THEMEN DER ZEIT BLICK INS AUSLAND
A-1368 (30) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995
THEMEN DER ZEIT BLICK INS AUSLAND
Ruanc a nach einem Jahr
Das Elend der
Flüchtlinge hält an
Ein Jahr ist es nun her, daß Stam- mesfehden zwischen Hutu und Tutsi 500 000 Tote forderten und der größ- te Exodus auf dem Schwarzen Konti- nent begann. Die Entwurzelten ha- ben sich in Provisorien eingerichtet wie für die Ewigkeit.
Das 4,5 Quadratkilometer große Zentralcamp Benaco, das einst 330 000 Flüchtlingen nach 200 Kilo- metern Fußmarsch aus der Region um die, ruandische Hauptstadt Kigali ein erstes Obdach bot, ist auf eine Zeltstadt mit 210 000 Bewohnern re- duziert worden. Die Koordinatoren vom UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR haben die verfeindeten Stämme der Hutu und Tutsi getrennt, um das Morden zu stoppen. Im Lager Kibeho, wo dies nicht geschah, ist es prompt auch zu erneuten Ausschrei- tungen gekommen - Ende April töte- ten Tutsi-Soldaten dort einige tau- send Hutu-Flüchtlinge.
Am Rand des kahlen Hügels von Benaco verraten strohgedeckte Lehmhütten erste dörfliche Dauer- strukturen: Zwei „Restaurants" bie- ten die Traditionsnahrung „Ugali"
aus Mais und Kochbananen an. Drei Schneider nähen am Wegesrand aus bunten Tüchern neue Kleider, Händ- ler verkaufen Zigaretten.
Die Deutschen haben in Benaco Maßstäbe gesetzt. In ihrem Feldlaza- rett überlebten die meisten der 14 300
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Burundische Flüchtlinge in Kitale (links oben).N Flüchtlinge beim Bau ihrer Hütte (Mitte links).
Bäcker im Lager Benaco (links unten). Burundisches Flüchtlingskind (Mitte). Vertriebene auf der Flucht (rechts oben). Neugeborenes im Krankenhaus Be- naco; Trinkwasserversorgung; Krankenhaus-Neubau in Benno (Mitte rechts). Warten auf die Essensaus- gabe (rechts unten). Fotos: Sepp Spiegl Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995 (31) A-1369
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Patienten. Dennoch war das Leichen- zelt neben der Latrine nur selten frei.
„Wir bekommen nur die schwersten Fälle", erklärt Dieter Jacobi, Chirurg aus Leverkusen, die hohe Mortalitäts- rate.
Vier deutsche Ärzte, unterstützt von fünf Krankenschwestern und 100 einheimischen Helfern, haben vor wenigen Tagen mit 70 Patienten das Zelt-Hospital verlassen. Sie sind in 14 sechs Kilometer entfernte Häuser mit Wellblechdächern umgezogen. 400 Flüchtlinge haben sie aus Lehmzie- geln gebaut.
Anlaß für den Abzug aus dem Zentrum des Camps waren nicht nur die von Sonne, Wind und Regen per- forierten Zelte. Gabi Müller-Stutzer, medizinische Koordinatorin der Rot-Kreuz-Föderation: „Am 21. No- vember starb ein junger Hutu nach einer Operation. Mehrere Männer, mit Macheten bewaffnet, holten den Toten ab und drohten uns mit bluti- ger Rache. Es gab Unruhen im Camp. Wir haben in drei Stunden
Nach jahrelangen Bemühungen um eine Regelung der Organspende haben sich jetzt die Regierungskoali- tion, die SPD-Bundestagsfraktion und die Länder darauf geeinigt, einen gemeinsamen Entwurf für ein Trans- plantationsgesetz vorzulegen. Im Juni sollen „die grundlegenden Fragen der Bewertung des Hirntodes und der Einbeziehung der Angehörigen in die Entscheidung über eine Organ- entnahme nach dem Tod Gegenstand einer Anhörung von Sachverständi- gen im Gesundheitsausschuß des Bundestages sein", teilte das Bundes- gesundheitsministerium mit.
Als Modelle für ein Transplanta- tionsgesetz stehen nur noch die enge und die erweiterte Zustimmungslö- sung zur Wahl. Bei der vom Gesund- heitsministerium favorisierten erwei- terten Zustimmungslösung wären Transplantationen künftig dann er-
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140 Patienten entlassen oder verlegt und das Hospital geschlossen. Nach drei Tagen garantierte der Dorfälte- ste für unsere Sicherheit und stellte 70 Wächter ab."
Am Tag vor der Verlegung der Medizin-Station mit dem Funk-Code
„Golf Hotel" war das Zelt der Toten voll wie selten zuvor. Die Angehöri- gen holen morgens ihre Toten. Sie be- sorgen sich Leichentücher, die es an 32 Stellen im Camp gibt, und vergra- ben sie in fremder Erde. Der Friedhof ist fast voll. Geschätzte 25 000 Ruan- der, etwa so viele, wie seit Beginn der Flüchtlingswelle in Benaco geboren wurden, ruhen dort.
In den verlassenen Zelten der mobilen Klinik blieb der Brutkasten zurück. Über die selbstgezimmerte Holzkiste mit durchsichtiger Folie, Löchern für zwei Wärmflaschen und Anschluß für Infusionslösungen sagt der Chirurg Jacobi: „Ich habe einmal ein Baby im letzten Moment da her- ausgeholt. Die Temperatur im Kasten lag schon bei 45 Grad." Sepp Spiegl
laubt, wenn „bei fehlender Erklärung des Verstorbenen der nächste An- gehörige der Entnahme ausdrücklich zustimmt" Der Angehörige kann mit dem entnehmenden Arzt vereinba- ren, daß sein Schweigen innerhalb ei- ner bestimmten Erklärungsfrist als Zustimmung gilt (dazu Deutsches Ärzteblatt, Heft 9/1995).
Hirntod
Voraussetzung für eine Organ- entnahme soll nach den Vorstellungen von Regierung und Opposition die Feststellung des Hirntodes durch zwei von den Transplanteuren unabhängi- ge Ärzte sein. Das Bundesgesund- heitsministerium beruft sich dabei auf die Bundesärztekammer, die betont habe, „daß mit dem Hirntod der Tod des Menschen eingetreten sei". Dage-
gen heißt es in den jetzt vorgelegten Eckpunkten eines Transplantations- gesetzes der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Der Hirn- tod ist nicht gleichzusetzen mit dem Tod des Menschen oder dem Tod der Person. Als hirntot diagnostizierte Menschen sind Menschen, die im Sterben begriffen sind, jedoch mittels intensivmedizinischer Maßnahmen daran gehindert werden, ihren Sterbe- prozeß zu vollenden; sie sind noch nicht gestorben, sie leben." Die Grü- nen plädieren in ihrem Gesetzentwurf für eine enge Zustimmungslösung.
Danach soll die Organentnahme zulässig sein „bei einem oder einer Sterbenden, wenn die Zustimmung zur Explantation von der oder dem Betreffenden im voraus persönlich und freiwillig erteilt wurde".
Ein „tragfähiges Modell"
Zu weiteren Gesprächen über das Transplantationsgesetz soll die Fraktion der Grünen/Bündnis 90 ein- geladen werden, kündigte das Bundesgesundheitsministerium an.
Außerdem kamen Regierungskoaliti- on und SPD überein, daß bei der Ab- stimmung über das Transplantations- gesetz kein Fraktionszwang gelten solle. „Nach Übereinstimmung aller Beteiligten ist das Transplantations- recht kein Gegenstand parteipoliti- scher Profilierung", erklärten Bun- desgesundheitsminister Horst Seeho- fer (CSU) und der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Rudolf Dreßler. Es gehe schließlich darum, schwerkranken Menschen zu helfen und Vertrauen in die Transplantati- onsmedizin zu schaffen, stellten sie gemeinsam fest.
Aus ärztlicher und rechtlicher Sicht ist das Konzept nach Ansicht des Vorsitzenden der Kommission „Or- gantransplantation" der Bundes- ärztekammer, Prof. Dr. jur. Hans- Ludwig Schreiber, ein „tragfähiges Modell". Es sollte verläßlichen Schutz vor möglichem Mißbrauch bieten, müsse zugleich aber auch den Interes- sen der Organempfänger gerecht wer- den. Der Hirntod sei das sicherste und zuverlässigste Todeszeichen, sagte Schreiber. Kli
Transplantationsgesetz
Einigung in Sicht
A-1370 (32) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 19, 12. Mai 1995