• Keine Ergebnisse gefunden

Die Rolle von Partnerschaft, Erziehung und Elternstress beim Problemverhalten von Kindern im Vorschulalter

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Die Rolle von Partnerschaft, Erziehung und Elternstress beim Problemverhalten von Kindern im Vorschulalter"

Copied!
9
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Rolle von Partnerschaft,

Erziehung und Elternstress beim Problemverhalten von Kindern im Vorschulalter

Anna-Leena Feldkötter, Tamara Thomsen und Nora Lessing

Institut für Psychologie der Universität Hildesheim

Zusammenfassung:Das Elternhaus bildet für Kinder, insbesondere in jüngeren Lebensjahren, den zentralen Lebensraum. Dabei sind Eltern die ersten und engsten Bezugspersonen und tragen für die Entwicklung und Entfaltung der Kinder Verantwortung. Die vorliegende Frage- bogenstudie untersucht beiN= 81 Elternteilen und ihren Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren (M= 5.22 J.,SD= 0.86) den Zusammenhang von Partnerschaftszufriedenheit, positiven sowie negativen Erziehungsverhaltensweisen und Elternstress auf das kindliche Problemverhalten.

Multiple Regressionsanalysen zeigen, dass der negative Zusammenhang zwischen der Partnerschaftszufriedenheit und dem kindlichen Problemverhalten vollständig über das negative Erziehungsverhalten bzw. den Elternstress vermittelt wird. Die Ergebnisse unterstützen somit die Spillover-Hypothese und nicht die Kompensationshypothese. Insgesamt legen die Befunde zudem den Schluss nahe, dass nega- tives Erziehungsverhalten mehr negative Verhaltensweisen der Kinder begünstigt, als positives Erziehungsverhalten dieses vermeidet.

Schlüsselwörter:kindliches Problemverhalten, Partnerschaftszufriedenheit, Erziehungsverhalten, Elternstress

The Role of Partnership, Parental Behavior, and Parenting Stress on the Problem Behavior of Preschool Children

Abstract:Parents form the central living space for children, especially in their younger ages. They are the primary caregiversthey are responsible and influential for a childs development. Therefore, it is crucial that parenting behavior is conducive to the childs development.

Studies consistently show that childrens psychological and physical health can be severely affected by parental conflict and disharmony (Harold & Sellers, 2018). The present study not only focuses on the relation between relationship satisfaction and the childs problem behavior (i. e., emotional problems, behavioral problems, hyperactivity, and peer problems), but also investigates the mediating or moderating role of positive parental behavior (i. e., involvement, positive parenting), negative parental behavior (e. g., physical punishment, inconsistent parenting behavior, powerful enforcement) and parental stress. Here, two hypotheses are contrasted: the spillover hypothesis versus compensatory hypothesis. The assumption under the spillover hypothesis is that an unsatisfactory partnership leads to negative educational behavior, which then has a negative effect on the development of the child (mediation hypothesis). This contrasts with the examination of the compensatory hypothesis, in which a favorable parenting behavior should buffer the negative relationship between partnership satisfaction and child problem behavior (moderation hypothesis). As part of the CORE² project (Conditions of Regulation and Coping Resources) 81 parents whose children were between 3 and 6 years old (M= 5.22 years,SD= 0.86) were cross-sectionally interviewed by pre-established questionnaires. Overall, the results suggest that the negative relation between relationship satisfaction and the childs problem behavior is completely mediated through negative parental behavior and parental stress. This confirms the acceptance of the spillover hypothesis. No moderating effects were detected, leading to a rejection of the compensatory hypothesis. In addition, negative parental behavior correlated significantly with problem behavior, while positive parental behavior did not significantly correlate with problem behavior of children. Although causal relationships cannot be deduced based on the cross-sectional design, it could be tentatively assumed that negative parental behavior plays a greater role in negative child behavior than does positive parental behavior in preventing it.

The clarification of causality should be the subject of further investigations. The perception, reflection, and treatment of family dynamics, in addition to the treatment of childrens behavioral problems, are crucial to ensure the best possible development for children.

Keywords:behavior problems of children, relationship satisfaction, parental negative and positive behavior, parental stress, spillover and compensatory hypothesis

Im frühen Kindesalter stellt das Elternhaus die zentrale Lebenswelt und den primären Entwicklungskontext von Kindern dar. Die ersten Lebensjahre sind eine besonders

prägende Zeit, in der„spezifische Erfahrungen maximale positive oder negative Wirkungen haben“ (Montada, 2008, S. 29) und als Grundlage für die gesamte weitere

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

(2)

Entwicklung stehen. Folglich kann das jeweilige Klima innerhalb einer Familie entscheidend für eine gesunde kindliche Entwicklung sein. Innerhalb der letzten zwei Dekaden konnten Studien zeigen, dass eine als schwierig erlebte Partnerschaft sowie ausgeprägtes elterliches Streitverhalten mit Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter im Zusammenhang stehen (Gabriel &

Bodenmann, 2006a; Grych & Fincham, 2001; Reichle &

Gloger-Tippelt, 2007; Zemp, 2018; Zemp & Bodenmann, 2015), die wiederum zu Vorläufern für Störungen im Er- wachsenenalter werden können (Kim-Cohen et al., 2003).

Studien zeigen konsistent, dass Kinder, die in einem Fa- milienklima aufwachsen, das von partnerschaftlicher Disharmonie und Konflikten gekennzeichnet ist, mehr Problemverhalten aufweisen als Kinder von Eltern in harmonischen Partnerschaften (Gabriel & Bodenmann, 2006a, b; Weindrich, Laucht, Esser & Schmidt, 1992).

Probleme auf Paarebene können die Entwicklung von Kindern bremsen, wenn beispielsweise Kinder als Schiedsrichter positioniert oder angeleitet werden, Loya- lität zu einer Seite zu bekunden, aber auch wenn eine de- struktive Konfliktaustragung zwischen den Paaren statt- findet (z. B. chronisches Auftreten unversöhnlicher, dys- funktionaler Kommunikation; Cummings & Davis, 2010;

Harold & Sellers, 2018; Honkanen-Schoberth, 2002). Da- bei beeinträchtigt besonders Letzteres ein basales Be- dürfnis der Kinder nach familiärer Sicherheit (Cummings

& Davis, 2010; Zemp & Bodenmann, 2015). In einer pro- spektiven Längsschnittstudie mit 315 Familien im Rah- men der Mannheimer Risikokinderstudie zeigten Weind- rich und Kollegen (1992), dass drei Monate alte Kinder, deren Eltern eine disharmonische Partnerbeziehung be- schrieben, mit 24 Monaten signifikant mehr Verhaltens- auffälligkeiten aufwiesen als Kinder, deren Eltern eine harmonische Beziehung führten. Studien von Gabriel und Bodenmann (2006a, b) deuten darauf hin, dass internali- sierende und externalisierende kindliche Verhaltensauf- fälligkeiten in einem signifikanten Zusammenhang mit elterlichen Erziehungskonflikten stehen und dass Eltern, deren Kinder Aufmerksamkeitsprobleme und / oder ex- ternalisierendes Verhalten zeigen, im Vergleich zur Kon- trollgruppe signifikant niedrigere Werte im Wohlbefin- den, der erzieherischen Rollenzufriedenheit und der Partnerschaftsqualität aufweisen. Ein aktueller zusam- menfassender Überblicksartikel (Harold & Sellers, 2018) bestätigt die Befunde zur Rolle von Partnerschaftskon- flikten bei der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten und hebt vor allem die Vielfalt der betroffenen Bereiche hervor: Ungünstige Entwicklungsverläufe der Kinder und Jugendlichen zeigen sich nicht nur auf verhaltensbezoge- ner (z. B. externalisierende Probleme wie Störung des So- zialverhaltens) oder körperlicher Ebene (z. B. Schlafstö- rungen oder Kopfschmerzen), sondern auch in sozialen

(z. B. Probleme mit Geschwistern oder Freunden), emo- tionalen (z. B. internalisierende Probleme wie Depressio- nen und Ängste) und akademischen Bereichen (z. B.

Schulschwierigkeiten) sowie mit Blick auf zukünftige zwi- schenmenschliche Beziehungen (z. B. spätere Partner- schaftsprobleme).

In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die Frage nach den Wirkmechanismen, die erklären können, war- um eine schlechte Partnerschaftsqualität zu kindlichen Verhaltensauffälligkeiten führt. Zum einen ist es möglich, dass das Lernen am Modell eine Erklärung dafür liefern kann, wie sich eine ungünstige Qualität der Elternpart- nerschaft auf das Problemverhalten von Kindern auswirkt (Bandura, 1976, 2004). Kinder lernen beispielsweise feindseliges oder aggressives Verhalten, wenn sie beob- achten, wie sich die Eltern feindselig oder aggressiv zu- einander verhalten. Zum anderen kann die Spillover-Hy- pothese eine weitere Erklärung liefern. Beim sogenannten Spillover-Effekt wird davon ausgegangen, dass die elterli- che Partnerschaftsqualität direkt mit spezifischen elterli- chen Erziehungsverhaltensweisen zusammenhängt, die wiederum das Kind in seiner Entwicklung beeinflussen (Cox, Paley & Harter, 2001; Erel & Burman, 1995; Fin- cham & Hall, 2005; Katz & Gottman, 1996; Reichle &

Gloger-Tippelt, 2007; Zimet & Jacob, 2001). Während Eltern in zufriedenen Partnerschaften empfänglicher und sensibler für die Bedürfnisse ihrer Kinder sind und eher positives Erziehungsverhalten (wie z. B. Wärme und In- volviertheit) zeigen, sind Eltern in konflikthaften Partner- schaften weniger aufmerksam und sensitiv gegenüber ih- ren Kindern und reagieren auf kindliches Verhalten häu- figer mit ungünstigem Erziehungsverhalten (wie z. B. kör- perlichen Strafen, geringem Monitoring, inkonsistentem Verhalten und machtvollem Durchsetzen). Da die Eltern aufgrund ihrer eigenen Belastung emotional weniger er- reichbar und empathisch sind, reagieren sie möglicher- weise ablehnender, aggressiver und feindseliger auf kindliches Verhalten, was wiederum zu ungünstigen Ent- wicklungsoutcomes auf Seiten der Kinder führt (Beel- mann, Stemmler, Lösel & Jaursch, 2007; Franiek &

Reichle, 2007; Petermann & Petermann, 2006; Reichle &

Franiek, 2009; Reichle & Gloger-Tippelt, 2007). Studien, die den Spillover-Effekt in Familien untersuchen, zeigen gemäß der Hypothese negative Zusammenhänge zwi- schen dem elterlichen Streitverhalten und dem positiven Erziehungsverhalten gegenüber dem Kind. Sie führen auch an, dass eine mangelhafte Ehebeziehung mit einer schwierigen Beziehung der Eltern zum Kind einhergeht (Coiro & Emery, 1998; Erel & Burman, 1995). So konnte nachgewiesen werden, dass der Zusammenhang zwi- schen feindseligen ehelichen Interaktionen von Eltern und aggressivem, negativen Spiel ihrer Kinder durch das ablehnende Verhalten des Vaters mediiert wird (Katz &

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

(3)

Gottman, 1996). Auch Cina und Bodenmann (2009) konnten belegen, dass der Zusammenhang von negativer Konfliktkommunikation der Eltern und kindlichem Pro- blemverhalten indirekt über ein ungünstiges Erziehungs- verhalten mediiert wurde. Reichle, Franiek und Dette- Hagenmeyer (2010) fanden zudem einen Zusammen- hang von Resignation und Rückzug bei elterlichen Kon- flikten und oppositionell-aggressivem Verhalten der Kin- der, der durch inkonsistentes Elternverhalten mediiert wurde.

Der Spillover-Hypothese steht jedoch die Kompensati- onshypothese gegenüber, bei der davon ausgegangen wird, dass eine stressvolle und nicht zufriedenstellende Partnerschaft die Aufmerksamkeit auf das Kind vergrö- ßert, um damit die fehlende Partnerschaftszufriedenheit zu kompensieren (Erel & Burman, 1995). Aufgrund der elterlichen Unzufriedenheit über die Paarbeziehung wird mehr Anstrengung und Energie in Form von Zuneigung, Aufmerksamkeit, Sensibilität und Zeit für die Beziehung zum Kind mobilisiert. Eltern streben somit nach einer engen und erfüllenden Beziehung zum Kind, da ihnen dies in ihrer Partnerschaft verwehrt wird. Hier wird von einem moderierenden Effekt ausgegangen, bei dem der Zusammenhang einer mangelnden partnerschaftlichen Beziehungsqualität und kindlichem Problemverhalten durch ein positives Erziehungsverhalten gepuffert wird (Cox et al., 2001; Erel & Burman, 1995; Fincham & Halll, 2005; Katz & Gottman, 1996).

Empirisch konnten jedoch nur wenige Ergebnisse diese Kompensationseffekte bestätigen: Frosch und Mangels- dorf (2001) ebenso wie Katz und Gottman (1997) fanden in Studien mit Kindern im Vor- und Grundschulalter, dass positives Elternverhalten (wie z. B. Wärme, Lob, Sensibi- lität, keine abfällige Haltung und Unterstützung im Um- gang mit Emotionen der Kinder) angesichts ehelicher Probleme, Konflikte oder Trennung die Auswirkungen auf Verhaltensprobleme (z. B. in Bezug auf die Emotionsre- gulationsfähigkeiten oder den Umgang mit Gleichaltri- gen) reduzieren und einen puffernden Effekt haben.

Insgesamt zeigt sich in der Forschung rund um die Spillover- und Kompensationshypothese ein eher unein- heitliches Bild zur Rolle des Elternverhaltens beim Zu- sammenhang von Partnerschaftsqualität und kindlichen Verhaltensproblemen. Zwar können überwiegend Belege für Mediationseffekte (Spillover-Hypothese), aber auch einige für Moderationseffekte (Kompensationshypothese) gefunden werden. Während ein großer Teil an Studien überwiegend das eheliche Konfliktverhalten untersucht, beschäftigt sich die vorliegende empirische Untersuchung mit dem Zusammenhang von ehelicher Partnerschafts- zufriedenheit und kindlichem Problemverhalten. Als mögliche Wirkmechanismen werden nicht nur das elter- liche Erziehungsverhalten, sondern auch das elterliche

Stresserleben untersucht. Das Zusammenspiel der Varia- blen soll sowohl anhand der Spillover- als auch anhand der Kompensationshypothese überprüft werden.

Fragestellung

Im Fokus der hier vorgestellten Querschnittstudie steht die Frage, ob das elterliche Erziehungsverhalten oder der Elternstress eine Rolle bei dem vermuteten negativen Zusammenhang von Partnerschaftszufriedenheit und kindlichem Problemverhalten spielt. Dabei soll unter- sucht werden, ob eher von einer mediierenden (Spillover- Hypothese) oder einer moderierenden (Kompensations- hypothese) Rolle des Erziehungsverhaltens bzw. des El- ternstresses auszugehen ist. Die Annahme unter der Spillover-Hypothese ist, dass eine nicht zufriedenstellen- de Partnerschaft mit negativen Erziehungsverhaltenswei- sen verknüpft ist, welche wiederum mit kindlichem Pro- blemverhalten in Zusammenhang stehen. Dem gegen- über steht die Prüfung der Kompensationshypothese, bei der ein günstiges Erziehungsverhalten den negativen Zu- sammenhang zwischen Partnerschaftszufriedenheit und kindlichem Problemverhalten moderieren sollte. Unter Berücksichtigung bisheriger Studienergebnisse ist anzu- nehmen, dass die Spillover-Hypothese bestätigt wird, nicht nur, weil diese häufiger nachgewiesen werden konnte, sondern auch, da Partnerschaftsqualität, Erzie- hungsverhalten, Elternstress und Problemverhalten si- multan und ohne Zeitverzögerung erfasst wurden.

Methode

Design und Durchführung

Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen des CORE²- Projektes (Conditions of Regulation and Coping Resour- ces), an dem 101 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren sowie jeweils ein Erziehungsberechtigter teilnahmen. Die Pro- bandenrekrutierung erfolgte über Aushänge und Flyer in Kindertagesstätten, Arztpraxen und anderen öffentlichen Einrichtungen ebenso wie über Zeitungsartikel. Die Er- hebungen fanden in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen statt. Während die Kinder zuhause oder in Räumlichkeiten der Universität untersucht wur- den, füllten die Erziehungsberechtigten einen Fragebogen über sich und das Kind aus. Die für diese Studie relevan- ten Daten wurden ausschließlich über die elterliche Aus- kunft erfragt.

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

(4)

Stichprobe

Von den ursprünglich 101 Kindern und Erziehungsbe- rechtigten konnten Daten von 81 Probanden ausgewertet werden, da nur Elternteile mit einbezogen wurden, die mit dem jeweils leiblichen Vater (bzw. der Mutter) des Kindes noch zusammenleben1. Die Elternteile waren mit 91.4 % überwiegend Mütter (N= 74) und zwischen 24 und 48 Jahren alt (M= 37.88,SD= 4.58,N= 3 ohne Angabe).

Die jeweiligen Partner waren zwischen 26 und 55 Jahren alt (M= 40.02,SD= 5.53,N= 4 ohne Angabe). Das Alter der Kinder lag zwischen 3 und 6 Jahren (M = 5.22,SD= 0.86), 48.1 % der Kinder waren weiblich (N= 39). Der durchschnittlich höchste Bildungsabschluss der teilneh- menden Elternteile lag im oberen Bereich (28.4 % Real- schulabschluss; 9.9 % Fachabitur; 23.5 % allgemeine Hochschulreife; 32.1 % Masterabschluss, 6.2 % sonstige Angaben).

Erhebungsinstrumente

Kindliches Problemverhalten

Zur Erfassung kindlicher Verhaltensauffälligkeiten wurde die deutsche Version des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ-Deu) verwendet (Klasen et al., 2000; Klasen, Woerner, Rothenberger & Goodman, 2003). Das Problemverhalten wurde aus vier Skalen (Emotionale Probleme, Verhaltensauffälligkeiten, Hyper- aktivität und Probleme mit Gleichaltrigen) mit insgesamt 20 Items aufsummiert und gemittelt. Das Skalenniveau wurde abweichend vom Original von einem dreistufigen auf ein fünfstufiges (1 =„trifft nicht zu“bis 5 =„trifft ganz genau zu”) erhöht, um die Bandbreite der Antwortmög- lichkeiten zu vergrößern. Die innere Konsistenz der Ge- samtskala liegt beiα= .86.

Partnerschaftszufriedenheit

Die Partnerschaftszufriedenheit wurde anhand der sieben Items der Skala Partnerschaft vom Elternstressfragebo- gen (ESF; Domsch & Lohaus, 2010) erhoben. Die Skala Partnerschaft misst die partnerschaftliche Unterstützung und Zufriedenheit sowie die Einigkeit bei der Erziehung.

Jede der Aussagen konnte auf einer vierstufigen Skala (1 =

„trifft nicht zu“ bis 4 = „trifft genau zu“) eingeschätzt werden. Die Items wurden summiert und gemittelt, die innere Konsistenz beträgtα= .82.

Erziehungsverhalten

Zur Messung des Erziehungsverhaltens wurden ausge- wählte Skalen der deutschen erweiterten Version des Alabama Parenting Questionnaire für Eltern von Kindern im Grundschulalter (DEAPQ-EL-GS; Reichle & Franiek, 2007, 2009) verwendet. Das positive Erziehungsverhal- ten wurde durch die Erziehungsdimensionen Positives Elternverhalten (6 Items) und Involviertheit (6 Items) er- fasst, während das negative Erziehungsverhalten anhand der Skalen Machtvolle Durchsetzung (6 Items), Inkonsis- tentes Elternverhalten (6 Items) und Körperliche Strafen (4 Items) bestimmt wurde2. Die Skalen positives und ne- gatives Erziehungsverhalten wurden jeweils durch die Berechnung des arithmetischen Mittels gebildet. Jedes Item wurde auf einer fünfstufigen Skala beantwortet, die von (1)„nie“ bis (5)„immer“ reicht. Die innere Konsis- tenz liegt beiα= .72 für positives Erziehungsverhalten und beiα= .73 für negatives Erziehungsverhalten.

Elternstress

Der subjektive Elternstress wurde mit der Skala Elterli- ches Stresserleben des Elternstressfragebogens (ESF;

Domsch & Lohaus, 2010) erfasst. Die insgesamt 17 Items beziehen sich inhaltlich auf die empfundene Kompetenz in der Erziehung und den erlebten Stress durch die El- ternschaft und Interaktion mit dem Kind. Die Skala wird ebenfalls durch das arithmetische Mittel der Items be- rechnet, die innere Konsistenz liegt beiα= .92.

Statistisches Vorgehen

Sämtliche statistische Analysen wurden mit SPSS Version 24 berechnet. Den deskriptiven Statistiken zum kindlichen Problemverhalten, der Partnerschaftszufriedenheit, dem Er- ziehungsverhalten und dem Elternstress folgen bivariate Korrelationsanalysen. Um mediierende Effekte zu überprü- fen, wurden drei Modelle anhand von multiplen Regressi- onsanalysen mit dem Macro PROCESS (Hayes, 2018) be- rechnet. Unabhängige Variable war stets die Partnerschafts- zufriedenheit (X) und abhängige Variable das kindliche Pro- blemverhalten (Y). Als Mediatoren (M) werden das negative Erziehungsverhalten (Modell 1), der Elternstress (Modell 2) und das positive Erziehungsverhalten (Modell 3) untersucht.

Abbildung 1 verdeutlicht die in den Mediationsanalysen be- rechneten Pfade (a, b, c, c‘). Berichtet werden die standardi- sierten Koeffizienten (β), die Modellgüte (R, R2, F(df1,df2)) so-

1 Bei den ausgeschlossenen Probanden lebten die leiblichen Eltern getrennt, der Fragebogen wurde von beiden Elternteilen ausgefüllt oder von anderen Erziehungsberechtigten (z. B. Großeltern).

2 Obwohl der Fragebogen ursprünglich für Eltern von Grundschulkindern konzipiert wurde, lassen sich nahezu alle Items für die jüngere Alters- gruppe im Wortlaut übernehmen, lediglich drei Items wurden vom Schul- an den Kindergartenkontext angepasst (z. B.”Sie fragen Ihr Kind, wie sein Tag in der Schule war”=”Sie fragen Ihr Kind, wie sein Tag im Kindergarten war”).

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

(5)

wie die Signifikanz des indirekten Effekts (ab) mittels des Bootstrapping-Verfahrens (bei 5000 gezogenen Bootstrap- Samples und einem 95 % Bootstrap-Konfidenzintervall).

Anschließend wurde eine Moderationsanalyse anhand der multiplen Regression mit der unabhängigen Variable Part- nerschaftszufriedenheit, der abhängigen Variable kindliches Problemverhalten und dem Moderator positives Erzie- hungsverhalten berechnet. Die Prädiktoren wurden zen- triert, um Multikollinearität zu vermeiden.

Ergebnisse

Deskriptive Ergebnisse

Tabelle 1 zeigt die bivariaten Korrelationen zwischen der Partnerschaftszufriedenheit, dem Erziehungsverhalten, dem Elternstress und dem kindlichen Problemverhalten. Zwi- schen der Partnerschaftszufriedenheit und dem kindlichen Problemverhalten zeigt sich eine signifikant negative Korre- lation. Ein Zusammenhang zwischen Partnerschaft und Er- ziehungsverhalten findet sich lediglich beim negativen Er-

ziehungsverhalten. Auch der Elternstress ist signifikant ne- gativ mit der Partnerschaftszufriedenheit korreliert. Zwi- schen dem kindlichen Problemverhalten und dem Erzie- hungsverhalten lässt sich erneut nur für das negative Erzie- hungsverhalten sowie für den Elternstress eine signifikante Korrelation finden.

Spillover-Effekte: Mediationsanalysen

Das erste Mediationsmodell (Abb. 2) zeigt einen signifikant indirekten Effekt der Partnerschaftsqualität über das negati- ve Erziehungsverhalten auf das kindliche Problemverhalten (ab = -.10,CI95% = -.22 bis -.01). Auch das zweite Media- tionsmodell (Abb. 3) zeigt einen signifikant indirekten Effekt, mediiert über den elterlichen Stress (ab= -.11,CI95%= -.24 bis -.02). Da in beiden Modellen der signifikante Zusammen- hang zwischen Partnerschaftszufriedenheit und kindlichem Problemverhalten unter Berücksichtigung der Mediatoren nahezu vollständig verschwindet, kann von einer vollständi- gen Mediation ausgegangen werden. Da weder signifikante Korrelationen des positiven Elternverhaltens mit der Part- nerschaftszufriedenheit noch mit dem kindlichen Problem-

Anmerkungen:a=direkter Pfad von Partnerschaftszufriedenheit (X) auf das negative Erziehungsverhalten (M im Modell 1), den Elternstress (M im Modell 2) und das positive Erziehungsverhalten (M im Modell 3); b=direkter Pfad des negativen Erziehungsverhaltens (M im Modell 1), des Elternstresses (M im Modell 2) und des positiven Erziehungsverhaltens (M im Modell 3) auf das kindliche Problemverhalten; c =Pfad von Partnerschaftszufriedenheit (X) auf das kindliche Problemverhalten; c=Pfad von Partnerschaftszufriedenheit (X) auf das kindliche Problemverhalten, mediiert durch das negative Erziehungsverhalten (M im Modell 1), den Elternstress (M im Modell 2) und das positive Erziehungsverhalten (M im Modell 3).

Abbildung 1.Mediatormodelle mit Bezeichnung der zu berechnenden Pfade.

Tabelle 1.Deskriptive Statistik und bivariate Zusammenhänge

Variable M (SD) Min-Max 1 2 3 4 5 6

Kindliches Problemverhalten 1.95 (.47) 1.052.95 -.24* -.15 .49** .59** .20

Partnerschaftszufriedenheit 3.06 (.60) 1.14–4.00 -.18 -.26* -.24* .01

Positives Erziehungsverhalten 4.20 (.34) 3.42–5.00 -.02 -.12 -.15

Negatives Erziehungsverhalten 2.37 (.34) 1.56–3.17 .45** .16

Elternstress 2.11 (.54) 1.243.59 .17

Alter 5.22 (.86) 3.676.92

Anmerkungen:79N81; **p< .01; *p< .05

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

(6)

verhalten gefunden wurden, sind im dritten Modell die Vor- aussetzungen für die Berechnung einer Mediationsanalyse nicht erfüllt, es wird daher nicht berechnet.

Kompensationseffekte:

Moderationsanalyse

Das Ergebnis der multiplen Regressionsanalyse,R= .32,R2=

.10,F(3,75)= 2.85,p= .04, zeigt, dass das positive Erziehungs-

verhalten den Zusammenhang zwischen Partnerschaftszu- friedenheit und kindlichem Problemverhalten nicht abmil- dert: Die Interaktion von Partnerschaftszufriedenheit und positivem Erziehungsverhalten wird nicht signifikant (Tab.

2).

Diskussion

Die Befunde der Untersuchung zeigen, dass eine als un- zufrieden erlebte Partnerschaft mit dem Problemverhal- ten von Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren im Zusam-

menhang steht. Dieser Zusammenhang wird durch nega- tive Erziehungsverhaltensweisen und elterliches Stresser- leben mediiert. Demnach scheinen Eltern, die mit ihrer aktuellen Partnerschaft unzufrieden sind, eher ungünstige Erziehungsstrategien anzuwenden und ein höheres elter- liches Stresserleben zu empfinden, was wiederum mit kindlichem Problemverhalten einhergeht. Dahingegen konnte weder ein vermittelnder noch ein kompensieren- der Effekt von positiven Erziehungsverhaltensweisen ge- funden werden. Die Ergebnisse stützen somit eher die Spillover-Hypothese für ungünstige elterliche Verhaltens- weisen.

Obwohl die Befunde der Studie, wie auch viele andere Forschungsergebnisse, die Spillover-Hypothese bestäti- gen, sollte die Kompensationshypothese nicht endgültig verworfen werden. Die spärlichen Belege für die Kom- pensationshypothese könnten möglicherweise dadurch erklärt werden, dass die Effekte zeitverzögert auftreten:

Hinweise dazu gibt eine Studie von Kouros, Papp, Goeke- Morey und Cummings (2014), die die eheliche Qualität und ihre Auswirkung auf die Eltern-Kind-Beziehung über ein Tagebuchverfahren untersuchten, das über fünfzehn Tage hinweg von den Eltern ausgefüllt wurde. Analysen,

Anmerkungen:Angabe der standardisierten Koeffizienten (β),

*p< .05, **p< .01,R= .50,R2=.25,F(2,76)= 12.98,p= .000

Abbildung 2.Mediationsmodell für den Zusammenhang zwischen Partnerschaftszufriedenheit und kindlichem Problemverhalten, mediiert durch das negative Erzie- hungsverhalten.

Anmerkungen:Angabe der standardisierten Koeffizienten (β),

*p< .05, **p< .01,R= .60,R2=.36,F(2,76)= 21.59,p= .000

Abbildung 3.Mediationsmodell für den Zusammenhang zwischen Partnerschaftszufriedenheit und kindlichem Problemverhalten, mediiert durch den Elternstress.

Tabelle 2.Ergebnisse der multiplen Regressionsanalyse (Moderationsanalyse) zur Vorhersage des kindlichen Problemverhaltens durch die Part- nerschaftszufriedenheit, das positive Erziehungsverhalten und deren Interaktion

Prädiktoren B SE β

Partnerschaftszufriedenheit -.18 .10 -.23

Positives Erziehungsverhalten -.26 .16 -.19

Partnerschaftszufriedenheit x positives Erziehungsverhalten -.25 .27 -.11

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

(7)

die sich auf elterliche Angaben am selben Tag bezogen, konnten zeigen, dass die beschriebene Ehequalität und die Eltern-Kind-Beziehung signifikant positiv miteinander zusammenhingen, was von den Autoren als Beleg für die Spillover-Hypothese gewertet wurde. Wurde die Bezie- hung der Mutter zum Kind zeitverzögert betrachtet, zeigte sich hingegen ein negativer Zusammenhang, der eher als Beleg der Kompensationshypothese gewertet wurde: Eine niedrige eheliche Qualität wurde mit einem Anstieg der Mutter-Kind Beziehung von einem auf den anderen Tag in Verbindung gebracht. In nachfolgenden Studien wäre es interessant, sich mit den möglichen Bedingungen für das Auftreten eines Kompensationseffektes zu befassen, da auch dieser Effekt–wenn auch spärlich–in der For- schung gefunden werden konnte (Kouros et al., 2014).

Wie beschrieben könnte ein möglicher Einflussfaktor die Dauer der Unzufriedenheit mit der Beziehung sein. Bei- spielsweise kann akut empfundene partnerschaftliche Unzufriedenheit zunächst zu ungünstigem Erziehungs- verhalten gegenüber dem Kind führen, bei länger emp- fundener Unzufriedenheit könnte sich jedoch eine Ge- wöhnung einstellen, die dazu führen könnte, dass Eltern sich bemühen, die Beziehung zum Kind möglichst positiv zu gestalten, um die partnerschaftliche Unzufriedenheit zu kompensieren. Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass kompensatorischen Prozessen insbesondere im klinisch- therapeutischen Kontext nach wie vor ein großer Stellen- wert zugesprochen wird.

Weiterhin könnte untersucht werden, ob auch Emoti- onsregulations- und Bewältigungsstrategien der Eltern eine Rolle bei der Frage nach Spillover versus Kompen- sation eine Rolle spielen. So wäre denkbar, dass Men- schen in unzufriedenen Partnerschaften mit ungünstigen (z. B. aggressiven) Emotionsregulationsstrategien ver- stärkt ihre Unzufriedenheit an den Kindern auslassen (Spillover), während Eltern mit eher günstigen (z. B. pro- blemorientierten oder kognitiven) Strategien ihre Emo- tionen besser regulieren können und sich somit mehr in die Erziehung und Wahrnehmung der Bedürfnisse ihrer Kindern involvieren (Kompensation). Daneben wäre auch interessant, weitere personenbezogene Faktoren (z. B.

Empathiefähigkeit) als mögliche, den Unterschied erklä- rende Variable zu untersuchen. Weiterhin aufschlussreich wären die Auskünfte beider Elternteile bei der Befragung der Partnerschaftszufriedenheit sowie die zusätzliche Be- fragung von Erziehern zum Problemverhalten der Kinder, um eine vom familiären Kontext unabhängige Sichtweise zu erhalten.

Neben den fehlenden Befunden für positive elterliche Erziehungsstrategien ist auch die signifikant positive Korrelation von negativem Erziehungsverhalten und kindlichem Problemverhalten im Vergleich zur nicht si- gnifikanten Korrelation von positivem Erziehungsverhal-

ten und kindlichem Problemverhalten auffallend. Mögli- cherweise hat hinderliches und inadäquates Elternver- halten, wie machtvolle Durchsetzung, Inkonsistenz oder körperliches Strafen, eine größere Bedeutung für proble- matisches Verhalten von Kindern, als förderliches Eltern- verhalten kindliches Problemverhalten verhindert. Ein vergleichbares Ergebnis wurde ebenfalls in der Längs- schnittstudie von Beelmann und Kollegen (2007) gefun- den. Hier zeigten sich hohe positive Zusammenhänge zwischen externalisierenden Verhaltensweisen der Kin- der und problematischen Verhaltensweisen der Eltern, aber nur geringe negative Zusammenhänge mit fürsorgli- chem Elternverhalten. Auch Scarr (1992) deutet in seinem Überblicksartikel auf diesen Umstand hin. Er kommt zu dem Schluss, dass normale Entwicklung von Kindern da- von abhängt, dass die Umweltbedingungen (z. B. Erzie- hungsverhalten), in denen sie aufwachsen, in den norma- len Bereich fallen, während außergewöhnlich gutes El- ternverhalten hingegen keine überdurchschnittlich gute Entwicklung fördert. Hingegen kann schlechtes Eltern- verhalten, als Abweichung von der Norm, dauerhafte Be- einträchtigungen in der Entwicklung mit sich bringen. Ei- ne weitere Erklärungsmöglichkeit liefern Baumeister, Bratslavsky, Finkenauer und Vohs (2001). Sie vermuten, dass negative Ereignisse und Erlebnisse Veränderungs- bedarf signalisieren und somit Anpassungsfähigkeit vor- antreiben, sie sind daher evolutionär adaptiv und haben somit stärkeren Einfluss auf das Individuum.

Generell muss bei der Interpretation der vorliegenden Ergebnisse bedacht werden, dass aufgrund des Quer- schnittdesigns keine kausalen Schlussfolgerungen abge- leitet werden können. Es sind stets zwei Wirkrichtungen oder auch wechselseitige Beziehungen zwischen den Va- riablen möglich. Es wäre beispielsweise auch möglich, dass Kinder, die problematisches Verhalten zeigen, un- günstiges Erziehungsverhalten und Elternstress hervor- rufen, die wiederum zu einer sinkenden Partnerschafts- qualität führen, da viel Energie und Kraft in das Kind in- vestiert wird, so dass die elterliche Beziehung darunter leidet. Auch ein wechselseitiger Zusammenhang könnte angenommen werden und sollte Untersuchungsgegen- stand zukünftiger Studien sein. Dabei sollten nachfolgen- de Studien die aufgeworfene Fragestellung längsschnitt- lich verfolgen, um Rückschlüsse auf Ursache-Wirkungs- Zusammenhänge zu ermöglichen. Zudem sollte künftig eine größere Stichprobe untersucht werden. Zwar zeigen Sensitivitätsanalysen in G*Power 3.1.9.3 (unter der An- nahme vonp= .05 und 1-β= .90 bei 2 Prädiktoren), dass mit der vorliegenden Stichprobe von 81 Kindern zumin- dest mittlere Effekte (f2= 0.16) aufgedeckt werden kön- nen, jedoch ist es möglich, dass kleine Effekte in dieser Studie unentdeckt blieben. Um künftig auch kleine Effek- te von f2= 0.02 aufdecken zu können, wäre (unter selbi-

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

(8)

gen Annahmen in G-Power) jedoch eine erheblich größe- re Stichprobe von 636 Kindern notwendig. Weitere Limi- tationen der vorliegenden Studie können sich durch die methodischen Vorgehensweisen ergeben. Im Allgemei- nen setzt die Erhebung durch ein schriftliches Selbstbe- richtsverfahren Introspektionsfähigkeit voraus. Zudem lassen sich in Selbstauskunfts- sowie Fremdbeurteilungs- verfahren Antworttendenzen–etwa im Sinne der sozialen Erwünschtheit–nicht ausschließen. So zeigt sich bei der Betrachtung des positiven Erziehungsverhaltens ein sehr hoher Mittelwert bei geringer Streuung, was auf eine Überschätzung der Eltern bezüglich ihres günstigen Er- ziehungsverhaltens hindeuten könnte (Reichle & Franiek, 2009). Daneben birgt die Form der Probandenerhebung eine Gefahr für Selektivitätseffekte: Freiwilligen Proban- den werden nicht nur eine bessere Schulbildung und eine höhere Intelligenz, sondern auch höhere soziale Kompe- tenzen zugesprochen (Bortz & Döring, 2006). Die de- skriptive Beschreibung der Stichprobe deutet auf Ersteres hin. Ebenso stellt die geringfügige Modifikation der Fra- gebögen (Veränderung der Antwortbreite der Items beim SDQ von drei- zu fünfstufig sowie die Anwendung des DEAPQ an einer nicht altersentsprechenden Zielgruppe) eine Einschränkung dar und muss bei der Interpretation berücksichtigt werden. Grund für die größere Antwortal- ternative beim SDQ war die Ermöglichung einer breiteren Streuung mit dem Ziel eines differenzierteren Informati- onsgewinns. Der DEAPQ, ursprünglich für Grundschul- kinder konzipiert, wurde in der vorliegenden Stichprobe verwendet, da für das Kindergartenalter keine vergleich- baren Fragebögen existieren. Dazu wurden drei Items geändert, die Änderungen waren jedoch so gering, dass dies den Autoren vertretbar erschien. Zuletzt muss be- dacht werden, dass die Reliabilitäten des DEAPQ ledig- lich zufriedenstellend sind.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind nicht nur aus grundlagentheoretischer, sondern auch aus anwen- dungsbezogener Perspektive wertvoll. Auch wenn die Kausalität von Elternverhalten, Partnerschaftszufrieden- heit und kindlichem Problemverhalten sowie die Frage nach Spillover und Kompensation nicht abschließend ge- klärt ist, sprechen die Befunde dafür, dass präventive und intervenierende Maßnahmen nicht nur beim Kind selbst ansetzen sollten, sondern die gesamte Dynamik in der Familie erfasst werden sollte. Im Hinblick auf die Ergeb- nisse scheint es sinnvoll, bei der präventiven, aber auch intervenierenden Arbeit mit Kindern eine umfassende Einbeziehung der partnerschaftlichen Situation und des Elternverhaltens vorzunehmen (Zemp & Bodenmann, 2015). Hier können beispielsweise Erziehungsberatung, Elterntrainings oder Trainings auf Paarebene einen ent- scheidenden Beitrag dazu leisten, dass Eltern sich den möglichen Konsequenzen von negativem Erziehungsver-

halten, Elternstress und Beziehungsproblemen bewusst werden und diesen gezielt entgegenwirken können, was sich wiederum positiv auf die Gesundheit der Kinder auswirken sollte. Inhalte der Maßnahmen von Eltern- oder auch Paartrainings sollten beispielsweise berück- sichtigen, dass Kinder sensibel auf verbale und vor allem auch nonverbale Signale für Konflikte und Spannungen in der Familie bzw. Partnerschaft reagieren, Eltern eine Vorbildfunktion haben und die Qualität der Konfliktaus- tragung entscheidend dafür ist, ob Paarkonflikte proble- matisch für das Kind sind. Ein Paar, das keine Konflikte hat, ist in seiner Erziehung weniger widersprüchlich und kooperativer (Zemp & Bodenmann, 2015). Auch bereits bestehende evidenzbasierte verhaltenstherapeutische El- terntrainings, wie beispielsweise Triple P (Positive Paren- ting Program) oder PCIT (Parent Child Interaction The- rapy), können bei vorliegenden destruktiven Dynamiken in Familien ansetzen und diese verändern. Ziel der Trai- nings ist dabei nicht nur die Förderung der Erziehungs- kompetenzen der Eltern, sondern auch der positiven Kommunikation in der Eltern-Kind-Interaktion. Für eine umfassendere Präventions- und Interventionsarbeit spricht nicht nur, dass kindliche Verhaltensauffälligkeiten häufig Vorläufer von Störungen im Erwachsenenalter sind (Kim-Cohen et al., 2003) und diesen daher entgegenge- wirkt werden sollte, sondern auch die aktuelle Studienla- ge zur Effektivität von Präventions- und Interventions- programmen zur Gesundheitsförderung, die generell als positiv zu bewerten ist (Beelmann, Pfost & Schmitt, 2014;

Herr, Mingebach, Becker, Christiansen & Kamp-Becker, 2015; Kamp-Becker, Becker & Petermann, 2015; Kliem, Foran & Hahlweg, 2015).

Literatur

Bandura, A. (1976).Lernen am Modell. Ansätze zu einer sozial-kogni- tiven Lerntheorie.Stuttgart: Klett.

Bandura, A. (2004). Observational learning. In J. H. Byrne (Ed.),Lear- ning and memory(2nd ed., pp. 482484). New York: Macmillan.

Baumeister, R. F., Bratslavsky, E., Finkenauer, C. & Vohs, K. D. (2001).

Bad is stronger than good.Review of General Psychology, 5, 323 370.

Beelmann, A., Pfost, M. & Schmitt, C. (2014). Prävention und Ge- sundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen. Eine Meta- Analyse der deutschsprachigen Wirksamkeitsforschung.Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 22, 114.

Beelmann, A., Stemmler, M., Lösel, F. & Jaursch, S. (2007). Zur Ent- wicklung externalisierender Verhaltensprobleme im Übergang vom Vor- zum Grundschulalter.Kindheit und Entwicklung, 16, 229239.

Bortz, J. & Döring, N. (2006).Forschungsmethoden und Evaluation. Für Human- und Sozialwissenschaftler(4., überarb. Aufl.). Heidelberg:

Springer-Medizin.

Cina, A. & Bodenmann, G. (2009). Zusammenhang zwischen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhalten.Kindheit und Ent- wicklung, 18, 3948.

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

(9)

Coiro, M. J. & Emery, R. E. (1998). Do marriage problems affect fat- hering more than mothering? A quantitative and qualitative review.

Clinical Child and Family Psychology Review, 1, 2340.

Cox, M. J., Paley, B. & Harter, K. (2001). Interparental conflict and parent-child relationships. In J. H. Grych & F. D. Fincham (Eds.), Interparental conflict and child development. Theory, research, and applications.Cambridge: Cambridge University Press.

Cummings, E. M. & Davis, P. T. (2010).Marital conflict and children: An emotional security perspective.New York: The Guilford Press.

Domsch, H. & Lohaus, A. (2010).Elternstressfragebogen (ESF).Göt- tingen: Hogrefe.

Erel, O. & Burman, B. (1995). Interrelatedness of marital relations and parent-child relations: A meta-analytic review. Psychological Bulletin, 118, 108132.

Fincham, F. D. & Hall, J. H. (2005). Parenting and the marital relati- onship. In T. Luster & L. Okagaki (Eds.),Parenting. An ecological perspective(2nd ed, pp. 205233). Mahwah, N.J.: Erlbaum.

Franiek, S. & Reichle, B. (2007). Elterliches Erziehungsverhalten und Sozialverhalten im Grundschulalter.Kindheit und Entwicklung, 16, 240249.

Frosch, C. A. & Mangelsdorf, S. C. (2001). Marital behavior, parenting behavior, and multiple reports of preschoolersbehavior problems:

Mediation or moderation? Developmental Psychology, 37, 502 519.

Gabriel, B. & Bodenmann, G. (2006a). Elterliche Kompetenzen und Erziehungskonflikte: Eine ressourcenorientierte Betrachtung von familiären Negativdynamiken.Kindheit und Entwicklung, 15, 918.

Gabriel, B. & Bodenmann, G. (2006b). Stress und Coping bei Paaren mit einem verhaltensauffälligen Kind.Zeitschrift für Klinische Psy- chologie und Psychotherapie, 35, 5964.

Grych, J. H. & Fincham, F. D. (2001).Interparental conflict and child development: Theory, research, and applications. Cambridge:

Cambridge University Press.

Harold, G. T. & Sellers, R. (2018). Annual research review: Interparen- tal conflict and youth psychopathology: An evidence review and practice focused update.Journal of Child Psychology and Psychia- try, 59, 374402.

Hayes, A. F. (2018).Introduction to mediation, moderation, and condi- tional process analysis. A regression-based approach(2nd ed.).

New York: Guilford.

Herr, L., Mingebach, T., Becker, K., Christiansen, H. & Kamp-Becker, I.

(2015). Wirksamkeit elternzentrierter Interventionen bei Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren: Ein systematisches Review.Kind- heit und Entwicklung, 24, 619.

Honkanen-Schoberth, P. (2002).Starke Kinder brauchen starke Eltern.

Der Elternkurs des Deutschen Kinderschutzbundes.Berlin: Urania.

Kamp-Becker, I., Becker, K. & Petermann, U. (2015). Elternarbeit und Elterntraining.Kindheit und Entwicklung, 24, 15.

Katz, L. F. & Gottman, J. M. (1997). Buffering children from marital conflict and dissolution.Journal of Clinical Child Psychology, 26, 157171.

Katz, L. F. & Gottman, J. M. (1996). Spillover effects of marital conflict:

In search of parenting and coparenting mechanisms.New Direc- tions for Child and Adolescent Development, 1996, 5776.

Kim-Cohen, J., Caspi, A., Moffitt, T. E., Harrington, H., Milne, B. J. &

Poulton, R. (2003). Prior juvenile diagnoses in adults with mental disorder: developmental follow-back of a prospective-longitudinal cohort.Archives of General Psychiatry, 60, 709717.

Klasen, H., Woerner, W., Wolke, D., Meyer, R., Overmeyer, S., Ka- schnitz, W. et al. (2000). Comparing the German versions of the Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ-Deu) and the Child

Behavior Checklist. European Child & Adolescent Psychiatry, 9, 271276.

Klasen, H., Woerner, W., Rothenberger, A. & Goodman, R. (2003). Die deutsche Fassung des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ-Deu) Übersicht und Bewertung erster Validierungs- und Normierungsbefunde. Praxis der Kinderpsychologie und Kinder- psychiatrie, 52, 491502.

Kliem, S., Foran, H. & Hahlweg, K. (2015). Lässt sich körperliche Be- strafung durch ein Elterntraining reduzieren? Ergebnisse einer 3- Jahres-Längsschnittuntersuchung.Kindheit und Entwicklung, 24, 3746.

Kouros, C. D., Papp, L. M., Goeke-Morey, M. C. & Cummings, E. M.

(2014). Spillover between marital quality and parent-child relati- onship quality: parental depressive symptoms as moderators.

Journal of Family Psychology, 28, 315325.

Montada, L. (2008). Fragen, Konzepte, Perspektiven. In R. Oerter & L.

Montada (Hrsg.),Entwicklungspsychologie(6., vollst. überarb. Aufl., S. 348). Weinheim: Beltz, PVU.

Petermann, U. & Petermann, F. (2006). Erziehungskompetenz.Kind- heit und Entwicklung, 15, 18.

Reichle, B. & Franiek, S. (2007). Erziehungsstil und Elternsicht Deutsche erweiterte Version des Alabama Parenting Questionnaire für Grundschulkinder (DEAPQ-EL-GS).Zugriff am 23.07.2018 unter http://www.gerechtigkeitsforschung.de/berichte/beri168.pdf Reichle, B. & Franiek, S. (2009). Erziehungsstil aus Elternsicht. Deut-

sche erweiterte Version des Alabama Parenting Questionnaire für Grundschulkinder (DEAPQ-EL-GS). Zeitschrift für Entwicklungs- psychologie und Pädagogische Psychologie, 41, 1225.

Reichle, B., Franiek, S. & Dette-Hagenmeyer, D. (2010). Frühe Soziali- sation und Erziehung in der Familie: Konfliktbewältigung in der El- ternpartnerschaft, Erziehungsstil und das Sozialverhalten ange- höriger Kinder. In S. Walper (Hrsg.),Partnerschaften und die Bezie- hungen zu Eltern und Kindern(Befunde zur Beziehungs- und Fa- milienentwicklung in Deutschland, Bd. 24, S. 241267). Würzburg:

Ergon.

Reichle, B. & Gloger-Tippelt, G. (2007). Familiale Kontexte und sozial- emotionale Entwicklung.Kindheit und Entwicklung, 16, 199208.

Scarr, S. (1992). Developmental theories for the 1990s: Development and individual differences.Child Development, 63, 119.

Weindrich, D., Laucht, M., Esser, G. & Schmidt, M. H. (1992). Dishar- monische Partnerbeziehung der Eltern und kindliche Entwicklung im Säuglings- und Kleinkindalter.Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 41, 114118.

Zemp, M. (2018). Die elterliche Paarbeziehung in Familien mit Kindern mit ADHS: Wechselwirkungen zwischen Partnerschaftsstörungen und kindlicher Symptomatik.Zeitschrift für Kinder- und Jugend- psychiatrie und Psychotherapie, 46, 285297.

Zemp, M. & Bodenmann, G. (2015).Partnerschaftsqualität und kindli- che Entwicklung.Heidelberg: Springer.

Zimet, D. M. & Jacob, T. (2001). Influences of marital conflict on child adjustment: review of theory and research.Clinical Child and Fa- mily Psychology Review, 4, 319335.

Anna-Leena Feldkötter, MSc. Päd. Psych.

Dr. phil. Tamara Thomsen Dr. phil. Nora Lessing

Institut für Psychologie der Universität Hildesheim Universitätsplatz 1

31141 Hildesheim

tamara.thomsen@uni-hildesheim.de

https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1026/0942-5403/a000272 - Tuesday, January 18, 2022 3:28:34 AM - IP Address:87.137.74.58

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

[r]

Ministerin Löhrmann erklärte heute im Schulausschuss des Landtags, dass der erweiterte Aufgabenkatalog eine Antwort auf die zunehmende Bedeutung der Leitungsaufgaben an Schulen

Zentrale Unterstützung erhalten Schulen und kommunale Einrichtungen durch die Geschäftsstelle Bildungspartner NRW, einem gemeinsamen Angebot des LVR-Zentrums für Medien und

Die diagnostizierten psychischen Störungen werden mit Frage 31 ermittelt: „Inter- ventionsbedürtige psychische Störungen – Diagnosen (nach ICD10/DSM IV/MAS)“. Von den 18

Interes- sant ist hier außerdem ein vom Gewicht des Kindes unabhängiger Einfluss des mütter- lichen Gewichts: So berichten übergewichtige Mütter häufiger von einem emotionalen

Von den insgesamt 277 Kindern wurden 12 Kinder, die hinsichtlich des Grades ihrer Sehschadigung oder des Vorliegens einer Mehrfachbehinderung nicht zweifelsfrei zugeordnet

So kann beispielsweise ein nervös-unruhiges, impulsives Verhalten eines Kindes von einem auf die Psychohygiene achtenden Beurteiler als auffällig gesehen werden, sich aber

Der verunglückte Motorradfahrer blutete so stark, dass er im Krankenhaus weiter behandelt werden musste. Der Sohn erbte nach dem Tode seines Vaters so viel Geld, ohne dass er