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Wirtschaft aktuell 11 / 2006 - Aktuelle wirtschaftspolitische Analysen der IG Metall

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Wirtschaft aktuell

11 / 2006 - Aktuelle wirtschaftspolitische Analysen der IG Metall

Vorstand Wirtschaft

Technologie Umwelt

WTO-Verhandlungen: Zollsenkungen bedrohen Millionen von Industriearbeitsplätzen in Entwicklungsländern!

Die Welthandelsorganisation (WTO) schlittert immer tiefer in die Krise. Ein Sondertreffen der Wirtschafts- minister am 30. Juni 2006 in Genf musste ohne Ergebnis abgebrochen werden. Die 149 WTO- Mitgliedsländer konnten ihre Differenzen über die weitere Liberalisierung der Weltmärkte nicht überbrü- cken. Bei dem Streit geht es einerseits um den Abbau von Agrarsubventionen der reichen Industrieländer.

Andererseits verlangen die Industrieländer von den Entwicklungsländern, ihre Zölle bei Industriegütern drastisch zu kürzen. Gerade das könnte für viele Entwicklungsländer zur Katastrophe für ihre Industriear- beitsplätze werden. Zu Recht fordern Metallgewerkschaften aus Südafrika und Südamerika jetzt die Solida- rität der Gewerkschaften im reichen Norden ein.

Schrankenlose Märkte für multinationale Unternehmen

Mit der gescheiterten WTO-Ministerkonferenz in Seat- tle im Jahr 1999, bei der es auch zu einigen spektaku- lären Straßenschlachten kam, geriet die 1995 gegrün- dete Welthandelsorganisation (WTO) zum ersten Mal ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit. Seither ha- ben entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisati- onen (NRO) und Gewerkschaften die WTO zu einem internationalen Kampagnenschwerpunkt gemacht. Zu Recht; denn kaum eine internationale Organisation hat soviel Einfluss auf das Gesicht der Globalisierung wie sie.

Herausgeber: IG Metall Vorstand - Wirtschaft, Technologie, Umwelt - 60519 Frankfurt am Main - 10. Juli 2006 Kontakt: wi@igmetall.de - www.igmetall.de/download- Tel.: +49(69)6693-2641 - Fax: +49(69)6693-80-2641 Schon unter ihrer Vorgängerorganisation - dem Inter-

nationalen Handelsabkommen GATT - waren die weltweiten Zollsätze erheblich reduziert worden.

Sowohl die deutschen Unternehmen als auch die deutsche Volkswirtschaft haben davon erheblich profi- tiert. Deutsche Exporte waren gerade in den letzten Jahren der Hauptfaktor, der die schlappe bundesdeut- sche Konjunktur überhaupt noch am laufen hielt. So exportierte die deutsche Wirtschaft im Jahr 2005 Wa- ren im Wert von 786 Milliarden Euro und erzielte einen Handelsbilanzüberschuss von 160 Milliarden Euro. Au- tomobilindustrie, Maschinenbau und die anderen Me- tallbranchen zählen zu den exportstärksten deutschen Wirtschaftszweigen.

Nach dem Scheitern der WTO-Ministerkonferenz in Seattle wurde 2001 in Doha ein neuer Anlauf zu einer weiteren Liberalisierungsrunde für den Welthandel un- ternommen. Diesmal gelang es mit Ach und Krach, ei- ne neue Verhandlungsrunde einzuläuten, die nach dem Willen der USA und Europas unbedingt Ende die- ses Jahres erfolgreich abgeschlossen werden soll;

denn 2007 läuft das Verhandlungsmandat des US- Präsidenten aus. Die Doha-Verhandlungsrunde wird von der WTO beschönigend als „Entwicklungsrunde“.

bezeichnet. In Wahrheit jedoch haben die Industrie- länder, vor allen die USA und die EU-Staaten, nur ei-

nen neuen Großangriff auf die Märkte der Entwick- lungsländer vor.

Gerade die Verhandlungen über den Marktzugang bei nicht-landwirtschaftlichen Gütern (Non Agricultural Market Access, NAMA), zu denen vor allem Industrie- güter - aber auch natürliche Ressourcen - zählen, sind für uns als IG Metall von besonderer Bedeutung.

Welthandelsanteile bei Industriegütern 2004 (in Prozent)

Eur opa 45%

Nor damer i ka 15%

r estl i ches Asi en 14%

Chi na 7%

Japan 6%

mi ttl er er Osten 4%

Süd- und Mi ttel amer i ka 3%

GUS 3%

Af r i ka 3%

wto, i nter nati onal tr ade stati sti cs 2005

Ihr überragender Welthandelsanteil reicht den europä- ischen und deutschen Unternehmen und ihren Regie- rungen noch nicht. Sie wollen über die WTO ihren Zugriff auf die Märkte der Entwicklungsländer bei In- dustriegütern noch weiter verbessern.

Bei den NAMA-Verhandlungen nehmen die Industrie- länder die noch bestehenden höheren Schutzzölle der Entwicklungsländer ins Visier. Während die Industrie- länder ihre Höchstzölle auf Industrieprodukte im Durchschnitt der Branchen schon auf drei bis vier Pro- zent heruntergefahren haben, liegen die Höchstzölle der Entwicklungsländer im Durchschnitt noch bei

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11/2006 Wirtschaft aktuell: WTO: Zollsenkungen bedrohen Millionen von Arbeitsplätzen in Entwicklungsländern

Herausgeber: IG Metall Vorstand - Wirtschaft, Technologie, Umwelt - 60519 Frankfurt am Main - 10. Juli 2006 Kontakt: wi@igmetall.de - www.igmetall.de/download- Tel.: +49(69)6693-2641 - Fax: +49(69)6693-80-2641 29 Prozent. In einzelnen Ländern und bei einzelnen

Produkten sind die Maximalzölle noch weit höher.

Drastische Zollsenkungen gefährden Millionen von Arbeitsplätzen

Deshalb verlangen die Industrieländer von den Ent- wicklungsländern unter anderem:

• drastische Zollsenkungen nach einer „nicht- linearen Formel“, bei der die höheren Zölle der Entwicklungsländer stärker reduziert werden müs- sen als die der Industrieländer;

• den Abbau von Zöllen in bestimmten Industrie- branchen. Davon wären im Metallbereich zum Bei- spiel elektronische Produkte sowie Teile und Komponenten für die Automobilindustrie betroffen.

Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, bei der die ge- forderten Zollsenkungen für 13 mittlere Entwicklungs- länder besonders unter die Lupe genommen wurden.

Ergebnis der IBFG-Studie: Die Entwicklungsländer müssten ihre Zollobergrenzen um 70 Prozent, Indust- rieländer aber nur um 20 bis 25 Prozent senken, wenn die Forderung der Industrieländer befolgt würde!

IBFG-Studie: Anforderungen an Zollsenkungen in Entwicklungsländern nach Produktbereichen

Branche Geltender Durchschnittszoll

Beabsichtigte Zollsenkung Argentinien

Bekleidung 20,0 % 47 %

Maschinenbau 8,2 % -

Autoteile 27,9 % 62 %

Möbel 17,7 % 41 %

Indonesien

Bekleidung 14,9 % 30 %

Maschinenbau 1,9 % -

Autoteile 29,0 % 61 %

Möbel 11,3 % 4 %

Südafrika

Bekleidung 39,0 % 71 %

Maschinenbau 20,0 % 51 %

Autoteile 33,0 % 65 %

Möbel 20,0 % 55 %

Wenn Zollsenkungen sich in so einem Riesensprung vollziehen müssen, kann das verheerende Folgen für die heimische Industrie vieler Entwicklungsländer ha- ben. Viele Länder, vor allem Südafrika, sorgen sich, dass heimische Unternehmen durch den plötzlichen Wettbewerbsschub in den Ruin getrieben werden. Da- durch werden Arbeitsplätze und Einkommen zerstört statt Wachstum und Beschäftigung geschaffen. Viele Entwicklungsländer haben gerade einen Prozess der industriellen Diversifikation gestartet, der ihnen helfen soll, von der einseitigen Abhängigkeit von einigen we- nigen Produkten fortzukommen.

Jetzt wollen die Regierungen der Industrieländer den Entwicklungsländern die Leiter zum wirtschaftlichen Erfolg unter den Füßen wegtreten. Sie selbst dagegen haben ihre Wirtschaften jahrzehntelang hinter Zöllen

und anderen Schutzmauern wachsen lassen. Zollsen- kungen haben den Effekt, dass auf den heimischen Märkten die Preise importierter Waren, von Autos bis zu Textilien, sinken. Einheimische Unternehmen gera- ten unter stärkeren Wettbewerbsdruck - sei es durch Bekleidung aus China oder Autoimporte aus Deutsch- land.

Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, ist zu erwar- ten, dass die Unternehmen in vielen Entwicklungslän- dern versuchen, ihre Arbeitskosten weiter zu senken.

Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen sind vorpro- grammiert. Das ist kontraproduktiv. Ein WTO- Abkommen, das die Wachstumschancen der Entwick- lungsländer hemmt, verschlechtert in einer globalisier- ten Wirtschaft in gravierender Weise auch die Situation der arbeitenden Menschen.

Zeit für Internationale Solidarität!

Der Generalsekretär des Südafrikanischen Gewerk- schaftsdachverbands COSATU, Zwelinzima Vavi, und die Gewerkschaften aus Südamerika haben einen dringenden Notruf an die Gewerkschaften des Nor- dens gerichtet.

Der IBFG, die Global Unions und die IG Metall haben reagiert und eindeutig Partei ergriffen. Sie verlangen von den Mitgliedsregierungen der WTO eine wirkliche Entwicklungsrunde und die Berücksichtigung von Ar- beitnehmerinteressen. So erwartet zum Beispiel die IG Metall von der deutschen Bundesregierung einen deut- lichen Kurswechsel ihrer bisherigen Politik gegenüber den Entwicklungsländern in der WTO:

IG Metall lehnt Zollsenkungen ab

„Nach Meinung der IG Metall rechtfertigen die Exportinteres- sen der Industrieländer, namentlich der deutschen Industrie mit ihren hohen Handelsbilanzüberschüssen, nicht den ge- genwärtig im Rahmen der WTO auf Entwicklungsländer aus- geübten Druck. Starke Zollsenkungen können die lokale In- dustrie in Entwicklungsländern, ihre Handelsbilanzen und die Staatseinnahmen - mithin zentrale Elemente ihres Entwick- lungsweges - empfindlich schädigen und sich verheerend auf die wenigen Industriearbeitsplätze der mittleren Entwick- lungsländer auswirken,“ so die IG Metall in einem Brief des Ersten Vorsitzenden Jürgen Peters und des geschäftsfüh- renden Vorstandsmitglieds Wolfgang Rhode an Wirtschafts- minister Michael Glos.

Unabhängig davon, ob es in diesem Jahr noch zum Abschluss der Doha-Runde kommt: Die WTO und die Liberalisierungswünsche der Marktradikalen werden den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in aller Welt noch lange zu schaffen machen.

Die IG Metall ist deshalb Mitträgerin der Aktion

„Gerechtigkeit Jetzt!“ Die Aktion setzt sich für einen fairen Welthandel ein. Metallerinnen und Metaller kön- nen sich dort an Aktionen gegen die neoliberale Glo- balisierung beteiligen. Unter www.gerechtigkeit-jetzt.de ist Material zur Aktion „WTO-Weltweit Taube Ohren?“

zu finden.

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