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undesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) habe seit Amtsan- tritt – „in wolkigen Worten“ – viele Ansichten geäußert, die sich mit dem gesundheitspolitischen Konzept der FDP deckten, sagte Dr. Wolfgang Ger- hardt, Bundes- und Fraktionsvorsitzen- der der FDP, am 21. Februar in Stutt- gart. Ähnlich wie die konservativ-libe- rale Koalition im Jahr 1998 erkenne nun auch die rot-grüne Bundesregierung, dass die Budgetierung ein falsches In- strument für das Gesundheitswesen sei und durch mehr Selbstverantwortung der Patienten sowie mehr Wettbewerb ersetzt werden müsse. Gerhardt geht je- doch davon aus, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder entsprechende Über- legungen bis zum Bundestagswahl- kampf 2002 dementieren wird und erst danach „einknickt“. „Frau Schmidt hat bereits ihre Lippen gespitzt. Wir hoffen, dass sie jetzt auch pfeifen darf“, sagte Dr. Ulrich Noll, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg. Wie bei der Ren- te werde die rot-grüne Koalition langfri- stig auch im Gesundheitswesen ihr Kon- zept ändern und dem der FDP anpassen müssen, meint Gerhardt.„Wenn wir wieder die Regierungs- verantwortung innehaben, werden wir unser Gesetz von 1998 aus der Schubla- de ziehen“, brachte Dr. Dieter Thomae, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, die FDP als Koalitionsalternative zu den Bündnis- Grünen für die SPD ab 2002 ins Ge- spräch. Die Grünen spielten seit dem Ministerinnenwechsel auf dem wichti- gen Feld der Gesundheitspolitik in Ber- lin keine Rolle mehr.
Thomae erläuter- te vor Journalisten die Eckpunkte der liberalen Gesund- heitspolitik(Textka- sten). Er betonte, dass die von der
FDP favorisierte größere Eigenverant- wortung der Patienten letztlich sozialer sei als das jetzige System: Wenn das Budget erschöpft sei, erhalte der sozial Schwache heute keine medizinischen Leistungen mehr. Aufgrund der Härte- fall- und Überforderungsregelungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei dies in einem System mit mehr Eigenverantwortung nicht zu be-
fürchten. Thomae erklärte auf Nachfra- ge, dass er die Neuregelung in den Nie- derlanden, wo sich Arbeitnehmer be- reits ab einem Bruttogehalt von jährlich 20 000 Gulden (etwa 17 800 DM) privat versichern können, als einen Schritt in die richtige Richtung erachte. Die Höhe der Pflichtversicherungsgrenze müsse allerdings an einem „runden Tisch“ mit den Beteiligten ausgehan- delt werden. Thomae kündigte an, dass die FDP-Bundestagsfraktion noch vor der Sommerpause ein Eckpunktepa- pier zur Verbesserung der Wahlmög- lichkeiten der Versicherten für die Ge- staltung ihres Versicherungsschutzes vorlegen werde.
Der gesundheitspolitische Experte der FDP sprach sich dafür aus, eine pri- vate Unfallversicherungspflicht einzu- führen, um die Diskussion über den Umgang mit Risikosportarten zu been- den. Eine private Unfallversicherung
„koste nicht die Welt“ (etwa 10 DM im Monat), und es müsse dann nicht festgelegt werden, welche Sportarten riskant sind und welche nicht. Zudem seien bereits viele im Besitz einer pri- vaten Unfallversicherung. Als zumin- dest „diskussionswürdig“ betrachtet die FDP eine Erhöhung der Alkohol- und Tabaksteuern. Jens Flintrop P O L I T I K
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A512 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 9½½½½2. März 2001
FDP zur Gesundheitspolitik
Gespitzte Lippen und wolkige Worte
Die FDP ist überzeugt, dass Kanzler Schröder mit Ulla Schmidt eine „dialogfreudige“ Gesundheitsministerin „installierte“, um die Wogen zu glätten und gesundheitspolitische Themen aus dem Bundestagswahlkampf 2002 herauszuhalten.
Plädoyer für mehr Wettbewerb
Die Eckpunkte des FDP-Konzepts für eine „zu- kunftsorientierte Gesundheitspolitik“ zielen auf mehr Wettbewerb und Eigeninitiative. Die Libera- len fordern eine Gesundheitspolitik,
❃die sich am tatsächlichen Bedarf der Patienten orientiert;
❃die eine hochwertige medizinische Versorgung aller Patienten gewährleistet und eine Zwei- Klassen-Medizin verhindert;
❃die den Menschen Wahlmöglichkeiten für die Gestaltung ihres Versicherungsschutzes gibt;
❃die ohne Budgets im Gesundheitswesen aus- kommt;
❃die feste Preise für ärztliche und zahnärztliche Leistungen vorsieht;
❃die im Krankenhausbereich ein funktionieren- des Preissystem statt staatlich festgesetzter Ausgabenbegrenzungen in die Wege leitet;
❃die auf Wettbewerb und Eigeninitiative setzt statt auf Bürokratie;
❃die Anreize zur Eigenverantwortung der Versi- cherten stärkt und ihnen dabei hilft, gesund- heitsbewusst zu leben, und
❃die langfristig Vorsorge trifft für die Auswirkun- gen der demographischen Entwicklung.
Wolfgang Gerhardt: „Die Gesundheitspolitik wird bei der nächsten Bundestagswahl eine ent- scheidende Rolle spielen.“ Foto: ddp