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(1)über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

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über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung.

Von Franz Graf Calice.

(Vortrag gehalten am 11. Juni 1930 beim Orientalistentag in Wien.)

Schon die erste Bekanntschaft mit der Sprache der Ägypter

mußte die Forscher zur Erkenntnis gewisser Ähnlichkeiten

mit den semitischen Sprachen führen. Die Endung der Feminina

auf -t, einige Pronomina und Pronominalsuffixe mußten jedem

auffallen, der sich auch nur oberflächlich mit der Sprache

beschäftigte. Wesentlich weiter als diese Erkenntnis einer

nicht näher bestimmbaren Verwandtschaft hat uns aber erst

die vertiefte Einsicht in die altägyptischen Sprachformen ge¬

bracht, welche sich an die Namen Ebman's und Sethe's knüpft

und das Werk der letzten drei bis vier Jahrzehnte bildet.

Das wichtigste und für unsere Untersuchung grundlegende

Ergebnis dieser Forschungen scheint mir nun jenes zu sein,

daß wir in der ältesten uns erreichbaren Sprache Ägyptens

nicht etwa, wie man früher meinte, eine besonders primitive

Form der menschlichen Sprache vor uns haben, sondern daß

im Gegenteil hier eine in voller Zersetzung — oder, wenn

man will, Abschleifung — befindliche Sprache, mithin eine

morphologisch viel jüngere Sprachstufe vorliegt, als uns in

irgend einer der semitischen Schriftsprachen (das Amharische

vielleicht ausgenommen) entgegentritt.

Die Ursache dieser frühen Zersetzung und Umgestaltung

der Sprache ist, wie Eeman schon vor vielen Jahren aus¬

gesprochen hat, darin zu suchen, daß wir es mit einer, von

einem andersrassigen Volke übernommenen Sprache zu tun

haben, wobei sich dieses Volk die Laute und Formen erst

mundgerecht machte, abschliff und vereinfachte.

9 •

(2)

26 F- Calioe, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

Welcher Art das Bevölkerungselement gewesen sein mag,

das das Urägyptische übernahm und in seiner Art umgestaltete,

ist noch unklar. Früher dachte man wohl in erster Linie an

nubische Bevölkerungselemente. Neuerdings wird der Gedanke

an eine altmediterrane Bevölkerungsschicht näher liegen, wie

sie in der Ägäis und an den westlichen Küsten des Mittel¬

meeres angenommen wird. Das ist vorläufig natürlich alles

nur Konjektur umsomehr, als wir ja von den Sprachen der

alten Mittelmeervölker so gut wie nichts wissen. Jedenfalls

haben weder Nubier noch Mittelmeervölker in der Sprache

Ägyptens für uns erkennbare Spuren hinterlassen. Wir werden

übrigens sehen , daß es noch eine andere Möglichkeit gibt,

den Mischcharakter der ägyptischen Sprache zu erklären.

Es ist darauf hingewiesen worden, daß einige Verwandt¬

schaftswörter des Ägyptischen sich mit den entsprechenden

Ausdrücken gewisser vorderasiatischer Sprachen vergleichen

lassen. So läßt sich ägypt. jt, kopt. cmn „Vater", ein Wort,

das keine semitische Analogie hat, wie zuerst Jensen bemerkt

hat, mit sumer. adda, mitann. atta, heth. attas; ägypt. sn,

kopt. CO« „Bruder" mit mitann. sena zusammenstellen. Auf

diese Vergleichungen darf aber wohl keinerlei Gewicht gelegt

werden, atta ist ein Lallwort, welches in gleicher Bedeutung

auch in mancherlei anderen Sprachen vorkommt : ich erwähne

bloß bask, aita, ung. atya, türk. ata; auf solche Vokabeln

läßt sich kein Beweis stützen, sn hingegen hat zwar keine

semitische Analogie, wohl aber eine solche in den kuschitischen

Sprachen : Chamir zin, Dembea zä7i, Quara zan, Bischari san.

Mit der Heranziehung der kuschitischen Sprachen, wie

wir sie soeben versuchten, haben wir nun das schwierigste

Problem angerührt, das sich bei der Behandlung der sprach¬

lichen Stellung des Ägyptischen in den Vordergrund drängt:

ich meine das Verhältnis des Ägyptischen zu den hamitischen

Sprachen.

Da müssen wir uns nun vor allem darüber klar werden,

was wir unter dem Terminus „hamitisch" verstehen. Nehmen

wir den Begriff der Hamitensprachen im Sinne Meinhof's als

den einer weit ausgedehnten, nicht nur die Sprachen Nord-

9 *

(3)

F. Calick, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

afrikas, eondern auch Somali, Galla, Haussa, ja sogar die

Hottentottensprachen umfassenden Sprachfamilie, so ist zunächst

klar, daß es nicht möglich ist, das Ägyptische mit den Hamiten¬

sprachen zusammen in eine Gruppe den semitischen Sprachen

als einer zweiten Gruppe gegenüberzusetzen. Denn von den

Hamitensprachen weist ein großer Teil -— soweit sich dies

wenigstens bei geschichtslosen Sprachen beurteilen läßt — zu

einer Reihe von sprachlichen Erscheinungen und grammatischen

Bildungen, die für die semitischen Sprachen charakteristisch

sind, bloße Ansätze oder Vorstufen auf, wogegen das Ägyp¬

tische diese Erscheinungen nicht bloß voraussetzt, sondern

sogar zumeist schon in der Zersetzung zeigt. Die Beurteilung

der Hamitensprachen ist allerdings dadurch außerordentlich

erschwert, daß sie uns nur in ganz junger und sichtlich von

sekundären Bildungen überwucherter Form bekannt sind. Man

stelle sich vor, wie schief unser Urteil ausfallen müßte, wenn

wir zur Beurteilung des Verhältnisses zwischen Ägyptisch

und Semitisch etwa auf das Koptische, das Neusyrische und

das Amharische angewiesen wären!

Da es also, wie gesagt, nicht angeht, das Ägyptische ein¬

fach unter die Hamitensprachen einzureihen, gibt es zunächst

zwei Möglichkeiten, die ins Auge zu fassen sind. Man könnte

entweder eine Trennungslinie mitten durch die Hamitensprachen

ziehen (eine Trennungslinie, die sich auch sonst dem Beobachter

aufdrängt) und die nordafrikanischen Sprachen (Bischari, die

kuschitische Gruppe und die Berbersprachen) mit dem Ägyp¬

tischen zu einer Gruppe zusammenfassen, die dann ihrerseits

wieder dem Semitischen näher stünde, als den übrigen sog.

Hamiten; — oder man scheidet das Ägyptische von seinen

afrikanischen Nachbarn ganz und gar und stellt es als früh

selbständig entwickelten Zweig des Semitischen ganz zu diesem.

Keine dieser beiden Hypothesen wird den Tatsachen ganz

gerecht. Es gibt jedoch noch eine dritte Lösung unserer

Frage, die vielleicht am ehesten geeignet sein könnte, die

vorhandenen Schwierigkeiten zu beseitigen.

Bis vor kurzem hatte ich ebenso wie meine Vorgänger

stillschweigend vorausgesetzt, daß es sich bei der Frage, ob

(4)

28 F- Calice, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

semitisch oder hamitisch, immer nur um eine und dieselbe

Komponente der uns vorliegenden Mischsprache handeln müsse,

— um jene dominierende Komponente nämlich, welche uns,

wenn auch stark abgeschliffen und zersetzt, doch im wesent¬

lichen in der uns bekannten ägyptischen Sprache der histo¬

rischen Zeit erhalten ist. Wie aber, wenn wir annehmen,

daß in der Urbevölkerung, welche jene urägyptische Sprache

übernahm und sich mundgerecht machte, bereits ein hamitisches

Element steckte? Die Annahme mag nicht beweisbar sein,

es steht ihr jedoch weder anthropologisch noch historisch ein

Bedenken entgegen und sie bietet tatsächlich eine adäquate

Erklärung für den sprachlichen Tatbestand.

Lexikalische Parallelen mit den hamitischen Sprachen, in

erster Linie mit dem Berberischen, lassen sich, wie vor allem

MöLLEB und seither Fbida Behnk nachgewiesen haben, in

nicht ganz geringer Zahl aufstellen. Zum Teile handelt es

sich da allerdings um Wurzeln, die dem Semitischen und

Hamitischen gemeinsam sind, also für unsere Frage nichts

beweisen. So z. B. ägypt. mw, herb, aman „Wasser", semit.

ma', majim; ägypt. 'r, herb, ali „steigen", semit. 'Ij u.a.m.

Bei anderen muß mit der Möglichkeit alter Entlehnung in

der einen oder andern Eichtung gerechnet werden*). Immerhin

bleiben genügend auffällige Berührungen übrig, bei welchen

Entlehnung unwahrscheinlich ist und die auf Verwandtschaft

hinweisen. Außer dem oben erwähnten san „Bruder" nenne

ich als vielleicht auffallendstes Beispiel das Zahlwort „vier",

ägypt. fdtv, das im Bedauie fadig, im Afar und Somali afar lautet.

Hat sich das Ägyptische durch die Ausbreitung eines

semitischen Idioms auf eine hamitische oder teilweise hami-

tische Urbevölkerung gebildet, so ist der Bestand solcher, mit

den hamitischen Sprachen verwandter Wörter ohne weiteres

erklärlich *).

1) Auch in historischer Zeit hat es sicher noch vielfache Entleh-

nuugen gegeben. Ein relativ gut datierbares Beispiel bietet das berb.

t-algumt , Kamel' (weiter ins Haussa als rakumi gedrungen), wo der u-

Vokal der zweiten Silbe den spezifischen Lautwandel der spätägyptisch- koptischen Zeit zeigt.

2) Ich freue mich, seither in Sethe's jüngster Schrift, .Urgeschichte

(5)

F Calice, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung 29

Auch lautlich ist die Annahme einer hamitischen Unter¬

schicht im Ägyptischen sehr plausibel; da die hamitischen

Sprachen im allgemeinen über die gleichen laryngalen Laute

verfügen, wie die Semiten, ist die unveränderte Erhaltung der

semitischen Laryngale im Ägyptischen, das sonst eine so starke

lautliche Zersetzung aufweist, bei dieser Hypothese ohne

weiteres verständlich.

Aus anderen als sprachlichen Erwägungen heraus bin ich

geneigt, für die alte Bevölkerung des Niltals eine Mischung

auch noch mit anderen als hamitischen und semitischen Be¬

völkerungselementen für wahrscheinlich zu halten. Dies ge¬

hört aber heute, da wir uns nur mit der Sprache beschäftigen,

nicht hierher. Ich wollte es nur erwähnt haben, um dem all¬

fälligen Mißverständnisse zu begegnen, als würde ich einen

solchen anderweitigen Bevölkerungseinschlag von vornweg

leugnen.

Kommen wir nun zu unserem engeren Thema, dem Ver¬

hältnisse des Ägyptischen zu den eigentlichen semitischen

Sprachen, so möchte ich unsere Betrachtungen nach drei Eich¬

tungen gliedern: Wortform, Flexion und Wortschatz.

Unsere Erkenntnis der urägyptischen Wortformen beruht

nunmehr auf den grundlegenden Untersuchungen Sethe's in

der ZDMG., N. F. 2. Danach ist es uns möglich, von dem

gegebenen altägyptischen Bestände auf Wortformen zurück¬

zuschließen, die den ursemitischen außerordentlich nahestehen.

Viel Detailarbeit wird nötig sein, um diese Umrisse im einzelnen

auszufüllen. Einen solchen Einzelbeitrag möchte ich heute

liefern.

Bekanntlich gibt es eine ägyptische Nominalendung -w,

welche in gewissen Fällen (so bei der Substantivierung eines

Adjektivs u. dgl.) eine deutliche grammatische Funktion be¬

sitzt, im übrigen aber anscheinend willkürlich bei einigen

Substantiven auftritt, während sie bei andern fehlt. Daß dieser

Wechsel nicht bloß ein scheinbarer, auf die Mängel der Ortho¬

graphie zurückzuführender ist, beweist die koptische Nachfolge,

und älteste Religion der Ägypter« S. 64, Anm. 1, einen ähnlichen Gc-

danlcen angedeutet zu finden.

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30 F- Camcb, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

deren Vokalisation auf die durch die Anwesenheit oder das

Fehlen der Endung bedingte Silbenteilung Bedacht nimmt.

Man hat versucht (auch ich war eine Zeitlang dieser Meinung)

diese Endung mit der semitischen Nominativendung -u zu ver¬

gleichen. Das erscheint mir jetzt wenig plausibel, da doch

das ägyptische -w stets ausgesprochen als Konsonant fungiert.

Angesichts der auch sonst häufigen Wandlung von semit. m

in ägypt. w möchte ich nun vorschlagen, diese Endung viel¬

mehr mit der sog. Mimation zu vergleichen. Die Erhaltung

oder der Abfall dieser Endung wäre aber durch die Quantitäts¬

verhältnisse der Stammsilben verursacht, m. a. W. es hätte

nicht die Endung die Silbenteilung beeinflußt, sondern um¬

gekehrt die Silbenteilung den Bestand der Endung. Eine Ur¬

form *qatlun hätte also beispielsweise die Endung beibehalten,

z. B. *hafaw kopt. goq, hingegen ein *qatalum nicht, wie

z. B. *natar, woraus sodann durch das Quantitätsgesetz *nätar,

kopt. noT^e wurde. Hierzu stimmt aufs beste, daß wir bei

einer Reihe zweikonsonantiger oder scheinbar zweikonsonan-

tiger Substantiva, welche die Endung -w aufweisen, auf Grund

semitischer Parallelen eine ursprüngliche Gemination des zweiten

Konsonanten vermuten dürfen. So gehört zu l^rw giup nach

Embeb und Albeight arab. ^t*rr"", zu nhw „Herr" und tnw

„jeder" nach Sethe arab. rati"" und ämU"", zu drw „Grenze"

der Stamm $rr^).

Das Gebiet der Flexion ist ein viel zu weites und, was

die Entstehung der semitischen Verbalflexion anbelangt, heute

noch ein viel zu sehr umstrittenes Feld, als daß ich es in den

Rahmen unserer heutigen Betrachtungen einbeziehen könnte.

Ich möchte nur im Vorbeigehen auf ein paar einzelne Punkte

hinweisen. Erstens auf einen Umstand, der einem jeden von

uns geläufig ist, der jedoch noch nicht, daß ich wüßte, in seiner

Bedeutung für die Sprachvergleichung gebührend hervorgehoben

wurde: nämlich das Zusammengehen des ägyptischen Pseudo-

partizips mit dem akkadischen Permansiv, und mit diesem

1) Das SchiclsBal der nachweisbaren oder vorauszusetzenden alten

Konsonantenverdoppelungen und ihr EinfluS auf die Vokalisation (Ersatz¬

dehnung) verdiente eingehender untersucht zu werden.

(7)

F. Calicb, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

allein, in seiner Beschränkung auf das intransitiv-passive

Genus. Wie sich auch das Pseudopartizip zum semitischen

„Perfektum" morphologisch verhalten mag, die Beschränkung

des ersteren auf die Zustandsbezeichnung , ist ein primitiver

Zug und das Zusammengehen mit dem Akkadischen in dieser

Eigenheit höchst bedeutsam.

Der gänzliche Verlust der Präfixkonjugation und deren

Ersatz durch sekundäre Bildungen bildet heutzutage, wo wir

in den Bau dieser Bildungen Einblick zu erhalten beginnen,

keine so scharfe Scheidung zwischen ägyptisch und semitisch,

wie sie einst scheinen konnte. Finden sich doch Bildungen,

die den ägyptischen ganz analog sind, beispielsweise in den

neuaramäischen Dialekten. Wir finden da, unter gänzlicher

Aufgabe der alten Konjugationsformen, ein aus dem aktiven

Partizip mit angehängtem Pronomen gebildetes Präsens und ein

aus dem passiven Partizip und der Präposition le- gebildetes

Perfekt. Das sind also genaue Analoga des „Tempus sdmf"

und „Tempus sdmnf-', wie wir sie jetzt analysieren zu können

glauben, und wir können in dem syrischen Dialekt noch be¬

obachten, wie die Sprache das Gefühl für den Charakter dieser

Fügung allmählich verliert und sie zu einem einheitlichen

neuen Tempus wird, wie es im Ägyptischen bereits fertig

vorliegt.

Ich komme nun zu dem letzten Abschnitt meiner Betrach¬

tungen, zu dem lexikalischen Gebiet. Hier hat sich das Material

in den letzten Jahren, namentlich seit Ember's Forschungen

so gewaltig vermehrt, daß wir über die ersten unsystematischen

Tastversuche hinaus sind und berechtigt und verpflichtet sind,

an die vorgebrachten Gleichungen einen strengeren Maßstab

anzulegen. Meine eigenen Versuche haben mich überzeugt,

daß hier noch ein ergiebiges Feld für weitere Nachforschungen

vorliegt, aber zugleich, daß man sich streng vor jeder Willkür,

Annahme von Wurzelerweiterungen, unregelmäßigen Konso¬

nantenentsprechungen oder unbelegbaren Bedeutungsübergängen

hüten muß, wenn man nicht auf das gefährliche Gebiet ufer¬

loser Kombinationen geraten will.

Freilich liegen die Verhältnisse nach vielen Richtungen

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32 F. Calice, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

hin verwickelt: Eine große Schwierigkeit bildet immer noch

die einwandfreie Feststellung der ältesten Form der ägyp¬

tischen Wurzeln, insbesondere in den häufigen Fällen, in welchen

schwache Konsonanten im Spiele sind. Da die Metathese, wie

bei den semitischen und hamitischen Sprachen überhaupt, so

auch im Ägyptischen eine große Rolle spielt (und auch in der

weiteren Sprachentwicklung bis zum Koptischen herab fort¬

wirkt) und da in vielen Fällen die schwachen Wurzelkonso¬

nanten des Ägyptischen sich als Abschleifungen von starken

Radikalen des Semitischen darstellen, ergibt sich bei einer

Reihe von ägyptischen Wurzeln eine unheimliche Menge von

Vergleichsmöglichkeiten und es lassen sich öfters für eine

Wurzel mehrere gleich plausible semitische Entsprechungen

anführen. Solche Vergleichungen können natürlich sehr wenig

beweisen.

In manchen solchen Fällen, in welchen sich verschiedene

semitische Wurzeln mit der gleichen ägyptischen vergleichen

lassen, sind diese verschiedenen Wurzeln wohl untereinander

verwandt oder es besteht in dem einen Falle Urverwandtschaft,

in dem anderen liegt Entlehnung vor.

Eine zweite erhebliche Schwierigkeit ergibt sich aus der

Natur der Texte, aus welchen uns viele ägyptische Vokabeln

allein bekannt sind. Wir kennen eine Unzahl von Ausdrücken,

die wir als Notbehelf mit „preisen", „erscheinen", „nieder¬

werfen" usw. übersetzen, weil sie uns nur in poetischen Wen¬

dungen zum Lobe des Königs oder eines Gottes begegnen.

Viele dieser anscheinenden Synonyma sind zweifellos bildliche

Ausdrücke, die in der alltäglichen Sprache ihre ganz konkrete

Bedeutung hatten. Diese bleibt uns aber meist unbekannt,

wenn uns nicht ein glücklicher Zufall zu Hilfe kommt. Auch

sonst kann die in Ägypten überaus beliebte bildliche Ver¬

wendung von Ausdrücken des täglichen Lebens Bedeutungs¬

übergänge schaffen, die uns nur durch Zufall erkennbar

werden.

So gibt es beispielsweise ein Wort 'q\ das scheinbar „Mitte"

bedeutet und in Wendungen wie r 'i, hr 'q' „in der Mitte"

häufig ist. In der Bedeutung „Mitte" hat es kein semitisches

(9)

F. CAiiiOB, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung 33

Analogon. Daneben gibt es ein ebenso geschriebenes 'g' in

der Bedeutung „Strick, Tau", welches regelrecht zu arab.

'aqala „binden" stimmt. Nun lief über die Mitte der ägyptischen

Schiffe stets ein starkes, zur Verstärkung des Schiffsrumpfes

dienendes Tau. „Auf dem Tau" oder „über dem Tau" heißt

daher soviel wie „in d£r Mitte". Wären uns die bildlichen

Darstellungen der Schiffe nicht erhalten, wüßten wir nicht,

was mit dem Worte anzufangen. Wie viele ähnliche Be¬

deutungsübergänge mögen uns nicht entgehen!

Mitunter hilft die aus dem Semitischen zu gewinnende

Bedeutung zur genaueren Bestimmung einer ägyptischen Wurzel.

So gibt es ein Zeitwort shn, welches etwas Ähnliches wie

„schwimmen" bedeuten muß, ohne daß uns die genauere

Schattierung erkennbar wäre. Der Vergleich mit arab. säbila

„fließen", hebr. Sibbolet „Strom", führt auf „im Strome treiben".

Ebenso läßt sich das Verbum 'mj, welches die ungefähre Be¬

deutung „(Weinkrüge) versiegeln" haben muß, auf Grund der

arabischen Entsprechung gamä genaa bestimmen ^Is „mit

Lehm verschmieren".

Ein weiteres schwieriges Problem ist das der Unter¬

scheidung zwischen Urverwandtem und Lehngut. Es ist a

priori anzunehmen, daß schon seit den ältesten Zeiten Lehn¬

wörter aus den semitischen Sprachen im Ägyptischen Aufnahme

fanden. Es ist aber in vielen Fällen kaum zu entscheiden —

meist wird es eine Frage der subjektiven Einschätzung bleiben

— ob man es im konkreten Falle mit dem einen oder dem

andern zu tun hat. Ausnahmsweise bietet die Form des Wortes

einen Anhalt, die Frage zu entscheiden. Ein Beispiel scheint

der schon in den Pyramiden vorkommende Gefäßname nms.t,

der später in den Amarnatafeln als namsa wiedergegeben wird.

Das Wort möchte ich auf das akkadische nimsetu „Wasch¬

gefäß" (von misü „waschen") oder allenfalls auf narmitu

„Mischkrug" zurückführen. Ist diese Ableitung richtig, so

muß das Wort Lehnwort sein, weil das Ableitungspräfix na-

anstatt ma- einen dem Akkadischen eigentümlichen Lautwandel

zeigt, der in den übrigen verwandten Sprachen nicht vor¬

kommt. Ich brauche nicht erst darauf hinzuweisen, wie wichtig

Zeitaohrift d. D. M. G., Neue Folg» Bd. X (Bd. 86). 3

(10)

34 F- Calicb, Uber Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

die Feststellung eines babylonischen Lehnworts im ältesten

Ägyptisch in kulturgeschichtlicher Hinsicht wäre*).

Ein anderes Wort, bei welchem die Eigenschaft als Lehn¬

wort wahrscheinlich ist, ist dhJ}, „beten", arab. dabalia, hebr.

zäbafi „opfern". Daß hier ein Lehnwort vorliegt, ist sowohl

wegen der spezialisierten Bedeutung, als auch deswegen wahr¬

scheinlich, weil die normale Vertretung des semit. d im Ägyp¬

tischen nicht d, sondern z (sog. „liegendes s") ist. (Vgl. arab.

= ägypt. z'b.) Auch diese Gleichung ist kulturhistorisch

außerordentlich interessant, denn wenn sie zutrifft, so beweist

sie, daß die Ägypter kultische Ausdrücke von einem Volke

entlehnten, dessen Sprache d nicht in z übergehen ließ. Da

Aramäer in so alter Zeit wohl nicht in Betracht kommen,

deutet das auf arabischen oder südarabischen Einfluß.

Ganz sicher keine Lehnwörter haben wir in den nicht

eben seltenen Fällen vor uns, in welchen das Ägyptische und

die semitischen Sprachen verschiedene Weiterbildungen der¬

selben JVurzel zeigen. So liegt z. B. in dem Worte ns kopt.

Aa.c „Zunge" die gleiche Wurzel (und sogar der gleiche Wurzel¬

vokal) vor, wie in dem gemeinsemitischen lisänu, aber sämt¬

liche semitischen Sprachen bieten die durch das Suffix -an

erweiterte Stammform, wogegen das Ägyptische hier mit dem

Berberischen ils zusammengeht. Ebenso haben wir in dem

ägypt. nf „blasen" eine Wurzel, die auch in den semitischen

Sprachen wiederkehrt, aber nur in erweiterter Form, wie

nafa^La und nafasa. Solche Beispiele ließen sich leicht ver-

1) Wie mir Sethe freundlichst mitteilt, ist die oben dargelegte Ab¬

leitung des Wortes nms.t nicht sicher. Das Wort scheine vielmehr ,blau'

zu bedeuten und bezeichne das , blaue Gefäfi', ebenso wie auch nms die

blaue Rönigshaube sei. Ich möchte demgegenüber nur darauf hinweisen,

daß Ember für das Ropftuch nms die Ableitung aus dem semit. Stamme

lbs vorgeschlagen hat. Dann wäre die Ähnlichkeit der beiden, blaue

Gegenstände bezeichnenden Wörter eine rein zufällige. Übrigens wurde

die babylonische namzitu auch aus Lasurstein hergestellt (Mnss Arnolt, 11,680). Hingegen ist die Herleitung des Wortes jp. « .Frauenhaus" aus Akkad. aptu (Holma) , die ich in meinem Vortrage als zweites Beispiel

eines Lehnwortes angefUhrt hatte, hinfällig, da, wie mich Sethe auf¬

merksam machte, die älteste Form des ägyptischen Wortes rp.t lautet.

^■7,.„„», Rpntember 1930.)

(11)

F. Calice, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung

mehren. Meines Wissens neue Beispiele dieser Gattung sind

noch: ägypt. wdj „niederschlagen", arab. lafa'a, lafata, Mosa,

lafasa, lata'a, latama „schlagen, hauen" u. ä.; ägypt. fidb „zu

Boden werfen", hebr. däi,ä „umstoßen", däitaph „antreiben", akkad. da'äpu „stoßen", arab. daitama „heftig zurückstoßen".

Überblicken wir nun als Ganzes die mehr oder minder

gesicherten semitisch-ägyptischen Gleichungen, so fällt uns

auf, daß neben einer großen Zahl geradezu auffallend genauer

Übereinstimmungen gerade die geläufigsten gemeinsemitischen

Wurzeln verhältnismäßig spärlich vertreten sind. Verwandt¬

schaftsbezeichnungen z. B. fehlen mit Ausnahme von mw.t

„Mutter" (das auch hamitisch ist, vgl. berb. ma) gänzlich;

von den gewöhnlichsten konkreten Begriffen: Körperteile'

Himmelskörper, Tag und Nacht u. dgl., sind nur wenige den

semitischen Bezeichnungen vergleichbar. Dieses Ergebnis

stimmt gut zu dem Bilde, das wir auf Grund anderer Er¬

wägungen von dem Ägyptischen gewonnen haben, als einer

Mischsprache, deren eine, den semitischen Sprachen eng ver¬

wandte Komponente sich über einen vorläufig noch unbestimm¬

baren, aber vielleicht hamitischen oder teilweise hamitischen

Boden ausgegossen hat.

Sehr schwierig stellt sich die Frage, ob sich für das

semitische Element des Ägyptischen eine nähere Verwandt¬

schaft mit einem bestimmten semitischen Sprachzweige nach¬

weisen läßt.

In zwei wichtigen Punkten geht das Ägyptische lautlich

mit dem Arabisch-Südsemitischen zusammen: die Vertretung

der s-Laute deckt sich mit der des Arabischen und Äthio¬

pischen, indem ursemitischen s zu s und umgekehrt s zu s

geworden ist. Beispiele für den ersten Übergang sind häufig;

unter den bekannteren nenne ich z. B. wsh „breit sein" =

wasi'a, snb „gesund sein" = salima. Seltener sind die Belege

für den umgekehrten Lautwechsel : ich nenne sm „gehen" =

masä, sn' „vertreiben" = Sana'a. Für die Vertretung des

Samech kann ich keinen sicheren Beleg beibringen.

Aus der Vertretung der Dentalreihe läßt sich für die

Stellung des Ägyptischen nichts gewinnen; im Ägyptischen

3*

(12)

36 F. Calicb, Über SemitiBch-ägyptische Sprachvergleichung

ist hier allerlei zusammengefallen. Bei den Dentalen hat sich

der lautliche Zerfall am stärksten ausgewirkt.

Grammatisch geht das Ägyptische iin Suffix der 1. sg.

des Pseudopartizips mit dem Akkadischen, Südarabischen und

Äthiopischen, in der Bildung fünf radikaliger Reduplikations¬

stämme mit letzterem zusammen.

Lexikalisch läßt sich eine nähere Verwandtschaft mit

einem bestimmten semitischen Sprachzweige schwer nachweisen.

Daß weitaus die meisten bisher aufgestellten "Wortgleichungen

das Arabische und in zweiter Linie das Hebräische heran¬

ziehen, hat seinen rein äußerlichen Grund in der leichteren

Zugänglichkeit des Materials.

Einer eingehenden Untersuchung wert wäre die Frage,

ob zwischen dem Wortschatze des A. R. und dem zahlreichen

neuen Sprachmaterial, das uns seit dem M.R. entgegentritt

und das wohl großenteils nach den Umwälzungen des aus¬

gehenden A.R. aus der Sprache des Volkes in die Schrift¬

sprache eingedrungen ist, ein Unterschied in bezug auf das

Verhältnis zum Semitischen nachweisen läßt, d. h. ob diese

Sprachschicht einen größeren oder geringeren Prozentsatz von

verwandten Wörtern enthält und ob die Lautentsprechungen

den gleichen Gesetzen folgen. Vorläufig reicht mein Material

zu einer solchen Untersuchung nicht aus.

Zum Schlüsse möchte ich den Fachgenossen eine kleine

Auslese neuer Gleichungen vorführen, wobei ich darauf be¬

dacht war, aus meinen zahlreichen Notizen nur solche aus¬

zuwählen, die mir lautlich und semasiologisch einwandfrei

erschienen.

ägypt. '" „stammeln, fremd sein" — arab. lagä „schwätzen", äthiop. la'le* „stammeln".

ägypt. jhm „langsam sein" — arab. mahala dgl.

ägypt. 'um „gewalttätig, ungerecht sein" — arab. Wurzel

'wl „abbiegen", IV „gierig sein".

ägypt. 'mj „mit Lehm verschmieren" — arab. gamä „ein

Dach mit Lehm decken".

ägypt. 'rf „einhüllen" — hebr. 'älaph „verhüllen, be¬

decken".

(13)

F. Calicb, Über Semitisch-ägyptische Sprachvergleichung 37

ägypt. wrd „ruhen" — akkad. rdbä?u „liegen, ruhen",

arab. rabada.

ägypt. whr „zerstören" — akkad. haräbu „verwüsten"

(Gemeinsemitisch).

ägypt. pg' „ausbreiten, spreizen" — arab. fagä „die Beine

spreizen".

ägypt. pds „breittreten, zerdrücken" — arab. fafasa „das

Eisen breitschlagen".

ägypt. njnj „schlaff sein" — arab. Wurzel Ijn „weich sein".

ägypt. It^Q „zerstoßen" — arab. JjLobaga dgl. mifjibäg

„Mörserkeule".

ägypt. b'dj „ausbreiten" (vom Himmel, der die Erde über¬

spannt) — arab. dajf-d „ausbreiten" (von Gott, der die Erde

ausbreitet).

ägypt. hnd „schreiten" — akkad. hamätu „eilen".

ägypt. ^bm „heftig sein" — arab. zabama „drängen".

ägypt. g'fnb „blicken" — arab. galf-ama „die Augen öffnen", II „fixieren".

ägypt. t'm „verhüllen" — arab. kamä „verbergen".

ägypt. Ü)ti „baumeln" — arab. kabkab „von oben herab¬

werfen".

ägypt. di/m „lang sein" — arab. Wurzel fwl dgl.

ägypt. dbn „Gewicht" — äthiop. dalatva „wägen".

1 0

(14)

*Ali ibn Rabban at-Tabari,

ein persischer Arzt des 9. Jahrhunderts n. Chr.

Von Max Mayerhof.

Abu '1-Hasan 'Ali ibn Sahl (Rabban) at-Tabari ist einer

der bekanntesten Ärzte aus der Frühzeit der wissenschaft¬

lichen Entwicklung des islamischen Kulturkreises. Fast alle

muslimischen Bio-Bibliographen und Historiker, auch einige

abendländische Geschichtsschreiber nennen ihn, ohne aber

über seine Lebensumstände mehr als die allerdürftigsten Nach¬

richten geben zu können. Fast immer wird 'Ali at-Tabari als

ein zum Islam übergetretener Jude, und zuweilen als ein Schüler

des großen Übersetzers 5unain b. Ishäq und als der Lehrer

des bedeutendsten Arztes bezeichnet, welchen die islamische

Welt hervorgebracht hat, des Muljammad b. Zakarijjä' ar-Räzi

(Rhazes). Schon aus dem letzteren Grunde verdient 'Ali at-

Tabari das Interesse der Historiker.

Bisher war eine kritische Betrachtung des Lebenswerkes

dieses Mannes unmöglich, weil von seinem Schrifttum so gut

wie nichts zugänglich war. In den letzten Jahren sind nun

aber zum ersten Male zwei authentische und bedeutende Werke

des Gelehrten im arabischen Urtext herausgegeben worden,

und ihr Studium ist geeignet, etwas mehr Licht auf seinen

Lebensgang fallen zu lassen. Das erste ist eine polemisch¬

apologetische Schrift „Buch des Glaubens und der Herrschaft",

gegen Juden, Christen, Zoroastrier und Buddhisten, für die

islamische Religion ; sie ist von dem Orientalisten A. Mingana

kritisch herausgegeben und übersetzt worden*). Dabei hat

1) The Book of Religion and Empire by 'Ali Tabarl.

Ed. A. MiNOANA. Manchester etc. 1922. Arabic Text Cairo 1923/1342.

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