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Selektives Trockenstellen – Möglichkeiten und Grenzen

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Academic year: 2022

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1 | S e i t e

Selektives Trockenstellen – Möglichkeiten und Grenzen Dipl.-Ing.agr. Univ./Dr.med.vet. Wilfried Wolter

Fachtierarzt für Milchhygiene

RP Gießen Dez. 51.2, Schanzenfeldstrasse 8, 35578 Wetzlar, Wilfried.Wolter@rpgi.hessen.de

Allgemeine Vorbemerkungen

„Selektives“ Trockenstellen bedeutet hier die Auswahl (Selektion) der Kühe/Euterviertel am Ende der Laktation für eine antibiotische Langzeittherapie im Sinne der Anwendung eines antibiotischen Trockenstellers im Gegensatz zum Einsatz eines Trockenstellers für alle Kühe einer Herde (Total Dry Cow Therapy-TDCT). Jeder Einsatz eines Antibiotikums übt einen Selektions- und Anpassungsdruck der bakteriellen Flora hin zu einer verminderten Empfind- lichkeit aus. Wegen dieser Tatsache wird der Einsatz von Langzeitantibiotika für alle Kühe einer Herde (Total Dry Cow Therapy-TDCT) zum Zeitpunkt des Trockenstellens ohne Kenntnis des Infektionsstatus der Kuh/des Euterviertels kritisch gesehen oder auch von den Überwachungsbehörden nicht mehr geduldet. Gleichzeitig widerspricht die TDCT den Ver- brauchererwartungen und deshalb wird in vielen Lieferverträgen zwischen Milchverarbeiter und Milcherzeugern ein „selektives“ Trockenstellen gefordert. Die ausschließliche Anwen- dung eines Langzeitantibiotikums im Sinne einer gezielten Therapie bei mit hoher Wahr- scheinlichkeit mit einem „Major pathogen“ infizierten Eutervierteln, kann den Einsatz von Antibiotika zum Trockenstellen drastisch reduzieren ohne das sich die Eutergesundheit der Herde verschlechtert.

Anforderungen an den Betrieb und das Management

Für die erfolgreiche Anwendung des selektiven Trockenstellens müssen die Betriebe eine positive Einstellung dazu haben und die Milcherzeuger müssen überzeugt hinter dem Ziel Antiobiotikaminimierung in der Milchviehhaltung stehen. Eine höhere Anerkennung der Ge- sellschaft für diese Bemühungen um Qualitätsmilcherzeugung welche sich auch in einem hö- heren Milchpreis niederschlägt, wäre ein wirksames Motivationselement. Gleichzeitig muss auch von Seite des Hoftierarztes diese Vorgehensweise unterstützt werden und darf nicht von vornherein aus übertriebenen Sicherheitsdenken heraus abgelehnt werden. Ein fortlaufendes regelmäßiges Controlling der Eutergesundheit mit Teilnahme an der Milchleistungsprüfung und der Bereitschaft zur Mastitisdiagnostik sind unabdingbar. Mindestens sollten alle Erstlak- tierenden mit mehr als 100.000 Zellen im 1. PM zytobakteriologisch auf Viertelebene unter- sucht werden, genauso wie jede klinisch Mastitis vor Behandlung und subklinisch infizierte Tiere (>200.000 Zellen) spätestens am Ende der Laktation.

Betriebe mit Problemen verursacht durch Streptococcus (S.) agalactiae und/oder Streptococ- cus (S.) canis sollten solange noch eine TDCT durchführen bis 2 Gesamtbestandsuntersu- chungen im Abstand von mindestens 3 Monaten keinen einzigen Nachweis von S. agalactiae

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2 | S e i t e

Auch sollten die Herden weitgehend frei Staphylococcus (S.) aureus sein. Chronisch mit S.

aureus infizierte Tiere sollten schnellstmöglich gemerzt werden. Die S. aureus-Prävalenz soll- te kleiner 3% sein.

Selektionskriterien auf Viertelebene

Goldstandard für die Mastitisdiagnostik ist die zytobakteriologische Untersuchung von anti- septisch entnommenen Viertelanfangsgemelksproben. Eine Mastitis auf einem Euterviertel liegt vor wenn die Zellzahl 100.000 Zellen/ml Milch überschreitet und bei 3 Untersuchungen im Abstand von einer Woche in mindestens 2 Milchproben der gleiche Erreger nachgewiesen wird. Unter Praxisbedingungen wird i. d. R. nur einmalig untersucht. Am Ende der Laktation werden in meist über 90% der Fälle sogenannte „Minor pathogens“ gefunden wie Corynebak- terien spp. und Koagulase-negative Staphylokokken ohne deutliche Entzündungsreaktion in Form einer Zellzahlerhöhung. Die Beurteilung von solchen am Ende der Laktation entnom- menen Milchproben erfordert viel Erfahrung und häufig wird dann unnötig bei „Minor Patho- gens“ ein antibiotischer Trockensteller eingesetzt. Ähnlich ist die Situation bei Anwendung eines der kommerziell erhältlichen PCR-Testkits. Die zytobakteriologische Untersuchung ist zeitaufwändig und teuer genauso wie die Untersuchung mittels PCR. In vielen Studien hat sich gezeigt, dass die Anwendung des CMT (California Mastitis Test) zum Zeitpunkt des Trockenstellens ein gutes Selektionskriterium darstellt. Nach unseren Erfahrungen und auf- grund der Untersuchung von Vierteldifferenzen als Hilfskriterium zur Beurteilung des Infek- tionsstatus können Euterviertel welche keine Vierteldifferenzen von 2 Stufen aufweisen und keine +++-Reaktionen zeigen als mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht infiziert“ eingestuft werden und bei diesen kann auf eine antibiotische Behandlung verzichtet werden. Andere Entzündungsmarker wie z. B. Milch Amyloid A (MAA) werden verwendet. Genauso werden vielfach die klinische Untersuchung des Euterviertels, Einbeziehung der Mastitishistorie, Milchverhalten, Milchfluß, Zitzenverletzungen u.a.m. als Entscheidungshilfen erfolgreich herangezogen.

Selektionskriterien auf Kuhebene

Das am häufigsten verwendete Selektionskriterium ist die MLP-Zellzahl. Aufgrund des Zell- zahlergebnisses des letzten oder der bis zu 3 letzten PM-Ergebnisse werden die Kühe für eine antibiotische Behandlung vorselektiert oder selektiert. Die Niederlande haben festgelegt, dass Erstlaktierende mit <150.000 und ältere Kühe mit <250.000 Zellen nicht antibiotisch trocken- gestellt werden dürfen. Auswahlkriterien wie „in den letzten 3 PM kein Wert

>100.000Zellen“ oder „ im geometrischen Mittel der letzten 3 PM nicht über 200.000Zellen“

und viele andere Grenzwerte und Berechnungen werden verwendet für die Auswahl der Kühe.

In vielen Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass die MLP-Zellzahl bzw. - Zellzahlen in Verbindung mit der korrekten Anwendung des CMT eine für die Praxis hinreichend genaues Selektionskriterium darstellt.

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3 | S e i t e Beispiel für ein Entscheidungsdiagramm

Seit mehr als 10 Jahren nach Einführung des internen Zitzenversieglers wird das selektive Trockenstellen vermehrt angewendet. Entsprechend haben sich eine Vielzahl von Vorge- hensweisen und Entscheidungsdiagrammen entwickelt. Das hier vorgestellt aus Hessen soll nur beispielhaft stehen für die vielen ähnlichen und abgewandelten Vorgehensweisen. Letzt- endlich muss für jeden Betrieb eine Vorgehensweise erarbeitet werden. Die korrekte Anwen- dung des CMT, die hygienisch einwandfreie und korrekte Applikation muss den Landwirten praktisch durch Berater oder Tierärzte gezeigt werden. werden. Das selektive Trockenstellen wird sich nur flächendeckend erfolgreich implementieren lassen wenn alle in der Milchvieh- haltung Tätigen, deren Berater, Tierärzte, Molkereien und Kontrollverbände u.a.m. dies posi- tiv unterstützen.

Abbildung 1: Trockenstellen eutergesunder Kühe

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Abbildung 2: Trockenstellen verdächtiger Kühe

Abbildung 3: Trockenstellen euterkranker Kühe

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5 | S e i t e Verhinderung von Neuinfektionen bei zum Trockenstellen nicht infizierten Tieren Die Tiere welche entsprechend der durchgeführten Selektion als „wahrscheinlich nicht infi- ziert“ eingestuft wurden und entsprechend keinen antibiotischen Trockensteller appliziert be- kamen, müssen während der gesamten Trockenstehzeit vor Neuinfektionen geschützt werden.

Diese Tiere sollten nicht überkonditioniert sein (BCS=3), 6-7 Wochen trockenstehen, ange- passt gefüttert werden, trocken und hell aufgestallt werden und entscheidend ist die Liegeflä- chenhygiene zur Vermeidung von Neuinfektionen. In Abhängigkeit von der Milchviehrasse, Milchleistung, Milchmenge zum Trockenstellen und der betrieblichen Gesamtsituation sollte über den Einsatz eines Teatsealers nachgedacht werden. Durch den Einsatz des Zitzenversieg- lers bei allen Kühen kann die Neuinfektionsrate in der Trockenstehphase gesenkt werden, die Kühe Kalben eutergesünder ab, haben niedrigere Zellzahlen und in den ersten 100 Laktations- tagen und weniger klinische Mastitiden. Die Zahlen in Tab. 1 zeigen für ein Praxisgebiet in den Niederlanden deutlich, dass sowohl die Anzahl der Trockensteller und auch die Anzahl der Laktationsbehandlungen reduziert werden konnte durch den Einsatz des internen Zit- zenversieglers.

Tab. 1: Anzahl Euterinjektoren für ca. 27000 Kühe

Jahr Trockensteller Eutertuben Zitzenversiegler

2012 43605 34237 10421

2013 2014 2015

52181 34614 32314

35952 29412 29831

14966 20668 25833

(nach T. van Werven, 2016; Department of Farm Animal Health, Utrecht Univesity))

Bisherige Erfahrungen mit dem selektiven Trockenstellen

Eine Vielzahl von weltweiten Studien zum selektiven Trockenstellen und zur Anwendung des internen Zitzenversieglers zeigen, dass ein Verzicht auf die TDCT möglich ist ohne Beein- trächtigung der Eutergesundheit. Allerdings muss dann ein Mindestmaß an Diagnostik statt- finden und die Bereitschaft vorhanden sein für jede Kuh einzeln zu entscheiden ob eine anti- biotische Langzeittherapie begründet werden kann. Die TDCT kann nur noch in begründeten Einzelfällen zeitlich begrenzt im Rahmen von Sanierungsprogrammen Anwendung finden.

Abbildung

Abbildung 1: Trockenstellen eutergesunder Kühe
Abbildung 3: Trockenstellen euterkranker Kühe
Tab. 1:  Anzahl Euterinjektoren für ca. 27000 Kühe

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