Werner Caskel 5. 3. 1896 — 28. 1. 1970
Werner Caskel (1896-1970)
Von Egbert Meyeb, Köln
Wbbneb Caskel wurde am 5. März 1896 in Danzig geboren. Nach
dem Besuch des dortigen Städtischen Gymnasiums begann er im Sommer¬
semester 1914 mit dem Studium der Theologie an der Universität
Tübingen, wo er zugleich Persisch (bei CF. Seybold) hörte. Zum
Wintersemester ging er nach Berhn. Dort setzte er sein theologisches
Studium fort, bei dem Assyriologen Delitzsch las er den Koran. Anfang
März 1915 wurde Caskel als Kriegsfreiwilliger zunächst in Frankreich,
dann mit dem deutschen Asienkorps im Vorderen Orient eingesetzt. Den
Weltkrieg hindurch hatte er Gelegenheit, die Türkei, Palästina, Syrien
und Mesopotamien mit eigenen Augen zu sehen und die türkische Sprache
zu erlernen. Im April 1919 zurückgekehrt, studierte er in Berhn u.a. bei
E. Tboeltsch und E. Sachau. Einer Empfehlung A. Schaades folgend,
wechselte er dann nach Leipzig. Im September 1920 bestand er die erste
theologische Prüfung vor dem Danziger Konsistorium. Wieder in Leipzig,
widmete er sich vornehmhch bei A. Fischer und R. Hartmann arabisti¬
schen und islamkundhchen Studien. Im Juli 1924 bestand er das Rigoro¬
sum in seinen orientalistischen Fächern und in Rehgionsgeschichte.
Bereits 1923 war er als Nachfolger E. Bräunlichs in die Dienste des
Diplomaten und Archäologen Max Freihbbr von Oppenheim getreten,
um dessen Forschungsreisen wissenschaftlich auszuwerten. Ferner ver¬
waltete er dessen Sammlungen und die Bibliothek.
Im Juli 1928 erfolgte Caskels Habihtation für Semitische Sprachen
und Islamkunde an der Universität Berhn vor einer Kommission, zu der
E. Mittwoch und B. Meissner gehörten. Im Herbst 1930 erhielt Caskel
eme Privatdozentur für Orientalische Philologie an der Universität
Greifswald und wurde damit wie schon 1923 bei Oppenheim Nachfolger
Bräunlichs, der einen Ruf nach Königsberg erhalten hatte. 1946 bhckt
er in einem ,, Lebenslauf" auf die 30er Jahre zurück: ,,1932/33 vertrat
ich das Fach auch in Rostock. Die Aussichten für meine Zukunft schienen
sich günstig zu gestalten: 1931 wurde ich an erster Stelle für Königsberg
genannt, an zweiter für Leipzig. Da machte das Dritte Reich meinen
Hoffnungen ein Ende. Ich konnte nicht mehr zum Professor ernannt oder
auf einen Lehrstuhl berufen werden, obwohl mich München 1933 als
Nachfolger G. Bergsträssers wünschte. Meine Tätigkeit als Dozent
1 ZDMG 122
Egbert Meyeu 2
A ,^fthr ein^eenat, besonders nachdom mein Vater ein I
wurde mehr und geworden war. Schüeßlich wurden '
Opfer der ^^T q^^^^^^^^ von § 18 der Reiehs-Habilitations- ,
mir am ^1 - ^^^bruar 1 8^^^^^^^ Lelu:befugms uud Lehrauftrag ent-
ordnung vom 13- D«~^ dann wieder bei der seit 1929 be-
zogen." Der Verschickung in ein Straflager
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entging er mr durch die Fur J^^^^^ Humboldt-Universität.
CASKELProfessormxt^^^^^^^
1948nahn.er emenRufautden ^ ^^^^ ^^^^^
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der Eroffatang 193U I ^^^^^^^^ dezimiert worden.
Zeitung") ^l'^'^^lJ^f^^^^^ und großem persönlichen Einsatz
Die unter ^^^^^^^^^^äftigen Gattin aus den Kriegs- und Naoh-
von Caskei. ^^'^^^IZnnten in den Wiederaufbau der Stiftung
'^T:™^W r^^^ 196^ emeritiert wurde, durfte er mit
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Stolz auf da. aus dorn S.^nar schauen. 1966 feierte
personell und ^^f^^^^ ^ ° ^^.i Schülern semen 70. Geburtstag,
er xm J^^'^.^^f/^^S^^^^^^^^ ihm zu Ehren. Am 28. Januar 1970 |
eme ansehrahohe Festechrü ^^j^^,,,3 (Lungenem-
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für den, der seine ^^^"^ ^ «einen früheren Stadion von
Caskel« 7'''^^^t:^:^Lrnrni - der Schule des großen Arab .
der Schule bestimmt, aus der hUologische Schulung und die
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SS Voraussetzung seiner Studien. In seinen spannend
CASKEL ^^^''^^^'llZ^er^^^^^^^ „Erinnerungen" einem bei aller
zu lesendexi, ott genug ex j^^^hte der deutschen Orientalistik
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Goographio, der Geschichte -d den Spraeho^^ V^S ^'^
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SrEr wTwed^ « noch Arabist, wenn wxr uxxter diesem einen
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Lnxt freüieh sekundär sehr stark die genanxxten DxszxpU„ea besetzen,
konnte treUJ wichtigsten seiner spateren Arbexten, die voir
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Werner Caskel (1896—1970) 3
nach Jerusalem (1963) oder an Lihyan und Lihyanisch (1954). Die Disser¬
tation Das Schicksal in der altarabischen Poesie ist literatur- und religions¬
geschichtlich orientiert, in der Methode steht sie ganz im Banne Fischers.
Die Aijäm cd-'Arab, Caskels Habihtationsschrift, sind ohne den Vor¬
gang Bräunlichs mit seiner ebenfalls von Fischer angeregten Arbeit
Bistäm ibn Qais (1922) undenkbar. Anders als diese Monographie über
den vorislamischen ßcduinenfürston und Helden bleiben die Aijäm
formal im Rahmen einer literatm'wissenschaftlichen Arbeit, wie auch
der Untertitel ,, Studien zur altarabischen Epik" verrät. Doch schon die
Betonung der kulturgeschichtlichen und topographischen Tatsachen
sowie die Beiziehung von Material über das moderne Arabien deuten vor¬
aus auf den Spezialisten für die Beduinen und die G-eschichte der Araber.
(Nur am Rande sei vermerkt, daß eino der letzten von ihm betreuten
Arbeiten — nicht zufällig — der historischen Seite der ayyäm galt.)
Caskbl, der im besonderen Maße das Vermögen der konkreten Phan¬
tasie besaß, konnte seine Neigung zur gegenständlichen Betrachtung
einmal in der mit E. Rackow geschaffenen Monographie über das
Beduinenzelt (1938), aber auch an seinen immensen topographischen
Kenntnissen in Oppenheims Standardwerk über die Beduinen (4 Bände :
1939—1968) demonstrieren. Geläufig war der Anblick, wie Caskel in
den Kölner Seminarräumon saß, über Karten von Arabien gebeugt, oft
genug deren Quahtät bemängelnd. — Gleichwohl ist die Konzeption des
OppENHEiMschen Werkes nicht die seine gewesen, eher verstand er seine
Aufgabe ursprünglich in der Weise, einem systematisierenden Werk die
Idstorische Dimension zu erschheßen, später sich selbst als loyalen Ver¬
walter des OpPENHEiMscheu Erbes. Mit Bräunlich zusammen entwarf
er die Texte für die beiden ersten Bände, vom dritten an ist er der
alleinige Autor. Auf der anderen Seite bezeugt dies Werk, daß zwischen
dem Grelehrten, der das vor- uud frühislamische Arabien bearbeitete, und
dem, der zahlreiche Reisen in islamische oder arabische Länder unter¬
nahm, eine enge Verbindung besteht. Sein Hauptwerk ist die öamharat
an-nasab, die Genealogie des Ibn al-Kalbi, zwei umfangreiche Bände, die
alles in allem in fünfzehn Jahren heranwuchsen und von dem Siebzig¬
jährigen (1966) abgeschlossen wurden. Der Verfasser nennt es ,, einen
Kommentar zu einer künftigen Ausgabe, falls eine solohe durch neue
Handschriftenfunde möglich wird." Allein die 334 genealogischen Tafeln
mit den Stammbäumen dor vor- und früliislamischon Araber zu erstellen,
bedeutete eine gewaltige Ai-beitsleistung, auoh wenn andere mitwirkten.
Dennoch liegt die eigentliche Bedeutung des Werkes nicht darin, daß es
auch das WusTENFBLDsche ablöst, auch nicht so sehr in den Erläute¬
rungen zu den Tafeln und in der gelehrten Einleitung — sondern in dem
Register der Personennamen, einer wirklichen Fundgrube für die arabi-
!•
4 Egbert Meyer
sehe und frühislamische Geschichte. In rund 35000(!) Artikeln entfaltet
sich ein aus den Quellen der Genealogie, altarabischen Dichtung und den
Inschriften souverän geschöpftes Wissen. Dem Sammel-und Sichteifer
korrespondiert ein in der Methode begründeter systematischer Zug. Oft
genug geraten die Notizen zu porträtierenden Monographien, in denen
sich die Markierung der Daten und Fakten mit einer an J. Wellhausen,
den er so sehr schätzte, erinnernden Darstellungsgabe verbindet. Eine
CASKELsche Hypothese, die sich im Fortgang der Arbeit immer mehr
als angemessen erwies, muß hier namhaft gemacht werden : die Geschichte
Arabiens vor dem Islam besteht aus Sagen, wenn man von Dichtung und
Inschriften absieht. Folgerichtig setzt die Rekonstruktion der histo¬
rischen Tatsachen bei der altarabischen Poesie an — womit das quellen¬
kritische Problem zunächst nur verlagert wird. Doch mit den Voraus¬
setzungen begabt, über die der historischen Bearbeiter der altarabischen
Poesie verfügen muß — siehe das Vorwort —, erschloß sich Caskbl auch
die Poesie als historische Quelle, wenn auch die Frage, wie weit mau hier
überhaupt gehen kann, noch einer Antwort harrt. — Noch die beiden
posthumen VeröfFentlichungen, Beiträge zu den Festschriften Dunand '
und Lewicki^ zeigen den anderen Weg, den Caskbl auch gegangen ist:
aus den süd- und protoarabischen Inschriften Fakten zu gewinnen, die
zur Erliellung der vorislamischen Geschichte Arabiens beitragen können.
(Gelegenthch bedauerte er die mangelnde Vertrautheit der Südarabisten
mit dem nordarabischen Quellenmaterial.) Vorangegangen war hier die
Schrift Entdeckungen in Arabien (1954), in der die südarabischen In¬
schriften Ryckmans 506—510 historisch ausgewertet sind. Eine zusam¬
menhängende Darstellung seiner Ansichten zur Geschichte Arabiens vor
dem Islam gab Caskel dann in Fischers Weltgeschichte (1967 abge¬
schlossen). Wir schließen unsere Bemerkungen zu Caskels Werk in dem
Bewußtsein, nicht mehr als einige Streifhchter gegeben zu haben.
Als Lehrer war er anregend, zugleich alles andere als bequem. Oft
war der Wissensabstand zwischen Lehrer und Schüler kaum über¬
brückbar. Von Dünkel war er gänzlich frei, auch der Anfänger konnte
gewiß sein, daß seine Fragen aufmerksam angehört wurden. Wenn die
Kenntnisse der Seminaristen zu dürftig waren, konnte er ungehalten
werden. Widerspruch quittierte er gelassen — über Kollegen äußerte er
sich manchmal ungleich schärfer. Einem besonders heftigen Anhänger
1 Die Inschrift von en-Nemära — neu gesehen. In : Melanges de 1' Universitö Saint-Joseph 45 (1969), S. 367—379.
2 Der Sinn der Inschrift in Hisn al-Guräb. In: Folia Orientalia 12 (1970),
S. 51—60. — Ein Verzeichnis der Schriften Werner Caskels findet sich in
der Festschrift : Festschrift Werner Caskel. Hrsg. von Erwin Gräf. Leiden
1968, S. 31—36.
Werner Caskel (1896—1970) 5
des Theologen Sayyid Qütb setzte Caskel einmal in aller Ruhe die
zugrunde liegenden Mißverständnisse auseinander. Die letzten Übungen,
die unter seiner Leitung stattfanden, bezogen sich auf südarabische In¬
schriften, das äthiopische Baruch-Buch und den edessenischen Apostel
Addai; er stand sie in schlechter gesundheitlicher Verfassung, dennoch
konzentriert und unbeirrt durch. Die zum Sommersemester 1965 ange¬
kündigte Übung ,,Zum frühen Hadit" fand dann nioht mehr statt. Hier
— meinte er immer — müßten die GoLDZiHERschen Ansätze überholt
werden. Die Vielfalt der Seminarthemen — unvergeßlich ist dem Schreiber
dieser ZeUen die Übung über die spanisch-arabische Poesie im Winter¬
semester 1961/2 —, die freigebig gemachten Mitteilungen, auch die ver¬
gebenen Dissertationen zeugten — mehr noch als seine VeröfFentlichun¬
gen — von der Weite seines Horizontes. Seine orientalistische Bildung
war umfassend und gründhch. Reich war sein kulturhistorisches Wissen
über den orientalistischen Rahmen hinaus. In wissenschaftlicher Hin¬
sicht ein Positivist und Spekulationen abhold, erschloß er im persön¬
lichen Umgang einen ästhetischen Zug, der sich in Liebenswürdigkeit
und Feingefühl äußerte. Dazu mag stimmen, daß der Sohn Musiker ist
und wie seine Mutter von heiterer Wesensart. Nobel stellte er sich zu
den während des Nationalsozialismus erhttenen Kränkungen, ofFenbar
aus dem Gefühl der Distanz der eigenen Person gegenüber. Sein Leben,
das der Schatten der Krankheit im letzten Jahrzehnt verdunkelte, war
ausgefüllt und produktiv. Die Fachgenossen aus aller Welt, von denen
er mit so vielen bekannt war, die Freunde und Schüler zumal werden
ihm ein ehrendes Angedenken bewahren.
Hellmut Ritter (1892-1971)
Von Maetin Plessner, Jerusalem
Hellmut Ritter hat die islamische Kultur nicht nur als ein ihr
Gegenüberstehender betrachtet, sondern sich bestrebt, sie zu einem
integralen Bestandteil seiner eigenen geistigen Welt zu machen und sie
mit der großen europäischen Bildung, die er besaß, so zu verschmelzen,
daß für ihn Orient und Occident in der Tat nicht mehr zu trennen waren,
daß der Orient vielmehr ein Element seines dabei durehaus prävalieren¬
den Europäertums wurde. Intuition, Kraft zur Analyse und philologische
Disziplin wirkten in ihm zusammen, so daß er nicht nur zur recliten
Erkenntnis gelangen, sondern das, was er am orientalischen Stoff erlebte,
in einer Objektivierung darstellen konnte, die das Erlebnis anderen
mitteilbar machte. Diese anderen aber waren nicht nur seine engeren
Fachgenossen, die die von ihm geleistete Arbeit ihm nachtun konnten.
Was er sich erarbeitet hatte, erhielt, soweit es nicht rein philologischer
Natur war, eine sprachliche Form, die es jedem Gebildeten zugänglich
machte. Fast alle seine in deutscher Sprache veröffentlichten Bücher
und viele seiner Aufsätze sind auch für den Nichtorieutalisten lesbar und
verständlich, eine Erweiterung seines geistigen Horizonts. Denn Ritter
war ein Meister der Wortkunst; und nicht zufällig hat ihn die Arbeit
an einem Werke, dessen arabischen Titel er Die Geheimnisse der Wortkunst
übersetzte, durch fast sein ganzes Leben begleitet. Erst wenn cr seinen
Erkenntnissen bzw. Textübersetzungen die sprachliche I^orm gegeben
hatte, die er als seinem Erlebnis adäquat ansehen konnte, betrachtete
er die ihm gestellte Aufgabe als gelöst. Selbst für seinen Privatgebrauch
übersetzte er Texte, an denen er irgendwie arbeitete, druckreif, obwohl
sie garnicht für den Druck bestimmt waren; ja, er ließ sie sogar mit der
Maschine abschreiben.
Die Anlage zur Kultivierung der Sprache als Medium geistigen
Erlebens über die bloße Mitteilung des Gedankeninhalts hinaus muß
bei Ritter von Anfang an stark gewesen soin. Was er bei seinen Lehrern
Brockblmann und ICahle in Halle und Nöldeke und Littmann in
Strassburg gelernt hatte^, setzte sich bei ihm in kongeniales Erfassen
geistiger Form um. Schon seine Dissertation, die er als Zweiundzwanzig-
' Der Lebenslauf in der Dissertation nonnt nooh S. Landaube und Cael
Feank. Vgl. im übrigen F. Meiee, Der Islam, 48 (1972), S. 193—205.