DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
KURZBERICHTE
Bundesärztekammer fordert vom Kanzler unverzügliche
Entscheidung über den Arzt im Praktikum
Namens des Vorstandes der Bundes- ärztekammer hat deren Präsident, Dr.
Karsten Vilmar, in einem Schreiben dringend an Bundeskanzler Dr. Hel- mut Kohl appelliert, die 5. Novelle zur Approbationsordnung endlich auf den Weg zu bringen. Der Vorstand der Bundesärztekammer hatte sich am 11. Juli zu diesem Schritt ent- schließen müssen, nachdem die No- velle, obgleich fertiggestellt, seit Wo- chen in Bonn „ruht". Die 5. Novelle enthält vor allem Einzelheiten über den Arzt im Praktikum (AiP). Der Grundsatzbeschluß über die Einfüh- rung des AiP ist längst gefallen: Mit der letzten Novellierung der Bundes- ärzteordnung wurde die Einführung des Arztes im Praktikum gesetzlich vorgeschrieben.
Die Novellierung der Approbations- ordnung (A0) soll den Rahmen, den die Bundesärzteordnung setzt, nun ausfüllen. Doch die Bundesregierung zögert, sie auf den Weg in den Bun- desrat zu bringen; die Zustimmung des Bundesrates ist erforderlich, um die AO-Novelle, die eine Rechtsver- ordnung des Bundes ist, in Kraft zu setzen. Offensichtlich hat sich die Bundesregierung durch eine Reihe von Widerständen (dazu der Kom- mentar auf „Seite eins" in Heft 27:
„AiP — Bonn muß endlich handeln") irritieren lassen.
Dem setzt nun der Vorstand der Bun- desärztekammer in seinem Schrei- ben an Bundeskanzler Dr. Kohl fol- gende Argumentation entgegen (Wortlaut):
„Der schleppende Fortgang und die seit langem überfällige Entscheidung insbesondere über die Ausgestaltung der durch das Gesetz zum 1. Juli 1987 vorgesehenen Einführung einer zu- nächst 18monatigen, ab 1991 zwei- jährigen ,Arzt im Praktikum`-Phase hat zu großer Rechtsunsicherheit ge-
führt. Die zur Einführung notwendi- gen Vorarbeiten können weder bei der Ärzteschaft, noch bei Kranken- hausträgern, noch bei den Tarifpart- nern rechtzeitig begonnen und abge- schlossen werden. Dies hat zu großer Unruhe bei den von der Neuregelung betroffenen Studenten geführt.
Eine unverzügliche Entscheidung über den Entwurf der neuen Appro- bationsordnung ist aber auch des- halb nötig, weil die durch Änderung der Zulassungsordnung für Kassen- ärzte 1982 eingeführte 18monatige Vorbereitungszeit 1988 ausläuft. Der Bundesrat hatte seine Zustimmung zu dieser Vorbereitungszeit seiner- zeit davon abhängig gemacht, daß die Bundesregierung ihre Vorstellun- gen zur Neuordnung der Ausbildung zum Arzt vorlegt. Falls es jetzt nicht zu einer fristgerechten Verabschie- dung der Approbationsordnung kom- men sollte, wären also weitere Ge- setzesänderungen für die künftige Regelung einer Vorbereitungszeit zur Sicherung der Qualität der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung nicht zu umgehen.
Die Entscheidung über die neue Ap- probationsordnung verträgt ferner wegen der Konsequenzen für europä- isches Recht keine weitere Verzöge- rung. Die zur Verabschiedung im EG- Ministerrat anstehende EG-Richtlinie ,Allgemeinmedizin' sieht vor, daß ab 1. Januar 1988 in allen EG-Staaten ei- ne mindestens zweijährige zusätz- liche Ausbildung zur Qualifikation in der Allgemeinmedizin eingeführt wird, die später Voraussetzung für die Zulassung zur Tätigkeit als Arzt in den Systemen der sozialen Siche- rung der EG-Staaten werden soll. Die Umsetzung dieser EG-Richtlinie ,All- gemeinmedizin' in nationales Recht ist in der Bundesrepublik Deutsch- land an die Verabschiedung der neu- en Approbationsordnung gebun- den."
Abschließend bittet der Vorstand der Bundesärztekammer den Bundes- kanzler um eine rasche Entschei- dung, um „den durch weiteres Ab- warten immer unerträglicher werden- den Zustand der Ungewißheit zu be- enden". EB
Gesundheitspolitik der FDP: Auf den Partner kommt's an
Der Arbeitgeberbeitrag zur gesetz- lichen Krankenversicherung sollte dem Lohn zugeschlagen werden, der Arbeitnehmer sollte die Mög- lichkeit bekommen, freier als bis- her die Krankenversicherung zu wählen. Nur wenn der Arbeitneh- mer vollständig den Beitrag für die Krankenversicherung zu zahlen habe, habe er den vollen Über- blick darüber, was sie ihn koste, und dadurch den Anreiz, die Bei- tragsmittel sparsam einzusetzen.
Dieses Konzept hat der FDP-Frak- tionsvorsitzende Wolfgang Misch- nick auf einer gesundheitspoliti- schen Veranstaltung der FDP- Bundestagsfraktion in Stuttgart am 1. Juli 1986 einmal mehr vertre- ten („Wer Eigenbeteiligung will, muß den Arbeitgeberbeitrag dem Lohn zuschlagen.").
Mischnick setzte sich darüber hin- aus dafür ein, in der nächsten Le- gislaturperiode die Struktur der gesetzlichen Krankenversiche- rung neu zu ordnen. Die „jetzige Mischung bedürfe eines kräftigen Zuschusses von mehr Eigenvor- sorge und zusätzlicher wettbe- werblicher Elemente". Tabus dür- fe es in keinem Rechtsbereich ge- ben. Es gehe darum, Prioritäten zu setzen und das Leistungsspek- trum immer wieder zu durchfor- sten. Mischnick und die sozialpoli- tische Sprecherin der FDP-Frak- tion, Dr. Irmgard Adam-Schwaet- zer, wiederholten die FDP-Grund- vorstellungen von Eigenvorsorge, Wahlfreiheit, Selbstbeteiligung.
Frau Adam-Schwaetzer erinnerte auch an das FDP-Ziel, längerfristig auf das Kostenerstattungssystem überzugehen. Es fiel in Stuttgart freilich auf, daß sie diesen Punkt eher beiläufig ansprach.
Wichtiger als die Erinnerung an die bekannten gesundheitspoliti- schen Gundsatzpositionen der
FDP wäre es, wenn sich die Libe- ralen unmißverständlich dazu äu- Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 31/32 vom 1. August 1986 (19) 2139
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
KURZBERICHTE
Bern würden, wie und mit wem sie ihre Vorstellungen politisch durchzusetzen gedenken. Das ist mit dem derzeitigen Koalitions- partner wohl schon schwierig ge- nug.
Es wäre mit der SPD, die in diesen Tagen einen gesundheitspoliti- schen Leitantrag vorlegte, der li- beralen Vorstellungen konträr ent- gegenläuft, unmöglich. Das zeigt allein schon die Reaktion von An- ke Fuchs auf die Stuttgarter SPD- Tagung. Folgt man Frau Fuchs, dann ist die FDP auf dem Weg in die den finanziellen Wirtschaftsli- beralismus. Sollte sich die FDP nicht zur Neuauflage der Koalition entschließen, dann kann der Wäh- ler die schönen Vorstellungen über das Gesundheitswesen ge- trost vergessen.
Genau an dem Tag, an dem Misch- nick und Adam-Schwaetzer in Stuttgart die Gesundheitspolitik ihrer Partei vorstellten, berichtete die Presse von widersprüchlichen Positionen im FDP-Parteivorstand in Sachen Koalitionsaussage. Zu jenem Kreis nordrhein-westfäli- scher FDP-Politiker, die sich zur Zeit noch nicht festlegen wollen, gehörte, so die Presse, auch Frau Adam-Schwaetzer. NJ
—ZITAT
Prioritäten setzen
„Wir müssen Prioritäten setzen und auch bereit sein, das Leistungsspek- trum daraufhin immer wie- der zu durchforsten. Die in der nächsten Legislaturpe- riode anstehenden Struk- turreformen in wesent- lichen Bereichen der sozia- len Sicherung sollten kon- sequent genutzt werden, um generell das System der sozialen Sicherheit auf die künftigen Entwicklun- gen hin zu orientieren."
Wolfgang Mischnick
Erweiterte Verwendungs-
möglichkeiten für die Versicherungsnummer
Künftig soll die bereits seit 1967 in der gesetzlichen Rentenversiche- rung geltende Versicherungsnum- mer auch für den Bereich der Bun- desanstalt für Arbeit (BA) gelten.
Dies sieht der Entwurf eines „Ge- setzes zur Regelung der Verwen- dung der Versicherungsnummer"
vor. Die Novelle soll der Entschei- dung des Bundesverfassungsge- richts zum Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 Rechnung tragen, nach der ein allgemeines Personenkennzeichen mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.
Den gleichen verfassungsrecht- lichen Auflagen unterliegt auch ein „Substitut", das, wie ein allge- meines Personenkennzeichen, es erlaubt, alle personenbezogenen Daten zu einem „Gesamtbild" zu erfassen. Andererseits soll die er- weiterte Verwendungsmöglichkeit der Versicherungsnummer die ge- wachsenen Aufgaben der Arbeits- verwaltung bewältigen helfen.
Der Entwurf enthält keine Vor- schriften über die Vergabe der Versicherungsnummer. Er beläßt es vielmehr beim geltenden Recht, wonach nur die Träger der Ren- tenversicherung diese Nummer ausgeben dürfen. Dem Entwurf zufolge soll das Vierte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB) er- gänzt und geändert werden, in- dem im Artikel 1 namentlich auch die Verwendung bei der Bundes- anstalt für Arbeit vorgesehen und die Zulässigkeit und Abgabe der Versicherungsnummer geregelt werden soll. Danach dürfen die Sozialleistungsträger, ihre Ver- bände, ihre Arbeitsgemeinschaft, die Bundesanstalt für Arbeit, die Deutsche Bundespost (soweit die- se mit der Berechnung oder Aus- zahlung von Sozialleistungen be- traut worden ist) und die Künstler- sozialkasse die Versicherungs-
nummer nur dann erheben, spei- chern oder verwenden, wenn dies zur personenbezogenen Zuord- nung der Daten im Rahmen der Er- füllung einer gesetzlichen Aufga- ben erforderlich ist.
Für Untersuchungen, die gesund- heitliche Schäden beim Versicher- ten vorbeugen oder diese behe- ben sollen, und für entsprechende Dateien gilt dies nur, soweit die Versicherungsnummer zur perso- nenbezogenen Zuordnung der Da- ten bei langfristigen Beobachtun- gen erforderlich ist. Auch darf die Versicherungsnummer nur dann benutzt werden, wenn andernfalls der Aufbau eines besonderen Ord- nungsmerkmals mit erheblichem organisatorischem und finanziel- lem Aufwand verbunden wäre.
Nach § 18 f des Entwurfs darf die Nummer nur bei langfristigen Ge- sundheitsbeobachtungen der Ver- sicherten verwendet werden oder, falls die Träger nicht darauf zu- rückgreifen können, eigene Num- mern einzuführen und aufzubauen und Richtigkeitskontrollen durch- führen müßten.
Im einzelnen wird auf die Verwen- dung der Versicherungsnummer je nach Sozialleistungszweig auf folgendes hingewiesen:
Die Rentenversicherungsträ- ger (Landesversicherungsanstal- ten, Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) benutzen die Nummer als Aktenzeichen für die EDV-mäßige Bearbeitung aller Vorgänge von der Erstmeldung bis zur Leistungsgewährung.
I> In der gesetzlichen Unfallversi- cherung wird die Nummer, ge- stützt auf § 1550 RVO, bei der Un- fallanzeige verwandt. Das gleiche gilt für die Meldung von Berufs- krankheiten. Die Verwendung der Nummer ist auch dadurch legiti- miert, daß Unfallrentenzahlungen regelmäßig der Rentenversiche- rungsanstalt gemeldet werden müssen (§ 1522 RVO).
I> Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind gemäß
§ 319 Absatz 4 RVO legitimiert, 2140 (20) Heft 31/32 vom 1. August 1986 83. Jahrgang Ausgabe A