• Keine Ergebnisse gefunden

Mathematische Kompetenz von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Mathematische Kompetenz von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund"

Copied!
35
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Mathematische Kompetenz von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund

Chapter · December 2013

CITATIONS

74

READS

1,235 5 authors, including:

Some of the authors of this publication are also working on these related projects:

Understanding the Success of Low Socioeconomic Students at University: Acculturation, Well-being, and Sense of BelongingView project

BiPeerView project Markus Gebhardt Universität Regensburg 130PUBLICATIONS   1,005CITATIONS   

SEE PROFILE

Dominique Patrizia Rauch

DIPF - Leibniz Institute for Research and Information in Education 22PUBLICATIONS   735CITATIONS   

SEE PROFILE

Julia Mang

Technische Universität München 17PUBLICATIONS   182CITATIONS   

SEE PROFILE

Christine Sälzer Universität Stuttgart 93PUBLICATIONS   641CITATIONS   

SEE PROFILE

All content following this page was uploaded by Markus Gebhardt on 03 November 2014.

The user has requested enhancement of the downloaded file.

(2)

Das Zuwandern in ein anderes Land ist für Familien ein Lebensereignis, das für das Aufwachsen der Kinder beträchtliche Veränderungen bedeutet und neue Anforderungen an die Familien stellt. Diese Familien werden mit einem anderen Bildungswesen und einer neuen Sprachumgebung konfrontiert. Im neuen Lebensumfeld ergeben sich sowohl für Familien, deren Kinder noch im Herkuntsland geboren sind, als auch für Familien, deren Kinder bereits selbst im Einwanderungsland geboren sind, besondere Aufgaben.

Besonders wichtig ist dabei das Erlernen der Sprache des Einwanderungslandes, da diese für den Bildungserfolg zentral ist (Ehmke, Hohensee, Heidemeier & Prenzel, 2004; Sege- ritz, Walter & Stanat, 2012; Stanat & Christensen, 2006). Dass Schülerinnen und Schü- ler mit Zuwanderungshintergrund in ihrer neuen Heimat ebenso erfolgreich unterstützt werden wie Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungshintergrund, ist eine wichtige Herausforderung für Bildungssysteme (OECD, 2013). In Deutschland erzielten Jugend- liche mit Zuwanderungshintergrund seit der ersten PISA-Erhebung bisher in allen drei Domänen weniger gute Leistungen als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne Zuwanderungshintergrund (Stanat & Christensen, 2006; Stanat, Rauch & Segeritz, 2010;

Walter & Taskinen, 2008;). Somit steht Deutschland vor ähnlichen Herausforderungen wie viele andere OECD-Staaten.

Die großen Disparitäten zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Zuwan- derungshintergrund waren ein Aspekt des PISA-Schocks, der in Deutschland auf die Veröfentlichung der Resultate aus der ersten PISA-Erhebung im Jahr 2001 folgte.

Jugendliche, die selbst oder deren Eltern beide in einem anderen Land geboren waren, erzielten in allen Kompetenzbereichen wesentlich schwächere Testergebnisse als Jugend- liche ohne Zuwanderungshintergrund (Baumert & Schümer, 2001). Auch waren Jugend- liche aus Zuwandererfamilien in Gymnasien gegenüber ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne Zuwanderungshintergrund unterrepräsentiert. Seither indet der Bil- dungserfolg von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien im Rahmen von Vergleichsstu- dien besondere Aufmerksamkeit.

Seit PISA 2000 wurden in Deutschland verschiedene Fördermaßnahmen auf den Weg gebracht, die sich gezielt an Kinder und Jugendliche richten, deren Familien zuge- wandert sind (z. B. Becker & Beck, 2009; Stanat, Becker, Baumert, Lüdtke & Eckhardt, 2012). Als der erste PISA-Zyklus nach drei Erhebungsrunden abgeschlossen war und im

9 Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund

Markus Gebhardt, Dominique Rauch, Julia Mang,

Christine Sälzer und Petra Stanat

(3)

Rahmen von PISA 2009 Bilanz gezogen wurde, zeigte sich, dass die Lesekompetenz der Jugendlichen mit Migrationsgeschichte zwar noch immer hinter der ihrer Mitschülerin- nen und Mitschüler ohne Zuwanderungshintergrund zurückblieb, sich jedoch im Ver- gleich zu PISA 2000 signiikant verbessert hat (Ehmke, Klieme & Stanat, 2013; Stanat et al., 2010). Da die Lesekompetenz der Fünfzehnjährigen ohne Zuwanderungshintergrund im gleichen Zeitraum nur wenig zugenommen hatte, war insgesamt eine Verringerung der herkuntsbedingten Disparitäten in Deutschland zu beobachten.

In PISA 2012 steht die mathematische Kompetenz zum zweiten Mal als Hauptdo- mäne im Mittelpunkt. Dieses Kapitel geht deshalb der Frage nach, ob sich für diesen Kompetenzbereich seit PISA 2003 Veränderungen der herkuntsbedingten Disparitäten nachweisen lassen. In PISA 2003 erreichten die Schülerinnen und Schüler in Deutsch- land insgesamt 503 Punkte auf der Skala mathematischer Kompetenz und lagen damit im Bereich des OECD-Durchschnitts (Köller, Knigge & Tesch, 2010). Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund in Deutschland hingegen waren im Mittel um 64 Punkte geringer. Im Durchschnitt aller OECD-Staaten betrug der Abstand zwischen Jugendlichen aus zugewanderten Familien und Jugendlichen ohne Zuwanderungshintergrund 34 Punkte zu Ungunsten der Jugendlichen aus zugewander- ten Familien. Die zuwanderungsbezogenen Disparitäten waren 2003 also in Deutschland deutlich höher als in vielen anderen OECD-Staaten.

Nationale Analysen haben allerdings wiederholt gezeigt, dass die Leistungsnachteile von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund in Abhängigkeit vom Herkuntsland teilweise stark variieren. So schnitten in PISA 2003 (Ramm, Prenzel, Hei- demeier & Walter, 2004) Jugendliche der zweiten Generation (mit einem Abstand von 49 Punkten zum Mittelwert für Deutschland) weniger schwach ab als Jugendliche der ersten Generation (mit einem Abstand von 71 Punkten). Jugendliche der ersten Genera- tion, die aus der Türkei zugewandert waren, erreichten einen Mittelwert von 411 Punk- ten, während die aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR zugewanderten 466 Punkte erreichten (Ramm et al., 2004). Diese Kompetenzunterschiede zeigten sich auch unter Kontrolle des sozioökonomischen Status beider Gruppen (Ramm et al., 2004), sodass die verbleibenden Unterschiede in der Mathematikkompetenz nicht auf eine Ungleichver- teilung sozioökonomischer Ressourcen in den Herkuntsgruppen zurückgeführt werden können. In PISA 2012 erreichen die Jugendlichen in Deutschland ohne Zuwanderungs- hintergrund in Mathematik einen Mittelwert von 531 Punkten. Schülerinnen und Schü- ler mit Zuwanderungshintergrund schneiden schwächer ab, wobei sich auch innerhalb dieser Gruppe deutliche Unterschiede zeigen. Die Fünfzehnjährigen, deren Familien aus Polen stammen, erzielen im Durchschnitt 504 Punkte; die Jugendlichen mit einer Familie aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR erreichen 488 Punkte. Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund aus der Türkei erreichen 454 Punkte in Mathe- matik. Jugendliche aus anderen Herkuntsländern als der Türkei, Polen und dem Gebiet der ehemaligen UdSSR erzielen im Mittel 492 Punkte und diejenigen mit unbekanntem Zuwanderungsstatus 487 Punkte.

(4)

Die beschriebenen Leistungsunterschiede in Mathematik zu Ungunsten der Jugendli- chen mit Zuwanderungshintergrund in PISA 2003 bilden einen wichtigen Bezugspunkt für das vorliegende Kapitel. In den folgenden Analysen soll geprüt werden, inwieweit sich die zuwanderungsbezogenen Disparitäten in den mathematischen Kompetenzen fünfzehnjähriger Schülerinnen und Schüler in den letzten neun Jahren reduziert haben.

9.1 Methodische Vorbemerkungen

Bei Analysen der Situation von Schülerinnen und Schülern aus zugewanderten Familien müssen einige methodische Aspekte berücksichtigt werden. Dazu gehören die Deini- tion und Diferenzierung des Zuwanderungshintergrundes, der Umgang mit fehlenden Werten sowie die Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern aus Förderschulen und berulichen Schulen.

Deinition des Zuwanderungshintergrunds

Seit der Veröfentlichung des internationalen Berichts „Where Immigrant Students Suc- ceed“ der OECD (Stanat & Christensen, 2006) wird in PISA die in der Migrationsfor- schung gängige Unterscheidung zwischen der ersten und zweiten Zuwanderergeneration verwendet. Unter Berücksichtigung des Zeitpunktes, zu dem die Familie einer Schüle- rin oder eines Schülers nach Deutschland zugewandert ist, unterscheiden wir im vorlie- genden Bericht zwischen Jugendlichen, die selbst gemeinsam mit ihren Eltern aus dem Ausland nach Deutschland gekommen sind (die sogenannte erste Generation), und sol- chen, deren Eltern nach Deutschland zuwanderten, die selbst jedoch bereits in Deutsch- land geboren wurden (die sogenannte zweite Generation). Dieses Vorgehen schließt an die nationalen PISA-Berichte 2006 und 2009 an (Stanat & Christensen, 2006; Stanat et al., 2010). Da die Schülerinnen und Schüler nicht nach dem Geburtsland ihrer Großel- tern gefragt wurden, können keine Aussagen über Schülerinnen und Schüler der drit- ten Generation gemacht werden. Nach der hier eingesetzten Klassiikation zählen Schü- lerinnen und Schüler, die selbst ebenso wie ihre beiden Eltern in Deutschland geboren wurden, zu denen ohne Zuwanderungshintergrund, unabhängig vom Geburtsland der Großeltern.

Im Unterschied zur Vorgehensweise der OECD werden im vorliegenden Bericht zudem Schülerinnen und Schüler gesondert ausgewiesen, die selbst in Deutschland geboren sind, deren Mutter oder Vater jedoch aus dem Ausland stammen (ein Eltern- teil im Ausland geboren). Die OECD ordnet diese Jugendlichen der Gruppe der Schüle- rinnen und Schüler ohne Zuwanderungshintergrund zu, während sie in den deutschen Berichten zu PISA zur Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshin- tergrund gezählt werden. Bereits die nationalen Berichte zu PISA 2003, PISA 2006 und PISA 2009 in Deutschland wichen vom Vorgehen der OECD ab und stellten die Ergeb- nisse der Jugendlichen mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil getrennt dar.

(5)

Daran wird auch im vorliegenden Band festgehalten, um mit der Diferenzierung an frü- here PISA-Berichtsbände anzuknüpfen. Das Vorgehen hat sich bewährt, zumal sich in einigen Herkuntsgruppen auch für die Jugendlichen mit nur einem im Ausland gebore- nen Elternteil deutliche Disparitäten im Vergleich zu den Jugendlichen ohne Zuwande- rungshintergrund zeigten (Stanat et al., 2010).

In den Analysen dieses Kapitels werden die folgenden Gruppen von Schülerinnen und Schülern unterschieden:

Ohne Zuwanderungshintergrund: Kein Elternteil im Ausland geboren.

Ein Elternteil im Ausland geboren: Ein Elternteil im Ausland, ein Elternteil in Deutsch land (bzw. im jeweiligen OECD-Teil neh- merstaat) geboren.

Zweite Generation: Beide Elternteile im Ausland geboren, Jugend- liche/r in Deutschland (bzw. im jeweiligen OECD-Teilnehmerstaat) geboren.

Erste Generation: Beide Elternteile und Jugendliche/r im Ausland geboren.

Diferenzierung verschiedener Herkuntsgruppen

Wie bereits angesprochen sind bei einer Diferenzierung der Jugendlichen nach dem Herkuntsland ihrer Familien teilweise große Unterschiede in den erreichten Kompe- tenzwerten festzustellen. Aktuell zeigt der jüngste Ländervergleich des IQB (Pant et al., 2013), dass die mittleren Kompetenzen von Jugendlichen unterschiedlicher Herkunts- länder deutlich voneinander abweichen (Pöhlmann, Haag & Stanat, 2013). Auch frühere PISA-Erhebungen fanden entsprechende Diferenzen. Deshalb werden für die folgenden Analysen die Herkuntsländer, aus denen der größte Teil der Familien von Jugendlichen mit Migrationsstatus stammt (ehemalige UdSSR, Türkei und Polen), wie folgt diferen- ziert:

Herkuntsland ehemalige UdSSR: Mindestens ein Elternteil in Russland, Kasachstan oder einer anderen ehemaligen Sowjetrepublik geboren.

Herkuntsland Türkei: Mindestens ein Elternteil in der Türkei geboren.

Herkuntsland Polen: Mindestens ein Elternteil in Polen geboren.

Anderes Land: Zusammengefasste Kategorie mehrerer Staaten, aus denen jeweils ein sehr geringer Anteil an Ju- gendlichen stammt, wobei mindestens ein Eltern- teil in einem dieser Staaten geboren wurde.

(6)

Jugendliche aus Familien, in denen der Vater und die Mutter aus unterschiedlichen Staa- ten zugewandert sind, wurden zugunsten einer eindeutigen Interpretation der Ergeb- nisse aus den Analysen ausgeschlossen. Jugendliche mit einem im Ausland und einem in Deutschland geborenen Elternteil wurden nach dem Herkuntsland des zugewanderten Elternteils einer Herkuntsgruppe zugeordnet.

Umgang mit fehlenden Werten

Nicht für alle an der PISA-Erhebung 2012 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler lie- gen die zur Bestimmung des Zuwanderungshintergrundes notwendigen Angaben zum Geburtsland der Eltern und des Jugendlichen selbst vor (siehe Kapitel 1). Solche feh- lenden Informationen sind in sozialwissenschatlichen Studien ein gängiges Problem, für das es in der Regel keine vollständig befriedigende Lösung gibt. Auch die ansonsten sehr hohe Qualität der im Rahmen von PISA gewonnenen Daten ist in Bezug auf den Zuwanderungshintergrund aufgrund fehlender Angaben eingeschränkt. Wichtig sind deshalb größtmögliche Transparenz und Konsistenz in Bezug auf den Umgang mit feh- lenden Angaben (Edele & Stanat, 2011).

Wie bereits in früheren PISA-Berichtsbänden für Deutschland wurde für den vor- liegenden Bericht die Variable Migrationsstatus um die Kategorie „nicht zuzuordnen“

ergänzt. Dabei handelt es sich um Jugendliche, für die keine vollständigen Informatio- nen zum eigenen Geburtsland und zum Geburtsland der Eltern vorliegen. Diese Kate- gorie wird in allen nationalen Analysen, die sich auf den Generationsstatus der Schüle- rinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund beziehen, verwendet und explizit in den Tabellen ausgewiesen.

Der Anteil der Jugendlichen mit unbekanntem Zuwanderungshintergrund ist über die Erhebungsrunden hinweg bei PISA seit 2000 gestiegen. Während in PISA 2000 für lediglich 2 Prozent der Fünfzehnjährigen der Zuwanderungshintergrund nicht identii- ziert werden konnte, betraf dies in PISA 2009 bereits 11 Prozent der Schülerinnen und Schüler (Stanat et al., 2010). Dieser Anteil ist in PISA 2012 noch einmal angestiegen und liegt nunmehr bei 17.6 Prozent. Tendenziell erzielen Schülerinnen und Schüler mit fehlenden Angaben zum Zuwanderungshintergrund vergleichsweise schwache Leistun- gen. Der wachsende prozentuale Anteil an Fünfzehnjährigen, für die keine belastbaren oder vollständigen Informationen zu ihrem Geburtsland und dem ihrer Eltern vorhan- den sind, hat mehrere Gründe. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Bearbeitung des Schülerfragebogens nur in einem kleinen Teil der Länder in Deutschland verplichtend ist. In den anderen Ländern verlangen Datenschutzrichtlinien das Einverständnis der Erziehungsberechtigten und der Jugendlichen für die Bearbeitung der Fragebögen (und in einigen Ländern speziell für die Beantwortung der Fragen zum Zuwanderungsstatus).

Während seit 2000 die Ausschöpfung der Stichprobe durch die verplichtende Test- teilnahme von 86 Prozent (Baumert, Stanat & Demmrich, 2001, S. 37) auf mehr als 93 Prozent (PISA 2012) gestiegen ist, stieg die Bereitschat der Schülerinnen und Schüler

(7)

(bzw. der Erziehungsberechtigten), den Fragebogen auszufüllen, nicht gleichermaßen an.

Bearbeitete Schülerfragebögen liegen bei PISA 2012 von 82 Prozent der Schülerinnen und Schüler vor. Darüber hinaus haben einige Schülerinnen und Schüler, die den Frage- bogen bearbeitet haben, die Fragen zum eigenen Geburtsland und dem Geburtsland der beiden Elternteile nicht beantwortet. Insgesamt resultiert daraus ein Anteil von 17.6 Pro- zent der getesteten Stichprobe, für den der Zuwanderungsstatus nicht sicher festgestellt werden kann.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang weiterhin, dass die OECD mit fehlen- den Werten für die Herkuntsländer der Eltern in einem Punkt anders umgeht als die nationale Berichterstattung in Deutschland. Während die OECD im Falle einer fehlen- den Angabe zum Geburtsland eines Elternteils das Geburtsland des Partners verwen- det und den fehlenden Wert damit ersetzt, wird die Variable zum Zuwanderungsstatus in Deutschland so gebildet, dass zunächst die Information aus dem Schülerfragebogen herangezogen wird und, falls diese fehlt, der Elternfragebogen als Quelle dient. Fehlt die Angabe zum Herkuntsland eines Elternteils vollständig, so wird dem jeweiligen Jugend- lichen die Kategorie „nicht zuzuordnen“ zugewiesen.

Schülerinnen und Schüler in Förderschulen sowie berulichen Schulen

Analysen der PISA-Stichprobe in Deutschland erlauben Rückschlüsse auf die Population der fünfzehnjährigen Jugendlichen, die sich in Deutschland in Schulausbildung bein- den. In dieser Stichprobe sind Schülerinnen und Schüler aller Schularten der Sekun- darstufe I enthalten (Hauptschulen, Schulen mit mehreren Bildungsgängen, Integrierte Gesamtschulen, Realschulen, Gymnasien, Förderschulen und beruliche Schulen). Wie in den anderen Kapiteln dieses Bandes gilt, dass bei Analysen mit der gesamten Stich- probe die Schülerinnen und Schüler aller sieben Schularten berücksichtigt sind, bei Dif- ferenzierungen nach Schularten jedoch die Förderschulen und berulichen Schulen nicht ausgewiesen werden (vgl. Kapitel 1).

9.2 Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund im internationalen Vergleich

Für internationale Vergleiche sind in diesem Kapitel vor allem diejenigen Staaten von Interesse, in denen mindestens 10 Prozent der Fünfzehnjährigen einen Zuwanderungs- hintergrund haben. Diese Jugendlichen haben zum Zeitpunkt des PISA-Tests bereits unterschiedlich lange im jeweiligen Land gelebt, mindestens jedoch ein Jahr.

Im Hinblick auf die Geschichte und Bedingungen der Zuwanderung werden die Staaten nach verschiedenen Gruppen unterteilt dargestellt (Walter & Taskinen, 2008).

Diese Diferenzierung hilt, Randbedingungen der Zuwanderung zu berücksichtigen, die unter anderem den Bildungsstand der Eltern oder das Verhältnis von Erstsprache

(8)

und Verkehrssprache im Zuwanderungsland betrefen. Australien, Kanada, Neuseeland und die Vereinigten Staaten sind sogenannte klassische Einwanderungsländer. Sie gewäh- ren einer beträchtlichen Anzahl an Einwanderern eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und die Möglichkeit zur Einbürgerung. Die Einwanderung in diesen Staaten ist zumeist an bestimmte Bedingungen wie Qualiikation und Bedarfslagen gebunden und in die- ser Hinsicht selektiv. Mitteleuropäische ehemalige Kolonialstaaten hatten größere Kolo- nialgebiete außerhalb Europas und deren Sprache in den Kolonien als eine der Amts- sprachen eingeführt. Seit dem 20. Jahrhundert wandern aus den ehemaligen Kolonien vermehrt Menschen in die ehemaligen Kolonialstaaten ein, die teilweise bereits die Lan- dessprache des Einwanderungslandes beherrschen. Zu den Kolonialstaaten werden Bel- gien, Frankreich, die Niederlande und das Vereinigte Königreich gezählt. Zielländer für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung sind Staaten wie Deutschland, Luxem- burg, Österreich und die Schweiz, die bis Ende der 1960er Jahre im Ausland Arbeits- kräte anwarben, um den Arbeitskrätemangel auszugleichen. Mit der ersten Ölkrise beendeten die Staaten ihre aktive Anwerbepolitik und ließen Zuwanderung nahezu aus- schließlich aus humanitären Gründen und zur Familienzusammenführung zu. Aufgrund des demographischen Wandels ändern diese Staaten jedoch seit einiger Zeit wieder ihre Zuwanderungspolitik, um dem sich abzeichnenden Bedarf an Fachkräten zu begegnen (vgl. OECD, 2012a).

Mit der Zuwanderungsgeschichte der genannten Staaten sind Unterschiede in der Einwanderungspolitik verbunden (Boswell, 2007), die sich unter anderem in den Antei- len von zugewanderten Personen in der Bevölkerung dieser Staaten niederschlagen. In Tabelle 9.1 sind die prozentualen Anteile der Schülerinnen und Schüler mit und ohne Zuwanderungshintergrund in den einzelnen Staaten anhand der Daten aus PISA 2012 dargestellt. Des Weiteren wurden Veränderungen dieses Anteils zwischen PISA 2003 und PISA 2012 in der mit +/- gekennzeichneten Spalte angegeben.

In der Tabelle sind OECD-Staaten mit einem substantiellen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund aufgeführt (mindestens 10 Prozent). Den- noch unterschieden sich diese Prozentwerte in den verschiedenen Staaten beträchtlich.

Einen Anteil von mehr als 30 Prozent Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund wei- sen ausschließlich die klassischen Einwanderungsländer Australien, Kanada und Neusee- land sowie die Zielländer für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung Luxemburg und Schweiz auf. In den meisten der ehemaligen Kolonialstaaten sowie in einem Teil der Zielländer für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung haben zwischen 20 und 29 Prozent der Schülerinnen und Schüler einen Zuwanderungshintergrund. Lediglich in den Niederlanden und den skandinavischen Staaten Dänemark, Finnland und Norwegen ist der Anteil der Fünfzehnjährigen mit Zuwanderungshintergrund geringer. Deutsch- land liegt mit einem Anteil von 25.8 Prozent im Mittelfeld der Zielländer für Arbeitsmi- gration und humanitäre Zuwanderung. Der Mikrozensus des Jahres 2011 gibt für Jugend- liche in Deutschland einen Anteil von 27.1 Prozent mit Zuwanderungshintergrund an (Statistisches Bundesamt, 2012, S. 33), wobei sich diese Zahl auf Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren bezieht, die nicht notwendigerweise eine allgemeinbildende Schule

(9)

Tabelle 9.1: Prozentuale Anteile von fünfzehnjährigen Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund in ausgewählten OECD-Staaten StaatOhne Zuwanderungs­ hintergrund

Mit Zuwanderungshintergrund Insgesamt ZuwanderungEin Elternteil im Ausland geborenZweite GenerationErste Generation gülti ge %*(SE)gülti ge %*(SE) +/­gülti ge %*(SE) +/­gültige %*(SE) +/­gültige %*(SE) +/­zuzu- ordnen nicht zuzu- ordnen Klassische Einwanderungsländer Australien60.6(0.8)39.4(0.8)-2.316.8(0.4)-2.212.1(0.6)0.510.4(0.4)-0.689.710.3 Vereinigte Staaten70.0(2.2)30.0(2.2)8.78.6(0.7)1.614.7(1.4)6.66.7(0.8)0.695.44.6 Neuseeland57.4(1.6)42.6(1.6)6.716.1(0.7)-0.19.5(0.8)3.316.9(1.0)3.696.63.4 Kanada60.0(1.2)40.0(1.2)9.710.5(0.4)0.016.4(0.8)7.513.1(0.7)2.395.14.9 Mitteleuropäische ehemalige Kolonialstaaten Belgien71.1(1.1)28.9(1.1)5.913.8(0.6)2.47.9(0.6)1.67.2(0.6)1.996.63.4 Frankreich73.3(1.4)26.7(1.4)0.411.9(0.6)-0.49.9(0.8)-0.74.9(0.5)1.596.33.7 Niederlande80.9(1.2)19.1(1.2)1.08.5(0.5)1.28.0(0.9)1.12.6(0.3)-1.297.32.7 Vereinigtes Königreich76.2(1.3)23.8(1.3)5.411.1(0.6)0.65.5(0.5)0.37.2(0.8)4.596.33.7 Zielländer für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung Dänemark82.6(0.9)17.4(0.9)3.78.3(0.4)1.06.1(0.5)2.73.0(0.2)0.197.72.3 Deutschland74.2(1.0)25.8(1.0)5.010.2(0.5)4.711.9(0.8)5.13.7(0.4)­4.882.417.6 Finnland90.8(0.3)9.2(0.3)4.95.8(0.2)3.51.5(0.1)1.41.9(0.2)0.098.21.8 Luxemburg37.1(0.6)62.9(0.6)13.616.9(0.5)0.528.6(0.6)12.917.3(0.5)0.297.03.0 Norwegen81.2(1.0)18.8(1.0)5.99.3(0.6)2.04.7(0.6)2.44.8(0.5)1.597.12.9 Österreich74.5(1.1)25.5(1.1)7.09.1(0.6)3.910.8(0.7)6.75.5(0.6)-3.598.21.8 Schweden72.5(1.1)27.5(1.1)7.012.7(0.6)3.58.7(0.6)3.16.1(0.5)0.496.93.1 Schweiz56.7(1.1)43.3(1.1)7.619.2(0.6)3.317.4(0.7)8.56.7(0.4)-4.397.42.6 Anmerkung: In der Tabelle werden gerundete Werte angegeben. Es können auf die Rundungen zurückzuführende vermeintliche Inkonsistenzen vorkommen. +/-: Veränderung gegenüber PISA 2003 fett: signiikante Veränderungen gegenüber PISA 2003 (p < .05) * gültige % = Prozentangaben beruhen nur auf Angaben der Schülerinnen und Schüler, die eindeutig zuzuordnen sind.

(10)

besuchen. Im Vergleich zum Mikrozensus scheint der in der PISA-2012-Erhebung gestiegene Anteil an nicht zuzuordnenden Schülerinnen und Schülern demnach nur zu einer leichten Unterschätzung des Anteils von Jugendlichen mit Zuwanderungshinter- grund zu führen.

Im Vergleich zu PISA 2003 hat sich der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund in allen Zielländern für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung erhöht, aber auch in einigen klassischen Einwanderungsländern und ehe- maligen Kolonialstaaten. Besonders deutlich ist die Zunahme in Kanada und Luxem- burg. In Deutschland stieg der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Zuwande- rungshintergrund seit PISA 2003 um 5 Prozentpunkte an und wuchs damit ähnlich stark wie in den anderen europäischen Staaten, die als Zielländer für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung klassiiziert sind. In Deutschlands Nachbarländern Frankreich und Niederlande, beides ehemalige Kolonialstaaten, blieb der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund dagegen weitestgehend konstant.

Merkmale des familiären Hintergrundes von Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund

Um die Lebens- und Lernumwelten der Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund näher zu beschreiben, wird in den nächsten Schritten die in der Familie gesprochene Sprache und der sozioökonomische Hintergrund der Familien berichtet. Dabei gibt der Vergleich zwischen erster und zweiter Generation Hinweise darauf, inwieweit eine Annäherung von Zuwanderern und Mitgliedern der Aufnahmegesellschat im Gene- rationsverlauf erfolgt. Dieser Prozess wird in der Migrationsforschung als Assimilation bezeichnet. Dabei wird Assimilation als deskriptives Konzept verstanden, das die Annä- herung von Zuwanderergruppen und Aufnahmegesellschat über mehrere Generationen hinweg abbildet (Alba & Nee, 2003). Man spricht von „vollständiger Assimilation“, wenn Unterschiede zwischen der Zuwanderergruppe und den Mitgliedern der Aufnahmege- sellschat verschwunden sind. In der Soziologie werden strukturelle, kulturelle, sozi- ale und identiikative Dimensionen der Assimilation unterschieden (z. B. Esser, 2001).

Während die Verwendung der Sprache des Aufnahmelandes in Familien mit Zuwande- rungshintergrund als ein Indikator für die kulturelle Assimilation gesehen werden kann, handelt es sich beim sozioökonomischen Status um einen Indikator für strukturelle Assi- milation (Stanat et al., 2010).

In Tabelle 9.2 sind die Anteile der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshin- tergrund dargestellt, die in ihrer Familie am häuigsten die Sprache des jeweiligen Ein- wanderungslandes sprechen (bzw. die Sprache, in der sie den PISA-Test und den Fra- gebogen bearbeiten). Die Fünfzehnjährigen wurden dazu im Schülerfragebogen befragt („Welche Sprache sprichst du am häuigsten zu Hause?“). Als Antwortkategorien standen die zehn in früheren PISA-Erhebungsrunden am häuigsten angegebenen Sprachen zur Auswahl sowie eine ofene Antwortkategorie, in die die Fünfzehnjährigen bei Bedarf die Sprache selbst eintragen konnten, die sie zu Hause am häuigsten sprechen.

(11)

Tabelle 9.2: Prozentuale Anteile von fünfzehnjährigen Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund, die zu Hause die Sprache des Einwanderungslandes sprechen

Der Anteil der Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund, die in ihrer Familie am häuigsten Deutsch sprechen, liegt in Deutschland insgesamt bei über 70 Prozent, wobei er in der ersten Generation deutlich geringer ist (35.5 Prozent) als in der zweiten Gene- ration (65.8 Prozent). Dieses Muster ist mit den theoretischen Annahmen eines Assi- milationsprozesses vereinbar und in den meisten Staaten zu beobachten. Ausnahmen sind dabei Österreich und Luxemburg, wo die Jugendlichen der ersten Generation häu- iger zu Hause Deutsch (bzw. die Testsprache) sprechen als die Jugendlichen der zweiten Generation. In der zweiten Generation sprechen in Deutschland mehr als 60 Prozent der Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund zu Hause am häuigsten Deutsch. Dieser hohe Prozentsatz ist ansonsten nur in den klassischen Einwanderungsländern und zwei ehemaligen Kolonialstaaten, Frankreich und dem Vereinigten Königreich, zu beobach- ten.

Staat Mit Zuwanderungshintergrund

Insgesamt Zuwanderung

Ein Elternteil im

Ausland geboren Zweite Generation Erste Generation

% (SE) % (SE) % (SE) % (SE)

Klassische Einwanderungsländer

Australien 79.4 (1.0) 96.1 (0.5) 67.1 (1.8) 65.4 (1.9)

Vereinigte Staaten 54.9 (2.4) 85.9 (2.0) 48.4 (2.8) 28.7 (3.7)

Neuseeland 67.2 (1.7) 95.2 (1.0) 59.8 (2.9) 44.6 (2.4)

Kanada 62.2 (1.4) 92.5 (0.9) 61.8 (1.9) 37.8 (1.6)

Mitteleuropäische ehemalige Kolonialstaaten

Belgien 61.7 (1.8) 75.3 (2.0) 49.2 (2.7) 47.3 (4.7)

Frankreich 74.2 (1.5) 91.8 (1.5) 67.9 (2.7) 41.6 (3.5)

Niederlande 69.5 (1.8) 91.8 (1.8) 54.3 (3.1) 32.4 (5.2)

Vereinigtes Königreich 72.7 (2.0) 94.3 (1.0) 75.8 (2.7) 35.4 (3.6)

Zielländer für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung

Dänemark 71.8 (1.3) 94.9 (0.8) 54.2 (2.3) 33.6 (3.2)

Deutschland 72.1 (1.8) 89.1 (1.7) 65.8 (2.1) 35.5 (5.3)

Finnland 63.8 (1.5) 89.9 (1.2) 27.3 (3.1) 11.2 (1.9)

Luxemburg 23.8 (0.7) 17.3 (1.2) 22.1 (1.2) 33.2 (1.6)

Norwegen 63.8 (2.3) 93.0 (1.5) 45.0 (3.7) 23.1 (2.7)

Österreich 50.4 (2.1) 88.0 (2.1) 25.7 (2.5) 29.0 (3.2)

Schweden 60.3 (1.8) 91.4 (1.7) 43.6 (2.5) 16.3 (2.7)

Schweiz 65.5 (1.2) 88.8 (1.1) 48.0 (1.8) 41.7 (2.7)

(12)

Als Indikator für den sozioökonomischen Hintergrund wird in PISA unter ande- rem mit dem Highest International Socio-Economic Index of Occupational Status (HISEI, Ganzeboom, de Graaf, Treiman & de Leeuw, 1992) verwendet, der auf der Basis der sogenannten International Standard Classiication of Occupations (ISCO) gebildet wird.

Diese wurde erstmals im Jahre 1988 festgelegt und basiert auf vierstelligen Codes für jeden Beruf. Während frühere PISA-Erhebungen auf den ISCO-88 zurückgrifen (Inter- national Labour Oice, 1990), wird der HISEI in PISA 2012 anhand der im Jahr 2008 neu gebildeten Berufsklassiizierung – ISCO-08 – gebildet (International Labour Oice, 2007). Diese berücksichtigt die Veränderungen am Arbeitsmarkt in den letzten 25 Jah- ren (vgl. Kapitel 8).

Tabelle 9.3: Disparitäten im sozioökonomischen Status zwischen Familien ohne und Famili- en mit Zuwanderungshintergrund in ausgewählten OECD-Staaten

Staat Ohne Zuwan­

derungs­

hintergrund

Mit Zuwanderungshintergrund

Insgesamt Zuwanderung

Ein Elternteil im Ausland

geboren

Zweite Generation

Erste Generation M (SE) DIFF (SE) DIFF (SE) DIFF (SE) DIFF (SE) Klassische Einwanderungsländer

Australien 57.5 (0.3) 0.4 (0.4) 1.7 (0.5) -2.7 (0.7) 2.0 (0.7)

Vereinigte Staaten 57.4 (0.7) ­9.5 (1.4) 0.0 (1.4) -13.3 (1.8) -13.8 (1.9)

Neuseeland 54.6 (0.6) 1.5 (0.9) 3.6 (0.8) ­5.4 (1.6) 3.2 (1.3)

Kanada 55.8 (0.4) -0.8 (0.8) 2.9 (0.8) -6.2 (1.0) 2.9 (1.1)

Mitteleuropäische ehemalige Kolonialstaaten

Belgien 53.7 (0.4) ­6.8 (0.8) -3.9 (1.0) ­10.4 (1.3) ­8.6 (1.5)

Frankreich 53.6 (0.6) -6.2 (1.0) 0.1 (1.1) ­11.5 (1.3) ­11.1 (1.8)

Niederlande 57.5 (0.5) ­6.0 (1.0) -0.5 (1.2) ­11.6 (1.4) ­8.7 (3.1)

Vereinigtes Königreich 55.1 (0.5) 3.0 (1.0) 4.0 (1.1) 2.0 (1.5) 2.1 (1.8) Zielländer für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung

Dänemark 55.7 (0.6) ­5.9 (0.9) 1.3 (1.0) -13.8 (1.2) -12.8 (1.7)

Deutschland 53.7 (0.5) ­10.7 (0.8) ­4.1 (1.3) ­16.6 (1.0) -10.3 (1.9)

Finnland 55.9 (0.4) -3.3 (0.8) 0.9 (1.0) ­9.8 (1.6) -12.3 (1.4)

Luxemburg 56.2 (0.4) ­11.1 (0.5) -2.2 (0.8) ­16.5 (0.7) ­10.9 (0.9)

Norwegen 59.5 (0.4) -2.8 (0.9) 3.0 (1.2) ­7.5 (1.4) -10.3 (1.8)

Österreich 50.3 (0.5) ­5.4 (1.1) 5.7 (1.3) -12.3 (1.1) ­10.5 (1.9)

Schweden 55.7 (0.5) -4.2 (1.0) 2.1 (1.1) -9.2 (1.4) ­11.8 (2.4)

Schweiz 57.6 (0.6) ­5.9 (0.8) 4.0 (0.9) ­14.4 (0.8) -12.2 (1.6)

Anmerkung: fett: signiikante Differenz zu Familien ohne Zuwanderungshintergrund (p < .05).

(13)

Allerdings erschwert die neue Berufsklassiikation einen Vergleich der aktuellen HISEI-Werte mit denen früherer PISA-Erhebungen. Deshalb wird auf solche Vergleiche im Folgenden verzichtet. In Tabelle 9.3 sind die Mittelwerte des HISEI für Schülerin- nen und Schüler ohne Zuwanderungshintergrund eingetragen. Für die Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund ist die Diferenz (DIFF) zu dieser Schülergruppe dargestellt.

In den klassischen Einwanderungsländern Australien, Kanada und Neuseeland haben die Familien von Schülerinnen und Schülern der ersten Generation einen signiikant höheren sozioökonomischen Status als Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungs- hintergrund. Hierin spiegelt sich die selektive Einwanderungspolitik dieser Aufnahme- länder wider. Die zweite Generation in diesen drei Staaten weist jedoch im Vergleich zu Familien ohne Zuwanderungshintergrund einen niedrigeren sozioökonomischen Status auf. In den Vereinigten Staaten sowie in den mitteleuropäischen ehemaligen Kolonial- staaten Belgien, Frankreich und Niederlande haben die Familien sowohl von Jugend- lichen der ersten als auch von Jugendlichen der zweiten Generation einen signiikant niedrigeren sozioökonomischen Status als Schülerinnen und Schüler ohne Zuwande- rungshintergrund. Dasselbe gilt für alle Staaten, die den Zielländern für Arbeitsmigra- tion und humanitäre Zuwanderung zugerechnet werden.

Die Familien von Schülerinnen und Schülern mit einem im Ausland geborenen Elternteil dagegen haben in den meisten Staaten einen ähnlichen oder höheren sozio- ökonomischen Status als die Familien von nicht zugewanderten Schülerinnen und Schü- lern. Lediglich in Belgien, Deutschland und Luxemburg weisen die Schülerinnen und Schüler mit einem im Ausland geborenen Elternteil einen niedrigeren durchschnitt- lichen Sozialstatus auf.

In Deutschland ist der durchschnittliche sozioökonomische Status (HISEI) von Jugendlichen der ersten Generation höher als der von Jugendlichen der zweiten Genera- tion. Dieses Muster ist auch in den klassischen Einwanderungsstaaten Australien, Neu- seeland und Kanada zu erkennen. Diese Unterschiede zwischen den Generationen von Zuwanderern gehen vermutlich auch auf Unterschiede in der Zusammensetzung der ers- ten und der zweiten Generation zurück. Im Vergleich zu anderen europäischen Nach- barstaaten unterscheidet sich in Deutschland der sozioökonomische Status der Familien mit Zuwanderungshintergrund insgesamt besonders deutlich vom Gesamtmittelwert.

Der sozioökonomische Status von Zuwandererfamilien in Deutschland ist im Durch- schnitt deutlich niedriger als derjenige nicht zugewanderter Familien.

Mittlere Kompetenz von Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund in Mathematik In Tabelle 9.4 sind die Kompetenzunterschiede zwischen Jugendlichen mit Zuwande- rungshintergrund und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne Zuwanderungshin- tergrund im internationalen Vergleich dargestellt; es werden jeweils der Mittelwert (M) und der Standardfehler (SE) für die einzelnen Gruppen angegeben.

(14)

Tabelle 9.4: Mittlere mathematische Kompetenz von Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund in ausgewählten OECD-Staaten StaatOhne Zuwanderungs­ hintergrund

Mit Zuwanderungshintergrund Insgesamt ZuwanderungEin Elternteil im Ausland geborenZweite GenerationErste Generation M(SE) +/-M(SE) +/-M(SE) +/-M(SE) +/-M(SE) +/- Klassische Einwanderungsländer Australien5001.6-25.2522a2.8-5.6512a2.3­19.8540a5.417.6517a3.7-8.6 Vereinigte Staaten4873.9-2.14775.33.64845.7-11.54796.79.7463a9.210.3 Neuseeland4983.1-26.9508a3.3­18.9518a3.8-22.94906.8-6.45075.3­15.5 Kanada5211.8-15.35223.4-17.25273.5-14.35134.5-31.65285.2-3.7 Mitteleuropäische ehemalige Kolonialstaaten Belgien5322.1­18.4481a3.91.6499a3.9-13.2470a6.115.5458a7.520.1 Frankreich5113.0­10.4461a4.9-27.2488a5.5-25.8448a6.8-24.5424a10.5-24.1 Niederlande5333.4­18.9491a6.8-17.3512a8.0-30.8475a9.3-17.1471a10.2-0.1 Vereinigtes Königreich4963.2-13.85015.4-7.9516a5.4-2.84847.5-19.949111.811.8 Zielländer für Arbeitsmigration und humanitäre Zuwanderung Dänemark5092.3-12.0470a3.4-11.85014.6-7.1447a4.0-1.3428a5.4-25.1 Deutschland5313.43.6485a4.124.0504a5.4-2.1476a5.344.9461a9.05.3 Finnland5241.9-22.9485a4.3­19.5512a5.0­16.9451a4.825.9426a7.8­48.0 Luxemburg5172.17.1477a1.7-1.5498a3.00.0470a2.5-7.4469a4.07.4 Norwegen4963.0-3.9471a4.90.14944.94.3458a9.5-2.3441a6.22.6 Österreich5182.83.3473a4.4-0.6502a6.3-20.2458a5.2-1.5454a8.62.6 Schweden4912.4-26.7455a3.9-26.84833.6-31.4445a5.3-39.3411a7.6-15.6 Schweiz5523.35.6507a3.612.1534a4.15.2490a3.85.8472a5.818.4 Anmerkung: fett = signiikante Unterschiede zwischen 2003 und 2012 (p < .05). a signiikante Unterschiede zu Schülerinnen und Schülern ohne Zuwanderungshintergrund (p < .05) +/- Mittelwertsdifferenz 2012–2003

(15)

Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungshintergrund erreichen in Deutschland im Durchschnitt 531 Punkte auf der Skala mathematischer Kompetenz. Hingegen liegt die mathematische Kompetenz der Fünfzehnjährigen mit Zuwanderungshintergrund in Deutschland im Mittel bei 485 Punkten. Ein Mittelwert in vergleichbarer Höhe wird in Staaten wie den USA oder Schweden von der Gruppe der Jugendlichen ohne Zuwan- derungshintergrund erzielt. Demnach schneiden in Deutschland die Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund im Mathematiktest ähnlich ab wie die Jugend- lichen in den USA oder Schweden, deren Familie nicht zugewandert ist. Dennoch han- delt es sich bei der Diferenz von 46 Punkten zwischen Zugewanderten und Nicht-Zuge- wanderten in Deutschland um einen erheblichen Kompetenzunterschied, der einem Leistungsabstand von mehr als einem Schuljahr entspricht (Autorengruppe Bildungs- berichterstattung, 2012; Ehmke, Werner, Neubrand, Joran & Ulig, 2006; Prenzel et al., 2006).

Eine Disparität zwischen Fünfzehnjährigen mit und solchen ohne Zuwanderungsge- schichte in vergleichbarer Größenordnung indet sich in fast allen Staaten bis auf die klassischen Einwanderungsländer Kanada und Vereinigte Staaten. In Australien, Neusee- land und dem Vereinigten Königreich erzielen Schülerinnen und Schüler mit Zuwande- rungshintergrund dagegen bessere Leistungen als Schülerinnen und Schüler ohne Zuwan- derungshintergrund. In Australien erzielen die Schülerinnen und Schüler der zweiten Generation die höchsten Kompetenzwerte in Mathematik, und dies obwohl diese Gruppe einen niedrigeren sozioökonomischen Status aufweist als die Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungshintergrund.

In den meisten ehemaligen Kolonialstaaten und den Zielländern für Arbeitsmigra- tion und humanitäre Zuwanderung erreichen die Schülerinnen und Schüler der ersten Generation die niedrigsten Werte auf der Mathematikskala. Die Schülerinnen und Schü- ler der zweiten Generation erzielen einige Punkte mehr, auch ihre Leistungen bleiben jedoch hinter denen der Jugendlichen ohne Zuwanderungshintergrund zurück. Auch die Schülerinnen und Schüler mit einem im Ausland geborenen Elternteil erreichen nicht die Leistungen der Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungshintergrund. Eine Aus- nahme bildet das Vereinigte Königreich, wo keine zuwanderungsbezogenen Disparitäten vorliegen – im Gegenteil: Die Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit einem im Aus- land geborenen Elternteil weist hier im Mittel sogar höhere Kompetenzen auf.

Tabelle 9.4 gibt darüber hinaus Auskunt über die Diferenz zwischen den Mittelwer- ten mathematischer Kompetenz in PISA 2003 und PISA 2012. Bei positiven Diferenz- werten ist der Mittelwert in PISA 2012 höher in PISA 2003, bei negativen Werten ist es umgekehrt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler ohne Zuwande- rungshintergrund in Deutschland 2012 einen ähnlichen Wert erreichten wie 2003 (PISA 2003: 527 Punkte; PISA 2012: 531 Punkte). Die Schülerinnen und Schüler der zweiten Generation hingegen verbesserten sich signiikant um 45 Punkte. Diese Steigerung ent- spricht dem Lernzuwachs von mehr als einem Schuljahr (s. o. sowie Autorengruppe Bil- dungsberichterstattung, 2012). Eine Verbesserung in der mathematischen Kompetenz bei Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshintergrund seit PISA 2003 zeigt sich

(16)

außer in Deutschland lediglich in der Schweiz. In zahlreichen Staaten, wie zum Beispiel Finnland, Frankreich und Schweden, hingegen haben sich die Disparitäten zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Zuwanderungshintergrund über die Zeit ver- größert.

9.3 Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund in Deutschland

Im Folgenden wird die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungshin- tergrund für Deutschland diferenzierter beschrieben. Dabei wird zunächst nach Gene- rationsstatus und Herkuntsland gegliedert der Anteil von Jugendlichen mit Zuwande- rungshintergrund in Deutschland dargestellt, bevor wichtige Merkmale des familiären Hintergrundes dieser Schülerinnen und Schüler vorgestellt werden. Schließlich wird die Mathematikkompetenz von Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund zunächst im Vergleich verschiedener Generationen und Herkuntsländer beschrieben, dann in Bezug auf erreichte Kompetenzstufen dargestellt und in modellbasierten Analysen mit mögli- chen erklärenden Kontextvariablen in Zusammenhang gebracht.

Prozentuale Anteile von Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund in PISA 2003 und 2012

Diferenziert man die Gruppe der Fünfzehnjährigen mit Zuwanderungshintergrund nach deren Generationsstatus, dann nahm der Anteil an Jugendlichen der ersten Generation zwischen 2003 und 2012 ab, während der Anteil der Schülerinnen und Schüler der zwei- ten Generation und der mit einem im Ausland geborenen Elternteil jeweils angestiegen ist. Aufgrund der teilweise sehr geringen Fallzahlen in der PISA-Stichprobe mussten in den nach Herkuntsland diferenzierenden Analysen (Tabelle 9.6 und 9.8) die erste und zweite Generation zusammengefasst werden.

Insgesamt haben 25.8 Prozent der in PISA 2012 getesteten und eindeutig zuzuord- nenden Schülerinnen und Schüler einen Zuwanderungshintergrund; 4.5 Prozent stam- men aus Ländern der ehemaligen UdSSR, 5.1 Prozent aus der Türkei und 2.7 Prozent aus Polen. Diese Zahlen haben sich im Vergleich zu 2003 nicht signiikant verändert.

Die Gruppe der Schülerinnen und Schülern aus Familien mit einem anderen Herkunts- land als der ehemaligen UdSSR, der Türkei und Polen hat sich dagegen vergrößert. In Tabelle 9.5 werden die Anteile der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshinter- grund gegliedert nach ihrem Generationsstatus und Herkuntsland bezogen auf alle ein- deutig zuzuordnenden fünfzehnjährigen Schülerinnen und Schüler dargestellt.

(17)

Tabelle 9.5: Prozentuale Anteile fünfzehnjähriger Schülerinnen und Schüler mit Zuwande- rungshintergrund in Deutschland

Die Aufschlüsselung des Migrationsstatus nach Generationenfolge in Tabelle 9.5 zeigt, dass sich die Zusammensetzung der Zuwandererfamilien seit PISA 2003 verändert hat.

Beispielsweise hat sich der Anteil derjenigen, von denen ein Elternteil im Ausland gebo- ren wurde, gegenüber PISA 2003 beinahe verdoppelt. Auch die Gruppe der Schüle- rinnen und Schüler, die in der zweiten Generation in Deutschland leben, hat sich von 6.8 Prozent (PISA 2003) auf 11.9 Prozent vergrößert. Kleiner geworden ist hingegen der Anteil an Jugendlichen, die selbst mit ihren Eltern nach Deutschland eingewandert sind (8.5 Prozent in PISA 2003, 3.7 Prozent in PISA 2012). Die Zuwanderung der Familien der Fünfzehnjährigen, die in PISA 2012 als „zugewandert“ gelten, fand zwischen 1997 und 2011 statt, da die Teilnahme an PISA voraussetzt, dass die Schülerinnen und Schü- ler mindestens ein Jahr vor dem Test in Deutschland gelebt haben. Die Abnahme des Anteils von Jugendlichen der ersten Generation bedeutet, dass im Zeitraum von 1997 bis 2011 weniger Zuwanderung von Familien mit Kindern nach Deutschland erfolgte als im vergleichbaren Zeitraum 1988 bis 2002. In Bezug auf die Zusammensetzung der Schüler- schat mit Zuwanderungshintergrund hinsichtlich der Herkuntsländer hat sich seit 2003 vor allem eine größere Heterogenität eingestellt: Fast doppelt so viele Schülerinnen und

Zuwanderungsstatus 2003 2012

% (SE) % (SE)

Zuwanderungsstatus eindeutig zuzuordnen?

nicht zuzuordnen 10.8 (0.7) 17.6 (0.9)

Zuzuordnen 89.2 (0.7) 82.4 (0.9)

gültige %* (SE) gültige %* (SE)

Ohne Zuwanderungshintergrund 79.1 (1.1) 74.2 (1.0)

Mit Zuwanderungshintergrund 20.9 (1.1) 25.8 (1.0)

Generationsstatus

Ein Elternteil im Ausland geboren 5.5 (0.4) 10.2 (0.5)

Zweite Generation 6.8 (0.8) 11.9 (0.8)

Erste Generation 8.5 (0.7) 3.7 (0.4)

herkunftsländer

Ehemalige UdSSR 4.8 (0.5) 4.5 (0.4)

Türkei 5.4 (0.7) 5.1 (0.5)

Polen 3.3 (0.4) 2.7 (0.3)

Anderes Land 7.4 (0.5) 13.5 (0.7)

Anmerkung: In der Tabelle werden gerundete Werte angegeben. Es können auf die Rundungen zurückzuführende ver- meintliche Inkonsistenzen vorkommen.

Daten beruhen auf Schülerangaben.

fett: signiikante Unterschiede zwischen 2003 und 2012 (p < .05)

* gültige % = Prozentangaben beruhen nur auf Angaben der Schülerinnen und Schüler, die eindeutig zuzuordnen sind.

(18)

Schüler wie 2003 stammen 2012 aus einem anderen Herkuntsland als der ehemaligen UdSSR, der Türkei oder Polen.

Tabelle 9.6 stellt genauer dar, wie sich die Gruppe der Jugendlichen aus verschie- denen Herkuntsländern hinsichtlich des Geburtslandes beider Eltern zusammensetzt.

Unterschieden werden dabei wiederum Familien, bei denen ein Elternteil im Ausland geboren wurde, und Familien, in denen beide Eltern im Ausland zur Welt kamen. Diese letzte Gruppe umfasst sowohl Jugendliche, die in erster Generation in Deutschland leben, als auch Jugendliche, die in zweiter Generation in Deutschland leben.

Bei den Familien, die aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR nach Deutschland zugewandert sind, haben sich die Anteile dieser beiden Gruppen im Vergleich zu PISA 2003 nicht verändert. Gleiches gilt für Familien aus der Gruppe der anderen Länder.

Veränderungen zeigen sich bei den Zuwandererfamilien aus der Türkei und Polen. Mitt- lerweile hat fast jeder dritte Jugendliche, dessen Familie aus der Türkei zugewandert ist, nur einen Elternteil, der in der Türkei geboren wurde. In PISA 2003 waren dies weni- ger als 10 Prozent. Entsprechend gesunken ist der Anteil derjenigen, bei denen beide Eltern in der Türkei geboren wurden (68.3 Prozent in PISA 2012 gegenüber 91.9 Pro- zent in PISA 2003). Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Jugendlichen, deren Familien aus Polen stammen. Von etwas mehr als jedem Vierten war in PISA 2003 ein Elternteil in Polen geboren; in PISA 2012 ist dieser Anteil signiikant gewachsen (auf 43.2 Pro- zent). Von mehr als der Hälte dieser Jugendlichen sind beide Elternteile in Polen gebo- ren; dieser prozentuale Anteil ist damit signiikant geringer als in PISA 2003 (damals noch 72.5 Prozent).

Tabelle 9.6: Prozentuale Anteile fünfzehnjähriger Schülerinnen und Schüler mit Zuwande- rungshintergrund in Deutschland nach Herkunt und Geburtsland der Eltern

herkunftsländer 2003 2012

gültige %* (SE) gültige %* (SE)

Ehemalige UdSSR

Ein Elternteil im Ausland geboren 9.7 (2.4) 10.9 (2.4)

Beide Elternteile im Ausland geboren 90.3 (2.4) 89.1 (2.4)

Türkei

Ein Elternteil im Ausland geboren 8.1 (1.5) 31.7 (2.9)

Beide Elternteile im Ausland geboren 91.9 (1.5) 68.3 (2.9)

Polen

Ein Elternteil im Ausland geboren 27.5 (5.5) 43.2 (5.1)

Beide Elternteile im Ausland geboren 72.5 (5.5) 56.8 (5.1)

Anderes Land

Ein Elternteil im Ausland geboren 49.8 (3.2) 50.9 (2.6)

Beide Elternteile im Ausland geboren 50.2 (3.2) 49.1 (2.6)

Anmerkung: Daten beruhen auf Schülerangaben.

fett: signiikante Unterschiede zwischen 2003 und 2012 (p < .05)

* gültige % = Prozentangaben beruhen nur auf Angaben der Schülerinnen und Schüler, die eindeutig zuzuordnen sind.

(19)

Merkmale des familiären Hintergrundes von Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund

Die Analysen zum familiären Hintergrund von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien in Deutschland werden in den folgenden Abschnitten analog zum internationalen Ver- gleich in Abschnitt 9.2 dargestellt.

In Tabelle 9.7 ist der prozentuale Anteil an Jugendlichen mit Zuwanderungshin- tergrund dargestellt, die zu Hause mit ihrer Familie Deutsch sprechen. Fasst man alle Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund zusammen, so ist der Anteil derer, die zu Hause Deutsch sprechen, mit rund 70 Prozent signiikant höher als in PISA 2003.

Am höchsten ist der Anteil derer, die zu Hause Deutsch sprechen, in der Gruppe der Jugendlichen mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil; dieser beträgt ähnlich wie in PISA 2003 um 90 Prozent, ist jedoch signiikant zurückgegangen. Jugendliche der zweiten Generation sprechen 2012 signiikant häuiger zu Hause Deutsch als 2003. Aller- dings sank der Anteil an Jugendlichen der ersten Generation, die zu Hause am häuigs- ten Deutsch sprechen, deutlich. Auch im Vergleich der Familien aus verschiedenen Her- kuntsländern treten Unterschiede im häuslichen Sprachgebrauch hervor. So zeigt sich, dass lediglich ungefähr 54 Prozent der Jugendlichen mit einem türkischen Zuwande- rungshintergrund zu Hause Deutsch sprechen, während dies bei Jugendlichen aus den übrigen Herkuntsländern jeweils mindestens etwa 70 Prozent angeben. Innerhalb der Herkuntslandgruppen ist der Anteil derer, die zu Hause Deutsch sprechen, zwischen 2003 und 2012 zum größten Teil unverändert. Lediglich für die Gruppe der Jugendli- chen aus einem anderen Herkuntsland als der Türkei, dem Gebiet der ehemaligen UdSSR und Polen zeigt sich eine Steigerung auf 79,4 Prozent.

Die Anteile der Fünfzehnjährigen mit Zuwanderungshintergrund, die angeben, mit ihrer Familie am häuigsten Deutsch zu sprechen, sind in Tabelle 9.8 nach Herkunts- ländern und der Frage, ob ein oder beide Elternteile im Ausland geboren wurden, aufge- schlüsselt. So sprechen von den Jugendlichen, deren Eltern beide im Gebiet der ehemali- gen UdSSR geboren wurden, 69 Prozent zu Hause am häuigsten Deutsch. In PISA 2003 war dieser Anteil noch deutlich geringer (56.4 Prozent). In der Gruppe derjenigen, von denen ein Elternteil im Gebiet der ehemaligen UdSSR geboren wurde, hat sich dieser Anteil gegenüber 2003 nicht verändert. Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, die aus einem anderen Land (außer der ehemaligen UdSSR, der Türkei oder Polen) nach Deutschland gekommen sind. Gegenüber 2003 sprechen 2012 weniger Jugend liche, die einen in der Türkei oder in Polen geborenen Elternteil haben, zu Hause Deutsch. In PISA 2003 waren dies in beiden Gruppen 100 Prozent, während es in PISA 2012 66.6 Prozent (Türkei) beziehungsweise 89.0 Prozent (Polen) sind.

(20)

Tabelle 9.7: Prozentuale Anteile fünfzehnjähriger Schülerinnen und Schüler, die zu Hause Deutsch sprechen

Zuwanderungsstatus 2003 2012

% (SE) % (SE)

Ohne Zuwanderung 100.0 (0.0) 99.4 (0.4)

Mit Zuwanderung 64.4 (1.9) 72.1 (1.8)

Generationsstatus

Ein Elternteil im Ausland geboren 94.1 (1.9) 89.1 (1.7)

Zweite Generation 54.2 (4.5) 65.8 (2.1)

Erste Generation 52.1 (3.8) 35.5 (5.3)

Nicht zuzuordnen 73.8 (2.9) 84.5 (6.0)

herkunftsländer

Ehem. UdSSR 58.7 (4.2) 69.8 (4.3)

Türkei 51.4 (5.5) 53.7 (4.6)

Polen 78.6 (4.7) 72.8 (4.6)

Anderes Herkunftsland 70.2 (2.9) 79.4 (2.0)

Anmerkung: Daten beruhen auf Schülerangaben.

fett: signiikante Unterschiede zwischen 2003 und 2012 (p < .05)

Tabelle 9.8: Prozentuale Anteile fünfzehnjähriger Schülerinnen und Schüler mit Zuwande- rungshintergrund, die zu Hause Deutsch sprechen, nach Herkunt und Geburts- land der Eltern

herkunftsländer 2003 2012

% (SE) % (SE)

Ehemalige UdSSR

Ein Elternteil im Ausland geboren 76.8 (8.8) 82.6 (8.5)

Beide Elternteile im Ausland geboren 56.4 (4.4) 69.0 (4.4)

Türkei

Ein Elternteil im Ausland geboren 100.0 (0.0) 66.6 (6.5)

Beide Elternteile im Ausland geboren 46.7 (5.7) 46.6 (5.0)

Polen

Ein Elternteil im Ausland geboren 100.0 (0.0) 89.0 (5.2)

Beide Elternteile im Ausland geboren 70.6 (6.8) 59.6 (6.7)

Anderes Land

Ein Elternteil im Ausland geboren 94.4 (2.4) 94.8 (1.3)

Beide Elternteile im Ausland geboren 43.7 (4.4) 59.9 (3.2)

Anmerkung: Daten beruhen auf Schülerangaben.

fett: signiikante Unterschiede zwischen 2003 und 2012 (p < .05)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Schülerinnen während des Besuches von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder

Die zentralen Effekte verstärken sich, wenn zusätzlich Alkohol, Hypnotika oder zentraldämpfende Psychophar­. maka

Schulministerin Sylvia Löhrmann reist aus diesem Anlass am kommenden Sonntag nach Belgien und wird am Montag gemeinsam mit dem britischen, französischen und deutschen Botschafter

Ministerin Löhrmann: „Orte des Erinnerns führen uns vor Augen, dass Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung keine Naturgesetze sind, sondern immer wieder erarbeitet und

Auch hier liegen die Kantone Basel-Stadt (12%) und Genf (17,3%) weit über dem Mittel, doch auch die Kantone Appenzell-Ausserrhoden, Zürich, Zug, Tessin, Thurgau und Waadt liegen

Während bei den Jungen lediglich die 'Null Bock'-Haltung zum Ende des Schuljahres signifikant gestiegen ist, haben die Mädchen nicht nur weniger Lust als zu Beginn der fünften

Demzufolge stellt psychische Gesundheit einen wesentlichen Faktor für das Gelingen der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dar.. Welchen Beitrag kann die Schule

die Ablehnung des Beurlaubungsgesuches damit, dass eine den Kindern angepasste schulische und soziale Förderung bei einer Absenz von 8 Wochen sehr schwierig, wenn nicht