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Archiv "Didaktisches Anschauungsmaterial der Haruspices" (29.01.1982)

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Der etruskische Haruspex Leou mit einem didak- tischen Leber- modell in der lin- ken Hand.

Volterra, Museo Etrusco Guarnacci

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

GESCHICHTE DER MEDIZIN

Im 8. Jh. v. Chr. hatten die Etrusker begonnen, die heutige Toscana zu besiedeln, nachdem sie die einhei- mische Bevölkerung teilweise unter- worfen hatten. Zunächst lag Monte- catini am Rande ihres Gebietes. Als die Etrusker im 6. Jh. v. Chr. ihre Herrschaft im Norden bis in die Po- ebene und im Süden bis über Rom hinaus ausgedehnt hatten, rückte Montecatini in den mittleren Raum eines großen Reiches, deren zwölf mächtigste Stadtstaaten (später fünfzehn) sich zu einem Bund verei- nigt hatten. Im 6. Jh. v. Chr. befan- den sich also die Etrusker auf dem Gipfel ihrer Machtentfaltung. Seit dem 3. Jh. v. Chr. gerieten ihre Stadtstaaten nach und nach unter römische Herrschaft.

Hydrotechnik und Hydrotherapie der Etrusker

Die Etrusker besaßen hydrotechni- sche Fachleute, welche die malaria- verseuchten Sümpfe zu entwässern und das Land in der trockenen Jah- reszeit zu bewässern hatten. Sie sammelten Wasser in Zisternen und reinigten es teilweise, indem sie es filtrierten. Ihnen kommt fernerhin das Verdienst zu, die tüchtigsten Konstrukteure von Aquädukten ge- wesen zu sein. Selbst bei der Erbau- ung der Cloaca maxima in Rom wur- den ihre Fachleute zu Rate gezogen.

Hydrotechniker hatten die Quellen zu untersuchen und zu überwachen.

Sie sollten jeweils herausfinden, ob es sich um trinkbares oder heiliges

und damit heilendes Wasser handel- te. Es ist anzunehmen, daß sie hier- bei ähnlich wie Wünschelrutengän- ger vorgingen.

Bariäty (1) und Coury sowie Pazzini (4) meinen, daß die Etrusker mit den Wirkungsweisen und dem Gebrauch der Thermal- und Mineralwässer ver- traut waren. Da sie ihre Bauten aus Holz mit Terrakottaverkleidung er- richtet hatten, sind Bäderanlagen nicht voll erhalten geblieben. Hier- bei ist hervorzuheben, daß in Monte- catini beim Umbau der Leopoldine- Thermen etruskische Statuetten ge- funden wurden, die Exvotos darstel- len. Solche Idole wurden in die Quel- len geworfen, um Heilung von der Gottheit zu erflehen oder um sich für die Genesung zu bedanken, wie es auch in anderen Regionen zu ge- schehen pflegte.

Phytotherapie

Unsere Kenntnisse von den Kräu- tern, die bei den Etruskern Verwen- dung fanden, stammen von Hesiod, Theophrastus, Horaz, Tibull und Pli- nius sowie von Abbildungen auf Spiegeln, Wandgemälden, Friesen, Helmen, Sarkophagen, Urnen und Kandelabern. Pampanini (3) hat et- wa 20 Pflanzen identifiziert, die auf solchen Gegenständen dargestellt sind, und er hat ihre Applikationen erörtert. Daraus geht hervor, daß- noch heute manche von ihnen medi- zinische Verwendung finden. Zum

Beispiel wurde Baldrian als glänzen- des Mittel zur Beruhigung der Ner- ven und für die Behandlung der Epi- lepsie betrachtet. Lindenblüten wur- den bei der Therapie von Katarrhen des Larynx und bei Mundinfektionen verwendet. Die Rinde der Weide war wegen ihrer tonischen und adstrin- gierenden Eigenschaften und als Aphrodisiakum geschätzt.

*) Teil eines auf dem XVI. internationalen Fortbildungskongreß der Bundesärz- tekammer in Montecatini gehaltenen Vortrages über die Medizingeschichte des Raumes von Montecatini. Eine ausführliche Fassung des Vortrages kann als Sonderdruck beim Autor an- gefordert werden.

Didaktisches Anschauungsmaterial der Haruspices

Medizingeschichte der Toscana in etruskischer und römischer Zeit*)

Hans-Joachim von Schumann

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 4 vom 29. Januar 1982

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Pinzetten, Son- den und andere medizinische Instrumente der Etrusker Spektrum der Woche

Aufsätze Notizen

Medizingeschichte der Toscana

Medizinisch-Anthropologisches Gemäß der Vermessung von Skelet- ten hatten die etruskischen Männer eine durchschnittliche Größe von 1,64 m und die Frauen 1,55 m. Die durchschnittliche Lebensdauer der Etrusker betrug nach neuesten Be- rechnungen und Untersuchungen etwa 41 Jahre bei den Männern und zirka 40 Jahre bei den Frauen, wenn man von der Kindersterblichkeit ab- sieht. Dabei muß man bedenken, daß die Lebenserwartung in Europa um 1800 bei 30 Jahren lag. Natürlich gab es bei den Etruskern auch alte Menschen; entsprechend einer Grabinschrift verstarb der Etrusker Larth Vestarcnies im Alter von 84 Jahren.

Die Etrusker widmeten sich einem ausgesprochenen Totenkult, indem sie große Grabkammern bauten und teilweise prunkvoll ausstatteten. Sie machten sich viele Gedanken über das Leben nach dem Tode: Sie be- trachteten das Jenseits als eine Fort- setzung des diesseitigen Lebens.

Ursprünglich hatten sie eine heitere Vorstellung vom Jenseits. Indessen kamen im 4. Jh. v. Chr. düstere Auf- fassungen auf, offenbar in Anleh- nung an die griechische Vorstellung von einer freudlosen und schauri- gen Unterwelt und vom Reich der bösen Dämonen. Ab 4. Jh. v. Chr.

wurden die Leichen nicht mehr be- stattet, sondern verbrannt.

Offenbar hatten die Etrusker einen Hang zur Grausamkeit, der sich in

gewissen schrecklichen Strafen und Menschenopfern schon während der geschichtlichen Zeit offenbarte.

Manche zum Tode Verurteilten wur- den zusammen mit einem verstorbe- nen Sklaven in einen Sackeingenäht, damit die Fäulnis des Toten auf sie überging.

Bei den Etruskern spielten Haruspi- ces eine große Rolle, deren Bezeich- nung aus dem lateinischen Wort

„specio" (ich sehe) und dem etruski- schen Wort „haru" zusammenge- setzt ist; es ist verwandt mit dem chaldäischen „har", welches Leber bedeutet. Den Haruspices oblag u. a. die Aufgabe, die Eingeweide der Opfertiere, insbesondere Leber, Lunge, Herz, Niere, Milz und auch die Zunge zu untersuchen, um hier- aus den Willen der Götter zu erfor- schen und zu weissagen. Fernerhin mußten sie anormale Geburten wie zum Beispiel die eines Kalbes mit fünf Beinen beachten, um die Zu- kunft vorauszusagen oder sie nach Möglichkeit zu beeinflussen. Zum Beispiel bedeutete eine Pulmo bifida eine Verlangsamung der Ereignisse, eine normale Lunge eine Beschleu- nigung.

Medizinische Zaubermittel

In dieser magisch-theurgischen Me- dizin wurden Zaubermittel angewen- det. Ein gewisser Tarquenna, der Etrusker war, besaß ein Zaubermittel gegen die Gicht: „Wenn man Schmerzen in den Füßen spürte, sollte man nüchtern ausspucken

und siebenundzwanzigmal die Erde berühren und dabei sagen: ,Ich den- ke an dich, heile meine Füße; die Erde soll mein Ubel aufnehmen, die Gesundheit soll in meinen Füßen bleiben.'"

Selbst bei der Schönheitspflege wurden Zauberformeln empfohlen;

wenn man sich enthaaren wollte, sollte man einen gelben Laubfrosch in kochendes Wasser werfen, und wenn er sich zu drei Vierteln aufge- löst hatte, den Körper damit bestrei- chen.

Wie man die Eingeweide der Opfer- tiere im einzelnen zu beobachten und zu deuten hatte, war in den Libri Haruspicini festgelegt, die auf der jahrhundertelangen Erfahrung der etruskischen Wahrsager beruhten.

Studium der Opfertiere

Die Haruspices begannen bei ihren Handlungen mit der Untersuchung der Atmung des Opfertieres; es folg- te die Bestimmung der Qualität des Blutes, das aus den Verletzungen floß. Genau festgelegt wurden das Vorhandensein und die Ausdehnung von Ulzerationen, Abszessen, Verlet- zungen und Narben. Man überprüfte fernerhin den Tonus von Muskelor- ganen und deren eventuelle Dege- nerationen, den Turgor des Gallen- ganges und die Art der Sekretionen.

Auf diese Weise besaßen die Haru- spices große Kenntnisse in der Ana- tomie und pathologischen Anato- mie. Dies beweisen auch die vielen gefundenen Exvotos, die innere Or- gane aller Art darstellen.

Da die Haruspices den Verlauf der Krankheiten bei Opfertieren verfol- gen konnten, erwarben sie sich Er- fahrungen in der Prognostik; hinzu kam, daß die Haruspices eine Schule besaßen, in der sie mit Hilfe von di- daktischem Anschauungsmaterial ihre Künste erlernten. Erhalten ist eine Bronzeleber, die sich im Mu- seum von Piacenza befindet. Die anatomischen Kenntnisse waren hilfreich bei einfachen chir- urgischen Eingriffen und in der Zahnprothetik. Im etruskischen Mu- seum von Florenz sind einige Molare 80 Heft 4 vom 29. Januar 1982 79. Jahrgang

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ausgabe A/B

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Etruskisches Relief mit einer Person, die eine Wassertrinkkur macht

Banco Rurale in Saturnia Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Medizingeschichte der Toscana

und ein Dens caninus aufbewahrt, die für künstliche Überkronungen präpariert sind; denn die Etrusker stellten bereits Zahnbrücken mit goldenen Bändern und Ringen her.

Die Medizin der Etrusker war also einerseits magisch-theurgisch, an- dererseits rational ausgerichtet; bei- de Denkweisen beeinflußten sich ge- genseitig, wie es ganz allgemein in der archaischen Medizin zu sein pflegte.

Die Etrusker interessierten sich of- fenbar besonders für mißgestaltete Patienten. Abbildungen auf Vasen und Handspiegeln zeigen Menschen mit Zwergwuchs, Akromegalie, Rha- chitiker, Fettsüchtige, Makro- und Mikrozephaliker. Eine 7,3 cm große Bronzestatuette einer Frau mit linker Hüftluxation, Skoliose und rechter Konvexität (9), die wahrscheinlich vor 350 v. Chr. hergestellt wurde, diente vielleicht als Exvoto. Ferner- hin sind als Votivgaben weibliche Brüste, Geschlechtsorgane sowie Eingeweide gefunden worden.

Übernahme der etruskischen Hydrotechnik, Hydrotherapie und Hygiene durch die Römer Die Römer haben zur Medizin keine wesentlichen eigenen Beiträge ge- liefert; die meisten Ärzte, die in Rom praktizierten, waren Griechen aus Kleinasien und Alexandrien.

Neben ihnen gab es viele Scharlata- ne. Die alte römische Medizin ist ei- ne Verbindung von Volksmedizin und archaischer Medizin; sie ist durch Magie, Spekulation und the- rapeutische Empirie gekennzeich- net. Erst im 1. Jh. v. Chr. gelang es Asklepios von Bithynien, die rationa- le Medizin in Rom einzuführen.

Cäsar verlieh 49 v. Chr. den Ärzten das römische Bürgerrecht und stell- te sie unter staatliche Aufsicht. Um 30 n. Chr. schrieb Celsus eine groß- angelegte Enzyklopädie, in welcher er auch die Medizin abhandelte, ob- wohl er kein Arzt war. Plinius der Ältere (23-79) kompilierte in seiner Naturalis Historia mehr als 2000

Bände, oft mit erstaunlicher Unfä- higkeit zur Kritik, da auch er kein Arzt war.

Indessen haben die Römer erhebli- che Beiträge zur öffentlichen Hygie- ne und zum Badewesen geleistet.

Sie setzten das fort, was die benach- barten Etrusker geschaffen hatten:

Sie legten Sümpfe trocken, um die Malaria zu bekämpfen, bauten Aquä- dukte zur Wasserversorgung der Be- völkerung und schufen Kloaken zur Beseitigung der Abwässer. Vor al- lem errichteten sie kleine und größe- re, aber auch monumentale Ther- men. Wie bereits erwähnt, erbauten sie 50 km östlich von Montecatini im ursprünglich etruskischen Fiesole um 280 v. Chr. große Thermen, de- ren Ruinen noch heute unsere Be- wunderung erregen.

Allein im kaiserlichen Rom zählte man achtzig Thermen, 150 öffentli- che Latrinen und 14 Aquädukte, mit deren Hilfe jedem Bürger täglich 500 Liter reines Wasser zur Verfügung standen, nicht eingerechnet das der Bäder.

Nun ist zu bedenken, daß die Römer an vielen Orten, die sie erobernd er- reichten und unterwarfen, Thermen anlegten oder vorhandene Mineral- quellen zu Bädern ausbauten. Sie führten von 239 bis 174 v. Chr. einen

siegreichen Krieg gegen die Ligurer, die damals das Land besetzt hielten.

Was lag näher, als die im Raum von Montecatini in großer Anzahl vor- handenen Quellen auszubauen, dies um so mehr, als hier eine römische Militärstraße vorbeiführte.

Die Widmung, die durch Jahrhun- derte hindurch bis auf den heutigen Tag an der Fassade der Leopoldine- Thermen erhalten ist, lautet „Aescu- lapio et Saluti"; geht sie womöglich auf die römische Zeit zurück?

In der Nähe von Montecatini, näm- lich in Volterra, wurde ein Schwimmbad im „Castello" gefun- den, das die Römer erbaut hatten.

Die Prostitution wurde aus hygieni- schen Gründen kontrolliert. Die Lu- panare (Bordelle) durften nur außer- halb der Mauern existieren und le- diglich nachts aufgesucht werden.

Selbst die Bestattung wurde genau geregelt. Diese Form der Medizin war also vor allem in den Dienst der staatlichen Hygiene gestellt.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Dr. phil. habil.

Hans-Joachim von Schumann Rembrandtstraße 30

4000 Düsseldorf 1

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 4 vom 29. Januar 1982 83

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