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Archiv "Requiem für eine Krankheit: Die Lungentuberkulose" (04.09.1985)

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Dr. Karkosch, Gi

LL

LL

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kulturmagazin

Im Davoser Sanatorium „Berghof" spielt Thomas Manns „Zauberberg", 1981 verfilmt von Hans W. Geissendörfer

W

enn einem alten

Lungenfacharzt eine neue medizinische Zeitschrift vorgelegt wird, die den Titel trägt: „Asth- ma, Bronchitis, Emphysem — Er- krankungen von Lunge und Atemwegen", so überkommen ihn Erinnerungen, welche Krankheit eigentlich den Anlaß gab für die „Species" Facharzt für Lungenkrankheiten — es war die Lungentuberkulose! Und da möchte er für die jetzt Pulmolo- gen genannten Nachfolger doch einige Daten aus der Medizin- Geschichte dieser Krankheit ins Blickfeld rücken, zumal im Lehr- plan der medizinischen Fakultä- ten die Tuberkulose heute kaum noch eine Rolle spielt.

Diese Erkrankung hat schon im Altertum viele Opfer gefordert;

ihre Zahl stieg, je enger die

Menschen im Lauf der Zivilisa- tion zusammenrückten. Aber während man der anderen Seu- chen (Pest, Cholera, Pocken) langsam Herr wurde, blieb die Tuberkulose eine Geißel der Menschheit, bis Robert Koch 1883 das Tuberkel-Bakterium im Sputum der Kranken fand.

Nachdem bei einem hustenden Kranken die Tuberkulose fest- gestellt war — was mangels ei- nes Röntgengerätes meist erst in fortgeschrittenem Stadium möglich war —, mußte er aus der Enge der Familie herausgenom-

men werden. Zunächst kam er auf die Infektionsabteilung ei- nes Krankenhauses. Aber wohin später — bei dem protrahierten Verlauf? Zwar hatte Hermann Brehmer schon 1854 die erste

„Heilanstalt für Lungenkranke"

in Görbersdorf/Schlesien eröff- net, in der er unter anderem die sogenannte Freiluft-Liegekur durchführte, wobei allerdings die seiner Zeit gängige Therapie mit Medikamenten wie Guajac, Lebertran, Arsen und Kalk sich als frommer Selbstbetrug ent- puppte. Dem Mangel an Heil- stätten konnte erst wirksam ab-

M. Reichelt

Requiem für eine Krankheit:

Die Lungentuberkulose

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 36 vom 4. September 1985 (731 2571

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Nachruf auf die Tuberkulose

geholfen werden, nachdem das

„Deutsche Zentral-Komitee zur Errichtung von Volksheilstätten für Lungenkranke" (später um- benannt in „Deutsches Zentral- komitee zur Bekämpfung der Tuberkulose") gegründet war.

Von 1900 bis 1912 wurden von den Landesversicherungs-An- stalten 42 Heilstätten gebaut;

die BfA, die Knappschaft, die Reichsbahn und die großen Städte folgten (z. B. Hamburg- Geesthacht, Hannover-Heide- haus, Breslau-Herrnprotsch).

Da die Patienten nicht nur mo- natelang, sondern unter Um- ständen jahrelang in den Heil- stätten bleiben mußten, erga- ben sich erhebliche Probleme.

Welcher Art sie in den Privat- Heilstätten waren, hat uns Tho- mas Mann im „Zauberberg" ge- schildert. In den anderen Anstal- ten wurden Versuche mit Ar- beitstherapie gemacht (z. B. in Charlottenhöhe), in Kinderheil- stätten wurde Schul-Unterricht gegeben (Landeshut/Schlesien), im Sanatorium Agra richtete Professor Alexander eine „wis- senschaftliche Arbeitsgemein- schaft Studierender" ein.

Chirurgische Erfolge und Grenzen

Die Einrichtung von Heilstätten war nur ein erster Schritt; aber welche Therapie gab es? In der ganzen Welt wurden Versuche gemacht, nachdem das von Ro- bert Koch entwickelte Tubercu- lin eine Enttäuschung gebracht hatte. In Deutschland gab es die Partigen-Behandlung nach Deycke-Much, dann die Ponn- dorf-Impfung als spezifische Therapie, als unspezifische die Heliotherapie bei Drüsentuber- kulose, es gab Versuche mit Proteinen, mit Kupfer-, dann Goldbehandlung (Sanocrysin) — alles vergeblich! Es gab wohl keinen Stoff in der Welt, mit dem nicht Versuche gemacht worden wären, um der Seuche Herr zu werden — wie Goethe es im

„Faust" schon ausgedrückt hat:

ihr durchstudiert die groß' und kleine Welt, um es am Ende ge- hen zu lassen, wie's Gott gefällt!

Doch im Raum stand immer noch das Wort des Hygienikers Uhlenhut (Freiburg):

„Die Chemotherapie der Tuber- culose ist keine Utopie!" Mit der chirurgischen Therapie der Lun- gentuberkulose gab es inzwi- schen einige Erfolge, nachdem der Italiener Forlanini 1892 erst- malig einen künstlichen Pneu- mothorax angelegt hatte. In Deutschland verbesserte und erweiterte diese Behandlung vornehmlich Ludolph Brauer (Hamburg). Bald gab es den doppelseitigen Pneumothorax, bei breiten Pleura-Verwachsun- gen wurde nach der Methode von Jacobaeus (Schweden) die Strangdurchtrennung ausgeübt, später wurden dann Versuche mit dem von Bernouin (Frank- reich) erstmals angewandten Oleothorax gemacht. Zusätzlich gab es dann noch die künstliche Zwerchfell-Lähmung (ausgear- beitet von Felix und Lebsche, Klinik Sauerbruch), die Plombie- rung mit Spitzen-Plastik (Baer- Paraffin-Plombe) und schließ- lich die extra-pleurale Pneumo- lyse, die vor allem von Schmidt- Rohrbach verbessert wurde.

Versuche mit der Cavernen- Saugdrainage nach Monaldi wurden bald wieder eingestellt.

Als die Therapie der Lungentu- berkulose nun ganz in die Hän- de der Chirurgen geraten war, wagte man sich noch weiter vor.

Nachdem Quincke als erster ei- ne partielle Resektion von Rip- penstücken im Bereich von Ca- vernen vorgenommen hatte, entwickelten dann Brauer und vor allem Sauerbruch die totale paravertebrale Thoracoplastik.

Die Tuberkulose bekam man aber doch nicht in den Griff.

So kehrten denn die konservativ operativ behandelten Kranken in ihre Familien zurück und be- durften einer Fürsorge, zumal sie in der Mehrzahl arbeitsunfä-

higkrank geblieben waren. Jetzt waren der Staat beziehungswei- se die lokale Behörde gefordert.

Schon 1899 hatte die Stadt Halle an der Saale eine Fürsorgestelle für Tuberkulöse eingerichtet, die unter Leitung des Lungen- facharztes Dr. Blümel sich zum Vorbild für alle weiteren Fürsor- gestellen entwickelte. In Preu- ßen gab es zwar seit 1905 das

„Gesetz zur Bekämpfung über- tragbarer Krankheiten", aber erst als es 1923 (einem schlim- men Hungerjahr infolge der heute kaum mehr vorstellbaren Inflation) erweitert wurde zum

„Gesetz zur Bekämpfung der Tuberkulose", das die Anzei- gepflicht für alle Fälle von über- tragbarer Lungen- oder Kehl- kopf-Tuberkulose festsetzte und die Fürsorgestellen einschalte- te, kam System in die Bekämp- fung.

Lungenfacharzt — kein Modeberuf!

1935 wurde eine einheitliche Regelung für das Deutsche Reich eingeführt, mit der Aufla- ge, dem Gesundheitsamt bezie- hungsweise der Fürsorgestelle jede Auskunft zu erteilen, damit notwendige Maßnahmen durch- geführt werden konnten. Aus den vorher beschriebenen Gründen gab es noch keine Hei- lung gegen die Tuberkulose, die Ausbildung zum Lungenfacharzt wurde deshalb auch keineswegs begehrt. Die Mehrzahl der in Heilstätten, Fürsorgestellen oder in freier Praxis tätigen Ärz- te hatte selber einen tuberkulö- sen Infekt überstanden oder in der Familie erlebt, andere hat- ten eben Mut zum Risiko. Nach- dem aber nach dem ersten Welt- krieg die Bekämpfung der Tu- berkulose auf eine breitere Ba- sis gestellt war, nahm auch die Zahl der Lungenfachärzte schnell zu. Alsbald wurde die Frage nach einer Organisation aufgeworfen. Es wurden regio- nale Tuberkulose-Gesellschaf- ten (süddeutsche, norddeut-

2572 (74) Heft 36 vom 4. September 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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Das Ölbild „Homunkulus I" von Carl Bruno Bloemertz, 1980, 60 cm x 80 cm

Carl Bruno Bloemertz:

„Ein Zwischenbericht"

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

FEUILLETON

sche, südwestdeutsche) ge- gründet, die sich dann zur

„Deutschen Tuberkulose-Ge- sellschaft" zusammenfanden.

Letztere veranstaltete alle zwei Jahre zusammen mit Tbc-Für- sorgeärzten eine wissenschaft- liche Tagung zum Austausch der Erfahrungen. Da es aber zwi- schen Fürsorge und Praxis doch einige Probleme gab, wurde die

„Vereinigung frei-praktizieren- der Lungenfachärzte" gegrün- det; den Zusammenhang hielt die Zeitschrift „Der Tuberculo- se-Arzt" — redigiert von R. Gries- bach in Augsburg.

Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, welch unge- heurer Aufwand an ärztlicher Ar- beit, staatlicher Organisation und Geldmitteln weltweit durch die Jahrhunderte zur Bekämp- fung der Tuberkulose erforder- lich war. Unsere Kultur erlitt Ein- bußen durch den frühzeitigen Tod genialer Menschen an Tbc wie Franz v. Assisi, Moliäre, Laennec, John Keats, Novalis, Stevenson, A. Tschechow, K. M.

v. Weber, Chopin, Fr. Schubert (zitiert nach G. Venzmer, „Macht und Ohnmacht der Großen").

Das wurde fast schlagartig an- ders, als nach dem zweiten Weltkrieg — zunächst in der amerikanischen Besatzungszo- ne — die in den USA entwickel- ten, von G. Domagk dann ver- besserten Tuberkulostatica aus- gegeben wurden. Ihre konse- quente Anwendung und die bald einsetzende allgemeine Hebung des Lebensstandards haben nun dazu geführt, daß die ge- fürchtete „Schwindsucht" zur quantitä nögligeable geworden ist und für die Ausbildung der neuen Ärzte-Generation kaum noch Bedeutung hat!

Die Daten wurden einer 1948 verfaßten tabel- larischen Ubersicht von Bochalli, früher Chef- arzt in Oberschreiberhau/Riesengebirge, ent- nommen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. M. Reichelt Wohnstift Kleefeld 3000 Hannover 61

Mit seinem außerordentlichem künstlerischen Wahrnehmungs- vermögen lebt Dr. med. Carl Bruno Bloemertz ein perspekti- venreiches Leben als Arzt und Fachbuchautor, als Maler und Grafiker, als Vater vieler Kinder und Ideen. Das künstlerische Werk des 66jährigen Arztes: Carl Bruno Bloemertz macht Sieb- drucke, Radierungen, Ölbilder, Semigrafien (eine von ihm ent- wickelte Technik der Ölmalerei mit Siebdruckelementen) und als Vorstufe seiner Bilder viele Zeichnungen, spontan mit dem Filzstift auf irgendeinem Stück Papier oder Karton.

Die Bilder, sowohl die Ölbilder als auch die Grafik, sind auf eine bestimmte, unverwechselbare Art gegenständlich. Carl Bruno Bloemertz verwendet verschie- denartige Wirklichkeitselemen- te, z. B. die Formen des Rönt- genbildes einer Lunge als Höhle für die Darstellung des Blut- kampfes Siegfrieds gegen den

Drachen. Dabei wird der Gegen- stand so stark verfremdet, daß es der Betrachter rational kaum erkennt, jedoch als Stilelement nachempfindet. Die realisti- schen Bildelemente vermischen sich mit Bildzitaten aus dem Be- wußtsein des Künstlers. Die Bil- der sind Treffpunkte, Schnitt- stellen externer und interner Bildelemente und Wirklichkeits- fetzen, Zitaten und Anspielun- gen, Hinweisen und Verfrem- dungen.

Carl Bruno Bloemertz hat die Fähigkeit zur blitzschnellen, konzentrierten Entscheidung und Bewegung beim Malen.

Zwischen Gehirnzelle und Fin- gerspitze scheint es keine Ent- fernung zu geben. Das doppel- deutige, perspektivische Bild wird in einer schnellen Bewe- gung auf die Fläche gebracht, Linien und Flächen und die räumliche Tiefe entstehen in ei- nem Akt, die Assoziation bewegt die Hand direkt. Das Erstaun-

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