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Big Pharma und der orientalische Basar

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Academic year: 2022

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Big Pharma und der orientalische Basar

Manchmal kommt man auf Reisen zu neuen Einsichten. Ich habe mir kürzlich eine kleine Auszeit gegönnt und eine Rundreise durch Marokko gemacht. Dort habe ich den „Volks- sport“ der Nation erlebt, das Han- deln und Feilschen. Man geht von einem „Mondscheinpreis“ aus und trifft sich dann in der Mitte und beide Seiten haben gewonnen.

Damit wären wir bei der Überschrift des Editorials, bei der Realität der großen international agierenden Pharmakonzerne, die Milliardenge- winne einstreichen und diese natür- lich als schlagkräftigen Machtfaktor einsetzen können. Das erleben wir schon fast alltäglich. Da wird ein neues Präparat, das als „zukunfts- weisend“ angepriesen wird, auf den Markt gebracht. Dem ist eine ausge- prägte subkutane Lobby-Arbeit vor- ausgegangen, um dieses Mittel ge - bührend zu platzieren. Dann wird eine sehr hohe Preisvorstellung ein- gebracht und nun beginnt der „ori- entalische Basar“. Es erfolgt zu - nächst ein Aufschrei bei den poten- ziellen Kostenträgern, die Preisvor- stellungen würden das Solidaritäts- prinzip sprengen. Man versucht, die Politiker einzuschalten, meist ohne Erfolg. Dann wird verhandelt, alles natürlich streng geheim (TTIP lässt grüßen). Man feilscht und feilscht und feilscht. Jede Seite bringt Argu-

mente für die Preisgestaltung ein.

Die Vertreter der Pharmalobby ver- weisen auf die hohen Entwicklungs- kosten und den innovativen Charak- ter des neuen Produktes, die Kosten- träger auf das Ende der Finanzierbar- keit. Schließlich einigt man sich auf eine niedrigere als die ursprüngliche Preisvorstellung. Beide Seiten fühlen sich als Sieger. Die Pharmaindustrie, weil sie trotzdem noch riesenhafte Gewinne macht. Die Seite der Kos- tenträger, weil sie im Sinne der Soli- dargemeinschaft größeren Schaden abgewendet habe. Ob die Kostenträ- ger es nicht merken wollen, dass sie trotzdem gelinkt wurden, bleibt offen. Es gibt nämlich keine Offenle- gung, wie hoch der Herstellungspreis tatsächlich ist.

Gute Beispiele sind die Onkologika oder die Biologika. Schaut man sich die „Hit-Liste“ der zehn umsatz- stärksten Präparate an, so machten diese im Jahr 2014 einen Umsatz von 74,3 Mrd. Euro. Von den Bio- logika liegt auf Platz 1 unverändert Adalimumab mit einem Jahresumsatz von 11,3 Mrd. Euro. Auf Platz 3, 4 und 5 der „Hitliste“ folgen mit Infli- ximab (8,3 Mrd. Euro), Rituximab (7,8 Mrd. Euro) und Etanercept (7,7 Mrd. Euro) drei weitere Biologika.

Das sind die wichtigsten Medika- mente in der Rheumatologie. Wer aber nun glaubte, dass nach Auslau- fen der Patente die Preise sinken, sieht sich getäuscht. Weil diese Medikamente so kostenintensiv sind, sollen nun die Biosimilar Abhilfe schaffen. Deren vergleichbare Wir- kung ist aber noch keineswegs gesi- chert. Sie sind außerdem nur etwas preisgünstiger. Viele Rheumatologen lehnen eine Umstellung ab, weil noch keine Langzeit ergebnisse vor- liegen. Allenfalls bei Neueinstellun- gen von Patienten sollte über diese Möglichkeit nachgedacht werden.

Am Ende der Kette stehen Arzt und Patient. Bei den Ärzten steht die ver- briefte Therapiefreiheit schon lange nur noch auf dem Papier. Über ihnen schweben die drei großen „R“ (Ra - battverträge, Reimporte, Regresse).

Ärzte sollen entsprechend der Ra - battverträge die preisgünstigsten

Präparate verordnen. Da aber die Preisverhandlungen zwischen den Kostenträgern und der pharmazeuti- schen Industrie streng geheim blei- ben, wissen sie nicht, ob es vielleicht noch preisgünstigere Alternativen gibt. Ein weiteres Problem stellen die Reimporte dar. Da werden die Medi- kamente durch ganz Europa gekarrt, um dann mit einem niedrigeren Preis wieder in unseren Apotheken zu landen. Ist das im Sinne unserer Umwelt? Wenn die Medikamente nach solch einer Irrfahrt mit entspre- chenden Kosten dann trotzdem in Deutschland noch preisgünstiger ver- trieben werden können, zeigt das doch, wieviel „Luft“ noch im System ist. Ob auf der Irrfahrt Kühlketten und Lagerungsbedingungen einge- halten oder Fälschungen vorgenom- men wurden, kann niemand sagen.

Wenn der verantwortungsvolle Arzt das „Aut idem Feld“ zu häufig ankreuzt, weil er garantieren will, dass der Patient nicht gefährdet wird, greifen die Regeln der sogenannten Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dann sind wir beim dritten „R“, dem Regress.

Der neuste Trend der Kassen scheint die direkte Beeinflussung der Patien- ten zu sein, indem sie die Patienten auffordern, ihre Ärzte anzusprechen, ob es nicht preisgünstigere Thera- pien gibt. Auch dafür gibt es bereits Beispiele.

Der Patient als letzter in der Kette hat angeblich Anspruch auf die best- mögliche Therapie. Wie soll das nach den bisherigen Ausführungen noch funktionieren? Wir erleben es doch täglich, wie die Patienten verunsi- chert sind , weil die „blaue Pille“, die sie bisher erhalten haben, vom Apo- theker aufgrund seiner Vorgaben in eine „gelbe“ und beim nächsten Mal in eine „weiße“ umgewandelt wur - de. Förderung der Compliance? Fehl- anzeige!

Fazit: Globale Kleptokratie, obszöne Preisvorstellungen, Eingriffe in die Therapiefreiheit – wie lange wollen wir uns das noch gefallen lassen?

Wie ist Ihre Meinung? Diskutieren Sie mit!

Prof. Dr. med. habil. Hans-Egbert Schröder Vorsitzender des Redaktionskollegiums des

„Ärzteblatt Sachsen“

Editorial

184 Ärzteblatt Sachsen 5 / 2016

Prof. Dr. med. habil. Hans-Egbert Schröder

© SLÄK

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