A-560
S P E K T R U M AKUT
(4) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 11, 13. März 1998
Welt-Tuberkulose-Tag
Jede Sekunde eine Neuinfektion
M
ehr als 100 Jahre nach der Entdeckung des Tuberkulose-Erregers und mehr als 50 Jah- re nach Einführung der antituberkulösen Therapie sind weltweit mehr Menschen als jemals zu- vor von der „weißen Pest“ mit Krankheit und Tod be- troffen. Weltweit kommt es rein rechnerisch jede Se- kunde zu einer frischen Infektion, und alle zehn Se- kunden stirbt ein Mensch an Tuberkulose – das sind drei Millionen jährlich. Der Welt-Tuberkulose-Tag am 24. März ist Anlaß genug, die Öffentlichkeit dar- über zu informieren, daß der Kampf gegen die Tu- berkulose dringender als je zuvor ist. Obwohl die Tu- berkulose gut behandelbar und gut kontrollierbar wäre, fehlen in den meisten Ländern die finanziellen und organisatorischen Mittel.E
in Programm, das innerhalb der nächsten Jah- re zu einer Reduzierung der Tuberkulose- erkrankungen und -todesfälle um fast die Hälfte führen könnte, hat die Weltgesundheitsorga- nisation (WHO) entwickelt. Die Kosten lägen für ein Jahr unter denen eines hochentwickelten Kampfflug- zeuges. In Deutschland hat die Tuberkulose, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch die zweithäufigste Todesursache war, zwar ihren Schrecken verloren, immerhin erkrankten aber im Jahr 1996 noch fast 12 000 Menschen, 900 starben. Die in weiten Regio- nen der Welt zu beobachtende Zunahme der Resi- stenz des Tuberkulose-Erregers gegen die üblichen Medikamente hat nach den Ergebnissen einer Studie des Deutschen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose e.V. in Deutschand noch zu keinem An- stieg der besonders gefürchteten Multi-Resistenz ge- gen INH und Rifampicin geführt.D
ie Entwicklung in Osteuropa mit regionalen Resistenzraten zwischen zehn und 25 Pro- zent, die sprunghaft nach dem Zusammen- bruch der dortigen Gesundheitsversorgung zu ver- zeichnen sind, sollte aber zu umfassenden Hilfsmaß- nahmen veranlassen. Da es keine für die Tuberku- lose allein charakteristischen Symptome gibt, muß die Lungentuberkulose weiterhin in die differential- diagnostischen Überlegungen einbezogen werden.Die wichtigsten präventiven Maßnahmen sind die aktive Fallfindung durch Umgebungsuntersuchun- gen von neuerkrankten Tuberkulosepatienten und Risikogruppen sowie die Durchführung einer effek- tiven Chemotherapie mit einer ausreichenden Zahl von Medikamenten, die mit der individuell zu erwar- tenden oder bekannten Resistenzsituation abge- stimmt wird. Prof. Dr. med. Robert Loddenkemper