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Zur Frage über die Lebenszeit des Verfassers
des Mulahhas fi'l-hei'a, Mahmüd b. Muh. b. 'Omar
al-Gagminl.
Von Dr. Heinrich Suter.
Bei Anlass der Veröffentlichung einer Übersetzung des Mulahhas
fi'l-hei'a durch Rudloff und Hochheim (in dieser Zeitschrift,
47. Bd. p. 213ir.) haben Prof. C. A. Nallino in Neapel und der
Verfasser dieses Artikels sich in dieser Zeitschrift (47. Bd. p. 711
und 48. Bd. p. 120) über die Lebenszeit des öagmini ausgesprochen.
Beide kamen zu dem Schlüsse, dass Gagmint am Ende des 8. und
Anfang des 9. Jahrh. d. H. gelebt habe, während Gottwaldt im
Kasaner Katalog ohne Quellenangabe und nach ihm Brockelmann
(Gesch. d. arab. Litteratur, I. p. 473) sein Todesjahr auf 618 d. H.
ansetzen. Bei meinen Studien über arabische Mathematiker und
Astronomen bin ich nun auf neue Angaben gestossen, welche die
von mir in Zweifel gezogene Behauptung Häg! Chalfas (VI, 113),
Kemäl ed-Dln_ Turkemäni habe i. J. 755 einen Kommentar zum
Mulahljas des Gagmini vollendet, höchst wahrscheinlich machen, aber
auch meine damals ausgesprochene Ansicht, Gagmrni müsse jünger
sein als Nasir ed-Dln et-TüsI, rechtfertigen. Meine neuen Belege
sind folgende:
1. Im Brit. Mus. (Nr. 1342, 2«) befindet sich der von Hägi
Chalfa genannte Kommentar zum Mulahhas von Kemäl ed-Din
e t - Turkomän i , gewidmet dem Sultän b. Sult än Mabmüd
(jäni-Beg Chän. Dies kann wohl kein anderer sein als der
Chän der goldenen Horde von Kiptschak , der Sohn Ö s b e g s ,
Gäni-Beg, gest. i. J. 758 d. H. (vgl. A. Müller, Der Islam im
Morgen- und Abendland, Bd. II, 278 und 284).
2. Gagmini hat noch ein medizinisches Werk, betitelt:
,kftnüntsche' (kleiner Kanon) , Auszug aus dem Kanon des
Ibn Sinä, geschrieben ; dasselbe ist noch vorhanden u. a. 0. in
München (Aumer, Nr. 808, 3°) und Gotha (Pertsch, Nr. 1928 u. 29).
540 Nestle, Pilatus als Heiliger.
Im ersten Ms. ist der Verfasser nicht genannt, die Inhaltsangabe
zeigt aber klar, dass dies der .V&nüntscbe' des Öagmini sei; die
Abschrift des Ms. ist datiert aus dem Jahre 741 d. H. In der
Beschreibung des Gothaer Ms. sagt Pertsch, Gagmini sei nacb einer
Randbemerkung auf fol. lb des Ms. Nr. 1930, welches einen
Kommentar zu dem .känüntsche' enthält, im Jahre 745 d. H.
gestorben.
Mag nun die letztere Angabe ganz genau sein oder nicbt, so
viel ergiebt sich aus diesen Daten mit ziemlicher Sicherheit, dass
Mabmüd b. Mulj., b. 'Omar el-öagmini in der ersten Hälfte
des 8. Jahrh. d. H. gelebt hat.
Pilatus als Heiliger.
Von Eberhard Nestle.
„Mit einigem Befremden', schreibt Nöldeke (S. 257 Anm. 2),
finde man unter den Heiligen, welche in der äthiopischen Alexius-
Legende dem Manne Gottes vor seinem Tode leiblich erscheinen,
auch den Pilatus. Doch führt Nöldeke selbst an, dass selbst der
h. Ephraim (bei Lamy 1, 667. 677) Pilatus .den Gerechten' nenne;
wasche er doch seine Hände in Unschuld, während die gottlosen
Juden die ganze Sünde auf sich nehmen. Das Befremden ist in
diesem Palie nicht gerechtfertigt, sondem diese Thatsache ist eben
ein Beweis für den äthiopischen Charakter der Erzählung. Im
lateinischen Heiligenkalender kommt Pilatus allerdings nicht vor,
nicht einmal seine Prau Procia; die griechische Kirche feiert
letztere am 27. Oktober, die koptiscbe am 26. Paoni (Juni), die
äthiopische, wie schon Ludolf zum 27. Oktober hervorhebt. Mann
und Prau zugleich. Siehe Nilles, Kalendarium manuale utrius¬
que ecciesiae"'' 2, 721; G. A. Müller, Pontius Pilatus (Stuttgart
1888), S. 53. Vgl. auch Stanley, Eccl. Hist. p. 13; Neale,
History of the Eastern Church 806. Ein weiteres interessantes
Zeugnis dafür aus der abessynischen Kirche s. Studia Sinaitica
V, p. XII nach A. Baker, Newbery House Magazine for Dec. 1892.