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DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
23. Juli 1982 79. JahrgangD
ie Verabschiedung des Entwurfs einer neuen amt- lichen ärztlichen Gebüh- renordnung (GOÄ) am 14. Juli 1982 durch das Bundeskabinett hat die Verantwortung für die- ses Verordnungsvorhaben des Bundesarbeitsministers nun- mehr den Regierungen der Bundesländer zugeschoben.Sie werden dabei zu berück- sichtigen haben, daß die An- wendung dieser Verordnung als Vertragsgrundlage für Pa- tient und Arzt die Beziehungen zwischen dem Privatpatienten und seinem Arzt stringenter und bürokratischer reglemen- tieren würde als die Beziehun- gen zwischen Kassenpatient und Kassenarzt.
Die in der Verordnung anvi- sierte Einheitsgebühr und der zusätzliche Verwaltungsauf- wand würden die Einnahmen der Ärzte aus der Privatpraxis um durchschnittlich mehr als 20 v. H. verkürzen. Sie würden gleichzeitig die bürokratischen Praxiskosten exzessiv in die Höhe treiben. In einigen Fach- bereichen würden die Umsatz- minderungen so hoch sein, daß sich die Einnahmen aus Privat- liquidationen halbieren.
Damit würde jeder Arzt vor die Frage gestellt werden, ob er künftig nach dieser Gebühren- ordnung noch Privatpatienten behandeln kann, ohne unzu- mutbare Kostenüberwälzungen aus dieser Tätigkeit auf die Kassenarzttätigkeit in Kauf zu nehmen. Der Krankenhausarzt wird prüfen müssen, ob bei An- wendung der neuen Gebüh- renordnung nicht de facto eine
Subventionierung des Kran- kenhausbetriebes durch die li- quidierenden Ärzte und die am Honorarpool Beteiligten erfol- gen würde.
Bei Inkrafttreten des jetzt vom Bundeskabinett verabschiede- ten Entwurfs würden die Vor- aussetzungen entfallen, welche Grundlage der bisherigen Zu- sammenarbeit zwischen dem Verband privater Krankenver- sicherungen einerseits und der Bundesärztekammer anderer- seits sind. Für gemeinsame Ausschüsse beider Institutio- nen besteht dann kein Arbeits- feld mehr, da dieses unter Be- fürwortung des Verbandes der privaten Krankenversicherun- gen staatlichen Regelungen überantwortet wird.
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och am Wochenende vor Verabschiedung des Ent- wurfs im Bundeskabinett hatte der Parteivorsitzende der F. D. P. und Vizekanzler den Präsidenten der Bundesärzte- kammer zum GOÄ-Entwurf aufmerksam angehört und Ver- ständnis signalisiert. Der Kabi- nettsbeschluß vom 14. Juli zeigt, daß sich die Pünktchen- partei in der noch immer regie- renden sozialliberalen Union in Bonn in dieser Sache für die größte Gruppe der freien Beru- fe in der Bundesrepublik Deutschland nicht stark genug machen mochte oder konnte.Im Unterschied zu den Ent- scheidungen des Sommerthea- ters 1981 gehen nunmehr na- hezu alle „Sparbeschlüsse" wie auch die sie begleitende Neu- fassung der ärztlichen Gebüh-
renordnung auf Kosten des selbständigen und unselbstän- digen Mittelstandes, der schon seit langem der eigentliche Leistungs- und Lastenträger der Nation ist. Dies ist der glei- che Bevölkerungsteil, aus dem in der Bundestagswahl 1980 hohes Vertrauen in die FDP ge- setzt wurde, diese werde dem weiteren Abwracken von Wett- bewerbswirtschaft und Lei- stungsgesellschaft ihr entschie- denes „Nein" entgegensetzen.
Gerechterweise bleibt anzuer- kennen, daß es die FDP war, die den Versuch unternommen hat, durch einen „Einstieg" in Selbstbeteiligungen weitere Belastungen der gesetzlichen Krankenversicherung abzu- wehren, was sich letztlich aber im Gegensatz zu den Vorstel- lungen der Ärzteschaft nur als Entlastung des Bundeshaus- halts auswirkt.
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ie Hundstage 1982 haben die Szenerie verändert. Die Beschlüsse dieses Som- mers in Bonn lassen sich für keinen Wähler in Einklang bringen mit den Wahlaussagen der FDP in Hessen. Statt der im Sommer 1981 versprochenen„Wende" beobachtet die Wäh- lerschaft nun nur noch ein
„Wackeln" auf dem Drahtseil der 5-Prozent-Grenze. Glaubt die FDP wirklich, damit in der für die Regierungsfähigkeit der Bonner Koalition so wichtigen Hessenwahl die notwendigen Wähler aus einer enttäuschten Mittelschicht für sich gewinnen zu können?
Angesichts dieser Situation kann eine die Beziehungen der Privatpatienten zu ihren Ärzten sinnvoll regelnde neue amtli- che Gebührenordnung für Ärz- te nur noch von einem klaren
„Nein!" des Bundesrates und von anschließender Neugestal- tung der ärztlichen Gebühren- ordnung durch eine neue Re- gierung in Bonn erhofft wer- den. DÄ
Nach Redaktionsschluß:
Bundesregierung verabschiedet GOÄ-Entwurf
Privatpatienten unerwünscht
Jetzt ist der Bundesrat gefordert
Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 29 vom 23. Juli 1982 1