Kartellrechts erfasst.

– Kompatibilität ist in sämtlichen IP-Erlassen «implizit»

adressiert («explizit» Interoperabilität im URG).

– Unterschiedliche Schutzrechte, unterschiedliche For- men der Kompatibilitätsbeurteilung.

– Subtile Argumentation pro und contra Kompatibilität:

Anwälte/innen aktiv gefragt!

Ausblick

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INGRES-Veranstaltung 5. Juli 2017

– Für eine Vertiefung siehe:

– Dirk Spacek, Produktkompatibilität – Systemschutz

durch Immaterialgüterrechte? in: Mirina Grosz/Seraina Grünewald (Hrsg.), Recht und Wandel, Festschrift für Rolf H. Weber, Zürich 2016.

– https://www.walderwyss.com/publications/1921.pdf .

Weitere Hinweise

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Referenzen

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