Kardiologie
Gedanklich verdichtet
H. Roskamm, F.-J. Neumann, D.
Kalusche, H.-P. Bestehorn (Hg.):
Herzkrankheiten. Pathophysiolo- gie, Diagnostik, Therapie. 5., voll- ständig überarbeitete und aktuali- sierte Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg u. a., 2004, XXI, 1373 Seiten, 649 Abbildun- gen, 138 Tabellen, gebunden, 199,95 A
Das weit verbreitete, erstmals 1977 erschienene Werk liegt nun in der fünften Auflage vor – mit einem um 350 Seiten verminderten Umfang, aber offenbar gedanklich und in- haltlich verdichtet gegenüber der Vorauflage. Die 70 klar gegliederten Kapitel wurden mehrheitlich von aktiven
oder ehemaligen Mitarbei- tern des Herzzentrums Bad Krozingen verfasst, ergänzt durch einige „Gastautoren“, die sich auf ihre Texte frühe- rer Auflagen einschließlich der jeweiligen Literaturzitate stützen. Positiv herauszuhe- ben sind das neu bearbeitete Kapitel „Akute Koronarsyn- drome“ und die Darstellung gerinnungsaktiver Substan- zen. Die immer wichtiger werdende Molekulargenetik kardialer Arrhythmien ist mit knapp einer Seite vielleicht etwas zu kurz geraten. Ein Hinweis auf die pharmakolo- gisch-elektrische Hybridthe- rapie bei Vorhofflimmern wä- re hilfreich gewesen. Leider wird auf die Perspektiven der Stammzelltransplantation so- wie die Gen- und Zellthera- pie noch nicht eingegangen.
Überzeugend ist die inhalt- liche Verknüpfung mit der Herzchirurgie; von prakti- schem Wert sind die Kapitel über Bewegungstherapie, Prä- vention und Rehabilitation.
Das Buch wird sich in der no- blen Konkurrenz vergleichba- rer deutscher Werke behaup- ten können, auch wenn nicht jedem Kapitel die reklamierte vollständige Überarbeitung und Aktualisierung anzumer- ken ist. Berndt Lüderitz
Medizingeschichte
Eingriff in die ärztliche Kunst
Thorsten Noack: Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht des Pa- tienten. Juristische Entscheidun- gen, Politik und ärztliche Positio- nen 1890–1960. Reihe Wissen- schaft, Band 73. Mabuse Verlag, Frankfurt/Main, 2004, 238 Seiten, 24 Abbildungen, kartoniert, 25 A Aufklärungspflicht der Ärzte, Selbstbestimmungsrecht und Einwilligung des Patienten sind nicht mehr wegzuden- kende Parameter im Verhält- nis zwischen Arzt und Pati- ent, die auch heute noch viel Konfliktstoff bieten und die Gerichte beschäftigen. Wie sich die Positionen der Ärzte- schaft und der deutschen Rechtsprechung zu diesen Parametern zwischen 1890 und 1960 entwickelt haben, beschreibt diese medizinhi- storische Dissertation. Sie schließt eine Lücke im Wissen über das juristische Selbstver- ständnis der Ärzteschaft und enthält aufschlussreiche Hin- weise zu den formellen Grundlagen des Arzt-Patien- ten-Verhältnisses.
Mittlerweile liegen einige Untersuchungen über Men- schenversuche und Experi-
mente seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts vor. Der Aus- handlungsprozess zwischen den beiden grundsätzlich ver- schieden ansetzenden Diszi- plinen Medizin und Jura ist noch nicht dargestellt worden.
Die Eckdaten, die der Stu- die zugrunde liegen, beziehen sich auf einen Hamburger Kunstfehlerprozess ausgangs des 19. Jahrhunderts und auf das erste Urteil zur Elektro- schocktherapie in der Bun- desrepublik. Bei dem Ham- burger Fall ging es um eine nach dem damaligen Stand medizinisch indizierte und kunstgerecht durchgeführte Fußamputation bei einem an Knochentuberkulose leiden- den Mädchen, die gegen den Willen ihres Vaters durchge- führt wurde. Dieser erstattete deshalb trotz erfolgter Hei- lung Anzeige gegen den Chir- urgen Heinrich Waitz. Das Landgericht Hamburg sprach den Arzt frei, die Staatsan- waltschaft legte jedoch Revi- sion ein. So kam der Fall vor das Reichsgericht, das die Amputation als Körperver- letzung beurteilte – zur großen Empörung der Ärzte- schaft, für die ein solches Ur- teil natürlich weit reichende Konsequenzen haben konnte.
Noack untersucht die Re- aktionen der Ärzteschaft auf eine über den langen Unter- suchungszeitraum divergie- rende Rechtsprechung, die sie als enormen Eingriff in die ärztliche Kunst betrachtete und von der sie sich, wenn sie wie im Hamburger Fall ent- schieden wurde, kriminali- siert fühlte. Als Quellen die- nen ihm vor allem – neben medizinischen Fachzeitschrif- ten sowie Lehr- und Rechts- handbüchern – Krankenak- ten der psychiatrischen Wit- tenauer Heilstätten und des kinderorthopädischen Oskar- Helene-Heims.
Die flüssig geschriebene Studie ist ein bedeutender Beitrag zur juristischen Kom- ponente des Arzt-Patienten- Verhältnisses und ein wichti- ger Baustein zum Verständnis der ärztlichen Professionali- sierungsgeschichte.
Sylvelyn Hähner-Rombach
A
A3098 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 101⏐⏐Heft 46⏐⏐12. November 2004
B Ü C H E R
Chirurgie
Arbeitsanregung
Reinhard Schnettler, Hans-Ul- rich Steinau (Hrsg.): Septische Knochenchirurgie. Georg Thie- me Verlag, Stuttgart, New York, 2004, IX, 302 Seiten, 524 meist farbige Abbildungen, 26 Tabel- len, 149 A
Die Behandlung von Kno- chen- und Weichteilinfektio- nen stellt in der Chirurgie, der Unfallchirurgie und der Orthopädie einen wichtigen Teilbereich dar, der viel Auf- merksamkeit und individu- elle Anpassung an die jewei- lige Befundsituation erfor- dert. Zielsetzung des Buches ist es, einerseits dem Arzt in Weiterbildung die Grundzü-
ge der septischen Operati- onstechnik darzustellen und andererseits dem Facharzt als Nachschlagewerk und Arbeitsanregung zu dienen.
Im Mittelpunkt der acht Kapitel steht die Diagnostik und die chirurgische Be- handlung der Osteitis. Die Antibiotikatherapie wird in einem gesonderten Kapitel ausführlich abgehandelt, der Behandlung infizierter Pro- thesen des Knie- und Hüft- gelenkes wird ein weiteres Kapitel gewidmet. Zudem werden plastisch rekon- struktive Eingriffe und die Arthrodese im Infekt am Knie- und Sprunggelenk be- schrieben.
Das Buch ist übersichtlich gestaltet, in farbig hervorge-
hobenen Marginalien sind wichtige Merksätze, Hinwei- se zu Fehlern und Gefahren
sowie Tipps und Tricks ent- halten, sodass es sowohl zur schnellen Orientierung im klinischen Alltag als auch im Lernprozess gut verwendet werden kann. Andreas Dehne