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Aufgabenvariation als Unterrichtsgegenstand

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Academic year: 2022

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(1)

Prof. Dr. Hans Schupp, Universität des Saarlandes StD Günter Schmidt, Studienseminar Bad Kreuznach

OStR Hans Knichel, Gymnasium am Rotenbühl Saarbrücken Ass.d.L. Michael Schuler, Studienseminar Saarbrücken in Verbindung mit

Prof. Dr. Herbert Henning, Universität Magdeburg und Mitarbeitern

sowie

Prof. Dr. Wilfried Herget, Universität Halle-Wittenberg und Mitarbeitern

Willst Du ins Unendliche schreiten, geh´ nur im Endlichen nach allen Seiten.

Johann Wolfgang von Goethe in „Gott, Gemüt und Welt“ 1815 Jede Lösung eines Problems ist ein neues Problem.

Johann Wolfgang von Goethe zu Kanzler von Müller 1821 In re mathematica ars proponendi questionem pluris facienda est quam solvendi.

3. These der Dissertation von Georg Cantor 1867

...; denn das Wesen der Mathematik liegt gerade in ihrer Freiheit.

Georg Cantor in „Über unendliche lineare Punctmannichfaltigkeiten“ 1879

In einer Gesellschaft, die sich ständig verändert, ist die Fähigkeit, mit Wandel umzugehen, Wandel zu nutzen, Wandel zu gestalten, eine der wichtigsten.

Bundespräsident Rau beim Kongress „Wissen schafft Zukunft“ im Juli 2000 Nur was man variiert, kann man begreifen.

Horst Karaschewski in „Das funktionale Denken im ganzheitlichen Rechen- Unterricht“ 1962

Forschungsprojekt

Aufgabenvariation als Unterrichtsgegenstand

(oder: Be merry, vary!)

(2)

Inhalt:

0 Kurzvorstellung 1 Beispiel

2 Rahmen

3 Ausgangssituation 4 Begründungen 5 Unterrichtsplanung 6 Methodische Details 7 Strategien

8 Hypothesen

9 Einwände und Probleme 10 Erprobung und Evaluation 11 Literatur

Anhang 1: Parallelogrammdrittelung Anhang 2: Zahlenspiel

Anhang 3: Kreisgleichung Anhang 4: Schulbuchseite Anhang 5: Schulbuchseite Anhang 6: Weltbevölkerung Anhang 7: Summanden gesucht Anhang 8: Drahtmodell

Anhang 9: Abfüllung in Flaschen Anhang 10: Zwischenbruch

Anhang 11: Ballpyramide Anhang 12: Tankfüllung Anhang 13: NIM-Spiel Anhang 14: Spielabbruch Anhang 15: Quadratzerlegung Anhang 16: Abstandsmenge Anhang 17: Dreieckszerlegung Anhang 18: Stammbruchdarstellung Anhang 19: Beckenfüllung

Anhang 20: Thales-Satz

Anhang 21: Mittelsenkrechtenschnittpunkt Anhang 22: Computerprogramm

Anhang 23: Dürer-Quadrat

Anhang 24: Dreieckskonstruktion Anhang 25: Abstandsgleichheit Anhang 26: Plantagenaufgabe

3

4

7

9

14

23

26

30

34

36

40

42

48 49 50 51 53 55 57 58 60 62 65 66 67 71 73 78 82 87 89 91 96 99 101 107 111 113

(3)

Anhang 27: Lineare Funktion Anhang 28: Quadratische Funktion Anhang 29: Gleichungssystem Anhang 30: Olympiade-Aufgabe *Anhang 31: Termvergleiche Anhang 32: Uhrzeiger

*Anhang 33: Parallelogrammfolge Anhang 34: Orts“fläche“

Anhang 35: Quadrat und Kreis Anhang 36: Winkelpassung

Anhang 37: Isoperimetrisches Problem Anhang 38: Minimale Abstandssumme Anhang 39: Urne mit Bällen

Anhang 40: Geburtstagsproblem Anhang 41: Zuverlässigkeit Anhang 42: Irrationalitätsbeweis Anhang 43: Wurzelschnecke Anhang 44: Wurzelgleichung Anhang 45: Dreiecksinhalt Anhang 46: Summenbildung Anhang 47: Sinusfunktionen Anhang 48: Rohrknie

Anhang 49: Brückenproblem Anhang 50: Kurvendiskussion Anhang 51: Kurvenbestimmung

*Anhang 52: Arbeitsblatt Prozentrechnung *Anhang 53: Besonderes Datum

**Anhang 54: Pascal-Dreieck

**Anhang 55: Addition zweier Nachbarzahlen **Anhang 56: Kreise im Dreieck

**Anhang 57: Rösselsprung

**Anhang 58: Pythagoras am Tetraeder **Anhang 59: Rotationskörper

**Anhang 60: Lineare Bestimmungsgleichung **Anhang 61: Vermessung am Chiemsee **Anhang 62: Mühlefigur

116 121 126 129 133 139 141 146 150 155 157 163 168 172 174 177 181 185 189 192 196 202 208 211 217 222 224 227 230 236 240 247 255 257 265 270 Die Anhänge mit * gehen auf Anregungen aus dem Unterricht zurück, diejeni- gen mit ** sind direkte Unterrichtsberichte.

(4)

0 Kurzvorstellung

Im Projekt soll umfassend geklärt und begründet sowie - in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus Schule und Hochschule - erprobt und evaluiert werden, daß und wie Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schulstufen und Schulformen fremdgestellte Aufgaben nach deren Lösung möglichst eigen- ständig abwandeln, diese Varianten untersuchen und die dabei benutzten Strate- gien erarbeiten und anwenden können. Wir sind überzeugt, damit einen wichti- gen Beitrag leisten zu können zur Förderung der Aufgabenkultur im Mathema- tikunterricht und damit zu dessen qualitativer Weiterentwicklung, zumal die bis- herigen Unterrichtserfahrungen recht ermutigend sind.

(5)

1 Beispiel

Es soll exemplarisch verdeutlichen, welche Variationsmöglichkeiten in einer schulüblichen Aufgabe stecken. Bei jeder Variation wird angegeben, was ge- genüber dem ursprünglichen Text verändert wurde und welche Strategie dahin- tersteckt. In Klammern stehen kurzgefaßte Lösungshinweise.

Initialproblem:

Addiere drei aufeinanderfolgende natürliche Zahlen. Was fällt Dir auf?

Vermutung:

Die Summe ist stets durch 3 teilbar.

Lösung(en):

a) Die Summe ist stets das 3-fache des mittleren Summanden, da sich erster und dritter Summand entsprechend ergänzen (s. Fig.1)

b) n + (n+1) + (n+2) = 3n + 3 = 3⋅(n+1) bzw.

(n−1) + n + (n+1) = 3n

c) Die kleinste Summe 1 + 2 + 3 ist durch 3 teilbar, ebenso 2 + 3 + 4, 3 + 4 + 5 usw., weil der hinzu- kommende Summand jeweils um 3 größer ist als

der entfallende (weil jeder Summand um 1 und Fig.1 damit die Summe jeweils um 3 wächst).

Nebenresultat: Die Summe ist auch durch den mittleren Summanden teilbar.

Mögliche Variationen:

a) Addiere zwei aufeinanderfolgende natürliche Zahlen. Was ...?

(Summe immer ungerade, also nicht durch 2 teilbar.) Addiere vier aufeinanderfolgende natürliche Zahlen. ...

(Summe immer durch 2, aber nie durch 4 teilbar.) Addiere fünf aufeinanderfolgende natürliche Zahlen.

(Summe immer durch 5 und den mittleren Summanden teilbar.) Strategie: geringfügig ändern (hier: Summandenzahl)

b) Addiere ungerade viele aufeinanderfolgende natürliche Zahlen.

(Summe immer durch die Anzahl der Summanden und durch den mittleren Summanden teilbar.)

Addiere gerade viele aufeinanderfolgende natürliche Zahlen.

(Summe gerade, wenn die Summandenzahl durch 4 teilbar ist, sonst ungera- de.)

(6)

Addiere n aufeinanderfolgende natürliche Zahlen

(keine monolithische Teilbarkeitsaussage möglich, sondern nur eine Fallun- terscheidung gemäß den ersten beiden Aussagen)

Strategie: verallgemeinern (hier: Summandenzahl)

c) Kann man irgendeine andere Aussage machen über die Summe von n aufein- anderfolgenden natürlichen Zahlen?

((m+1) + (m+2) + ... + (m+n) = n⋅m + (1 + 2 + ... + n) = n⋅m + ½ ⋅n⋅(n+1) = n ⋅ (m + ½ ⋅ (n+1)). Es gibt also eine Summenformel (der man auch ansehen

kann, daß die Summe genau dann durch n teilbar ist, wenn n ungerade ist).) Strategie: Frage abändern (hier: weil ursprüngliche Frage (s. b)) nicht ge-

schlossen beantwortbar war)

d) Stelle eine durch 3 teilbare natürliche Zahl als Summe dreier aufeinanderfol- gender natürlicher Zahlen dar.

(3n = (n−1) + n + (n+1))

Strategie: umkehren (hier: Denkrichtung)

e)

Addiere drei aufeinanderfolgende gerade Zahlen.

((2n−2) + 2n + (2n+2) = 6n . Die Summe ist durch 6 teilbar.) Strategie: spezialisieren (hier: den Zahlentyp)

f) Addiere drei gleichabständige natürliche Zahlen.

((n−d) + n + (n+d) = 3n . Summe immer noch durch 3 teilbar.) Dazu Änderung der Summandenzahl wie oben

Strategie: verallgemeinern (hier: Bedingung) g) Addiere drei aufeinanderfolgende ganze Zahlen.

(nicht Neues)

Strategie: verallgemeinern (hier: Zahlentyp) h) Addiere drei aufeinanderfolgende Quadratzahlen.

((n−1)2 + n2 + (n+1)2 = 3n2 + 2. Die Summe läßt bei Division durch 3 den Rest 2.)

Strategie: Bedingung abändern (hier: Zahlentyp)

Hinweis: Hingegen ist die Summe dreier aufeianderfolgender Kubikzahlen durch 3 teilbar, weil (n−1)3 + n3 + (n+1)3 = 3·(n2 + n + 1) ist.

i) Addiere drei aufeinanderfolgende Stammbrüche.

(1 1 1

n n + 1 1 n + 2 n

+ + < . Die Summe wird beliebig klein, wenn n beliebig groß wird.)

Strategie: Bedingung abändern (hier: Zahlentyp)

(7)

j) Addiere drei aufeinanderfolgende Primzahlen.

(keine Aussage möglich (außer der trivialen, daß die Summe ungerade ist, wenn der Summand 2 nicht dabei ist))

Strategie: Bedingung ändern (hier: Zahlentyp)

k) Multipliziere drei aufeinanderfolgende natürliche Zahlen.

(Vermutung: Produkt immer durch 6 teilbar.

Lösung: Einer der Faktoren ist durch 3 teilbar, einer durch 2.) Änderung der Summandenzahl wie oben

Strategie: analogisieren (hier: Verknüpfung)

l) Multipliziere n aufeinanderfolgende natürliche Zahlen.

(Vermutung: Produkt durch n! teilbar.

Lösung:

(

m + 1

) (

m + 2

) (

m + n

) ( )

n!

m + n m! n!

⋅ ⋅ ⋅

= ⋅ = +





... ! m n

m ∈ )

Strategie: verallgemeinern (von j) her) bzw. kombinieren (hier: die Varia- tionen in b) und j))

m) Multipliziere n gleichabständige natürliche Zahlen.

(keine Aussage möglich)

Strategie: kombinieren (hier: die Variationen in f) und k))

n) Drei natürliche Zahlen werden zufällig bestimmt. Wie groß ist die Wahr- scheinlichkeit, daß ihre Summe (ihr Produkt) durch 3 teilbar ist?

(w = 1/3 bzw. w = 1 − (2/3)3 = 19/27)

Strategie: Bedingung ändern (hier: Zustandekommen der Zahlen)

o) n natürliche Zahlen werden zufällig bestimmt. Wie groß ist die Wahrschein- lichkeit daß ihre Summe (ihr Produkt) durch n teilbar ist?

(w = 1/n bzw. w = 1 − ((n−1)/n)n )

Strategie: verallgemeinern (von n) her) bzw. kombinieren (nämlich b) und n))

Wie solche Variationen im Unterricht erarbeitet und wie mit ihnen umgegangen werden soll, wird später erörtert (s.

5

und

6

). Zunächst gehen wir darauf ein, warum man dies tun sollte (s.

2, 3

und

4

).

(8)

2 Rahmen

Mathematikunterricht ist problemlösender Unterricht

Daß er dies zumindest auch und nicht zuletzt ist, darf heute als eine selbstver- ständliche, ernsthaft nicht mehr bestrittene Forderung gelten (s. etwa Törner;

Zielinski 1992). Sie leitet sich ab sowohl aus der geschichtlichen Entwicklung der Mathematik, die stets entlang von Initial- und Folgeproblemen geschah, als auch aus dem gesellschaftlichen Auftrag der Schule, deren Absolventen die (in Quantität und Komplexität ansteigenden) Probleme der Gegenwart und Zukunft zu bestehen haben, und vor allem aus der anthropologischen Charakterisierung des Menschen als (biologisches und geistiges) Wesen, das sich im Umgang mit Problemen bildet. „Alles Leben ist Problemlösen“ (Popper 1994).

Problemlösen bedarf polarer Dispositionen

In diesem Zusammenhang hat Strunz 1968 herausgestellt, daß erfolgreiches Problemlösen zwei polare dispositionale Voraussetzungen hat, nämlich kriti- sches, folgerichtiges und gründliches Denken einerseits (Kerschensteiner 1928 spricht von geistiger Zucht), Ideenreichtum, Beweglichkeit und Phantasie ande- rerseits (Strunz faßt zusammen: Esprit). Möglicherweise hängt dies mit den un- terschiedlichen Aufgaben und Arbeitsweisen der beiden Gehirnhemisphären zu- sammen (s. Pehkonen 1997). Mit Blick auf die idealtypischen Phasen der Arbeit an einem Problem (s. dazu etwa Ulmann 1968) ist anzumerken, daß die willens- gesteuerte, angestrengte, eher kognitive Komponente des produktiven Denkens vor allem in den Phasen der Lösungsversuche und der Lösungsausarbeitung zur Geltung kommt, während die spielerisch-kreative, eher affektive Komponente in den Phasen der Problemgenese und der Lösungsfindung wichtig ist.

Kreative Phasen sind im Mathematikunterricht allzu selten

Wer die Praxis des gegenwärtigen Mathematikunterrichts (sowie des Mathema- tikstudiums) und die sie rahmenden Regularien kennt, muß befürchten, daß die- se zweite Komponente vernachlässigt wird. Die weltweit durchgeführte TIMS- Studie (s. Baumert et al. 1997 und 2000) und darin insbesondere die auf Japan, die USA und Deutschland beschränkte TIMS-Video-Studie haben gezeigt (s.

Blum; Neubrand 1998), daß die nur mittelmäßigen Mathematikleistungen deut- scher Schülerinnen und Schüler u.a. auch auf eine zu starke Ausrichtung an Standardaufgaben und -verfahren sowie auf mangelnden Umgang mit unge- wohnten Fragestellungen oder gar mit wirklichen Problemen1 zurückgehen (an- ders in Japan). Zwar befaßt sich auch unser Unterricht durchaus mit Aufgaben (so sehr, daß die Kritik der „Aufgabendidaktik“ durch Lenné 1968 immer noch aktuell ist), darunter auch (allerdings schon seltener) mit Problemen, doch die-

1 Diese Typisierung ist selbstverständlich auf den jeweiligen Kenntnis- und Leistungsstand der Lerngruppe zu beziehen.

(9)

nen diese häufig nur dazu, eine zu lernende Methode, einen hieb- und stichfesten Algorithmus einzuführen und - vor allem - zu üben. Dann aber haben unortho- doxe, originelle oder auch nur ungewohnte Lösungsideen keinen Platz.

Wer stellt die Aufgaben?

Noch mehr ist allerdings die heuristische und bildnerische Funktion der Phase der Problemgenerierung bedroht, und zwar einfach dadurch, daß die vielen Auf- gaben des Mathematikunterrichts in der Regel solche der Lehrenden sind, direkt oder vermittelt über Schulbücher, Aufgabensammlungen und didaktische Lite- ratur, so daß die Lernenden allenfalls reagieren können. Leider trifft dies meist auch für denjenigen Unterricht zu, der sich dem Problemlösen wirklich ver- pflichtet fühlt. Wer aber zustimmt, daß „Mathematikunterricht die Bereitschaft und die Fähigkeit zu schöpferischen Denken und Kreativität fördern soll“ (MNU 1988), schon deshalb, weil „Mathematik lebendiges und phantasievolles Han- deln ist, das auf menschlicher Kreativität beruht“ (MNU 1998), der sollte auch darüber nachdenken, wie Schülerinnen und Schüler an der Erzeugung von Auf- gaben beteiligt werden können.

Daß es im täglichen Leben nicht nur darauf ankommt, fremdbestimmte Proble- me zu lösen, sondern auch und vielleicht noch mehr darauf, sie zu adaptieren, zu reduzieren, weiterzuentwickeln, in einen Sinnzusammenhang einzupassen, von dort her auf neue Fragen zu stoßen usw., und nicht zuletzt darauf, aufkommende Probleme rechtzeitig zu sehen, bedarf eigentlich keiner Erwähnung.

(10)

3 Ausgangssituation

Nun wird niemand eine Stunde mit der Frage beginnen: „Wer hat ein Problem?“

bzw. „Wer weiß eine schöne Aufgabe?“; auch dann nicht, wenn klar ist, daß sich die Frage auf die aktuelle Unterrichtseinheit bezieht. Hingegen liegt es nahe, Aufforderungen solcher Art an gerade behandelte und gelöste Aufgaben anzu- schließen und sie entsprechend zu formulieren, etwa „Wie können wir diese Aufgabe(n) abwandeln (verändern, variieren, umgestalten)?“ oder „Wer gibt uns eine ähnliche, eine verwandte Aufgabe?“.

Polya hilft weiter

Erste Anleitungen dazu findet man schon bei Polya 1949, dem Altmeister der mathematischen Heuristik. In seiner die Bearbeitung eines Problems abschlie- ßenden Phase der Rückschau steht die Frage: „Kannst Du das Resultat oder die Methode für irgend eine andere Aufgabe gebrauchen?“ Er differenziert dann (S.147): „Wir können uns leicht eine neue Aufgabe ausdenken, wenn wir mit den hauptsächlichsten Mitteln, eine Aufgabe zu variieren, etwas vertraut sind, wie Verallgemeinerung, Spezialisierung, Analogie und Zerlegung und Zusam- mensetzung.“ Und er macht Mut (S.148): „Gute Aufgaben und Pilze haben et- was gemeinsam: sie finden sich stets in Haufen.“ Schließlich verdeutlicht er sei- ne Anmerkungen am Beispiel der Aufgabe, zu den gegebenen Kantenlängen ei- nes Quaders die Länge seiner Diagonalen zu finden.

In Anhang 1 findet der Leser ein anderes, ebenfalls aus der Literatur bekanntes elementargeometrisches Beispiel (s. Wittmann 1973 und Siemon 1976).

In weiteren Werken „Mathematik und plausibles Schließen“ 1962/63 und „Vom Lösen mathematischer Aufgaben“ 1966/67 hat Polya seine Analysen und Anre- gungen (leider nicht die zum Variieren) anhand vielfältiger Aufgaben und Pro- bleme erweitert und vertieft. Doch hat er damit in der breiten Unterrichtspraxis - obwohl viel gelobt und immer wieder zitiert - nicht genügend Resonanz gefun- den.

Die didaktische Literatur bietet inzwischen gute Anregungen

Denk- und Lernpsychologie befassen sich überwiegend mit dem Verhalten von Probanden beim Lösen vorgelegter Probleme; für unser Anliegen erhalten wir daher kaum Hinweise.

Auch in der didaktischen Literatur waren weiterführende Beiträge nicht eben häufig. Es ist bezeichnend, daß die Datenbank MATHDI (im Oktober 1999) auf das Stichwort „Aufgabe“ 6360 Antworten gab, aber keine einzige zur „Aufga- benvariation“. Allerdings mehren sich hilfreiche Untersuchungen und Arbeiten gerade in den letzten Jahren:

- Steinhöfel; Reichold 1971 nennen als letzten Schritt innerhalb des Gesamtpro- zesses des problemlösenden Beweisens das Ziehen von Schlußfolgerungen und

(11)

führen dazu u.a. Verallgemeinerungen, Sonderfälle, Grenzfälle, Umkehrungen des bewiesenen Satzes sowie das Beweisen analoger Sätze an.

- Wittmann 1971 plädiert für „erzeugende Probleme“, die den Kern bilden für eine Schar „verwandter Aufgaben, die durch Analogisierung, Abwandlung, Ver- allgemeinerung usw. gewonnen werden“ (S.291) und erläutert diese Erzeugung an einleuchtenden, im Schwierigkeitsgrad recht verschiedenen (und daher unter- schiedliche Schulstufen betreffenden) Beispielen. In einer späteren Arbeit (1973) vergleicht er die dabei verwandten Heurismen mit den Mutterstrukturen der Mathematik (und spricht konsequenterweise von den „Mutterstrategien der Heuristik“).

- Krautkrämer 1985 weist bei der Vorstellung des Hamburger Modells zur För- derung von mathematisch besonders begabten und interessierten Schülern all- gemein und an Beispielen auf die Bedeutung des Erkennens von Problemen und des Findens von Anschlußproblemen für mathematische Denkleistungen hin.

- Walther 1985 zeigt mittels der Aufgabe „Läßt sich die Zahl 1000 als Summe aufeinanderfolgender natürlicher Zahlen darstellen?“, welche Einsichten Schüler (und Lehrer) durch Drehen und Wenden der Lösung und der Aufgabenstellung gewinnen können. Sie ist entstanden innerhalb des MA-THEMA-Projekts, mit dem in Schleswig-Holstein mathematisch interessierte SI-Schülerinnen und - Schüler in Arbeitsgemeinschaften gefördert werden (s. Walther; Kühl 1988).

- Bruder 1988 macht auf die Möglichkeit des Abwandelns von Aufgaben zum Zwecke effektiver und differenzierender Festigung aufmerksam. Doch geschieht dies vornehmlich durch den Lehrer, während der Schüler höchstens auswählen kann. Diese - in unseren Augen starke - Einschränkung gilt leider auch für die im Anschluß an die Piaget´schen Forschungen propagierte (und ansonsten höchst sinnvolle) operative Gesamtbehandlung einer mathematischen Einheit (s.

Fricke 1969).

- Walsch 1995 spricht sich für „Aufgabenfamilien“ aus, die aus einer Ein- stiegsaufgabe hervorgehen, und erläutert deren Vorzüge an einleuchtenden Bei- spielen. Wer sie entwickelt (und mit welchen Strategien), wird allerdings nicht weiter thematisiert.

- Käpnick 1996 führt unter den Fördermaßnahmen für mathematisch interes- sierte und begabte Grundschulkinder auch das „eigenständige Finden und For- mulieren von Anschlußproblemen“ auf, weist aber auch darauf hin, daß „sich eine Reihe von Kindern mit dem Lösen eines Ausgangsproblems zufriedengibt“.

- Das 1997 erschienene Gutachten zum BLK-Programm „Steigerung der Effizi- enz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts“ nennt innerhalb ei- ner von ihm propagierten Aufgabenkultur ausdrücklich auch die Aufgabenva- riation als geeignetes Mittel, Motivation zu bewirken, Sinn zu erzeugen und kumulative (statt isolierte) Lernprozesse in Gang zu setzen.

(12)

- Lehmann 1998 entwickelt Software in Gestalt von „Bausteinen“, die sich aus je einer Aufgabenserie formieren und ihrerseits zu neuen Aufgabenfolgen Anlaß geben. Hier werden Schüleraktivitäten bewußt gefordert und gefördert.

- Weiterhin sei auf Vollrath 1987 und Weth 1999 hingewiesen. Dort geht es zwar um Begriffsbilden als kreatives Tun im Mathematikunterricht, doch gibt es viele und vielfache Bezüge zur Problemvariation, einfach deshalb, weil Proble- me mit Begriffen formuliert werden und weil Lösungsprozesse und Lösungen Anlaß geben zu neuen Begriffen, die ihrerseits weitere Probleme schaffen. Zu- dem hat Weth Strategien (er nennt sie Routinen) entwickelt und erprobt, die in kreativen Phasen hilfreich sein können und daher auch für uns von Wichtigkeit sind. Jüngst haben Trunk; Weth 1999 mit „merkwürdigen Punkten und Linien im Dreieck“ ein überzeugendes Beispiel für eine entsprechende unterrichtliche Realisierung publiziert.

- Für erste publizierte Beispiele aus dem eigenen Projekt sei auf Hein; Knichel 1999, auf Schupp 1999a,b und 2000 a,b sowie auf Henning; Leneke 2000 ver- wiesen.

- Das o.a. BLK-Programm (inzwischen kurz SINUS genannt), an dem sich alle Bundesländer mit Ausnahme des Saarlandes über Modellschulen beteiligen, hat inzwischen zu einer erfreulichen Förderung und Konkretisierung der Aufgaben- kultur im alltäglichen Unterricht geführt, die sich vor allem im Bemühen um offenere Aufgaben und im Bewirken von unterrichtlichen Öffnungsprozessen äußert, in die sich unser Ansatz (obwohl unabhängig davon und zuvor entstan- den) gut einfügt1. Beispielhaft sei die Zeitschrift „mathematiklehren“ aufgeführt, die seit 1995 eine von W. Herget betreute Rubrik „Die etwas andere Aufgabe“

enthält und sich in H. 100 dem „Aufgaben öffnen“ widmet. Insbesondere seien die „Variationen einer Textaufgabe“ (Böhmer 2000) erwähnt. Auch wir hatten Gelegenheit, unseren Ansatz vorzustellen (Schupp 2000b), wie er überhaupt im Rahmen des SINUS-Projekts starke Beachtung findet, was zu zahlreichen Prä- sentationen auf Bundes- und Landesebene geführt hat, und was uns in Kontakt brachte zu weiteren Kolleginnen und Kollegen, die unsere Materialien erproben und eigene Ideen entwickeln wollen.

Wie sieht es im Ausland aus?

Gewichtige Anstöße kommen, etwa ab 1980 und seither in zunehmendem Maße, vor allem aus dem englischsprachigen Raum (s. Bishop et al. 1996).2

1 Es ist bemerkenswert, daß das SINUS-Modul 1 (Weiterentwicklung der Aufgabenkultur im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht) das von den Bundesländern bzw. Modell- schulen weitaus am meisten aufgegriffene und umgesetzte Modul ist. Weiterhin zeichnet sich ab, daß von dort auch positive Impulse auf die Arbeit in den anderen Modulen ausgehen.

2 Einschlägige Arbeiten aus anderen Sprachräumen werden international leider kaum beach- tet. Für entsprechende Hinweise sind wir dankbar.

(13)

- So schätzt Kantowski 1980 das Variieren bekannter Aufgaben als eine derjeni- gen Fähigkeiten ein, die für die vierte und höchste Stufe charakteristisch sind, zu der ein Problemlöser gelangen kann.

- Kilpatrick 1985 nennt als mögliche Problemquelle „andere Probleme“, geht in diesem Zusammenhang auf wichtige Strategien ein (Assoziation, Analogie, Ver- allgemeinerung, Kontradiktion) und denkt über Möglichkeiten nach, sie im Un- terrricht zu verankern.

- In The Curriculum and Evaluation Standards for School Mathematics (NCTM 1989) heißt es: „Students in grade 9-12 should also have some experience reco- gnizing and formulating their own problems, an activity, that is in the heart of doing mathematics.“1

- Stevenson 1992 stellt 60 „exploratory problems“ zusammen, wobei zu den Auswahlkriterien u.a. gehört: „The problems should suggest several other pro- blems“. Denn er gliedert den Explorationsprozeß in eine induktive, eine deduk- tive und eine kreative Phase (Antwortsuche, Antwortbegründung, eigene Unter- suchungen).

- „Problem posing“ ist neuerdings geradezu ein Schlagwort, jedenfalls aber ein Buchtitel (Brown; Walter 1983, 1990, 1993) geworden. Man unterscheidet freie, halb- und ganzstrukturierte problem-posing-situations je nach dem Grad der Abhängigkeit von einem Initialproblem.2 Stoyanova 1999 gibt dazu eine noch- malige Verfeinerung an und erläutert sie an zahlreichen Beispielen. Variationen gehören demnach zu den vollständig strukturierten problem-posing-situations, die auf einem spezifischen Problem basieren und dadurch generiert werden, daß man entweder das Problemvokabular oder die semantische Struktur des Pro- blems oder die Problemfrage ändert.

Anhang 2 skizziert ein in Brown; Walter 1993 ausgearbeitetes, diesmal arithme- tisches Beispiel, das auch bereits für jüngere Schüler geeignet ist.

- In Norwegen befaßt sich eine Forschungsgruppe um R. Solvang damit, kleine- re Forschungsfelder („Landschaften“) für den Unterricht zu schaffen. Dabei geht sie je von einer Situation (Daten, Fakten, Bilder, Beziehungen) und einem zuge- hörigen „Startproblem“ aus, dessen Lösung zu weiteren Problemstellungen an- regen soll (Pedersen; Solvang 1997).

1 Die kürzlich (2000) erschienenen „Principles and Standards for School Mathematics“ (s.

http://standards.nctm.org/document) sagen das leider nicht mehr so deutlich. Immerhin for- dern auch sie, Lernumgebungen zu schaffen, in denen Schüler „will be more likely to pose problems and to persist with challenging problems“ (S.53).

2 Unter „problem“ versteht man im Englischen weniger das deutsche „Problem“ als vielmehr die „Aufgabe“.

(14)

- English 1997 berichtet ausführlich über ein 10 Wochen dauerndes problem- posing Programm (mit zwei 35-minütigen „activity sessions“ pro Woche), das mit 17 10jährigen Schülern durchgeführt wurde, und vergleicht deren Endver- halten (ausführlich auch das dreier ausgewählter Probanden) mit dem einer 10 Schüler umfassenden Kontrollgruppe. Die Ergebnisse sind ermutigend und las- sen den Einbau solcher Aktivitäten in den Normalunterricht geraten erscheinen.

- In Pehkonen 1997 sind Beiträge zusammengestellt, die zwischen 1993 und 1996 in der Diskussionsgruppe „Using Open-ended Problems in Mathematics“

innerhalb des PME-Forums (Psychology of Mathematics Education) gehalten wurden und sich u.a. mit Problemvariationen beschäftigen.

- Es finden sogar schon Versuche statt, „problem-posing-tests“ zu entwickeln, einzusetzen und auszuwerten, in denen Komponenten kreativen Tuns (nach Guilford 1950: Flüssigkeit, Flexibilität und Originalität der Eigenproduktion) bei den Probanden gemessen werden (s. Leung 1997).

- Das überdurchschnittlich gute Abschneiden asiatischer Schülerinnen und Schü- ler in der TIMS-Studie hat den dortigen Mathematikunterricht interessant ge- macht. Cai 1998 stellt in einer vergleichenden Studie anhand eines Tests, der in den USA und in China geschrieben wurde, fest, daß die Überlegenheit sich we- niger beim Lösen komplexer Probleme als vielmehr in der Sicherheit beim Be- wältigen von Aufgaben mittleren Schwierigkeitsgrades bemerkbar macht.

Wichtiger für uns ist, daß der Test einmal mehr gezeigt hat, wie eng gekoppelt problem-posing- und problem-solving-Fähigkeiten sind (s. dazu

4 e)

). Interes- sant auch und vielleicht tröstlich die abschließende Feststellung, daß problem- findende Aktivitäten im Unterichtsalltag beider Länder noch recht selten sind.

- Neubrand; Neubrand 1999 analysieren und beurteilen eine japanische Unter- richtsstunde, die im Rahmen der TIMS-Video-Studie aufgezeichnet worden ist.

Im Anschluß an eine Aufgabe, bei der ein Winkel zwischen zwei Strecken in- nerhalb eines Parallelstreifens zu be- rechnen war, wurden die Schülerinnen und Schüler aufgefordert: „Make your own problems by changing the conditi- ons between (the) parallel lines“.

Fig.2

50

30 x

- Stoyanova 2000 stellt Lehrerfragen bereit, welche geeignet sind, die Verbin- dung von problem-posing- und problem-solving-Aktivitäten zu intensivieren.

(15)

4 Begründungen

Warum sollte man - weit mehr als bisher - eigene Problemstellungen der Schüle- rinnen und Schüler fördern?

a) Heraus aus der bloßen Reaktion

v. Hentig 1997 (in einem Interview): „Wir überschütten unsere Kinder mit Ant- worten auf Fragen, die sie nicht gestellt haben.“ Und die meist auch die Lehren- den nicht gestellt haben, sondern die sie weitergeben aus dem Schulbuch und aus sonstiger Literatur. Im Mathematikunterricht sind das im Verlaufe von 13 Jahren einige tausend Aufgaben! Paulsen 1913 schreibt vom Abiturienten:

„Zwölf Jahre hindurch an alles gewöhnt, nur nicht daran, sich selber Aufgaben zu stellen und aus eigenem Antrieb zu arbeiten, weiß er nun mit der so plötzlich und im Übermaß hereinbrechenden akademischen Freiheit nichts zu beginnen.“

Wobei einschränkend hinzuzufügen ist, daß die Hochschulmathematik die Auf- gabenzentriertheit zunächst eher noch fortsetzt und steigert. In der Tat hat die erste Phase der Ausbildung zum Mathematiklehrer die Bereitschaft zur bloßen Entgegennahme von Aufgaben, die Hinnahme des fast ausschließlichen Gemes- senwerdens an der Qualität der zugehörigen Lösungen noch verstärkt; das Bear- beiten von Aufgabenblättern nimmt einen Großteil studentischer Aktivitäten ein.

Bei Postman 1995 heißt es (S.97): „ Alle Kinder treten als Fragezeichen in die Schule ein und verlassen sie als Punkte.“ Er beklagt (S.216), daß die Frage „als das wichtigste intellektuelle Werkzeug, das dem Menschen zur Verfügung steht, in der Schule nicht gelehrt wird“.

Mit brutaler Offenheit heißt es im Eingangslied der Sesamstraße: „Wer nicht fragt, bleibt dumm!“

b) Wider ein falsches Bild von Mathematik

Es wird einem ebenso verbreiteten wie unzutreffenden Bild von Mathematik gewehrt als einer Wissenschaft, die keine wirklichen Probleme mehr hat, deren Formel- und Rezeptsammlung abgeschlossen ist, und die demnach ihre (natür- lich vollständig lösbaren) Aufgaben nur noch zu Trainingszwecken konstruiert.

Erstaunlich leicht nämlich kommt man durch einfache Variationen einer gelö- sten Aufgabe neben unsinnigen, trivialen, leichten und anspruchsvollen Frage- stellungen zu sehr schwierigen, für Schüler und nicht selten auch für Lehrer un- lösbaren (u.U. aber höchst aktuellen), ja zu noch ungelösten oder prinzipiell nicht lösbaren Problemen (s. dazu

1

).

Ein weiteres Beispiel: Im Anschluß an die Behandlung pythagoreischer Zahlen- tripel und ihrer Konstruktion liegt es nahe, zu fragen: Gibt es Zahlen a,b,c,d ∈ * mit

(16)

a1 + b1 = c1 , a0 + b0 = c0 , a3 + b3 = c3 usw., a-1 + b-1 = c-1 , a1/2 + b1/2 = c1/2 , a2 + b2 + c2 = d2 , a2 + b2 = c2 + d2 usw.

Wenn ja, gibt es jeweils wieder einen Algorithmus, mit dem man alle Grundtri- pel (Grundquadrupel) erhalten kann? Gibt es wie bei den pythagoreischen Tri- peln ein geometrisches Gebilde, das sie charakterisiert?

Mathematik wird - vielleicht zum ersten Mal - als lebendiger Prozeß erlebt, in dem Fragen entstehen, (vielleicht nur teilweise) beantwortet werden und neue Fragen nach sich ziehen, ein Prozeß auch der „Befreiung vom Gegenstand“ (Fi- scher 1984), d.h. des Gebundenseins an allzu spezielle Wissenspartikel (vgl. das zweite Cantor´sche Zitat). Kurz: Es wird authentisch gelernt.

c) Vernetztes Denken

Walsch 1995 weist darauf hin, daß das beim Bearbeiten von Aufgabenfamilien erforderliche „Variieren von Daten, Bedingungen und Fragestellungen dazu beitragen kann, die Grenzen monokausaler Sichtweisen zu überwinden und An- sätze zu einem mehr vernetzten Denken zu entwickeln.“ Eine solch lokale Ver- netzung (im Unterschied zu eher globalen Zusammenführungen bei den üblichen Gesamtwiederholungen) kann auch dem schon von Wagenschein 1968 gerügten, weil erdrückenden Turmcharakter der Schulmathematik vorbeugen. Jedenfalls schafft Aufgabenvariation Verbindungen zu früherem Wissen (und gibt damit die Möglichkeit impliziter Wiederholung), zu anderem Wissen (fächerüber- greifende Bezüge) und zu (curricular) späterem Wissen, ohne dieses erschöp- fend behandeln zu müssen (s.u.).

d) Motivation und Interesse

Es ist eine Binsenweisheit, daß man zur Lösung eigener Fragen mehr motiviert ist als zur Replik auf Fragen dessen, der die Antworten schon kennt.

Beispiel: Die Frage eines Schülers, wie man ein Trapez konstruieren könne aus seinen vier Seitenlängen (a¦c vorausgesetzt) (als Reaktion auf die Aufforde- rung, Aufgaben zur Trapezkonstruktion zu bilden), hat einen der Projektleiter und seine Klasse eine Unterrichtsstunde lang und noch zuhause beschäftigt.1 Erfreulich, daß zu dieser Überzeugung auch eine Bestätigung von empirisch- pädagogischer Seite vorliegt (Deci; Ryan 1993)

1 Das wiederholte sich für ihn, als er kürzlich auf die Aufgabe stieß, ein Trapez aus den bei- den parallelen Seiten und den beiden Diagonalen zu konstruieren.

(17)

Vielleicht kann auf solche Weise sogar eine Haltung gegenüber der Mathematik geweckt und gefördert werden, die wertvoller ist als die bloß einleitende und daher kurzfristige Motivation: das verweilende Interesse am Fach (nach Herbart sogar das Ziel eines jeden Unterrichts), hier insbesondere an dessen Fragestel- lungen und Lösungswegen (s. Bauer 1989).

Um einem Mißverständnis vorzubeugen: Die gute, d.h. aktivitätsanregende Leh- rerfrage wird durchaus nicht überflüssig, sondern bleibt bitter notwendig. Doch könnte so manche Gängelei durch kurzschrittige Fragesequenzen (das meinte Gaudig mit seiner „Despotie der Frage“) durch geeignete Variationsphasen ab- gelöst werden. Dies wäre jedenfalls eine Möglichkeit, die einigermaßen parado- xe, nur in der Schule vorfindliche Situation, daß derjenige fragt, der es weiß, und derjenige antworten muß, der es eventuell nicht weiß, wenigstens hin und wieder zu durchbrechen.

e) Üben in sinnvollem Kontext

Der Leser schaue sich das Beispiel in

1

einmal daraufhin an, wie hier, selbst wenn beileibe nicht alle dortigen Fragen formuliert und behandelt werden, der zweckmäßige Umgang mit einfachen Termen im Zusammenhang mit dem Lö- sen einfacher Teilbarkeitsfragen geübt wird, und man halte dagegen, wie lang- weilig diese Übungsphase in unseren Schulbüchern und wohl auch in den mei- sten Schulstunden gestaltet wird. In Schupp 2000 b wird dargestellt, daß das un- vermeidliche Üben der Binomischen Formeln sich als Variation der Grundbe- ziehung (a+b)2 = a2 + 2ab + b2 arrangieren läßt und zudem zu Einsichten führt, die beim Bewältigen entsprechender Aufgabenplantagen nicht erreicht werden können.

f) Variation als Lösungsstrategie

Ohne Zweifel ist die Variation einer Ausgangsfrage ein wesentliches Moment auch schon bei der Beantwortung dieser Frage selbst. „Kennst Du eine ver- wandte Aufgabe?“ ist eine der Anregungen im Polya´schen Fragenkatalog. Und er stößt nach: „Versuche zuerst eine verwandte Aufgabe zu lösen! Kannst Du Dir eine zugänglichere verwandte Aufgabe denken?“

Walter; Brown 1977 zeigen am Beispiel der Aufgabe „Finde ein gleichseitiges Dreieck, dessen Fläche so groß ist wie die Flächen zweier vorgegebener gleich- seitiger Dreiecke zusammen.“, wie ein Zusammenspiel von Schülerfragen und -antworten bis zur Entdeckung des verallgemeinerten Satzes von Pythagoras (für ähnliche Figuren) führt.

Winter 1989 macht an mehreren Stellen überzeugend deutlich, wie wichtig und fruchtbar die Variation gegebener Größen bzw. Informationen für das Durch- dringen einer Aufgabe und das Auffinden ihrer Lösung ist. Schon deshalb, weil mit ihr die unvermeidlichen Blockaden bzw. Fixierungen (s. Haylock 1987) überwunden werden können.

(18)

Bugdahl 1995 faßt seine Überlegungen zum Problemlösen in folgendem „Kern- satz“ zusammen (S.29): „Probleme löst man durch motivierte Modifikation“.

Beispiel: Beim Problem der Parallelogrammdrittelung von einer Ecke her (s.

Anhang 1) wäre die Abänderung „Versuche erst eine Halbierung oder Vierte- lung!“ bzw. die Frage „Wie könntest Du die Fläche auf andere Weise dritteln?“

eine große Hilfe gewesen (s. Fig.3,4).

Fig.3 Fig.4 g) Einsicht durch Weiterdenken

Weiterdenken nach einer Lösung macht oftmals den neuen Sachverhalt und mehr noch dessen Bedeutung und Grenzen erst wirklich einsichtig. Das aber ist wesentlich: „Aufgabe des Fachunterrichts im offiziellen Bildungssystem sollte heute nicht nur und nicht in erster Linie das Heranführen an bestimmtes Wissen sein, ... sondern die Entwicklung eines reflektierten, realistischen Verhältnisses zum jeweiligen Wissen.“ (Fischer 1984, S.52)

Beispiel (s. auch Anhang 21): Hat man erarbeitet, daß die Mittelsenkrechten ei- nes Dreiecks genau einen gemeinsamen Punkt haben, der dann der Mittelpunkt des Umkreises sein muß, so machen eigentlich erst die Nachfragen

„Wie ist das insbesondere beim rechtwinkligen, spitzwinkligen, stumpfwinkli- gen Dreieck?“

„Verläuft durch drei Punkte immer ein Kreis?“

„Gilt der Satz auch für Vierecke?“

„Für welche Vierecke gilt er bestimmt?“

„Und für welche n-Ecke?“

„Wie ist das bei anderen Dreieckslinien?“

„Und bei solchen, die wir uns selbst ausdenken?

„Was entspricht dem beim Tetraeder?

die Tragweite des Satzes deutlich. Solche Nachfragen werden, wenn überhaupt, durch den Lehrer gestellt. Mehr oder minder systematische Variation des erar- beiteten Satzes sollte dazu führen, daß auch die Schüler zu fragen beginnen.

Manche solcher Fragen führen auf orthodoxe, ja curricular vorgeschriebene An- schlüsse (z.B. weitere Dreieckstransversalen). Andere öffnen Wege zu späteren

(19)

Curriculumteilen, die durchaus vorgezogen werden können (z.B. Mittelsenk- rechten im Viereck). Wieder andere sind ungewöhnlich, weisen aber durchaus auch auf bisher übersehene Verflechtungen hin (z.B. transversale Geraden und Ebenen beim Tetraeder).

An dieser Stelle sei erstmals daran erinnert, daß das „Thema mit Variationen“

seit Jahrhunderten eine bei Komponisten und Hörern beliebte musikalische Ge- staltungsform ist. Warum? Weil es reizvoll und erfrischend anzuhören ist, wie Bekanntes und Neues sich mischen, wie das scheinbar Bekannte durch Variation an Weite und Tiefe gewinnt.

h) Stärkung des Schüler-Ichs

Sie ist nach Heymann 1996 eine wesentliche Komponente eines schulischen Allgemeinbildungskonzepts. Es geht um „die Entwicklung von Selbstbewußt- sein, Selbstvertrauen, personaler Identität, um die Fähigkeit, eigene Ziele, Wün- sche und Vorstellungen klar zu erkennen und handelnd zu verwirklichen, mit den eigenen Stärken und auch Schwächen realistisch umzugehen“ (S.166);

Heymann fügt hinzu (S.177): „Die angestrebte Ich-Stärkung der Schüler hat zur Voraussetzung, daß ihnen hinreichend Gelegenheit zur Entfaltung ihrer Phanta- sie und Kreativität gegeben wird.“ Erfolgt diese Stärkung nur auf der Basis kurzfristig eintrainierter und gleich und in gleicher Weise abgeprüfter Standard- verfahren bzw. -aufgaben, ist die große Gefahr der (irgendwann offenkundig werdenden) Selbsttäuschung gegeben.

Nach unserer Erfahrung stärkt es die Selbstkompetenz gerade jüngerer Schüler ungemein, wenn sie erfahren, daß es ihnen möglich ist, Aufgaben, die ihnen normalerweise abverlangt werden, auch selbst formulieren und weiterentwickeln zu können. Es macht sie nicht zuletzt selbstsicherer auch gegenüber fremdge- stellten Aufgaben (und damit unabhängiger von ihnen). Schulen sollen „Die Menschen stärken und die Sachen klären“ (v. Hentig 19961). Wir hoffen dazu beizutragen.

Denken wir auch daran, daß - wie viele psychologische Untersuchungen ergeben haben (s. Haylock 1987) - Kreativität und Intelligenz einerseits sowie Kreativität und Schulleistung andererseits nur schwach positiv korreliert sind. Mit dem Einbau kreativer Phasen werden wir also insbesondere auch jenen Schülern ge- recht, deren Stärke die Ideenproduktion ist. Hierzu liegen bereits bestätigende Unterrichtserfahrungen vor, insbesondere bei jüngeren Schülerinnen und Schü- lern.

Der traditionelle Mathematikunterricht zeichnet sich nicht gerade dadurch aus, daß er entsprechende Freiräume hinlänglich zur Verfügung stellt; er tut dies im

1 Gegenüber einer früheren Fassung hebt v. Hentig insbesondere das „und“ heraus. In der Tat:

Nur der klärende Mensch wird wirklich gestärkt und und nur der starke Mensch kann eigen- ständig klären.

(20)

Verlaufe der Schulzeit sogar immer weniger. Die vorgeschlagene Aufgabenva- riation kann ein (von Schulstufe und Unterrichtseinheit durchaus unabhängiges) Mittel sein, aus dem Ritual des Gebens und Nehmens auszubrechen, jeder nach seiner Façon, der eine vorsichtig, die andere mutig, die eine eher schwierigkeits- orientiert, der andere mehr spielerisch und angetan von den im Kontext gebote- nen Möglichkeiten. Wichtig, ja entscheidend bleibt jedoch das in

2

erwähnte Zusammenspiel von Gründlichkeit und Beweglichkeit.

Anhang 3 bringt ein Beispiel mit besonders großer Spannweite.

English 1997 macht darauf aufmerksam, daß das Aufwerfen und Bearbeiten ei- gener Fragen wichtige Einsichten liefert darüber, wie Lernende Mathematik se- hen und erleben, welche Einstellungen und Gefühle sie gegenüber mathemati- schen Problemen haben.

Schließlich sei darauf hingewiesen, daß einfache Formen des Variierens den Lernenden unabhängig vom Lehrer und vom Schulbuch die Möglichkeit bieten, sich weitere Übungen zu verschaffen, wenn sie sich noch nicht genügend sicher fühlen oder sich auf eine Klassenarbeit vorbereiten möchten. Jedenfalls ist eine solche Zusatzaktivität, zumal sie individueller Natur ist, dem gemeinsamen Ab- arbeiten von Aufgabenplantagen vorzuziehen, weil dabei i.a. erheblich mehr gelernt wird, als man zu üben glaubte.

i) „Sich öffnende Probleme“ als Weg zu einem „offenen Unterricht“

Hat man eine Lerngruppe erst einmal so weit, daß mehrere interessante Abände- rungen vorliegen, weil viele Teilnehmer dazu beitragen konnten, dann liegt es nach einer gemeinsamen kritisch-strukturierenden Sichtung nahe, Arbeitsgrup- pen zu bilden, die sich den akzeptierten Varianten widmen und schließlich im Plenum über ihre Ergebnisse berichten. Selbstverständlich sind auch arbeitsteili- ge Hausaufgaben möglich. Insgesamt darf man auf einen vergleichsweise offe- nen Unterricht hoffen (s.

5

).

Nun gibt es ja durchaus nicht wenige Möglichkeiten, offenen Unterricht zu be- wirken (s. etwa Wallrabenstein 1991, Silver 1997, Becker; Shimada 1997, Hol- lenstein; Eggeberg 1998). Von fachdidaktischem Interesse sind insbesondere solche, die in den Unterrichtsinhalten selbst schon angelegt sind. Etwa dadurch, daß es zu einer Aufgabe mehrere Lösungen, noch besser mehrere Lösungswege gibt. Oder dadurch, daß man offene Probleme stellt. Erinnert sei an „Here is a situation. Think about it.“ (Pollak 1969) oder an die Forderung nach möglichst eigenständiger Problemstellung bei nur ungefährer Sachvorgabe ein halbes Jahr- hundert davor (Kühnel 1928).

Ohne die didaktische Relevanz solcher Probleme (bei angemessener Behand- lung) im geringsten anzuzweifeln, wird von uns ein anderer Weg propagiert, nämlich über sich öffnende Probleme, bei dem erst nach Lösung eines vorgege- benen Initialproblems eine allmähliche Öffnung vollzogen wird.

(21)

Wenn man weiß, daß die Behandlung offener Probleme allzuoft als „Trichter“

inszeniert wird (s. Voigt 1984), d.h. daß die anfängliche Offenheit („Was gibt es in Ägypten alles zu sehen?“) durch geschicktes Nachfragen des Lehrers und ge- eignetes Auswählen der eintreffenden Antworten immer mehr eingeschränkt wird, bis am Ende eine rigide Aufgabe („Wie groß ist das Volumen einer Pyra- mide?“) steht, so liegt es nahe, unser Vorgehen mit der Metapher des umge- kehrten Trichters, der „Trompete“ oder besser der „Blüte“ zu kennzeichnen.

Die Kombination eines traditionellen Anfangs mit offenen Erweiterungen hat zahlreiche Vorteile. Drei davon haben wir in

4

b), f) und g) bereits genannt:

stimmiges Mathematikbild, Variation als Lösungsstrategie, tieferes Verständnis.

Wir fügen hinzu:

- Der Übergang von gegebenen zu selbstgefertigten Aufgaben (und umgekehrt) macht den Unterricht abwechslungsreich und lebendig.

- Er bringt Eigenaktivität und Unterweisung als komplementäre Faktoren des Lernens (s. Wittmann 1971) zur gebührenden Geltung. Die BLK-Expertise (BLK 1997, S.39) drückt es folgendermaßen aus: „Unterricht muß ... der ...

Selbsttätigkeit in angemessener Weise Raum geben, darf dabei aber das Errei- chen fachlicher Ziele nicht aus dem Auge verlieren. Dies setzt voraus, daß der Unterricht unter pädagogischen und lernpsychologischen Gesichtspunkten kom- petent (bezogen auf die Lernprozesse), aspektreich (bezogen auf die Gegenstän- de) und authentisch (bezogen auf die fachliche Bedeutung der Inhalte) gestaltet wird.“

- Die Variation vorgegebener Aufgaben gibt dem kreativen Spiel einen festen Anfang. „Phantasie haben heißt nicht, sich irgend etwas ausdenken, sondern aus den Dingen etwas machen.“ (Thomas Mann). Sie erlaubt strategische Hinweise, wo und wie diese Phantasie angreifen kann (s.

7

).

Wir halten diese Tatsache für besonders wichtig in einer Zeit, in der mit dem Begriff der „Kreativität“ grober Mißbrauch und Unfug getrieben wird (s. Hentig 1998), nämlich immer dann, wenn sie intellektuelle Anstrengung und Kompe- tenz ersetzen statt begleiten und befruchten soll.

- Durch das empfohlene Vorgehen wird weder der vorgeschriebene Lehrplan vernachlässigt noch werden herkömmliche Formen des Unterrichts gesprengt, sondern allenfalls erweitert. Insbesondere wird das Arbeiten an Aufgaben nicht in Frage gestellt. Wo und wann man zu schülereigenen Aufgaben kommt, be- stimmt zunächst der Lehrer unter Berücksichtigung günstiger und mathematisch ergiebiger Gelegenheiten.

Selbstverständlich schließt dies nicht aus, daß eine dementsprechend erfahrene Lerngruppe auch selbst die Initiative ergreift. In einem solchen Falle wird man schon eine einzige Variation verfolgen, wenn sie lohnend erscheint (s. dazu das Unterrichtsbeispiel in Anhang 59).

(22)

Unser Ansatz ist also recht konservativ und ohne größere Umstände realisierbar.

Andererseits läßt sich nicht leugnen, daß er höhere geistige Risiken für Lernende und Lehrende mit sich bringt (aber wird dies nicht heute allenthalben gefor- dert?). Wohin die Änderungen tragen und wie man mit ihnen sinnvoll umgeht, kann man nicht (zumindest nicht vollständig) vorausplanen.

Insoweit sind die in den Anhängen vorgestellten Variationen (soweit sie nicht direkte Erfahrungen wiedergeben), mit Vorsicht zu genießen: Im Unterricht werden manche, vielleicht sogar viele der jeweils angegebenen Varianten unter- bleiben; dafür treten andere auf, an die man bei der Planung nicht gedacht hatte.

- Im Unterschied zu Polya meinen wir, daß es unter den schulüblichen Aufgaben keine prinzipiellen, sondern nur graduelle Unterschiede hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit als „Thema mit Variationen“ gibt. Um dies zu belegen, haben wir einem aktuellen Lehrwerk zwei Übungsseiten zufällig (wirklich zufällig!) ent- nommen und unsere Varianten angebracht (s. Anhänge 4 und 5). Es ist erstaun- lich, was dabei „herauskommt“ (und hoffentlich in die Schüler „hinein- kommt“).1 Selbstverständlich ist damit nicht gemeint, daß im Unterricht jede Aufgabe (oder auch nur eine Aufgabe) pro Stunde mit einer Variation enden muß. Wie immer gilt: Allzuviel ist ungesund!

In diesem Zusammenhang sei auch auf M. Winter 1997 verwiesen, der aus- drücklich auf nichtspektakuläre Aufgaben hinweist, die seine Schüler „zu ihren eigenen machten“, indem sie „aus den Aufgaben etwas machten“. Und weiter auf Mozart, der für seine wunderschönen Klaviervariationen meist recht einfa- che Themen (z.B. Kinderlieder) benutzte.

- Die Anhänge 4,5 sollen überdies verdeutlichen, daß die Variierbarkeit weder abhängt vom (auf die Lerngruppe bezogenen) Schwierigkeitsgrad der Aufgabe noch davon, wie sehr sie innermathematischen Charakter hat. Insbesondere muß auch dem Vorurteil entgegengewirkt werden, das Variieren verleite zu notwen- dig realitätsfernen, unverbindlichen Spielereien.

Die Anhänge 6, 9, 19, 41, 48 und 61 zeigen Abänderungsmöglichkeiten im An- schluß an eine Anwendungsaufgabe. Böhmer 2000 gibt ein weiteres Beispiel.

- Schließlich ist das Variieren unabhängig vom Stand der Aufgabe in der ma- thematischen Hierarchie, und damit von der Lernstufe. Grundsätzlich kann eine Aufgabe zur Abänderung weder zu einfach noch zu kompliziert sein.

1 Inzwischen kommt folgende Erfahrung hinzu: Innerhalb mehrerer Lehrerfortbildungstagun- gen, auf denen wir unser Konzept vorgestellt haben, sind die Teilnehmerinnen und Teilneh- mer gebeten worden, das Variieren als Selbsterfahrung dadurch anzustoßen, daß sie eine zu- fällig gewählte Lehrbuchaufgabe zum Thema machen. Bisher sind wir dabei kein einziges Mal enttäuscht worden. Anhang 26 bringt ein solchermaßen entstandenes Beispiel.

Man vergleiche damit die durchaus eingestandenen Schwierigkeiten beim Finden geeigneter Einstiegsprobleme für offenen Unterricht (s. Becker; Shimada 1997)

(23)

Anhang 15 bringt einen trivialen Einstieg, der bei den Schülerinnen und Schü- lern einer mathematischen Spezialklasse 7 in Sachen-Anhalt zunächst ein ver- wundertes Lächeln bewirkte, dann aber beim Variieren zu profunden Aktivitäten und Einsichten führte. Hingegen bietet Anhang 49 ein Problem, das auch ma- thematikhistorisch Anfangscharakter hatte, ja eine mathematische Teildisziplin (die Graphentheorie) konstituieren half.

Anhang 7 führt ein Beispiel aus der Grundschule an, die Anhänge 11, 12, 14 und 62 zeigen Variationsmöglichkeiten für Aufgaben in Kursen der Sekundarstufe II, wie sie zwei der Projektleiter selbst angeregt bzw. erlebt haben.

(24)

5 Unterrichtsplanung

Optimal erscheint uns folgender (idealtypisch zu verstehender) Verlauf:

a) Es wird eine Aufgabe auf übliche Weise vorgegeben und gelöst.

b) Die Lerngruppe wird aufgefordert, die gelöste Aufgabe zu variieren.

Hierbei hat sich für unerfahrene Variierer folgende Hilfestellung („What-else- Strategie“) bewährt:

Versuche, möglichst jeden in der Aufgabe vorkommenden Begriff (jedes Wort, jedes Zeichen) nacheinander sinnvoll abzuändern.1

Sie sollte allerdings zugunsten heuristischer Basisstrategien allmählich zurück- treten (s.

7

).

c) Die einzelnen Vorschläge werden gesammelt.

Von Lehrerseite geschieht dies bewußt ohne jeden Kommentar. Selbstverständ- lich sollten ad-hoc-Äußerungen von Schülerinnen und Schülern (insbesondere zu unsinnigen und trivialen Vorschlägen) erlaubt sein, wenn sie nicht diskrimi- nierend sind.

d) Die gesammelten Vorschläge werden geordnet, gruppiert, eingeschätzt und ausgewählt.

Das geschieht anhand von Fragen wie

„Was ist unsinnig?“ „Was ist leicht (zu leicht, machbar, schwer, zu schwer)?“

„Was hängt mit wem wie zusammen?“ (später auch: „Wohinter steckt dieselbe Strategie?“) „Was lassen wir weg?“ „Womit fangen wir an?“ „Was folgt dann?“

„Wer möchte was übernehmen?“ (Später auch: „Wohinter steckt dieselbe Stra- tegie?“)

e) Die anstehende Arbeit wird aufgeteilt.

Hierbei sind unterschiedliche Sozialformen (Plenums-, Gruppen-, Einzelarbeit (auch zuhause)), Arbeitsaufteilungen (parallel oder sequentiell) und Differenzie- rungsweisen möglich. Späterhin ist durchaus denkbar, daß auch einmal ein lei-

1 Sie geht zurück auf die „What-if-not-strategy“ von Brown; Walter (1983, 1993). Wir haben sie erweitert und dies auch im Namen zum Ausdruck gebracht.

(25)

stungsfähiger und engagierter Schüler als Moderator beim Variieren auftritt.1 f) Die ausgewählten Varianten werden gelöst bzw. zu lösen versucht. Dabei sind wechselseitige Korrekturen (auch gruppenübergreifend) durchaus möglich.

g) Die Lösungen werden, wenn nicht dort schon erarbeitet, im Plenum vorge- stellt und diskutiert. Dies geschieht unter Herausarbeiten der zugrundeliegenden Strategien (s.

7

). Neuere Forschungsresultate weisen daraufhin, welche Bedeu- tung in diesem Zusammenhang der schriftlichen Fixierung von Verlauf und Re- sultaten der Eigen- bzw. Gruppenarbeit (auf dem Notizblock, an der Tafel, auf einer Folie) zukommt.

h) Vielleicht wendet man sich weiteren Variationen zu, die sich inzwischen an- geboten haben.

i) Eventuell werden die behandelten Varianten in einer ansprechenden Gesamt- darstellung schriftlich zusammengefaßt und Außenstehenden vorgestellt (Po- ster)2. Auf jeden Fall sollte eine abschließende Bewertung der geleisteten Arbeit sowie der erzielten Resultate stattfinden (zur Notwendigkeit einer solchen Meta- kognition s. Vollrath 1988).

In dieser anspruchsvollen Form hat das Variieren eines vorgegebenen „Themas“

fast schon Projektcharakter und wird mehrere Unterrichtsstunden in Anspruch nehmen. Es kann jedoch auch ganz anders verlaufen. Etwa wenn die Lerngruppe noch keine oder wenige Erfahrungen im Variieren hat und zu dieser optimalen Form erst allmählich hingeführt werden muß. Oder wenn die Einstiegsaufgabe vergleichsweise unergiebig ist (ganz ist sie es nie, s.o.). Oder aber, wenn ein Va- riationsvorschlag spontan aus der Klasse kommt, oder ...

Bei der allmählichen Hinführung an optimales Variieren empfehlen wir folgende Vorstufen (s. dazu auch die Anhänge 54 bis 62 und insbesondere das Arbeits- blatt in Anhang 52):

zu a):

Anfänglich eignen sich insbesondere solche Aufgaben zum Variieren, die schon über die „What-else“-Strategie zu mehreren Varianten führen, die unterschiedli- chen Schwierigkeitsgrad haben. Das unter

1

angeführte Beispiel hat sich dabei mehrfach (in beiden Sekundarstufen) bewährt.

1 In einer studentischen Übungsgruppe zum Variieren während des SS 1998 (s. 6) wurde eine solche Übernahme durch Studierende wegen Verhinderung des Dozenten zweimal erforder- lich und vollzog sich völlig unproblematisch.

2 Hier berührt sich unser Ansatz erneut mit einem schweizer Forschungsprojekt (s. Gallin; Ruf 1993), in der die wichtige Rolle des Verschriftlichens mathematischer Lernprozesse und Re- sultate für den Aufbau einer tieferreichenden Fachkompetenz unter dem Anspruch von All- gemeinbildung herausgearbeitet wird.

(26)

zu b):

- Variation einer einzelnen Aufgabenkomponente - Aufnahme eines einzelnen Variationsvorschlages - gezielte Nachfrage („Kann man statt ... auch ... ?“) zu c):

mehr oder minder stark kommentiertes, z.T. auch geführtes bzw. vorstruktu- riertes Sammeln („What-else“, Vorgabe von Strategien)

zu d):

mehr oder minder starke Unterstützung durch geeignete Hilfsfragen bzw.

Hinweise zu f):

mehr oder minder starke, möglichst spezifische Lösungshilfen zu g) und i):

- Hilfen bei der Darstellung mathematischer Wege und Ergebnisse - erst allmähliches Explizitmachen der immanenten Strategien

Wichtig, ja geradezu konstitutiv ist die in d) angedeutete Reflexionsphase. Hier lernen die Schülerinnen und Schüler, mit den gemachten Vorschlägen sinnvoll umzugehen und die weitere Arbeit vorzubereiten. Indem wir sie zu Gutachtern ihrer Einfälle machen, tragen wir zur Stärkung ihres Verantwortungsgefühls und zu ihrer Geschmacksbildung (Was ist uninteressant, was nebensächlich, was hilfreich, was wesentlich?), generell zur Selbstregulation beim Lernen bei. Es ist zu hoffen, daß dadurch sowie mit dem allmählichen Herausarbeiten wichtiger Variationstrategien (s. g)) auch die Qualität der Vorschläge steigt.

In einem Unterricht, bei dem alle Anregungen vom Lehrer ausgehen, ist hinge- gen alles gleich wichtig, d.h. gleich unwichtig.

Insgesamt schaffen wir beim Variieren (allmählich) Lernumgebungen, welche als substantiell gelten dürfen, d.h. (s. Wittmann 1995) welche

- zentrale Ziele, Inhalte und Prinzipien des Mathematikunterrichts repräsentieren - Verbindungen anbahnen zu bedeutsamen mathematischen Inhalten und Ver- fahren, welche noch jenseits des gegenwärtigen Stoffgebiets liegen, und zwar durch erste diesbezügliche Aktivitäten

- nicht festgezurrt sind, sondern sich der Lerngruppe flexibel anpassen

- durch ihre Verschränkung mathematischer, psychologischer und pädagogischer Aspekte Anlaß geben können zu aufschlußreichen Feldstudien.

(27)

6 Methodische Details

Selbst wenn die „Aufgabenvariation als Unterrichtsgegenstand“ grundsätzlich überzeugt, werden die Lehrenden sie nicht ohne weiteres im Unterrichtsalltag realisieren. Das liegt einmal an den vielfältigen Zwängen, denen sich Fachunter- richt heute ausgesetzt sieht (z.B. Stundentakt, Notengebung, Bürokratie, volle und rigide Lehrpläne), zum anderen aber auch daran, daß sie selbst die Variation als Heurismus in ihrer Ausbildung in Hochschule und Studienseminar kaum kennengelernt oder gar verinnerlicht haben und darum auch nicht die notwendi- gen Kompetenzen und Routinen entwickeln konnten.

In der Tat sind entsprechende Aktivitäten schon im Lehramtsstudium unver- zichtbar, etwa im Zusammenhang mit dem Bestreben, die Lehramtskandidaten

„Mathematik in statu nascendi“ erleben zu lassen, mit ihnen Mathematik wirk- lich zu betreiben statt sie lediglich vorzusetzen bzw. entgegenzunehmen. In ei- ner Veranstaltung „Wecken und Fördern heuristischer Fähigkeiten im Mathe- matikunterricht“ an der Universität des Saarlandes im SS 1997 haben wir mehr- fach versucht, den Prozeß des Umgangs mit einem Problem möglichst vollstän- dig zu durchlaufen, wozu auch das schließliche Erstellen und Lösen von Folge- problemen gehört. Das Beispiel in

1

zeigt ein dort entwickeltes (vergleichsweise einfaches) und inzwischen bereits mehrfach in der Schule erprobtes Beispiel.

Eine zweite, anspruchsvollere (bis zur Benutzung eines Satzes aus der Grup- pentheorie führende) Variation kann man in Schupp 1999b nachlesen. In einem Fachdidaktikseminar „Mathematik im Alltag“ an der Universität Mainz (eben- falls im SS 1997) suchten sich die Studierenden selbst die Probleme und Aufga- ben (im Rahmen von Erkundungen, Exkursionen, Interviews) und stellten dann sowohl diesen Prozeß als auch die verschiedenen Problemlösungen vor (s.

Schmidt; Kroll 1999). Zur Vorlesung „Aufbau des Zahlensystems“ im SS 1998 und dann noch einmal zur Vorlesung „Euklidische Geometrie“ im SS 1999 an der Universität Saarbrücken bildeten wir zwei Übungsgruppen, von denen sich eine sich in traditioneller Weise mit Aufgabenblättern beschäftigte, während die andere sich nur einiger weniger Aufgaben annahm, diese aber möglichst weitge- hend zu variieren suchte. (Mitten im Semester wurde gewechselt, so daß man vergleichen konnte.) Anhang 16 ist so entstanden. Ebenso die Arbeit Frey;

Schupp 1999 (Herr Frey war damals Student), in der eine ungewöhnliche, aber

(28)

durchaus sinnvolle Variation des Dezimalsystems dargestellt wird: das Stellen- wertsystem mit Basis −10 und die zugehörigen Grundrechnungsarten.

Außerhalb unseres Projekts hat Kantor 2000 über eine Variation des Satzes von Viviani mit ihren Studierenden berichtet.

Daß man an Hochschulen i.a. weiter ausholen kann als mit Schülern, ist selbst- verständlich kein Gegenargument, sondern macht darauf aufmerksam, daß auch schon in der Schule je nach kognitivem Stand und Vorwissen der Lerngruppe passende Variationsthemen vorzugeben und unterschiedliche Anschlußfragen, - antworten und -begründungen zu erwarten sind (was natürlich mit den Lehr- amtsstudierenden zu diskutieren ist und zu entsprechenden Planungen führen sollte). Man vergleiche etwa das Beispiel in

1

und den Anhang 56.

Das beschriebene Ausbildungs- und Lehrdefizit betrifft selbstverständlich auch die Projektleiter. Ihre Erfahrungen mit schülerzentriertem Variieren von Aufga- ben im Unterricht sind immer noch nicht repräsentativ, jedoch durchaus ermuti- gend - in Übereinstimmung mit den (einstweilen noch wenigen) einschlägigen Literaturberichten. Die folgenden Hinweise sind daher nicht als „Regieanwei- sungen“, vielleicht nicht einmal als zu beherzigende Ratschläge zu verstehen, sondern als zu berücksichtigende Planungsmomente.

a) Niemand ist ausgeschlossen

Aufgabenvariation ist nicht etwa ein Additum für besonders leistungsfähige oder engagierte Schüler, sondern richtet sich an alle Lernenden. Ganz im Ge-genteil ist zu hoffen, daß solche Aktivitäten auch diejenigen Schüler ansprechen, die der gegenwärtig dominierenden logisch-kalkülhaften Seite der Schulmathematik ferner stehen und darum besonders bei einem zu technisch geführten Algebra- Unterricht der SI abschalten. Unsere bisherigen Erfahrungen bestätigen dies.

Allerdings muß auch erwähnt werden, daß manche Schüler nun (zumindest vor- übergehend) zurücktreten; diejenigen, die am liebsten mit starken Vorgaben und auf gewohnten Bahnen operieren.

b) Kein Inhalt und keine Methode sind ausgeschlossen

Aufgabenvariation ist auch nicht gebunden an bestimmte Voraussetzungen in- haltlicher oder gar formaler Art. Da sich jede Aufgabe variieren läßt (s.o.), kann man auch jede Lerngruppe jederzeit damit befassen.1 Wir haben vermutet und bisher bestätigt bekommen, daß das Variieren besonders gut bei jüngeren Schü- lern ankommt, weil bei ihnen die Freude am spielerischen Abwandeln und der Mut zum geistigen Risiko noch besonders ausgeprägt sind. Aber auch bei älte- ren Schülerinnen und Schülern sollte sich nach einer eventuell längeren Anlauf- zeit Freude und Risikobereitschaft einstellen, insbesondere wenn deutlich wird, daß solches Tun auch dem Lösen gestellter Aufgaben zugutekommt. Wer selbst

1 Noch einmal: „kann“ heißt nicht „soll“.

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Aufgaben bilden kann, verliert die Angst vor Aufgaben Anderer und die Über- schätzung des Expertentums dieser Anderen.

c) Der Computer bietet weitere Chancen

weil Variationen (z.B. von Punkten, Figuren, Zahlen, Matrizen, Funktionen) durch geeignete Software besonders einfach realisiert und auf ihre Konsequen- zen hin befragt werden können. Die Anhang 21 und 23 stehen dafür. Anhang 22 zeigt darüber hinaus, daß auch einfache Programme durchaus Initialcharakter haben können.

d) Hilfen sind möglich (s.o.)

Die Kenntnis von Variationsroutinen ermöglicht es dem Lehrer, im Anschluß an eine generelle Aufforderung zur Abänderung der gelösten Aufgabe geeignet er- scheinende Hilfen zu geben. Das kann zunächst mit der „What-else“-Routine (s.

5

) geschehen. Auf die Dauer jedoch sollte man dafür sorgen, daß die Charakteri- stika der heuristischen Basisstrategien (s.

7.1 - 7.13

) explizit gemacht und be- nutzt werden. Nur sie gestatten die volle Ausschöpfung des Variationspotentials und nur sie helfen auch beim Problemlösen weiter.

e) Es gibt unterschiedliche Einstiege in die Thematik

Was den Einstieg in die Aufgabenvariation anbetrifft, so sind zwei Szenarien (als die beiden Enden einer gleitenden Skala) denkbar:

- „gleitend“, d.h. mit einfachen Variationen von Zahlen, Größen, Punkten, Strecken usw. („wackeln“), die erst allmählich von intensiveren Modifikationen begleitet werden (wobei - noch einmal sei es gesagt - Anstöße und gute Bei- spiele zunächst durchaus vom Lehrer kommen können)

- „abrupt“, d.h. anläßlich eines als günstig angesehenen Problems werden mög- lichst viele Veränderungen durchgespielt, um sogleich die ganze Bandbreite der darin beschlossenen heuristischen Möglichkeiten anzudeuten.

Im ersten Falle kommt man gewiß denjenigen Schülern entgegen, die mehr üben wollen (s.

4

h)).

Im zweiten Falle wird man darum bitten, entsprechende Varianten nun auch bei anderen Aufgaben und Problemen anzubringen, nach und ohne Aufforderung.

f) Man sollte sich günstige Gelegenheiten zunutze machen

Als günstig für das Variieren erscheinen uns folgende Momente (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

- Stundenabschlüsse (statt „noch einer Aufgabe“)

- Phasen des komplexen Übens innerhalb größerer Unterrichtseinheiten (so manche „graue“ Übungsstunde könnte durch Aufgabenvariation belebt werden)

(30)

- sinnvolle Hausaufgaben

- repräsentative Beispiele und Aufgaben

- individuelle Lösungsvorschläge unterschiedlicher Art

- Fehler bzw. Mißverständnisse (s. dazu etwa Ulshöfer 1998)

- Einstiege in ein neues Sachgebiet (im Sinne des Erkundens der gebietstypi- schen Aufgaben und Probleme) .

g) Aufgabenvariation erfordert „Tugenden“ und macht sie frei

Variieren verlangt „Muße“ im Unterricht, auch die Fähigkeit zum Zuhören, bei Lehrenden und Lernenden gleichermaßen. Einfache Bewertungskriterien im Sinne von richtig/falsch verbieten sich, eine konstruktive Einstellung zu „Feh- lern“ ist unerläßlich.

h) Sie ist mathematisch wesentlich

Noch einmal: Es ist wichtig, daß die Aufgabenvariation von den Lernenden nicht etwa als bloße Spielerei, sondern als genuine mathematische Arbeit ange- sehen wird.1 Das erreicht man in der Breite und auf Dauer nur dann, wenn ent- sprechende Leistungen auch notenwirksam sind. Dabei sollte nicht nur an mündliche Noten, sondern auch an Reaktionen auf diesbezügliche Aufforderun- gen in Klassenarbeiten gedacht werden. Das ist leichter gesagt als getan. Hier hoffen wir auf konkrete Erfahrungen und Hinweise aus der Lehrpraxis. Erste Schritte sind getan (s. Focke 2000).

i) Variieren ist kein Selbstzweck

Aufgabenvariation soll den Unterricht beleben, ihn interessant und hoffentlich auch wesentlicher machen. Deshalb darf sie nicht auch wieder ritualisiert wer- den. Ein letztes Mal: Beileibe nicht alle Aufgaben sollten variiert werden, nicht einmal sehr viele. Wichtiger ist die Vielfalt und die Qualität der Variationen so- wie der Arbeit an ihnen - und daß diese Aktivitäten bewußt und reflektiert ge- schehen. Sonst sind unerwünschte Nebeneffekte, wie sie beim Umgang mit of- fenen Problemen aufgetreten sind (s. Pehkonen 1997), unvermeidlich.

1 Als einer der Projektleiter auf der MNU-Tagung 1999 unseren Ansatz vorstellte, und an- schließend ein Mathematiker über ganzzahlige quadratische Formen vortrug, stellte er heraus, daß dieses Gebiet auf die von seinem Vorredner beschriebene Weise aus dem Vier-Quadrate- Satz (Jede natürliche Zahl ist die Summe von 4 Quadratzahlen) hervorgegangen ist.

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