(6, 9). Über die Vorkommenshäufig- keit solcher Komplikationen können in bezug auf die Gesamtheit aller Ecstasy-Konsumenten bisher keine Aussagen gemacht werden. Es ist zu vermuten, daß bestehende Prädispo- sitionen für psychische Erkrankungen beim Auftreten der geschilderten psychiatrischen Komplikationen und Folgewirkungen, im Sinne des „Dia- these-Streß-Modells“, eine wichtige Rolle spielen. So ist bei einer unbe- kannten Anzahl der Fälle davon aus- zugehen, daß die Einnahme von Ecstasy die Funktion eines „Triggers“
bei der Auslösung schwerer psychi- scher Störungen (beispielsweise psy- chotische Dekompensationen) hat.
Ungeklärt bleibt in den Untersuchun- gen aber, welche Bedeutung dem gleichzeitigen Mißbrauch anderer Drogen beizumessen ist. Es gibt je- doch Hinweise darauf, daß die gleich- zeitige Einnahme von Cannabis und Ecstasy das Risiko psychotischer De- kompensationen erhöht. Darüber hinaus scheint eine Tendenz zur Überdosierung das Auftreten psych- iatrischer Folgeerkrankungen zu be- günstigen. Auffallend ist, daß nach einmaliger Einnahme von Ecstasy kaum über psychiatrische Komplika- tionen berichtet wird, diese treten überwiegend erst nach einer kumula- tiven Dosis von 40 bis 50 Tabletten auf.
Mögliche Verunreinigungen der MDMA-Tabletten mit anderen Suchtstoffen spielen bei der Auslö- sung psychiatrischer Erkrankungen eher eine untergeordnete Rolle, da bei betroffenen Patienten häufig hochreines MDMA gefunden wurde und sich die meisten Störungen auch im Tierexperiment induzieren lassen.
Die Untersuchungsbefunde sprechen für eine schnelle Toleranzentwick- lung gegenüber MDMA; die positi- ven Effekte nehmen rasch zugunsten der negativen ab. Die Konsumenten wirken diesem Verlauf durch zykli- sche Verwendungsmuster entgegen, indem sie drogenfreie Intervalle ein- legen.
Nach unseren Erfahrungen und denen anderer Forschungsgruppen nutzen einige Konsumenten Ecstasy zur Bewältigung intrapsychischer Konflikte und anderer Lebensbela- stungen. Diese Untergruppe, die
Ecstasy auch regelmäßig und allein über die Woche hinweg verwendet, ist am stärksten von einer psychischen
Abhängigkeitsentwicklung bedroht;
nach heutigem Erkenntnisstand ver- ursacht Ecstasy jedoch keine körper- liche Abhängigkeit.
In diesem Kontext ist allerdings zu bedenken, daß Ecstasy in seltenen Fällen als „Einstiegsdroge“ in eine schwerwiegende stoffgebundene Ab- hängigkeit fungieren kann. Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, daß die meisten Ecstasy-Verwender po- lytoxikoman sind, also eine Vielzahl anderer Suchtmittel (zum Beispiel Cannabis, Amphetamine, LSD oder Kokain) neben Ecstasy verwenden.
Neurologische und neurobiologische Befunde
Die am häufigsten beschriebenen neurologischen Störungen, die mit der Einnahme von Ecstasy in Zusam- menhang gebracht werden, sind zere- brale Krampfanfälle (Textkasten Neu- rologische Komplikationen). Weitaus seltener wird in der Literatur über ter- ritorial begrenzte Hirninfarkte, Hirn- blutungen und korneale Epitheliopa- thien berichtet. Das Auftreten dieser Komplikationen scheint in keiner ein- fachen linearen Beziehung zur einge- nommenen Ecstasy-Dosis zu stehen;
dies spricht für die Bedeutung indivi- dueller Vulnerabilitäten.
MDMA ist eine Substanz, die di- rekt in den Neurotransmitter-Stoff- wechsel eingreift. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, daß MDMA zu einer Erhöhung der Serotonin- Konzentration im synaptischen Spalt führt; MDMA bewirkt vermutlich ei- ne Serotoninfreisetzung aus den prä- synaptischen Vesikeln, eine Hem- mung des abbauenden Enzyms MAO- A sowie eine Inhibition der Rückspei- cherung des Serotonins in die präsyna- ptische Endigung (1). Neben dem Serotonin- beeinflußt MDMA auch die Aktivität des Dopamin-Neuro- transmitter-Systems; dieses jedoch weit weniger stark als das serotonerge System. Wahrscheinlich führt eine durch MDMA ausgelöste Ausschüt- tung von Serotonin indirekt auch zu einer erhöhten Dopaminfreisetzung.
Untersuchungen an Affen konn- ten belegen, daß die hochdosierte Verabreichung von MDMA zu einer A-374
M E D I Z I N AKTUELL
(42) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 7, 14. Februar 1997 Tabelle 1
Fallbeschreibungen: Psychiatrische Komplikationen bei Ecstasy-Konsumenten
Syndrom Störungsbild Akutsyndrome Panikstörung
- Angst
- Desorientierung - Übererregung Intoxikations- Paranoide Psychosen Psychose
- Beziehungswahn - Verfolgungswahn - auditorische
Halluzinationen - visuelle
Halluzinationen Anhaltende Atypische Psychose Folgeerkran- - Affektverflachung kungen - Kontaktstörung
- Denkstörung Paranoide Psychose - Verfolgungswahn - Beziehungswahn Depressives Syndrom Panikstörung Depersonalisations- syndrom
Verhaltensauffällig- keiten
„Flashbacks“ Wahn- und Psychose- phänomene
Negativ erlebte psychotrope Akuteffekte
des Ecstasy-Rausches 1 Konzentrationsstörung
1 Eingeschränktes Urteilsvermögen 1 Appetitverlust
1 Visuelle Halluzination 1 Auditorische
Wahrnehmungsstörung
1 Visuelle Wahrnehmungsstörung 1 Angst
1 Motorische Unruhe 1 Depressive Verstimmung 1 Antriebslosigkeit 1 Herabgesetzte Libido 1 Orgasmusverzögerung