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DIE AUSWIRKUNGEN DER LIBANESISCHEN KRISE AUF DIE

GEGENWARTSLAGE DER SYRISCH-ORTHODOXEN CHRISTEN

EIN VORBERICHT '

von Helga Anschütz, Reinbeck

I. VORBEMERKUNG

Die im April 1975 ausgebrochene libanesische Krise wirkte sich auch auf die

verschiedenen Kirchen mit syrischer Kirchensprache in den Ländern des Vorderen Orients aus. Vor dem Bürgerkrieg lebten im Libanon etwa 20000 syrisch-orthodoxe Christen^ in Beimt, Zahle und im Mont Liban'.

II. DIE HALTUNG DER SYRISCH-ORTHODOXEN CHRISTEN VOM AUSBRUCH DER

LIBANESISCHEN KRISE IM APRIL 1975 BIS ZUM WAFFENSTILLSTAND VOM

FEBRUAR 1976

Die Haltung des syrisch-orthodoxen Patriarchen Mar Ignatius Jakub III wurde

dadurch bestimmt, daJß ein beträchtlicher Teil seiner Kirchenanhänger in Syrien und im Irak lebt. Diese Länder unterstützten zunächst beide die libanesischen Links- gmppierungen.

Da der Patriarch sich nicht gegen diese Regierungspolitik stellen wollte, anderer¬

seits freundliche Beziehungen zur maronitischen Kirche bestanden, verkündete er

die Neutralität seiner Kirche in diesem Konflikt.

Dieser Haltung schloß sich der syrisch-orthodoxe Metropolit von Beirut, Mar

1 Ein ausführlicher Bericht wird 1978 in den vom Augustiner-Verlag in Würzburg herausgege¬

benen „Ostkirchlichen Studien" erscheinen.

2 syrisch-orthodox ist der vom Weltkirchemat anerkannte Name der im Abendland als ,Jako- bitisch" oder „westsyrisch-monophysitisch" bekannten Kirche, die sich auf die Traditionen des Patriarchats von Antiochia zurückführt.

3 Grundlagen meiner Arbeit bilden folgende Quellen:

1. Eigene Beobachtungen und Gespräche mit dem syrisch-orthodoxen Patriarchen Mar Igna¬

tius Jakub III in Damaskus, sowie dem Metropoliten von Amerika, Mar Athanasius Yeshu' Samuel in Atshane, dem Metropoliten von Bagdad, Mar Severius Zakka Iwas, dem Metro¬

politen von Mosul, Mar Gregorius Saliba, dem Metropoliten Mar Dionysios Georgis Behnam von Aleppo, dem Bischof Severius Mar Hawa, Delegierter des Patriarchen in Damaskus, dem Priester und Seminarleiter George Saliba in Atshane, dem Priester und Abt des Klosters Mar Gabriel im Tur'Abdin, Samuel Aktaj, dem Malphono Isa Gül^an im gleichen Kloster, dem Priester Bitris Ögün? in Laimering bei Augsburg, dem Arzt Dr. Sanherib Hanna in Hemer von der national-assyrischen Allianz, sowie mit mehreren Kirchenmitgliedern.

2. Mehrere Exemplare der Zeitschrift „Ashur" (herausgegeben in Teheran). 1974-77.

3. Mehrere Exemplare der Zeitschrift „the Assyrian Sentinel", Hartford/USA, 1976, 77.

4. Korrespondenzen 1973-1977.

XX. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen

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Die Gegenwartslage der syrischorthodoxen Christen 549

Athanasius Afrem Boulos an, besonders auch deshalb, weil ein großer Teil seiner

Anhänger im moslemisch-christlich-gemischt bewohnten Stadtteil Mousaitbe

wohnte.

Dagegen ergriff der Vorsteher des syrisch-orthodoxen Priesterseminars von

Atshane bei Bikfaya, Priester George Saliba aus Kamishli, die Partei der maroniti¬

schen Rechten. Er wurde von seinen Anhängern im christlich-moslemisch-gemisch¬

ten Stadtteil von Beirut, Bourj Hammoud, und von den Kirchenmitgliedern in

Zahle/Bekkaa unterstützt.

Im Verlauf der Kämpfe verließen viele Syrisch-Orthodoxe den Libanon. Ein Teil

ging nach Damaskus und Aleppo, andere bemühten sich um Asyl in Schweden,

Kanada und den USA.

III. DIE NEUE SITUATION NACH DEM SYRISCHEN FRONTENWECHSEL IM APRIL 1976

Im April 1976 führten die Syrer einen Frontenwechsel zugunsten der Maroniten

durch. Gleichzeitig wurden die syrisch-orthodoxen Christen in Mousaitbe von der

moslemischen Linken angegriffen. Nunmehr standen die Syrisch-Orthodoxen vor

der Notwendigkeit, die Partei der Maroniten zu ergreifen.

Im Verlauf der Kämpfe verließen die meisten von ihnen Musaitbe und andere

moslemisch beherrschte Stadtteile und brachten sich un Mont Liban in Sicherheit.

Aus Bourj Hammoud wurden dagegen die Muslime vertrieben.

Der Patriarch beharrte weiterhin auf seiner Neutralität, die sich besonders im Hin¬

blick auf seine Kirchenmitglieder im Irak als notwendig erwies.

IV. DIE AUSWANDERUNGSBEWEGUNGEN DER SYRISCH-ORTHODOXEN CHRISTEN

Bereits einige Jahre vor dem Bürgerkrieg waren so viele Syrisch-Orthodoxe aus

dem Libanon und Syrien in die USA ausgewandert, daß der Patriarch mehrere

Priester hatte dorthin entsenden müssen. Jetzt folgten Viele ihren Verwandten nach.

Etwa 10000, die aus Nordostsyrien, dem Tur'Abdin und dem Libanon dorthin ge¬

kommen waren, fanden bis 1977 in Schweden Asyl.

V. DIE MOBILISIERUNG DER SYRISCHEN CHRISTEN IM TUR'ABDIN

Seit Beginn der sechziger Jahre war Bewegung in die etwa 20000 syrischen

Christen im Tur'Abdin/Provinz Mardin gekommen. Viele nutzten die Gelegenheit,

als Gastarbeiter nach West- und Nordeuropa zu gehen. Der wachsende Druck durch

die benachbarte kurdische Bevölkemng verstärkte die Auswanderung der alteinge¬

sessenen Christen, besonders, nachdem viele Kurden von den Maroniten aus dem

Libanon vertrieben worden waren.

Wegen der liberalen schwedischen Asylgesetze wanderten viele Christen aus dem Tur'Abdin dorthin aus, auch solche, die bereits seit längerem in Deutschland und Österreich arbeheten.

Andere Tur'Abdin-Christen erhielten von den Maroniten libanesische Pässe; je¬

doch zögern sie noch mit dem Umzug.

Da inzwischen auch in Schweden wie scnon in anderen westeuropäischen Län¬

dern ein Einwanderungsstopp verfügt wurde, müssen sie sich nach anderen Zu¬

fluchtsländern umsehen, wenn ihnen der christliche Libanon noch zu unsicher

erscheint. Die USA bieten ihnen noch die Möglichkeit, sich in die nach dem 1. Welt-

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krieg hier gebildeten Gemeinden zu integrieren, außerdem Kanada und neuerdings Australien.

VI. DAS ANWACHSEN DER ASSYRISCHEN NATIONALBEWEGUNG

Nach dem 1. Weltkrieg erstarkte unter den nestorianischen und chaldäischen Emigranten in den USA ein assyrisches Nationalgefiihl, das jetzt durch die libanesi¬

sche Krise einen großen Auftrieb erlebte. Auch viele Syrisch-Orthodoxe, besonders in Syrien und im Libanon, wurden davon ergriffen. Zunächst duldete die syrische Regierung diese Bewegung an den syrisch-christlichen Schulen, schließlich aber ver¬

trug sich der assyrische nicht mehr mit dem von der Baath-Partei proklamierten arabischen Nationalismus. Infolgedessen gingen die assyrischen Nationalisten in die Emigration, u.a. in den Libanon, nach Deutschland, Schweden und in die USA.

Am libanesischen Bürgerkrieg beteiligten sie sich auf der Seite der Maroniten und kämpften unter einer eigenen, assyrischen Fahne in der Hoffnung, daß eines Tages im Libanon ein assyrischer Staat gegründet werden könne - denn sie sehen die Ma¬

roniten als einen Teil des alten assyrischen Volkes an; das wird jedoch von den

libanesischen Christen nicht für ernst genommen. — Im Rahmen dieser assyrischen Bestrebungen wurden bereits seit 1969 nach Beschlüssen auf assyrischen National¬

kongressen Geldsammlungen veranstaltet und Land im Libanon aufgekauft, um

Schulen und Krankenhäuser zu bauen. Unter den Maroniten wurde die Ansiedlung

assyrischer Kämpfer ün Südlibanon in Erwägung gezogen.

Der assyrische Nationalismus vermittelte auch den Tur-Abdin-Christen und unter der jungen Gastarbeiter-Generation ein neues Selbstwertgefiihl. Der Patriarch und der Klerus sehen jedoch in diesem neuen Nationalismus Gefahren für ihre Kirche

und untersagten ihren Anhängern nationalistische Aktivitäten. Deshalb kam es zu

Spannungen zwischen den Generationen und zwischen den Traditionalisten und den

Nationalisten. Viele Jüngere sehen in einem assyrischen Nationalismus die einzige Überlebenschance für üire Kultur und üir Volk.

VII. ERGEBNISSE

Die Krise im Libanon verstärkte die Mobüität der syrisch-orthodoxen Christen;

fest angesiedelte Gmppen wurden aus üirer alten oder neuen Heimat vertrieben Das zeitweise nur noch unterschwellig vorhandene Feindverhältnis zur moslemischen

Bevölkerung wurde beiden Gruppen vielfach wieder bewußt gemacht und stört das

nachbarschaftliche Verhältnis. Durch geschicktes Taktieren gelang es aber dem

Patriarchen und Mitgliedern seines Klems, größere Spannungen zu elüninieren.

In Westeuropa, Nordamerika und Australien sind zahlenmäßig bedeutende Gmp¬

pen dem schicksalhaften Spannungsfeld ihrer Heimat nunmehr entronnen. Viele

sind auch in die neue Gesellschaft integriert, aber gleichzeitig gehen kulturelle und kirchhche Traditionen verloren. Noch kann sich die Kirche behaupten, aber als neue Kraft gewinnt der assyrische Nationalismus an Boden.

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KIZILBA§ - KURDEN IN DERSIM (TUNCELI/TÜRKEI):

RELIGION UND MILLET

von Peter J. Bumke, Berlin

In der kulturgeographisch, ethnologisch oder religionshistorisch orientierten Literatur über den Mittleren Orient ist wiederholt auf den Zusammenhang zwischen

der geographischen, ökonomischen und politischen Marginalität bestimmter Bevöl¬

kerungsgruppen und ihren häretischen religiösen Vorstellungen und Praktiken hin¬

gewiesen worden.

Im Gebiet von Dersim, zwischen den beiden Oberläufen des Euphrat gelegen, ist

bis ins 20. Jahrhundert kein zentralstaatliches Abgaben- und Rekrutiemngssystem

etabliert worden. Auch zugewanderte Stämme, wie etwa die Hizol, die Kurmanci

und nicht Demili (Dersimci) sprechen, haben die alevitische Religion der eingeses¬

senen Dersunstämme übernommen. Ihre Balladen beschreiben anhand von Vendet¬

tas, Raub, Frauenentfühmngen und angezündeten Dörfern den Zusammenschluß

einzelner hneages (ezbet) bei internen politischen Konflikten, ohne daß diese Zu¬

sammenschlüsse im Bereich der Arbeit eine Entsprechung gehabt hätten: Der parzel- herte Regenfeldbau erfordert kerne ausgedehnte Kooperation einzelner Haushalte,

aUerdings eine Risikomindemng der individueUen bäuerlichen Existenz durch lang¬

fristig reziproke UmverteUungen, vor allem zwischen Agnaten,

einem Bektasi-Gmndsatz, dem der dört kapi (4 Tore): Jeder Einzelne hat je einen

Eine historische Rekonstruktion der alevitischen religiösen Institutionen und Symbole dieses Gebiets zeigt die Ähnlichkeit von Glaubensvorstellungen und reli¬

giösen PraktUcen der Dorfalevi und des Bekta§i-Ordens.

Auch die organisatorische Verbindung der seyit mit den Bauern orientiert sich an

einem Bekta|i-Gmndsatz, dem der dört kap (4 Tore): Jeder Einzelne hat je einen

rehber (für jeriat), pir (für tarikat), müsahip (kein seyit, für marifat) und mür^it (der pir der pu, für hakikat); die seyit von Dersim stehen im Zentmm der pir-talip-Be- ziehungen aUer kurdischen Alevi. Die Merkmale der seyit in der einheimischen Ter¬

minologie sind :

1. Sie sind „gune", d.h. unschädlich, ungefährlich, schutzlos ebenso wie frei und

ungebunden. Als außerhalb der a^iret-Stmktur stehende, nicht gewalttätige, aber

auch nicht angreifbare, weü schutzlose, dazu bewegliche Elemente, sind sie zu Mitt¬

ler- und Schlichtungsinstanzen prädestiniert.

2. Die seyit wissen den „Weg", zum einen qua ererbtem keramet (Wunderkraft),

da sie als bei evlat (Nachkommen der Lenden) von Ali gelten, zum andern als

Schriftgelehrte und Interpreten der schriftlichen religiösen Tradition, vor allem des

alevitischen Katechismus (buyruk), dessen Urfassung dem Imam Cafer Sadik zuge¬

schrieben wird. Das befähigt sie, die 9evat (religiöse Versammlungen) abzuhalten.

3. Die seyit „wandern", d.h. sie sind teUweise von der Arbeit freigesetzt und be¬

kommen von ihren talip eine Natural- oder Geldabgabe (9iralik). Die Untersuchung

XX. Deutscher Orientalistentag 1977 in Erlangen

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