256
Gesetzliche Bestimmungen über Ktmja-Namen
im Islam.
Von Ignaz Goldziher.
I. In der dnrch Wellhansen in dieser Zeitschrift Bd. L
veröffentlichten „Ergänzung einer Lücke im Kitäb al-
agänl " 'findet sich 148, 3 v. u. die Nachricht, dass Al-Mu^ra b.
^u'ba früher mit der Kunja Abü 'isä benannt war, dass aber
'Omar diese Kunja in Abü 'Abdallah veränderte.
Dies stimmt zu der auch anderweitig bekannten Bestrebung
'Omars, in den Namen der Angehörigen der muhammedanischen
Gemeinde Änderungen vorzunehmen. Er hatte einmal den, freilich
niemals ausgeführten Gedanken, allen Muslimen Namen von Propheten E
zu geben*): tU-j^l tU^-b ^^j**L«^i tU«! j_ob ol^l (Ibn
Kutejba, Ma'ärif 143 paenult.). Dabei liess er sich, ohne Zweifel,
vom Beispiel des Propheten leiten, der die alten Namen seiner Ge¬
treuen*), wenn ihnen eine Erinnerung an heidnische Anschauung
oder eine ominös scheinende Bedeutung anhaftet^, geme durch.'
solche ersetzt, die der neuen Religionsanschaung besser entsprechen, oder einen glückverheissenden Sinn ausdrücken*).
Im allgemeinen verändert Muhammed gerne die Namen, die
seine Anhänger im Heidentum oder in andem Religionen , denen
sie angehörten , geführt (Ibn Hisäm 352, 9), wenn er dies auch
nur bei der kleinen Minderzahl der Bekehrten durchführen konnte.
1) Solcbe Namen wählt man geme i^jjüii] J>-^m' Al-dawäliki ed. Sachau 135, 6.
2) Auch Ortsnamen triflt solche Veränderung, z. B. Gazirat al-'arab ed. Hüller 170, 26; Jäkfit I, 789, 7.
3) Vgl. Anknüpfungspunkte auf jüdischem Gebiete in H. Güdemanns Ab¬
handlung: Die superstitiöse Bedeutung des Eigennamens (Steinschneider-Fest¬
schrift).
4) Die hierauf bezüglichen Hadite sind in orientalischen Werken öfters gesammelt, u. a. auch bei Al-Damiri s. v. V-^l^, II, 208.
Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen üb. Kunja-Namen im Islam. 257
Solche Änderungen erstrecken sich zuweilen auch auf Namen^
in denen eine aus den eben erwähnten Gesichtspunkten bedenk¬
liche Bedeutmig, wenigstens für unsern Blick, nicht zu finden ist;
wie wenn Muhammed z. B. den Frauennamen s.j bei zwei Gelegen¬
heiten, einmal in das andere Mal in .-.^^ (B. Adab
Nr. 107, MusUm V, 6 Ihn Hagar, Isäba IV, 476. 477), den gleich-
o - ^
giltig scheinenden Namen ^-^jSU in iU! (Ag. I, 31, 19) ver¬
ändert, oder einem ^»ajü den Namen gJLo giebt (Ibn Hagar I, 192).
t
Der Name ^J'! klang ihm wohl für einen Menschen zu hochmütig
und darum musste sich dessen Träger die Veränderung in
gefallen lassen (Ibn Hagar I, 117).
Als sehr ehrenhaft scheinen die Araber das Aufgeben des er¬
erbten Namens, zumal wenn die Änderung nicht bloss ein einzelnes
Individuum, sondern den ganzen Stamm betraf, nicht betrachtet
zu haben. Auf solche Beurteilung deutet der Spottname yj
, mit dem eine Familie belegt wurde , die sich eine
Namensänderung gefallen liess (Tebr. Ham. 191). Mit dem Hin¬
weis auf solchen Spott lehnen die 'jUjj y^ die Änderung ihres
Namens in iiXJiij yj ab: üJ^.^ ^5*^^ ü->^ ^5 ^
(Usd al-gäba II, 29). Aus demselben Gesichtspunkte sträubt sich
auch ein Einzelner, der den ominösen Namen führte, der
ihm zugemuteten Annahme des günstigeren Namens beizu¬
stimmen : er wolle den Namen nicht ändern , den ihm sein Vater
beigelegt 1): j^xiüw W ^\ (B. Adab Nr. 106, LA. s. v.
Oj^, XVI, 276).
In den ersten Zeiten des Islam hat man bei gegebener Gelegen¬
heit, wie uns auch das Vorhaben des 'Omar gezeigt hat, das Bei¬
spiel des Propheten gerne nachgeahmt. Selbst die an heidnische
Keligion anklingenden theophoren Väternamen , die ja die Söhne
nach arabischer Art in ihrem VoUnamen führten, wurden hinterdrein
abgeändert. 'Ijäd b. Gunm al-Fihrl, der sich bei der Eroberung
Syriens und Mesopotamiens bervorgethan , nennt sich lieber einen
Sohn des Gunm — trotzdem dies ein heidnischer Gottesname
ist -) — als den des Dieners des G. , wie der Name seines
1) Die Notiz bei Ag. XVIII, 210 unten (Verlcanfen des Namens) ist wohl nur als Anekdote zu betrachten.
2) Den Namen Hobal finden wir in Mosul noch im V. Jhd. Ibn Abi
Usejbi'ä I, 304.
Bd. LI. 17
2 1
258 Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen üb. Kunja-Namen im Islam.
heidnischen Vaters wirklich lautete (Jäk. II, 310, 4). ünd auch
über die Zeiten der ersten Anfänge des Islam hinaus hat man aus
dem Brauche des Propheten die Sunna für Namensänderungen ab¬
geleitet. Sklaven erhalten bei ihrer Preisprechung einen neuen
Namen , selbst wenn der frühere gleichfalls ein arabischer war
(Jäküt IV, 855, 11 Beispiel aus dem V. Jhd.). Aus nationalen
Gründen tauschen fremdländische Mawäli ihre ausländischen Namen
gegen arabische aus (Muham. Stud. I, 133 Anm.; Ag. XIX, 69 ult.).
Selbst die an ihren Überlieferungen zähe haftenden Berbern gesellen,
zumal wenn sie zu einer öffentlichen EoUe im Gemeinwesen des
Islam berufen sind, ihren ursprüngUchen berberischen Namen solche
mit arabischem Klange bei (diese Zeitschr. XLI, 109).
Ohne jede weitere Polgemng auf herrschende Volksanschau¬
ungen '), möge die Nachricht verzeichnet sein , dass der Imäm
Ibrähim den Abü Muslim veranlasste, seinen ursprünglichen Namen
aufzugeben und den Namen 'Abd al-Eahmän anzunehmen , weil er
glaubte, dass der Erfolg seines für die Pamilie der 'Abbäsiden be¬
gonnenen Unternehmens durch die Namensänderung bedingt sei:
lVa£ )u««.äj iii5>-<v<! ^jJiS ^^yi^ j^^l LJ i^Xj L»i u5v^t j-ki
^^*s-'J\ (Ibn ChaUikän ed. Wüstenfeld IV, 70). Diese Nachricht
wurde wohl nur zu dem Zwecke ersonnen , um der verworrenen
Überlieferung über den richtigen Namen des Abü Muslim*) harmo¬
nistisch nachzuhelfen.
II. Die durch Muhammed vollzogenen Änderungen beziehen
sich immer auf den eigentlichen Namen für Kunjaverände-
rangen finden wir aus dieser ältesten Zeit des Islam kein Beispiel.
Dies hängt natürlich mit dem Umstände zusammen, dass diese
Theile des Namens — falls sie nicht die Bedeutung eines ehren¬
den Epithetons haben 8) — an gegebene Thatsachen, nämUch die
Namen von Söhnen oder Töchtem*) des mit der Kunja Benannten
angeknüpft sind.
1) Namensänderung aus abergläubisclien Hotiven kommt bei den ver¬
schiedensten Völkem vor. Bei den Mongolen wurde sie vorgenommen, um die Kinder dem EinSuss des bösen Auges zu entziehen, Rasid al-din, Histoire des Mongols, id. Quatremere 31, note 45.
2) Van Vloten, De opkomst der Abbasiden in Chorasan (Leiden 1890) 65.
3) In solchen Fällen war man auch in alter Zeit dem freiwilligen Wechsel der Kunjas nicht abgeneigt; die in den Muhammed. Stud. I, 267 unten aus öähiz angeführte Stelle findet sich in dem Kairoer Druck des Bajän I, 131, 13 ff. Die Litteratur über Kunjagebung ist jetzt in Seybolds Vorwort zu seiner Ausgabe des Kitäb al-Murassa' von Ibn al-Atir (Weimar 1896) XII zusammengestellt. Beispiele für die Sitte der Kunja-Namen bei verschiedenen Naturvölkern findet man bei Lubbock, Origin of Civilization 358 ff.
4) Bemerkenswertb ist die Mitteilung Ch. Hubers Uber die Kunjasitte der Semäli (in Nordarabien), die in ihrer Kunja niemals die Namen der Söhne sondern die der Töchter verwenden, während bei anderen eine solche Kunja
2 1
Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen üb. Kunja-Namen im Islam. 259
Das Bedenken, das den 'Omar veranlasst haben soll, die Kunja
Abü 'Isa zu missbilligen, erfahren wir aus Ag. XIV, 142, 22:
„Hatte denn Jesus einen Vater?" In dem Namen eines Bekenners des Islam sollte keine Formel enthalten sein, die eine irrige, auch
im Islam verpönte Anschauung (Sure 4, 169 und Al-Bejdäwl zu
3, 40 ; ed. Fleischer I, 156, 7) vergegenwärtigt. Ob nun 'Omar
vnrklich auf dies theologische Bedenken soviel Gewicht gelegt und
es an der Verändemng der Kunja des Mugira hethätigt habe, wollen
wir hier dahingestellt sein lassen. Es ist iramerhin nicht aus¬
geschlossen , dass man , wie so oft , spätere Theologenskmpel auch
in diesem Falle im Vorgehen eines frommen Chalifen anticipirt hat*).
Thatsache ist es hingegen , dass die Kunja Abü 'isä in den ver¬
schiedensten Epochen des Islam in Kreisen gangbar war, von denen
die religiöse Leitung des Volkes ausging. Um nur wenige Bei¬
spiele zu erwähnen , kann dai-auf hingewiesen werden , dass diese
Kunja bei 'abbäsidischen Prinzen wiederholt vorkommt. Der auch
als Sänger bekannte Sohn des Härün al-raäid, dem dieser Chalife
ursprünglich die Thronfolge zugedacht hatte (Ag. IX, 96 ff.) und
auch ein Sohn des Mutawakkil (ibid. 143) führen die Kunja Abü
'isä, ebenso wie auch der bekannte Traditionsgelehrte Al-Tirraidl:
(^lX/o-XJ! i_5"**:^ CT? Lf^^ ' ^^^^^ „Sechs",
deren Traditionssaramlungen das Igmä' der Muhammedaner kano¬
nisches Ansehen zuerkannt hat.
Wir ersehen aus diesen Thatsachen, dass wir es bei der Miss¬
biUigung der Kunja Abü 'isä mit einem theoretischen De¬
sideratum frommer Theologen zu thun haben, welches, wie so
mancher andere Lehrsatz, den sie in ihren Studierstuben ausheckten,
weder ein Ausdruck des im wirklichen Leben der Muhammedaner
thatsächlich Gültigen ist, noch aber den Brauch normativ zu regeln
im Stande war, dass sich vielmehr die Übung des Lebens auch auf
diesem Gebiete durch die speciellen Bestimmungen der theologischen
Gesetzlehrer nicht einschränken liess (vgl. diese Zeitschr. L, 106
oben).
Der Gegensatz, in den ibre Wünsche mit den wirklichen Er¬
scheinungen im muhammedanischen Leben gerieten, veranlasste aber
die Vertreter der theologischen Gesetzlehre, neben dem Eingeständnis dieses Gegensatzes, hinterdrein sich alle Mühe zu geben, die Wider¬
sprüche harmonistisch zu behandeln und für die praktische Zulassung
der in ihrer Lehre verpönten Dinge raildemde Momente zu finden.
„Es sei aUerdings von vornherein ,makrüh\ sich den Beinamen
Abü 'isä' beizulegen ; ist man aber unter demselben ein berühmter
«ls Beleidigung gilt. „Interpeller un habitant de Ma'än par le nom de sa fille serait l'offenser". Journal d'un voyage dans l'Arabie (Paris 1891) 175.
1) Wir werden aus dem unten folgenden Citate aus dem Samä'il-Kom- mentar des Bä^ftri ersehen , dass man das gegen die Kunja Abü 'Isä gehegte Bedenken dem Propheten selbst zugeeignet hat.
17«
260 Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen üb. Kunja-Namen im Islam.
Mann geworden, müsse man ihn nicht aufgeben, sondern möge ihn
ruhig beibehalten" — mit diesem notgedrimgenen Zugeständnis
beruhigt ein Lehrer des VI. Jahrhunderts das theologische Gewissen angesichts eines Verbotes, für dessen Gültigkeit man die Autorität
des Propheten selbst ins Feld geführt hatte. Schliesslich — so
meinen sie — habe das Igmä' der Muhammedaner hin¬
sichtlich der Beibehaltung der verpönten Kunja neben dem Namen
eines Mannes wie Al-Tirmidl*) die Kompetenz, mit der gesetzlichen
Norm in diesem bestimmten Fall in Widerspruch zu treten.
Al-Bägürls Häsija zu den Samä'il des Tirmidi
j p
(Kairo, Azbarijja, 1311) 5: ^^^^ LJ j_^b iCA.(wJüt »yCjj
, C w w J
yjl q1 («JiLo |_^J! i^Us ^-«^ W o'
c >
LoLä (^sIjüIj! «-J jkÄA**»ö i^^ic x^t^Jü! ^^y^J liJJi «/s
(_5tX/ojdt J-v^*j' tUJLxi! gj-t-^"' f-t^* li*^ ^ "-J j-f**"'
XC..il ^-Ä ^-jC bLäj l_5jlj ^^^J'-C tSj^SÖ 'jA^XU »..wÄj >.j
(V^^i III. Die angeführten Daten zeigen, dass sich die Bestimmungen
des religiösen Gesetzes im Islam auch auf kleine Einzelheiten
der Namengebung erstrecken*). Auf dem specieUen Gebiete der
Kunja ist es nicht die Formel Abü 'isä allein, in deren Ge¬
brauch die Praxis in offenen Widerspruch mit der auf gültige
Hadite gegründeten Lehre der Theologen geraten ist. Viel mehr
1) Bemerkenswert bleibt es allerdings für die Wirkung jener gesetzlichen Bestimmungen, dass man es vermieden hat, auf dem Titelblatt der Sunan al-Tirmidi (ed. Büläk 1292) die verpönte Kunja zu sanktionieren; dort heisst
es: 'ij^M yj"^ Jos'Jl |.Lo^!
jdt . Man hat also hier dieselbe Kunja-Äuderung vorgenommen, der 'Omar den Beinamen des Mugira unterzogen hat. Im Texte des Werkes selbst konnte hinter jedem Paragraphen die Einleitungsformel ^.mo^c ^lü, die der Verfasser selbst gebraucbt hat, allerdings nicht getilgt werden.
2) Dies Wort deckt sich völlig mit dem in der jüdischen Gesetzlitteratur für denselben Begriff gebrauchten Terminus nbnrisb , z. B. Maimonides, MLsnäh-Kommentar, Pärä I, 4 (Tohoroth, ed. J. Derenbourg II, 181, 28: S<73N
anpn Nbs «nnasbi« -ibr, Übersetzung: la-np-i Nb nbnriDb baN).
3) Von dem hanefitischen Gesetzlehrer Muhammed Imäm-Zädeh (st. 573).
4) Die Haditsammlungen führen in Adab-Kapiteln die auf Namengebung hezüglichen Sprüche auf (B. Adab Nr. 104—113); kurz zusammengefasst bei Al-Nawawi, Tahdib 14 fi'.; weitläufiger Kitäb al-adkär (s. unten) 126—30.
Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen Hb. Kunja-Namen im Islam. 261
Mühe verursachte ihnen der alltägliche Gebrauch der noch häufi¬
geren Kunja Abü-l-Käsim. Denn gegen den Gebrauch dieses
Beinamens des Propheten spricht sich in genug unzw^eideutiger
Weise ein sehr bekanntes, in die meisten kanonischen Sammlnngen
als vyohlbeglaubigt aufgenommenes Hadtt aus: "^^ (^[; t v
(*i^- (B. Adab Nr. 105).
Nun ist aber die Kunja Abü-l-Käsim, trotz aller den Gebrauch derselben raissbilligenden Traditionssprüche, in allen Zeitaltern in
ungestörter Anwendung geblieben. Diesen Widerspruch des Ge¬
setzes mit der Übung glichen nun die Theologen bereits im
III. Jhd. durch die Interpretation jener nicht wegzuläugnenden Hadite aus. Das Verbot beziehe sich nur auf die gleichzeitige
Führung von Namen und Kunja des Propheten; man
dürfe sein Kind Muhammed nennen, auch die Kunja Abü-l-
Käsim dürfe man sich beilegen : man solle aber nicht den Namen
Mubammed Abü-l-Käsim führen.
Schon in sehr alter Zeit, noch vor der Entstehung der kano¬
nischen Sammlungen, hat diese Interpretation selbst auf die Ge¬
staltung des Textes jenes Hadit - Spruches Einfluss geübt. In der
That wird der in Eede stehende Grundsatz im Musnad des Ahmed
b. Hanbal zwar auch in der oben dargestellten Gestalt angeführt
(II, 266. 277), daneben aber auch in Versionen, die das Vorhanden¬
sein jener ausgleichenden Interpretation bereits für die vor-
buchärische Zeit voraussetzen lassen; IH, 313: ^t -1 ^_J<->•^'■'
]yx*£^ ^ ^L ,^.f^. cfs ^5
^^^äaUJ^ tX*-'"' O^- B'^^dig^'' i'^'d. 450.
Da aber auch diese Eegeln, wie dies bereits al-Tirmidl in seinem Kanon zugestehen muss^), sich alltäglich als ungültig ervriesen, ist
man endlich darauf gekommen, den Gegensatz zwischen Gesetz und
Übung durch das harmonistische Auskunftsmittel auszugleichen, dass
das Gesetz sich nur auf die Zeitgenossen des Propheten
bezogen habe, nach dessen Tod aber durchaus keine Anwendung
1) Bei iUuslim V, 3 \j > —, so aucli die Textlesart bei Ibn Mäga 273.
- -)
2) Varianten : I^.äXj , IjJLäXj .
3) II, 137: ^! j^aJ J^_J! J.*.??. q1 ^Uit ^\ fJOJO i/ Aij
^.JaKuu u5^J3 J>*5 lX5) x**ä5^ Tirm. kennt übrigens nnr die
oben aus Musnad Ahmed citierte Version.
1 ♦
262 Goldsiher, Gesetzl. Beetimmungen üb. Kunja-Namen im lelam.
finden könne : L ^JUj 31 ^»jlLo »yac «5Jj ^li" tUbtit viLs
ij-U :ü ^.j'St^ ^LäJt Lsl (Al-Öazäll, Ihjä', — 1289 — II, 46).
Am leichtesten haben es sich jene gemacht, welche die An¬
passung des Hadit an die thatsächlichen Verhältnisse dadurch voll¬
zogen , dass sie den Text des Spruches in folgende Form um¬
gestalteten: ^^^HjjSi Ij-ii^ i^-**^ ^^'"'^ Spruch bei
Al-Ta'älibl, Latä'if al-ma'ärif ed. de Jong, 9 angeführt), wodurch
aus der verpönten Art der Namengebung geradezu eine dem
Wunsche des Propheten entsprechende Sitte gemacht wird. Es ist
für die Textgeschichte des Hadit nicht nebensächlich , auf die sich
hier kundgebenden Faktoren der Entstehung verschiedenartiger Ver¬
sionen zu achten. Wie nun aber die Schulrichtungen aufhörten,
über eine Verordnung zu disputieren, die wohl seit Entstehung des
Islam niemals wirkliche Geltung hatte , können wir am besten aus
einem auf die Knnja Abü-l-Käsim bezüglichen Abschnitte des
Kitäb al-adkär') von al-NawawI ersehen; es ist derselbe
Abschnitt, auf welchen der Verfasser in seinem Tahdtb ^) ed. Wüsten¬
feld, 16 paenult. hinweist. Er gehört dem tu*»'^! i—»1X3' an, in
welchem alle auf die Namengebung bezüglichen Hadtte übersichtlich zusammengestellt sind; Hdschr. der Leipziger Universitätsbibliothek
DC Nr. 78'^); ed. Kairo (Matba'a Mejmenijja 1312) 130:
^^l^J! ^^.^ j Uh;j
^.j! 'U^j 'ißj^ Ä.jbsuaJt ^yi jCx:U=^ (X^^*,
f - w
ci«Jj» (j'^'^ («jiJLo *!!! ^^Mj
1) Der eigentliclie Titel ist aus der Nachschrift zum 1. Teil des Buches
in der Leipziger Hschr. DC Nr. 78, fol. 74» ersichtlich: ^ (^'^
(H. Ch. III, 109, Nr. 4G20: x*i>)
jLf.S'^] . Dieser Vermerk fehlt in der Kairoer Ausgabe an der entsprechen¬
den Stelle (9G Mitte).
2) Aber auch in den Adkär findet man zuweilen Hinweise auf das
Tahdib; z. B. ed. Kairo 25, G; 55, 11 und 164, 24: j, JyjJi «Aitj
^ Ljj i>JiJLii/.'.j Lxj Liij'ÜJj Lj-ö'jw ^^,W:^J ^^'~J <"-^*
oLäUI^ f L»*«^! vjLÄi^ . — Solche Hinweise werden wohl in das
früher abgefasste Werk gelegentlich späterer lievision vom Verfasser eingeschoben worden sein.
3) Die andere Leipziger Handschi. DC Nr. 268, welche etwa das erste Drittel der Ailkär umfasst, reicht nicht so weit.
Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen Hb. Kunja-Namen im Islam. 263
^^LiJ! ^jj> ^tÄ/i ^ ^LäJt ^_^IXäJI ^ tUJLjJ!
^LiÜt JSxj ^\ A5>'^ j^. ^1 ^'t, j^j, Jüt
'JjLö?! ^yi IlV? (J>,j ^^*/»5 8_^e. ^t uV*.^ ju.*«t ^^i^*«
oE ...
^y_^A;SuJl ti^iaJi oLotsil oLiÜJi ^UäJ! iuj^i ^yisLAJI
^IXüt J}' i v^j^'t wbci'i (*i}r>iJ! ('i^«*^'
w^^j^tj 'vJLi-«o '^^Lj j (.*/'L^ f>^\Ä}\y\^
iu.-.t ^j'u j>saj iJi jJÜt X4J>-^ ^'Lo [104"]
i_^Äit} '^«jiJLo xJJi sLfrS^j LoLs- tS*-?r.5 Jc*J?
^läJt y\ |.Lo^! jLs ' »^A«i jy:s^.i jj^ iu..*! j^^:. tii ^^J'JJt
ij-LÜ! ^lSJ! !ÄP x*ixj LuLä^o! ^y ('j^isU!
*
'JJ^\ ^ ^ jUac^t ^^^^ ^5 ^•,_>-lÄ3C) t^Jt^j (^
JsLaL) l^lj ä^-^L^ xäJLs^ x^s ^..^PvXjt !L>k5> v_*»-L«a xiLs
A
>• • O ' ^
iUj^i Q.'..**'^-*-^!? ^^y^yXxJi J-* u-Lüt
" -OJ . • .
ÄJ ^xÄs qjAj! oL*^ j ^ c?'^^ er^^ls iAääJIj J^i J^!^
*- o *
Lf**^' cy W* '■^ o^y^^-i '^'^ "j'j^ ^ w^aJ
^yl^' j v*-;-" jy^r^ (®L1 (»«Lo xi'L^^ u^L*aÄ5»!iit
k>j» ''^.5 *!vXj!iU ^LsJt üLj ^'toLi/o, ^LäJ! j_^Lj o^^t
'^1 Jüt, %
IV. Im Anhange an die Nachrichten über die gesetzliche Be¬
schränkung der Kunja möge schliesslich hier noch ein auf die
Hauptnamen bezügliches apokryphes Hadit erwähnt werden, das
gegen die Mitte des 2. Jahrbundertes Ishäk b. Naglh al-MalatI als
von Abü Hurejra herrührenden Spruch des Propheten verbreitete:
1) ed. Ljt,
2) Der berühmte Traditionsgelehrte, geb. 384, st. 458.
3) Muhji al-sunna, geb. ca. 436, st. 516.
4) geb. 499, st. 571.
5) st. 623, Verfasser des im sftfi'itischen Islam hochangesehenen Codex
^,^vjt, von welchem Buche das qaaJLUI "ä^s Nawawi eine Bear¬
heitung ist.
6) ed.
264 Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen üh. Kunja-Namen im Islam.
tL**«^! j-v*^" v_jLSS.A3/o I^Jjiü ^
,ji^,»jLj ,t q'jJ^ o*'^'^"*^ (Mizän al-i'tidäl I 81, oben).
Das Verbot, die Eigennamen in Deminutivform zu gebrauchen,
kann sich angesichts so unbestritten sanktionierter Namen wie
O-J O-J
^^yf-hi*»- , viio^i> u. a. m. nnmöglich auf solche Namenformen im
allgemeinen beziehen; sondern nur auf die Gewohnheit, die
Namen zum Ausdruck der Verhöhnung oder Geringschätzung der
betreffenden Person (^^.^uJÜ) in solcher Porm zu gebrauchen, z. B.
jj4Äi Ag. X, 19, 16; (von ^yii^\) V, 108, 18; -i^'Z^A^JS ^6
XVI, 115, 22 (vgl. vji4-ll Xni, 117, 5). Abü Temmam redet
einen Müsä b. Ibrähim al-Räfikl in einem gegen ihn gerichteten
^ o - jE
Higä' an : (ed. Bejrüt 455, 8)i). Dasselbe gilt auch von dem
Gebrauch der Deminutivendung mw*) in ähnlicher Anwendung. Der¬
selbe Dichter verkleinert den Namen des 'Abdallah al-Kätib in
einem Spottgedicht, in ^^tXjc; 1. c. 434, 7:
fLc tLiJi stJ ^^1 -ß? ilj^ uSü ^^j! ^y_JJL^J^J ji
ebenso ibid. 446, 20.
Den im Hadit an letzter Stelle erwähnten Namen kann ich
nicht identificieren ; die Endung wird, wie wir durch Martin Hart¬
mann wissen'), hypokoristisch bei Eigennamen in Syrien angewendet:
Merrüs, von *jj>o, 'Allüs*), von ^_Jlc. Über verschiedene Arten
hypokoristischer Namenbildungen in semitischen Sprachen hat zu¬
letzt G. Hoffmann gehandelt in der Zeitschrift für Assyr. XI
(1896) 217 fr.
1) Aber auch das Gegenteil kommt vor, für den wirklicben Kamen - i
Jäk. I, 843, 20.
2) Vgl. den Namen eines Insektes in Hadram&t hagardn, was L. Hirsch, Reisen in Südarabien, Mahra-Land und Hadramüt 136 als Deminutiv von ^Ju erkannt hat.
3) Das Liwä el-Ladkija u. s. w. ZDPV. XIV, 229.
4) Über Reduplikation bei Deminutivbildung siehe viele Beispiele in Land¬
berg, Proverbes et dictons de la p oviuce de Syrie 127; aus ft.^.-^ wird gebildet.
Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen üb. Kunja-Namen im Ulam. 265
Bei der Ersetzung des Gottesnamens Alläh , in den mit dem¬
selben zusammengesetzten Personennamen , durch verschiedene an
das mudäf angehängte Endungen *), wird auch die in vielen
Kreisen des Islam sich kundgebende Rücksicht mitgewirkt haben,
den profanen Gebrauch des Gottesnamens nach Möglichkeit ein¬
zuschränken. Gegenüber der (auf Sure 33, 14: ^^jlXJ! Ljj! Li
\SS >JÜt t^j^^i gegründeten) Vorliebe , den Allähnamen
zum Gegenstande häufiger Erwähnung zu machen-) und auch in
den Personennamen zur Geltung zu bringen^) , ist auch die Be¬
strebung zu Worte gekommen , den gehäuften Gebrauch desselben,
als Profanierung des üJbÜljiäJ, zu vermeiden. Der angesehene
säfi'itische Gelehrte Abü Bekr al-Säsi al-Kaffäl (st. 365),
der zu dieser Lehre vielleicht durch seine Bekanntschaft mit
jüdischer Religionslitteratur*) angeregt wurde, wird als der theolo¬
gische Vertreter dieser Richtung erwähnt^).
Das oben mitgeteilte Textstück ist übrigens nicht wenig lehr¬
reich für die Erkenntnis der , zu allererst durch Snouck Hur¬
gronje betonten Stellung, die das Igmä' in der Beurteilung des
gesetzlichen Lebens im Islam einnimmt, so wie es auch für die
Definition des Igmä'-Prinzipes selbst nicht ohne Bedeutung ist.
Man hat wohl nicht übersehen, dass Al-Räfi'I selbst eine der mass-
gebendsten Autoritäten des säfi'itischen Madhab, mit Berufung auf
die in der Übung des Lebens sich kundgebende Mei¬
nung der muhammedanischen Gemeinde zu der in der
säfi'itischen Gesetzschule theoretisch herrschenden Lehre in Gegen- 1) Vgl. darüber Mubammed. Studien II, 280, A. 5; zu verzeichnen ist auch JtJc>.c (für jJUl Ag. X, 122 ult.
J-C ■
2) »^^j pS\ V*-^' o"'
3) Vgl. Nöldeke WZKM. 1892, 315.
4) ZAW. XIII, 318 unten.
S- 5) Bei K&di 'Ij&d, .Sifä' ed. Stambul 1300, II, 544: ^.^^jjAi+ÄJ t^j!^
jcj Jw» JUlj^ Kommentar des 'Ali al-Käri: jJ^^Liilj. iJj.J.!AÄj ^_Jt
Jo^Libit ,5 «J ^.j.X-L«»J! J^IAj »jaXj J>jAÄ*J-J'. In einem an den Cha¬
lifen al-Ma'mün gerichteten fingierten Briefe eines indischen Königs, lässt man
diesen in demselben Sinne sagen : i5 ^' l5^'^ o'
»L5>-Luil Gaillardot's Kevue d'Egypte I (1894), 56.
266 Goldziher, Gesetzl. Bestimmungen üb. Kunja-Namen im Islam.
satz tritt. Dies hervorzuheben ist nicht unnötig, angesichts der
Thatsache , dass , abgesehen von anderen irrigen Darstellungen des
I g m a ' -Prinzipes , auch die in die europäische Litteratur , wie ich
sehe , zu allererst durch Kazem-Beg eingeführte grundfalsche
Anschauung , dass das Igmä' eine Versammlung der Mugta¬
hidin bedeutet*), noch heute propagiert') und gegen bessere Ein¬
sicht hartnäckig verteidigt wird'').
1) Notice sur la marche et les progres de la Jurisprudence parmi les sectes orthodoxes musulmanes. Journ. asiat. 1850 (f^vr. , mars) 193: „Les mudjt^hids eurent des reunions Idjma' oil ils d^cidirent ces points;
et le recueil de leurs resolutions est devenu Ie troisieme Clement de la jurisprudence".
2) Sawas Pascha, £tude sur la theorie du droit musulman I (Paris 1892), 34: „Ces conciles ont ^t^ appeles reunions du corps des croyants (idjmai-oummet)". Vgl. meine Anzeige des Buches in der Byzantinischen Zeit¬
schrift II (1893), 323.
3) Derselbe: Le droit musulman expliqud (Paris 1896) 110.
267
Zur Geschichte des indischen Kastenwesens.
Von Hermann Oldenberg.
Gegen das harmlose Vertrauen, das eine vergangene Generation
von Forschern der altindischen Überlieferung über Staat, Recht,
Sitte, Religion entgegenbrachte, hat sich eine scharfe Reaktion
entwickelt. Immer mehr neigt man dazu, die Einfachheit und
Geradlinigkeit des Bildes, welches jene Überlieferung ergab, als
ein Kunstprodukt, ja als eine Fälschung alter Theoretiker auf¬
zufassen; wo es zu gelingen scheint, etwas von dem Vorhang zn
lüften, den diese Gewährsmänner über die Wirklichkeit gebreitet
haben , glaubt man statt jener Einfachheit die unendliche Kom-
pliziei'theit zahlloser einander kreuzender, sich mit einander ver¬
schlingender , in einander spielender und sich wieder aus einander
lösender Gestaltungen zu erkennen. Nichts bedenklicher, so sagen
uns gewichtige Stimmen, als wenn den Forscher, der einem solchen
Chaos gegenübersteht — mit Senart") zu reden — ,le besoin
de grandes lignes nettes, de cadres arrfetes' fortreisst; so gelangt man zu einer , Orthodoxie un peu hätive", weicbe im Grunde nichts anderes ist als ,une illusion perilleuse et, pour parier franc, quelque
pedantisme". Täusche ich mich nicht, so schöpfen die hier be¬
zeichneten Neigungen und Abneigungen , welche einer modernen,
an Verdiensten reichen Richtung der indischen Altertumsforschung
das Gepräge geben , Vermehrung ihrer Kraft aus einer zweiten,
nicht minder mächtigen Tendenz der heutigen Forschung: aus der
Vorliebe , mit welcher man als den besten Zeugen über das alte
Indien das Indien der spätern Litteratur, ja das heutige Indien zu
befragen sich gewöhnt. Die Kultur des Rgveda , deren specifisch
indisches Gepräge man durch occidentalische fresichtspunkte zu
verwischen fürchtet, liebt man ira Lichte des Mahäbhärata, ja im
Lichte dessen, was der heutige Beobachter des lebendigen indischen
Lebens wahrnimrat , zu betrachten : kein Wunder , dass dann die
unerschöpfliche Vielgestaltigkeit und labyrinthische Verschlungenheit
heutiger Zustände die Verhältnisse des Altertums, indem man sie
1) In seinem Avant-propos zu Minayeff, Reelierclies sur le Bouddliisme, p. II fg.