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Mythologische Miscellen.
Von
Dr. J. H. Hordtmann jr.') m.
Der semitische Apollo.
Griechische mid römische SchriftsteUer, selbst in rein wissen¬
schaftlichen Werken, haben es mit ängstlicher Scheu vermieden,
barbarische Wörter zu gebrauchen, indem sie es vorzogen, dieselben,
wo immer es nur ging, durch Ausdrücke der eigenen Sprache zu
ersetzen; so vor allem bei den Namen der barbarischen Gottheiten,
bei denen sich schUesslich ein feststehender Usus ausgebildet hat.
Gerade wie man Athene mit Minerva, Hera durch Juno u. s. w.
regelmässig übersetzte, so verfuhr man auch mit den fremden
Göttem; die Wiedergabe des semitischen El durch Kpövog Sa¬
turnus, Baal durch Zsvg Jupiter, Baaltis durch "Hga Juno, der
phönicischen Astarte durch ' AqgoShri Venus, Eschmun durch
'AaxXr^iog Aesculapius, Melkart durch 'HgaxXfig Hercules ist fast
ausnahmslos zu nennen. So weit liesse sich Nichts gegen dies
Verfahren einwenden; dagegen gerathen wir in nicht geringe Ver¬
legenheit, wo uns andere Gottheiten wie Artemis, Dionysos etc.
entgegentreten; einmal lässt sich nämlich nachweisen, dass z. B.
dieselbe Gottheit bald durch Artemis bald durch Athene, eine andere
bald durch Helios bald durch Dionysos, oder ganz verschiedene
Gottheiten durch einen Namen wiedergegeben werden; dann aber
herrscht manchmal eine grosse Ungewissbeit, ob überhaupt hinter
einem solchen Namen ein einheimischer Cult zu suchen ist ? Movers
hat sich nur zu oft durch voreilige Combinationen und Identifi¬
cationen zu gänzUch verfehlten und wesentlich unbegründeten Auf¬
fassungen verleiten lassen. Stark andrerseits in seinem bekannten
Buche Gaza und die phiUst. Küste in dem Abschnitt über helle-
1) Vgl. Band XXXI. S. 91—101.
3 9 *
Mordtmann, mythologische Miscellen. 553
nistischen Glauben und Cultus im Orient (S. 566 ff.) hat dem Ein¬
fluss des Griechenthums mebre Gottheiten zugeschrieben, die gewiss
einheimischen ürsprungs sind. Unter diesen Umständen schien es
mir an der Zeit, mit Benutzimg der neueren epigraphischen For-"
schungen, durch erneute Einzeluntersuchungen die Principien und
Gesichtspunkte festzustellen zu versuchen. Ich beginne mit Apollo,
indem ich mir die Besprechung anderer Gottheiten vorbehalte.
Während der Belagerung von Tyrus durch Alexander den
Grossen begab es sich, dass ein Bürger in der Volksversammlung
erklärte, er habe im Traume gesehen, wie der Apollo, den man
hoch verehrte, die Stadt verliess ; obgleich der betreffende kein sehr
glaubvrürdiger Mann war, so fesselte man doch das Büd des Gottes
mit einer goldenen Kette, und befestigte es an den Altar des Her¬
cules, dem die Stadt geweiht war, als ob dieser den ApoUo zurück¬
halten würde. Diese Statue hatten die Punier einst aus Syracus
fortgeführt und in ihrem Mutterlande aufgestellt, wie sie auch
sonst mit den Beutestücken der von ihnen eroberten Städte nicht
weniger Karthago wie Tyrus geschmückt hatten. So erzählt Cur¬
tius IV, 15 und weniger ausführlich Plutareh im Leben Alexanders
c. 24; bei übrigen Historikern., welche uns die Thaten Ale¬
xanders überliefert haben, Arrian etc., finde ich diese Anecdote
zwar nicht wieder, doch sehe ich keinen Grund, deren Wahrheit
anzuzweifeln. Dagegen scheint aus dem was der römische Historiker
über die Herkunft des Götterbüdes hinzufügt, hervorzugehen, dass
der Cult des ApoUo kein einheimischer war, sondem sein Ent¬
stehen dem aus der Fremde, aus Sicüien, naeh Tyrus verschleppten
Büde desselben verdankte, ünter diesen Umständen müssen v\rir
uns, wenn uns auch die Einführung des ApoUocultus aus Griechen¬
land in vorheUenistischer Zeit nicht recht glaubwürdig erscheint,
naeh etwas bestimmteren Zeugnissen umsehen; übrigens brauchen
wir uns nur z. B. daran zu eriimem,' wie die Perser auf ibren
verschiedenen Kriegszügen gegen Griechenland die Statuen des ApoU
und der Artemis, die sie mit Mithra und Anaitis vergUchen, fort¬
führten, und wir werden die MögUchkeit nieht leugnen, dass der
Apoll von Syracus von den Tyriem mit einer einheimischen Gott¬
heit identificirt vmrde.
Der Perieget Pausanias erzählt (Vü. 23), dass er im Tempel
des Aesculap zu Aegium mit einem Sidonier zusammengetroffen,
welcher behauptete, dass die Phönicier im Allgemeinen das Gött¬
Uche besser kennten als die Hellenen imd unter Anderm als Beispiel
anführte, dass sie als Vater des Aesculap zwar den Apollo nennten,
ihm jedoch keine SterbUche zur Mutter gäben [wie die Hellenen
es thaten]. Aesculap sei die Menscben und Thieren zur Gesund¬
heit nöthige Luft, ApoUo aber die Sonne, und werde sehr richtig
Vater des Aesculap genannt , weil sie »in Uebereinstimmung mit
554 Mordtmann, mythologische Miscellen.
den Jahreszeiten ihren Umlauf vollende und dadurch der Luft die
Gesundheit verleihe.
Wäre die Cosmogonie des Sanchuniathon als phönicischer
'Katechismus zu betrachten, so brauchten wir nur nachzuschlagen,
imi den einheimischen Gott zu finden, welcben der Mann aus Sidon
dem Griechen gegenüber als Apollo bezeichnete. Es ist dies JSvSvx
bez. 2äSvxog, der Vater der phönicischen Kabiren und des Heil¬
gottes Eschmun (Sanchuniathon in den frg. hist. Graec. IU S. 568 f.
c. 21 und 27; Damascius Leben des Isidor bei Photius CCXLII
573). Aber es leuchtet von selbst ein, wie unsicher diese Com¬
bination an sich ist; dagegen hilft uns vielleicht der von Curtius
erwähnte Umstand auf die Spur, dass die Statue des Apoll an den
Altar des Heracles d. h. des Melkart befestigt wurde, woraus doch
wohl hervorgeht, dass dieselbe im Tempel des letzteren stand.
Nun ist, wie wir gleich des weiteren sehen werden, in Cypern durch
die neueren Entdeckungen ein Gott E)\r-i nach gewiesen, welcher
im Griechischen als 'Anokkiuv bezeicimet wird; ein aus Tyrus
stammender Siegelstein (Vogüe M61. S. 81; Schröder Phön. Sprache
S. 273) nennt aber einen damit wohl identischen qST n"ipb73, d. b.
ins Griechische übertragen 'HgaxXi^e 'Anokkutv, und schlage ich in
Ermanglung eines Besseren vor, diesen mit dem von den beiden
genannten Historikern erwähnten ApoUo zu combiniren *).
Sehen wir uns jetzt in dem von Tyrus aus gegründeten
Carthago um, so finden wir auch hier verschiedene Angaben über
ApoUocultus.
Während der mehrtägigen Erstürmung Carthagos durch die
Römer drangen die 4000 Mann frische Truppen, mit welchen am
zweiten Tage der Sturm fortgesetzt wurde, in das Heiligthum des
Apollo, dessen vergoldetes Bild in einem goldgetriebenen Hause
von 1000 Talenten Gold Gewicht aufgestellt war, plünderten es,
hieben (die Statue) mit ihren Schwertern in Stücke, unbekümmert
um das was um sie vorging, und gingen nicht eher wieder in den
Kampf, als bis sie die Beute vertheilt (Appian Pun. c. 127). Auf
diesen Zwischenfall scheint sich die von Valerius Maximus erzählte Anecdote zu beziehen : Als Carthago von den Römem niedergeworfen,
sei ApoUo seines goldenen Gewandes beraubt worden, doch habe
der eifrige Gott es dahin gebracht, dass die tempelschänderischen
Hände abgeschnitten unter den Trümmern gefunden wurden (1. I
c. 1 § 18). Plutareh (Titus c. 1) erwähnt einer grossen aus Car¬
thago stammenden Apollostatue gegenüber dem Circus. Auch hier
ist es nicht unmöglich, dass der Cultus des Apollo sich auf die
Verehmng einer aus Sicilien weggeschleppten Statue dieses Gottes
bezieht; in der That erwähnt Cicero (in Verr. IV § 93) einen
1) Vgl. auch 'E^/iia '.AnoUoSuinov Tvptos C. I. G II, 2322b 41 (Dolus);
'AnoHöSiopot HiScövioi Kiimanudes (Axt. 'Entyq. 'Ennv/iß.) 2372; 'AnoX- lüiviot ib. 2373. 2380.
Mordtmann, mytludogisehe Miscellen. 555
Apollo, Werk des Myron, welclien die Carthager aus Agrigent nach
Carthago geschafft hatten. Doch fehlen uns durchaus directe und
bestimmte Angaben über die Provenienz des von Appian und Va¬
lerius Maximus erwähnten Gottes, und ist daher bis auf den Be¬
weis des Gegentheils anzunehmen, dass wir hier eine einheimische
Gottheit zu suchen haben. Auch sind hier die beiden Vorgebirge
des Apollo, "Anoki.wvog äxgov , von denen das eine bei Carthago
(Forbiger A. G. 2, 481), das andere (ebenso wie ein Vorgebirge des
Phoebus, fPoißov äxgov) an der mauretanischen Küste liegt (For¬
biger a. a. 0. S. 866), anzuführen. Bis auf weiteres sehe ich in
diesem carthagischen ApoUo den pan bya der zahlreichen punischen
Votivsteine, wozu mich folgende Erwägungen bestimmen. Auf
den Votivinschriften erscheint der Baal Hammän stets zusammen
mit einer weibUchen Gottheit, der Tanit. Letztere aber wurde mit
der hellenischen Artemis gleich gesetzt, wie dies die erste athe¬
nische Inschrift beweist, in welcher das nan nay des phönicischen Textes im Griechischen durch ' /4grtfiiSugos wiedergegeben vrird*).
Es mochte daher nahe liegen, in dem stets zusammen vorkommenden
Baal Hammän und Tanit das Geschwisterpaar Apollo und Ar¬
temis wiederzuerkennen und in Folge dessen den Baal Hammän
mit Apoll zu identificiren, auch konnte hierzu der entschieden
solarische Character des carthagischen Gottes wesentlich beitragen.
Pemer erwähnt Strabo 1. XVI c. 3 eines Vorgebirges des Ammon
BaUthon {äxga "Afiftitvog ßali&uvog)^), d. h. des pan bya, und
Scylax eines Punktes an der Syrte, welcher ebenfalls nach dem
Ammon benannt war.') Wir wären demnach zu der Vermntbung
berechtigt, dass die vorher angeführten Vorgebirge des Apollo mit
ihrem einheimischen Namen Vorgebirge des Ammon = pn bya
hiessen.
In dem vielberafenen Schwur, welcher zu Anfang des von
Polybius (VH, 9) im Wortlaut mitgetheilten Bündnisses zwischen
Hannibal und Philipp steht, rufen die Carthager Zeus, Hera, Apollon,
1) Meines Wissens ist dies das einzige positive Zeugniss für die Identität der Tanit und Artemis; die persiselie Anahita hüte man .sich natürlich mit Tanit zu identificiren. Cicero (in Verr. 1. IV c. 33) erzählt ferner, dass die Carthager einst eino Statue der Diana aus Segesta nach Carthago geschafft, welche von ihnen hoch verehrt wurde.
2) BaXi&atros ist unklar; doch scheint sicher, dass es identisch mit dem sonst belegten männlichen Eigennamen Balithon (C. I. L. V, 1 N. 4920, vgl.
Schröder a. a. O. S. 117 u. 196) = ■)n'> bya ist. Anders Schröder 126, und Meineke zum Steph. Byz. s. v. BäXie.
3) c. 109 (Geogr. Gr. Min. t. I. S. 85): Se t<^ xoiXoxaxio rife £v(tTiSos (iv T<j[J fivxv) ^iXoivov ßwfioi, iniveiov äfifiovvee äXovt x^s 2vqxiSoe.
ilnö xovtov etc. Der Herausgeber vermuthet in dem corrupten äfifiovves alove der Handschrift 'Afifiiovus äi.aoe; doch liegt es noch näher in Afifiovvee Hammänsäulen, hebr. D"'5'!3n, zu sehen, wolche Philo 'Aftuovveie nennt (Schrö¬
der S. 125). Mit dem egyptischen Ammon hat natürlich der phönicisehe Sonnen¬
gott Nichts zu thun.
556 Mordtmann, mythologitehe MitceUen,
ferner den Genius von Carthago, Herakles und lolaus, endlich Ares
Triton und Poseidon an {kvavtiov Jioe xai "Hgaq xai 'AnöXluivog
ivavriov Saiftovoe Kagxri^oviwv xai 'HgaxUovg xai 'loXaov
ivttvxiov 'Agtwg , Tgiriovog, FloatiSwvos). Die Dreitheilung in
dieser Aufzählung springt in die Augen; man hat daher wohl ge¬
meint, die erste Trias seien die Hauptgötter der Macedonier, die
zweite die der Carthager, die dritte die der Libyer; Stark a. a. O.
287 hat besonders den libyschen Triton und Poseidon aus andem
Schriftstellem nachgevriesen ; wenn die beiden ersten Triaden, vrie es dem Sachverhalt Migemessen erscheint, allein carthagiscbe Gottbeiten
sind, so möchte ich sie mit Baal, Baaltis (Euting Pun. St. 21,
Carth. 215), Baal Hamm&n , Melqart, Eschmün übersetzen»).
Ich brauche wohl nicht zu bemerken, dass alle diese Com¬
binationen durchaus nicht den Ansprach machen, constatirte Pacta
zu sein. Glücklicherweise sind wir anderwärts nicht so sehr auf
blosse Vermuthungen angewiesen.
Unter den von Euting (Sechs phön. Inschr.) herausgegebenen Inschriften von Idalion ist die bilinguis N. 1, vrie es im phönici¬
schen Theü heisst, dem b373 tjO"! geweüit; in der cyprischen Ueber¬
setzung steht dafür rö» AnöXiovt tü 'AfivxXw. Demselben Gotte
sind die Inschriften II, IH, V, VI geweiht; hierzu kommt die zuerst
von Colonna Ceccaldi genau bekannt gemachte griechische Inschrift
von Idalion (Revue arcb. XXVH, S. 89)*): Mvaaiag "AxfttjToe
(itrugag vnkQ uvtov xai tov viov Ftigveftovoe \ 'AnoXXwvi.
'AfivxXalq» tvx^v \ (TOvg ug KiTuig ayovaiv fi^ SavSixov C..
Diese Inschrift, die, wie die letzte Zeüe besagt, vom 7. April 265
V. Chr. datirt'), erregt in verschiedener Hinsicht unser Interesse. Die Eigennamen sind sämmtlich pbönicisch: Mnaseas gehört zu denjenigen
griechischen Eigennamen, welche vorzugsweise von den Phöniciem
getragen werden, vrie Novfi^viog, EiinoXtfiog, 'AvTinccrgog,
"^Yipovgäviog , Zijvwv u. A. (über einen ähnlichen jüdischen Ge¬
brauch s. Lagarde Abh. S. 164 A.). "Axffrig ist als tyrischer Name durch die athenische Insebrift Rhangabö N. 417 bezeugt, rt]gvafiwv endlicb ist ofFenbar iniÖN IS*).
1) Den Sat/tcov KaQxV^ovitov wage icb nicht zu Ubersetzen; dagegen möchte ich anf die Inschrift C. I. L. III, 983 (aus Carlsburg) aufmerksam machen, welche Caelesti Augustae et Aesculapio Augusto et 6^07110 Carthagims geweiht bt. Anch MUnzen erwähnen des Genius Carthaginis. Um Nichts zu übergehen, sei der libysche Apoll bei Steph. Byz. s. v. Avatyäa hier auch erwähnt.
2) Es ist diejenige, auf welche Schröder Berl. Monatsber. 1872, S. 835 Bezug mmmt; andere sind meines Wissens nicht publicirt.
3) Vgl. die phönicisehe Ausdruckswebe Idal. V Z. 2 TIS n» Nfl BN OnV LVII und dazu die Bemerkungen Eutings a. a. O. S. 10 f
4) Vgl. den Namen ftj^oaxfaTos (so, nicht Fefhoiffaios, steht bei Arrian
n, 13) = n-iml;» U (Schröder a. a. O. S. 93). Der Name des Gottes
Mordtmann, mfftitalogüohe Misoellm. 557
Was das fittugag nach "Axfitixoq bedeutet, ist nicht recht
klar; vielleicht ist es ebenfalls Eigenname. Offenbar nur eine Va¬
rietät des bs» C]Ujn ist der ^^n C)U)1 der 38. Citiensis aus Larnaca;
die Bedeutung des Cultus vdrd femer durch eine Anzahl von Eigen¬
namen bezeugt: iriDlBI Cit. 37, tl«1*tay Schröder a. a. 0. S. 334
I, £ittj-naT Idal. V.
Diese Inschriften sind, wie mre Sprache und die Namen im-
vriderleglich beweisen, von Semiten, von Fhönikem, abgetasst und
geweiht, nur die Bezeichnung des Apoll als 'Aftvxkaioq würde
darauf hinweisen, dass die Gottheit selbst hellenischen Ursprungs
ist; andrerseits hat Herr von Vogü6 in seiner Abhandlung über
die 37. und 38. Citiensis (Melanges S. 78 fr.) nachgewiesen, dass
des semitischen Gottes CjUl bereits auf egyptischen Denkmälern
der 18. Dynastie (15. und 16. Jh. v. Chr.) Erwähnung geschieht,
also zu einer Zeit, wo sicherlich noch nicht griechische Ansiedler
auf Cypem Einfluss auf pbönicische Culte haben konnten. In Px)lge
dessen schwanken die Ausleger, ob auf den idalischen Inschriften
ban eine Transcription von 'Afivxlatos sei (Schröder a. a. 0. S.
336 A.), oder ein phönicisches Epitheton des Gottes: bsn ,der
Beschützende' (Euting), oder Mekal von nbs »der Vernichtende" (Vo-
gü6 im J. A. 1875 Ree. der Euting'schen Schrift, S. 7 des Sonder¬
abzugs) etc. Ich glaube jedoch, dass bsn wirklich nur eine Um¬
schreibung des 'AfivxXaiog ist, und zwar aus folgenden Gründen,
Wir finden auf Cypem in griechischen Texten ausser dem
amyclaischen Apoll noch andere Apolloculte erwähnt, die mir mit
grosser Wahrscheinlichkeit auf griechischen Ursprung zurückzu¬
gehen scheinen. So treflFen wir unter den von Ceccaldi a. a. 0.
veröfifentlichten Inschriften Weihungen an einen 'AnoXXmv Maytigiog
(Pyla N. 1 u. 3, S. Sl), 'AnokXatv Aaxevrtjg (ebendaselbst N. 4,
S. 91), und an einen JlegasvTije (aus Curium, R. Arch. 29,
S. 100), welcher vermuthlich nur eine Variation der übrigen ApoUo-
typen darstellt. Die SchriftsteUer nennen femer den 'AnöXXutv
^YkäxTje, der in verschiedenen cyprischen Städten verehrt vnu-de').
Ohne Beifügung eines Beinamens finden sich Weihinschriften an
den Gott in Pyla, Politico und sonst (Ceccaldi a. a. 0. S. 91,
N. 2; S. 94, N. 1: provenance incertaine; PoUtico Samml. des
Eschmun (dessen Cultus in Cypern durch Cit. 38, 39 und 44 bei Schröder Berl. Monatsber. 1872, S. 337 bezeugt ist) wird durch vo/iatv wiedergegeben wie anderweitig 'AßSO^ovvos = pUSN 135 ist (Inschrift von Saida bei Wad¬
dington Inscr. de la Syrie 186C c).
1) Steph. Byz. s. v.: MQvad'eia, nbkti Kvnfov iv ^ 'AnöXXotv Ti/idtat ''TXdTtjs. Jtorvaios BaooagtKtöv iqttrj
oiV Sxov ' TXäxao &eov iSos 'AnöXXmvot Tiftßqov ^Egvo&eidv re xai slvaXirjv 'A/ia/iaaaov.
(vgl. denselben s. v. 'Afin/iaoaöe , ''Eqva&eia, Ti/ißfoe) femer s. v. °TXrj noAte Kvnqov iv fj 'AnöXXmv xifiäxat ' TXänie. AvxdfQtov • xai .Sixfaxov ßXai^avxts 'TXdxov xe y^v.
558 Mordtmann, mythologische Miscellen.
griech. Syllogos N. 224); Strabo 1. XIV c. 6 redet endlich von
einem Vorgebirge in der Nähe von Curium, von vrelchem man
diejenigen hinabstürzte, welche den Altar des Apollo berührt
hatten.
Cypem war schon in frühen Zeiten von Hellenen, speciell von
Peloponnesiem, colonisirt, welchen es bald gelang, nicht nur un¬
abhängige Reiche zu gründen, sondem sogar emen grossen Theil
der semitischen Ansiedler zu unterwerfen. Bekanntlich aber war
der Hauptgott der dorischen und nichtdorischen Bewohner des
Peloponnes der Lichtgott Apoll, und wäre uns nicht durch die se¬
mitischen Denkmäler der SiiBI erhalten, wir würden keinen Augen¬
blick anstehen, den 'Anolkoav 'Afivxkaioe, Maytigiog, 'Yldrrie,
JlepatvTtje, Aaxtüxriq für echt griechische Göttergestalten zu
erklären: diese Beinamen haben einen guten hellenischen Klang
und zum Theil auch Etymologie; abgesehen von der bereits be¬
sprochenen Ausnahme finden sich in den Weihinschriften nur grie¬
chische Namen {'AvaxQliwv, "AguSTog, 'AgtaiOTÜ.T]g , Fkavxog, JiööuQog, läawv, KUtav, IlvvTikog, (I>ikaifiivTig).
Es ist somit ebensowenig erlaubt, den griecbischen Apollocult
auf phönicischen Ursprung zurückzuführen, vne das Umgekehrte,
sondem es liegt hier das nicht sebr häufige Beispiel vor, dass
zwei Göttergestalten, obgleich zwei durch Abstammung, Sprache,
Religion und Character grundverschiedenen Völkem angehörig,
dennoch in Folge gleicher Attribute gänzlich mit einander zu¬
sammenfiiessen und identisch werden, — ähnlich vrie in der grie¬
chischen Mythologie Hercules in unerfreulichster Weise mit dem
lydischen und semitischen Gotte, oder die kleinasiatische Götter¬
mutter mit der dea Syria vermengt wird, so dass es fast unmöglich vrird, das Eigenthum der verschiedenen Nationen zu unterscheiden.
In Cypem hat der jahrhundertlange Einfluss der griechischen und
später der hellenistischen Oberherrschaft den einheimischen Gott
verdrängt und an seine Stelle den fremden gesetzt; und es ist
gewiss kein Zufall, dass kein Schriftsteller, sondem einzig die
älteren Monumente den phönikischen Cjiön der Nachwelt überliefert
haben. Man kann im Grunde behaupten, dass schon in der bilin¬
guis von Idalion der bsn r|i25~i, d. h. nach unserer Auffassung die
Uebersetzung, nicht das Original der griechischen Worte, dies
Verhältniss kennzeichnet.
Die semitischen Colonisten Cypems stammen zum grössten
Theil aus dem Orontesthale: der Name von Amathus, der be¬
rühmten Culturstätte der Aphrodite, ist identisch mit der grossen
Metropole am Orontes, rnn, um von anderen Zeugnissen zu
schweigen'). Die Bewohner dieser Gegenden, die Chetiter, waren
1) Die Stadt Ammocbostos (assyrisch Amtichadasti) auf Cypern bedeutet wobl „Neu-Hunat".
.Mordlmann, mythologische Miscellen. 559
ein streitbares Volk, welches wir in älteren Zeiten im Kampfe mit
den Egyptem und Assyrern begriffen finden (Duncker I 252 f.
254 ff.)- Die Denkmäler der Ramessiden geben uns detaillirte
Schilderungen der Eroberungszüge gegen die Cheta und nennen
uns auch die von ihnen verehrten Götter. Der Graf Vogüe in
seinem Commentar zu den beiden Inschriften von Citium und E. Meyer
(diese Ztschr. XXXI, S. 719) haben aus egyptischen Stelen den Gott
qusn als Paredros der niy , der in Cadesia verehrten Kriegsgöttin nachgewiesen; es ist gevnss kein Zufall, dass vrir beiden Gottheiten
in Cypem wieder begegnen, wohin ihr Cult ohne Zweifel von den
chetitischen Colonisten gebracht worden.
Eine erwünschte Bestätigung wäre es, wenn der Namen 'Aßs-
ögäijjag in der Inschrift C. I. G. 4463 aus der Nähe von Maarreh
vrirklich den Gottesnamen Cjttjn in dem zweiten Theil enthielte,
vrie ich diese Ztsch. Bd. XXXI, S. 98 vermuthete. Die nur in
einer fehlerhaften Copie Pocockes vorliegende Inschrift lautet:
EW Y22AXMHN02APT£Mm
0 YAKEI^AEHENTOMNHMi.
ONABEJPA WA^JIOJS Y2I0 Y
KAI AM A OB ABE A TH2E Y H ONE
MO YFAMETHA YTOY
'Etovs aa fit^vos 'AQT£/,i[s]i[ai ov ax ilril^easv to (ivtjfi[st ov AßtSgäxpaq Jiovvalov
xal 'Afiald]ßaj3ia r^g EvnolX]t
fiov yafierrj avrov
Am rechten Rand steht noch BAPAXOY (= ^^la). Offenbar
findet sich der in Präge stehende Name wieder in der aus der¬
selben Gegend stammenden N. 4464:
. BEJP . . AY . A2 EMOY E^HAIKIA2
leb mag diesen, wie man sieht, nur unsicher überlieferten
Namen nicbt zu weitergehenden Combinationen missbrauchen; ganz
abgesehen davon, dass das ■if) doch nicht den Lauten CjTÖ entspricht,
und es näher lag, sie durch die dem Griechischen geläufige Ver¬
bindung on wiederzugeben. Dafür enthält unsere Inschrift einen
andem Göttemamen, der bis jetzt noch immer verkannt wird. Der
weibliche Name Z. 4 'Afiat^ßaßia ist, wie Nöldeke (Gött. gel.
AA. 1864, S. 861) bereits ganz richtig erkannte, ein Compositum
mit n73N, dem Femininum zu "lay; der genannte Gelehrte liest
den Namen Afia&ßaektig, indem er das rtjg welches mir ein
Fehler des Steinmetz zu sein scheint (st. des Nominativs ■//), zu
ihm hinzuzieht. Dies ist nicht zulässig, da die Form des Namens
durch sein Wiedervorkommen in N. 4462 (Rouieh bei Ma'arret)
. . . . ävtv[t](uosv Kaacifiag xal fiaoßaßta ^xovg ya 1. ['/l]/^ß[i?]-
ßaßia gesichert ist. Ich zweifle keinen Augenblick, dass wir hier
Bd. XXXU. 3«
560 Mordtmann, mythologische Miscellen.
die damascenische Göttin Babea vor uns haben, deren Gedäehtniss
uns durch eine SteUe im Photius (Damascius Leben des Isidorus
cod. 242, S. 555 Höschel) erhalten ist: Bnßux oi 2vqoi. xai
(itthata ol iv Jaftaax^ rä veoyvä xalovai naiSia ijSrj Si xai
xd (Uigdxia und xrie nag' avxoig vofuCofiivrjg Baßlag ß-tov.
Für Bttßia vrird auch die Variante Baßala, d. h. Baßia ange¬
geführt. Die Bichtigkeit der bei Photius gegebenen Etymologie
und ihr hohes SprachUches Interesse leuchtet ein, vrenn man die
Bemerkungen in Gesenius Thes. v. s. naa (Thes. II S. 841) „pu¬
pilla oeüU" durchUest. Zugleich ersehen wir hieraus, dass die
Baßia eine aramäische Gottheit war; da bis jetzt jedoch nur
auf phönicischem Gebiete nachgewiesen, so stehe ich auch aus
.diesem Grunde noch an, an der Seite einer 'Afiad-ßaßia einen
Diener des phönicischen Gottes zu statuiren.
Dagegen ist uns in derselben Gegend eine Stätte des ApoUo¬
cultus bekannt, welche bis in die spätesten Zeiten weit und breit
berühmt war: ieh meine Antiochien mit dem vielberufenen Cy¬
pressen- imd Lorbeerhain von Daphne. Bekaimtlich ist Antiochien
eine Gründung Seleucus' I, welcher, vrie Justin (XV, 4) sich aus¬
drückt, die benachbarten Gefilde, d. h. den Hain von Daphne
dem ApoU weihte. Hier befand sich ein Tempel des Gottes nebst
einem HeiUgthum der Artemis und einem Asylbezirk (Strabo S.
749 f.). Die „Assyrier" zur Zeit des Apollonius von Tyana knüpften
an den Lorbeerhain die bekannte arcadische Sage von der Daphne ;
eine Reihe uralter Cypressen umgab den Tempel; in den Quellen,
hiess es, badete sicb der Gott; von einem jungen Cyprössenschoss glaubte man, dass ein „assyrischer" Jüngling *) Namens Kyparittos
in denselben verwandelt sei (Philostratus V. Apoll. I c. 16). Wenn
wir Malalas, dem antiochenischen Historiker, dessen Werk von den
abenteuerUchsten ErzäMungen wimmelt, die er jedoch der Local¬
tradition zu entnehmen pflegt, Glauben schenken dürfen, so war
der Cypressenhain viel älter als Seleucus; Heracles (welcher?) hatte
nämlich, als er in der Näbe des HeiUgthums die nach ihm benannte
Stadt gründete, schon einige Bäume gepflanzt (S. 204 Bonn). Die
beiden Statuen des ApoU imd der Artemis wurden dort später
vom Antiochus Philadelphus aufgestellt (S. 234) ^). Dort wurden
jährlich im Monat Lous (August) grosse Umzüge imd Feste ge¬
feiert (Strabo a. a. 0. Julian S. 467 Hertl.). Im Jabre 362 vrarde
das ganze Heiligtbum durch die Nachlässigkeit der Tempelwächter
ein Raub der Flammen (Ammian a. a. 0. Julianus a. a. 0.).
Stark (Gaza u. die phiUst Küste S. 668) macht auf den Um¬
stand auftnerksam, dass Apollo uns speciell als Schutzgott des
1) Ovid Met. X 12Hr. erzälilt die Verwandlung des von Apoll geliebten ceischen Jünglings Cyparissus in den nach ihm benannten Baum; vielleicht ist damit die Notiz zu verbinden, dass in Antiochien noch in später Zeit das Ado- nisfest gefeiert wurde.
2) Nach Ammian (S. 225 Val.) von Antiochus Epiphanes.
Mordlmann, mythologisch» Miscelle^.
Seleucus, des Gründers von Antiochien, und seiner Nachkommen-
bekannt ist; dieser Gelehrte neigt dazu, Culte in Syrien, die uns
ans der hellenistiscben Zeit unter griechischem Namen überliefert
sind, auf den Einfluss der Fremdherrschaft zurückzuführen. In der
That sehe ich im Augenblick keinen zwingenden Grund, den Apoll
von Daphne für einen einheimischen Gott zu erklären, nicht ein¬
mal eine besondere Wahrscheinlichkeit, diös anzunehmen liegt vor.
Bedenkt man andererseits, wie sich in dieser Gegend nachweislich
uralte semitische Culte auch unter dem Hellenismus forterhielten
und zum Theil vreite Verbreitung fanden : der Zeus Kasios (T'Sp nb«)
gräcisirt als Triptolemos, die Athene Cyrrhestike = Belisama («uf
einer lat. Inschrift) , die Artemis - Gad von Laodicea u. A. , so
darf man es nicht für unmöglich erklären, dass hinter dem Apoll
von Daphne irgend ein alter chetitischer Gott, nach unserer Ver¬
muthung der rjifi"), steckt. Auch ist natürlich nicht zu ver¬
gessen, dass die meisten hellenistischen Städtegründungen nicht so
sehr Neugründungen zu nennen sind, als vielmehr Synökismen
der alten einheimischen Bevölkerung; speciell von Antiochien
lassen uns dies die Angaben bei Strabo, um von Malalas zu
scbweigen, vermuthen.
Gehen wir zu den übrigen semitischen Völkem über, so finden
wir auch hier mehr oder minder bestinunte Nachrichten, dass bei
ihnen ein dem Apoll zu vergleichender Gott verehrt vmrde. Lucian
(de dea Syria c. 35) beschreibt ein im Tempel der Atargatis zu
Hierapolis (Bambyke) befindliches Götterbild, wie folgt: Nächst
dem [vorher beschriebenen] Tbron [des Helios] ist ein Holzbild
\^6avov\ des Apoll aufgestellt, welches ganz ungewöhnlicher Art
ist; alle andem stellen den Apoll als Jüngling dar, einzig diese
haben das Schnitzbild eines bärtigen ApoU aufzuweisen, und sie
rühmen sich noch dessen und schmähen die Hellenen und andere,
welche einen kindlichen Apoll (AnoXhava naiSa) verehren. —
Auch haben sie noch etwas anderes Besonderes an ihrem ApoU;
sie sind die einzigen, welche ihn bekleidet darsteUen*. Im folgen¬
den Abschnitt bespricht der Verfasser ausführlich das Orakel dieses
Gottes, welcher nicht etwa, wie es sonst üblich, durch den Mund
seiner Priester seine Weissagungen offenbarte, sondem durch Be¬
wegungen vmd Sprünge des Schnitzbildes in einer Art, die lebhaft
an das Tischrücken erinnert. Macrobius (Satum. I, 17): ,die Ein¬
wohner von Hierapolis, welche zu den Assyriem gehören, über¬
tragen alle Eigenschaften und Wirkimgen der Sonne auf ein bär¬
tiges Götterbild, welches sie Apollo nennen. Sein Gesicht ist mit
einem langen Bart versehen, während sein Haupt von einem Cala-
thus überragt vrird ; seine Gestalt ist mit einem Panzer geschützt ;
in der ausgestreckten Rechten hJllt er eine Lanze, hierüber ist eine
kleine Victoria; in der Unken hält er eine Blume; ein Gorgonen-
umwurf mit Schlangen umkränzt deckt die Schulter vom Nacken
abwärts. Adler daneben drücken den Flug aus (?); zu den Füssen
30*
562 Mordtmann, mythologische Miscellen.
befindet sich eine weibliche Figur, zu deren Bechten und Linken
ebenfalls weibliche Figuren, sie werden von einer Schlange um-
ringelt". Um kurz zu sein, so glaube ich, dass der ApoUo von
HierapoUs kein anderer ist als der wohlbekannte Hadad, welcher
in dieser Stadt als Paredros der Atargatis verehrt wurde, s. die
Stellen bei Baudissin Studien etc. S. 312 ff. Anderwärts freUich
beschreibt derselbe SchriftsteUer den Gott Adad, welchen er als
Sol bezeichnet, etwas verschieden (I 23): „das Büd des Adad vrird
dargestellt mit nach unten gerichteten Strahlen" '), welcher Zug
übrigens der zuerst gegebenen Beschreibung nicbt geradezu vrider-
spricht. Wenn dieser Gott den „Assyrern" zugeschrieben wird, so
sind wohl gerade damit, dem Sprachgebrauch Lucians und der
erstangeführten Stelle gemäss, die Einwohner von HierapoUs ge¬
meint. Nach allen bisher über Hadad bekannten Nachrichten ist
derselbe eine den Aramäem eigene Gottheit.
Mit der Beschreibung des Gottes von Hierapolis stimmt wenig¬
stens in einigen Theilen die Figur, die sich auf dem Revers einiger
Satrapenmünzen mit aramäischen Legenden findet. Der Herzog
von Luynes theüte sie verschiedenen persischen Statthaltem (Syen¬
nesis, Demes) zu, Herr Dr. Blau (Beiträge zur pböniciscben Münz¬
kunde) der Stadt Nisibis in Mesopotamien; der letztere Gelebrte
machte auch schon auf die sogleich zu besprechenden Stellen in
griechischen ScbriftsteUem aufmerksam. Doch hat sich Brandis
(Münzwesen in Vorderasien S. 350, vgl. S. 495) entschieden gegen
diese Attribution ausgesprochen, indem er sie vielmehr der Stadt
Side in Pamphylien zuschreibt. Somit sind diese Münzen für unsem
Zweck unbrauchbar, dagegen besagt aUerdings die SteUe des
Sanchuniathon (c. 22 FHG HI 568): „Es wurden dem Kronos in
Peraea [im pbön. Texte stand wohl ma lay] drei Kinder geboren:
Kronos, der denselben Namen wie sein Vater führt, Zeus Belus
und Apollon", wenn man von der euhemeristischen Einkleidung
absieht, dass bei den verwandten Stämmen in Mesopotanüen den
phöniciscben Gottheiten vergleichbare verehrt wurden, El, Bei imd
Hadad.
Wir begegiieten oben bereits der nüssbräuchUchen Anwendung
des Namens Assyrer auf die aramäischen Syrer; es ist natürlich,
dass wir hienmter nicht die alten ächten Assyrer zu verstehen
haben; auch diese ältesten Semiten verehrten einen Apoll. Strabo
sagt (1. XVI c. 1): Borsippa ist der Artemis und dem ApoU heiUg
(daraus Steph. Byz. s. v., S. 176 Mein.). Diese Angabe führt uns
gleich auf die Spur: Borsippa war die Stadt des Nebu, des „offen¬
barenden" Gottes (Duncker I 203 u. 206); in ihm erkannten also
die Giiechen ihren 'AnoXXiüv fidvxis wieder. Die alten Ciüte,
1) Vergl. die von Vogü£ veröffentlichten Abbildungen auf zwei Cylindern Mei. 68 und 121.
Mordtmann, mythologische Miscellen. S6S
z. B. des Nergal , Sin , und auch des Nebo ') haben sich in Meso¬
potamien mit grosser Zähigkeit, als die alten Babylonier schon
längst ausgestorben, bis zu den Mandäern herab gehalten. Ich
glaube daher auch, dass der Tempel des Apoll in Seleucia am
Tigris, der bei Gelegenheit des ParÜierfeldzuges des Lucius Veras
von den römischen Soldaten geplündert wurde, ein Tempel des
Nebo war; dieselben erbrachen unter Anderm eine Büchse, aus
welcher ein giftiger Hauch hervordrang, welcher eine verheerende
Pestseuche zur Folge hatte. So erzählt der Biograph des Kaisers
(Julius Capitolinus V. Ver. c. 8). Ammianus Marcellinus (lib.
XXin, S. 251 Val.) erzählt dieselbe Geschichte etwas anders, fügt
dagegen hinzu, dass gleichzeitig das Bild des Apollo Chomeus von
seinem Standort weg nach Bom geschleppt und dort im Tempel
des palatinischen ApoU aufgestellt worden. AUerdings war Seleucia
so gut wie Antiochien eine Gründung des Seleucus, und in der
Nähe befand sich ein zweites ApoUonia: aUein auch hier möchte
ich in dem Apollo Chomeus eber einen orientalischen als einen
heUenischen Gott sehen.
Gehen wir weiter zu den Arabern über, so hat bereits Herr
Dr. Blau scharfsinnig den idimiäischen Apoll mit dem Kol^k „lä
o ^
identificirt (diese Ztsebr. XXV S. 566 A.). Josephus c. Apion. c.
9 berichtet, dass die Idumäer den ApoU, anderwärts (Antiqq. XV,
7, 9), dass sie einen Gott Ko^i genannt verehrten. Scbon Tuch
hat (d. Ztsch. DI 195) Koze richtig mit dem vorislamischen Ge¬
witterdämon der Araber, dem ^^ vergUchen, nach welchem noch
bis auf den heutigen Tag der Regenbogen der Bogen des Kuzah
fj»^ heisst. Herr Dr. Blau hat eine Anzahl idumäiseber Namen,
die mit Ko^i zusammengesetzt sind, nachgewiesen: KoatoßuQog
(Jos. AA. XV, 7, 9 XX, 9, 4) = „von K. geschaffen",
Koßßccgaxog (C. L G. IH 5149) = «5V,b ^jä ,K. segnet". ^)
Diese glücklichen Identificirungen werden durch die in den Keü¬
schriften vorkommenden Namen aufs schönste bestätigt (Schräder
KeUschr. u. d. A. T. 57, 20). Es ist femer gevriss nieht zufUUig,
1) Vergl. die characeuischen Könige 'Aßivv^fyXot, jißsvv^foyot Wadd.
Mil. de Numism. II, 94ff. , die Verehrung des Sin bei den Harräniern bis in die Zeit des Julian, und zu Nebo die palmyrenischen Namen 173133, *13Tia3, t«1pia3 , 13313 (Vogüi 24, 66, 67, 73); letzterer ward auch in Edessa ver¬
ehrt: Jacob von Edessa, diese Ztsch. XXIX, 131.
2) C. I. G. 5149 ist St. KO^BAPAKO£ zu lesen K02BAPAXOJ;
gleich daneben steht ein verstümmelter Name mit gleicber Endung: ...ß]a(iaxo[i'.
Eine Insebrift von Der'at (Edre'i) C. I. G. 4573 e enthält Z. 3 dieselben Namen: a«ito(?)u»'o[£ K]osßa(iaxov xai Kuo[ßditax\oi Paßdfov etc. Aus der letzteren Inschrift liesse sich das idumäische Namensverzeichniss noch ver¬
mehren.
i 0
564 Mordtmann, mythologitehe MiiceUen.
dass der Name 'AnoXköäoToe mehrfach von Idumäern geführt vrird
(Joseph d. b. Jud. XIQ, 13, 3 C. I. G. 5149). Stark (a. a. 0. S.
232 f. 447 f.) hebt mit Recht die Thatsache hervor, wie unter dwi
verwüstenden Kriegen der hellenistischen Zeit die arabischen Stämme
der Idumäer und Nabatäer immer mehr das ehemalige Gebiet der
Philister überfluthen und schliesslich auch in die Seestädte, wie
Gaza eindringen. Wenn wir daher erfahren, dass in der letzteren
Stadt z. B. gelegentlich ihrer Einnahme durch Alexander Jannaeus
der gesammte Rath im Tempel des Apollo niedergemetzelt wurde
(Stark a. a. 0. 500, Josephus AA. XIII, 13, s), und dass noch im
Anf. des 5. Jh.'s daselbst imter den acht heidnischen Tempeln sich
ein solcher des Apoll befand (s. d. Stelle aus den Acten des h.
Porphyrius ZDMG XXXI 101), so bin ich geneigt, hierin den
Einfluss der idumäischen Bevölkerung dieser Städte zu sehen ; das¬
selbe güt von der Geschichte, die Apion, der Widersacher des
Josephus, vom Apoll in Dora, der bekannten Seestadt, erzählt hatte, die er geradezu eine idumäische Stadt genannt (Joseph, c. Ap. II, 9).
Unter diesen Umständen zögere ich auch nicht, den ApoUocult in
Ascalon als nichtphönicisch zu erklären : nach Africanus (bei Euseb.
h. eccL I 6,2) sollte der gleichnamige Grossvater des Herodes,
des Gründers der idumäischen Dynastie, in Ascalon Hierodule im
Tempel des Apollo gewesen sein. Wenn der spätere König diese
Stadt selbst später noch als heimathlichen Stützpunkt behandelt,
so wird sie jedenfaUs auch unter ihren Bewohnern eine gute An¬
zahl seiner Landsleute gehabt haben. Auch bei den Nabatäern
imd Idumäm in Petra scheint eine ähnliche Gottheit verehrt worden
zu sein; vgl. die SteUe aus Epipbanius ZDMG XXIX 106.
Ebenso wie im Süden, hatten sich auch im Norden, in Meso¬
potamien, die arabischen Wüstenstämme in den Städten festgesetzt.
Orrhoene mit seiner Hauptstadt Edessa war ein arabisches Reich,
Plinius V, S6 sagt geradezu: Arabia habet oppida Edessam, quae
quondam Antiochia dicebatur, Carrhas, Crassi clade nohiles; Uranius
rechnet Singara bei Edessa zu Arabien (s. St. Byz. s. v.). Zum
Theü waren sie vom Tigranes dorthin verschleppt worden (Plinius
VI, 142), zum Theü hatten sie sich während der Wirren der rö¬
mischen Bürgerkriege dort festgesetzt, so in Arethusa, Emesa, He¬
liopolis und sonst (Sti-abo S. 753). Die Könige von Edessa Ab-
gams, Val, Mannus etc. führen arabische Namen; ihre Herrschaft
soU von einem gewissen Osdroes, dem Führer einer arabischen
Horde gegründet sein (Procop d. b. P. I, 17). Behalten wir dieses
im Auge, so werden wir die von Julian den Edessenern zugeschrie¬
benen Gottheiten Azizus und Monimos, die er als Mars und Mercur')
1) Or. IV 8. 195 Hertl. ot t^v "ESsooav uixoime, Uoiv aicövot 'Hliov xmgtov, Moviftov nvTtp «ai '!At,it,ov ovyxa&i$pvovotr, aivijxea&al ft/oiv UdfißXtios — ü)t 6 Mdvifioe fiev'Eff/ifii e'irj, A^i^oe Se'Aqrjt,'Hliov nä^eSqot, noUd xal dyad'd T(j5 neffl yije inoxerevovree xonto.
4 0
Mordlmann, mythologische Miscellen. 565 b >
erklärt, = ßjc und den arabisclien Einwanderern, nicht den
aramäischen Einwohnern zuschreiben, obgleich der Autor im Ver¬
lauf seiner Rede vom Azizos sagt, dass der von den Syrern in
Edessa Azizos genannte Ares den Helios geleitet (ed. Hertlein
S. 200 OT* fth) 'Ag^e 'A^iCog Xeyoftevos ind räv olxovvtuv rijv
'ESsaßav 2vgm> 'HXiov ngono^mevei). Beide Namen tragen un¬
zweifelhaft arabisches Gepräge, und kehren in den griechischen In¬
schriften der ehemaligen provincia Arabia häufig genug wieder.
Diese gänze Erörterung würde nicht hierher gehören, wenn wir
nicht durch eine Anzahl dacischer Inschriften (C. I. L. IH 1130—1137
zu Carlsburg, 875 zu Thorda) den Azizus als deus bonus puer
posphorus ApoUo Pythius ') kennen lernten. Dieser Lichtdämon
kann natürlich nicht mit dem syrisch-aramäischen ApoUo von Hie¬
rapoUs identisch sein ; doch bleibt seine Natur nicht minder dunkel.
Heisst posphorus allgemein „Lichtträger" oder bezeichnet es den
als männliches Wesen gedachten Morgenstern? Allerdings sagt der
Kirchenvater Hieronymus (zum Amos c. 5): Sidus dei vestri ebraice
dicitur aDi3, id est, Lueiferi, quem Saraoenici hucusque venerantur
(vgl. syr. Nn3Di5 = Venus bei Lagarde Abh. )5, 27; 16, is) und
im Leben des h. Hilarion (Opp. ed. Francof. a. 1684 t. I p. 160 D)
von den heidnischen Einwohnern zu Elusa: colunt autem illam
[d. h. die Venus] ob Luciferum, cuius cultui Saracenorum natio
dedita est. Aber die Thatsache wird sich doch gerade umgekehrt
verhalten; nieht weü sie den Lucifer verehren, verehren sie auch
die Venus, sondem weil sie diese verehren, beten sie auch ihren
Stem, den Morgenstern an, wie bekanntlich die Assyrer (Ztsch.
xxvn, 403). Somit können wir dem Epitheton posphoras nur die
Bedeutung „lichtspendend" beilegen, ohne Beziehung auf den eben¬
falls so benannten Stem. Stark a. a. 0. S. 573 behauptet zwar
femer: „Neben Dusares ist Lucifer hoch verehrt als Morgenstern,
als Tagbringer, wahrscheinlich der auch in Namen der Herodiaden-
zeit bekannte Ko^i, Gott der Idumäer, welcher auf Berghöhen ver¬
ehrt ward, und z. B. mit dem Zeus Kasios bei Pelusium, mit dem
syrischen Höhengott ganz verschmolzen erscheint". Hierzu wird
citirt Lucan. Phars. VHI 857: Lucifer a Casia prospexit rape
diemque misit in Aegyptum primo quoque sole calentem. Es ist
schade, dass der Verfasser uns die sonstigen Belege für die „hohe
Verehitmg" des Lucifer vorenthalten hat; denn jene Dichterstelle
will doch nur unter Anwendung einer geläufige» Metapher und
einer poetischen Detailmalerei den Ausdrack „die Sonne ging in
1) C. I. L. III 1130: deo bono puero (p]osphoro 1131: bono puero 1133:
deo bono puero | posphoro Apollini | Pythio, ähidich 1132—1137. 875 aus der Zeit des Valerian: deo Azizo bono p[uero posphoro conservajtori etc. (Vgl.
Lagarde Abh. 16, 27 ff.) Die Schreibung posphorus ist auch sonst inscbriftlicb bezeugt.
566 Mordtmann, mythologische Miscellen.
Egypten auf umschreiben; Virgil und Catull an mehreren Stellen
lassen, vermuthlich nach alexandrimschen Vorbildem, den Hesperus
und Lucifer auf dem thessalischen Oetaberge aufgehen ; darum fällt
es aber doch Niemandem ein, zu behaupten, dass dieser Berg dem
Hesperus oder Lucifer gevreiht war. Dagegen mag Lucan aller¬
dings an die bekannte Fabel gedacht haben, dass von der Spitze
des Casius die anhebende Sonne scbon 2 Stunden nach Mitter¬
nacht vrieder sichtbar wird, eine Fabel, welche übrigens auch vom
gleichnamigen Berge bei Antiocbien erzählt wird
Nun hat Tuch (ZDMG HI, 195) aUerdings noch eine An¬
zahl SteUen aus " byzantinischen Autoren citirt, welche den Cult
des Lucifer und der Xaßäg = ^L/ genannten Venus bei den
Vorislämischen Arabem beweisen soUen, und hat namentlich die
Xaßdg, soweit mir bekannt ist, überaU Glauben gefunden (Seiden
Synt. n c. 4. Movers. Blau diese Ztschr. IX, 234 A. XV, 441).
Dies Factum, welches sonst nirgend durch eine ältere Quelle über-
Uefert wird, scheint mir wichtig genug, um auf seine Glaub¬
würdigkeit untersucht zu werden.
Tuch a. a. 0. ftthrt als Belege Joannes Damascius Th. 1, S. III
und den Anonymus in Sylburg's Saracenica S. 70 an. Hierzu
kommt eine SteUe aus dem Ekey^os oacpije twv 'lafiurjXitwv
xal T/]s cplvagiag rwv doyfiärwv avrwv S. 1 der Sylburg'schen
Saracenica: üi JSagaxrftioi fi^XQ'' IM^'"] '^'^^ HgaxXtiov tov ßa-
aiXiwe j^po'vwv elSwkoXargovv ngogxwovvrsg r^ iwg(f.6gr{)
änrgtp xai rf/ 'AtpgodirTj ijv dt] xal Xaßag rp kavriäv ovo-
ftd^ovai yXwrrtf {drjXoi Sk i] Xi^ig avrt] r^v fi(ydkr]v) und eine
zweite von Seiden (de dis Syris Synt. H) angeführte ,e catechesi
Saracenomm' : dva&t/iari^w rovg r(p ngwivtp nqogxvvovvrtg
aargq», Rjyovv rip 'Ewg<f6gq> xal ty 'AcpgoSiry tjv xard rijv
rwv 'Agdßwv yXwaaav Xaßdg övofxd^ovai, rovriariv fitydXijv.
Lobeck (im Aglaophamus S. 1227 f) schreibt: Cabiri enim vulgo
dü magni vocantur, ipsumque nomen Arabicum Cabir magnum
valet et praecipue Veneri tribuitur ut ostendit Gutberlethus c. I e
catechesi Saracenorum haec afferens [folgt die oben citirte SteUe].
Hinc paucis gressibus iUuc escendi poterit, unde prospectus est
ad ultimam antiquitatis oram. Etenim Anna Alex. 1. X 284 D
hanc Cabiriam Venerem ipsam Astarten perhibet: oi .Sagaxtjvol
rijv 'Aardgrvv xal rrjv 'Aaragw& ngogxvvovai xal rriv xg^'
ar[V nag' airoig xoßag. Nicbt nunder lehrreich ist die Note
dazu: Haec et quae sequuntur a Vossio sumpsit Idol. H 31. 467,
qui quae ex Euthymü Zigabeni panopUa affert, eadem omnia le¬
guntur apud Anonymum contra Muhammed, quem le Moyne edidit
1) Mela I c. 10 Plin. h. n. VI § 80 Ammian. Marcell. 1. XXII (S. 227 Val.). Der gelehrte Isaac Voss hat über diese Fabel eine lange physicalitche Erörterung geschrieben: s. seine Anmerkung zu Mela I, 10 u. 18.
Mordtmann, mythologische Miscellen. 567
Van-. Sacr. p. 429. Constantini locum XIV. 68 addidit Tristanus
Comm. p. 17 ad illustrandum Uraniae et Astartae nomen. His
accedit Bartholomaei Edesseni Confutatio Hagareni p. 307. ov oi
"Agaßte Soxi/^ä^STB td kwscpogov äargov, Zeßm , 'Affgodtrt},
Kgovov xai Xccfiag liytrs. Schol. Gregor. Bodlej. p. 43 ravrijv
iogrrjv "Elltjvsg ijyov hriaiov ^xnakai xad-' t/v ktixd-f) Xgiardg
i]u6gav av^iqxorov xaXovvrsg. 'EtsXovvto Sk xartx to fttaovvx-
Tiov äSvTOig vneigeg^ofievoi, ö&sv k^iovteg ixgaÜ,ov 'H na^-
■d-ivog ritoxtv, av^u cpüg. Tavrr/v, wg 'Enitpuviog ygd<fet, rrjV
iogriiV i/yov xal ^agaxTjvol ncekai rijv nag' avrolg asßo,uivt]V
' A(fgoSirrjv, V/v Sr) Xaßaga (sic atonos) rrj avrwv ngogayogsvov-
0iv ykwcar). Letztere sowie die diese Ztschr. IX, 234 A. aus Mai
Spicil. Eom. II, 133 angeführte Stelle gehen auf die Stelle des
Epiphanius zurück, die ich in dieser Zeitschrift Bd. XXIX S. 99 ff.
behandelt habe ; nur dass die dreisten Möncbe das richtige Xaaßov
in das anderweitig ihnen bekannte Xaßaga (bez. Xa/iagä) ver¬
wandelt und demnach erklärt haben. Was die übrigen angeführten
Autoren fast gleichlautend über den Namen der saracenischen
Aphrodite aussagen, ist natürlich, soweit sie sich nicht gegen¬
seitig ausschreiben , aus einer gemeinsamen Quelle geschöpft.
Wenn ich mich nicht täusche, liegt uns diese selbst oder doch
in weniger verfälschter Gestalt beim Constantius Porphyrogenetes
und Cedrenus vor. Ersterer sagt (de adm. imp. c. 14) ngogsv-
^ovrai Sk xal tig rö rijg 'AffgoSirrjg dor gov , 6 xaXovßi
Kovßdg, xal ävaqxuvovatv iv r^ ngogsv^jj avrwv ovrwg
„äXXä ovd xovßdg'^ 6 iariv o' &e6g xal 'AtjpgoSirrj. rov ydg
&e6v dXXä ngogovo^d^ovffiv, rd Sk ovd dvrl roH xai avvSia-
fiov ri&iaßi , xal ro xovßdg xaXoijßi ro dßrgov xal Xk-
yovßiv ovrwg „uXXü ovd xovßdg". Cedrenus I, 744 der Bonner
Ausgabe : [die Saracenen] waren noch bis vor kurzem Götzendiener
und verehrten die Aphrodite, d. h. „die Lust", der Heiden, als
deren Stem sie den Morgenstem bezeichnen; sie nannten dieselbe
in ihrer gräulichen Sprache kubar, d. i. die grosse, und hiessen
die Aphrodite eine Göttin, üm aber den Schein zu vermeiden,
als ob wir lügen, will ich ihr grosses Mysterium erklären. Die Worte
ihres abscheulichen und gotteslästerlichen Gebetes lauten alla alla
va kubar alla; alla alla heisst Gott, va „grösser", und habar „die grosse", d. h. die Mondgöttin oder Aphrodite ; somit bedeuten jene
Worte Gott Gott grösser und die grosse (d. h. Aphrodite), Gott.
Ich glaube, der aufmerksame Leser hat schon mit Erstaunen den
wahren Sachverhalt errathen, ohne dass ich es auszusprechen nöthig
hätte: irgend ein Windbeutel hat die bekannte mohammedanische
Formel AUahu akbar, gr. dXXaov axßag, missverständlich, ver¬
muthlich durch reinen Lesefehler in aXXu ova xaßag vei-wandelt,
und dazu eine sprachlich wie sachlich gleich alberne Interpretation
hinzugefügt. Ein zweiter, der diese benutzte, führt nur noch die
allgemeine Angabe an, dass die Saracenen die Apbrodite kubar
4 B *
568 Mordtmann, mythologische Miscellen.
genannt; und einem dritten fällt noch die Angabe des Epiphanius
ein, die er sich beeilt mit seiner Weisheit zu interpoliren und bei
der Anna Conmena verwandelt sich dieses Phantom schliesslich in
die Astarte.
Ueberblicken wir die Resultate der vorstehenden Betrachtungen, so lässt sich nicht leugnen, dass uns weniger eine einheitliche Vor¬
stellung zum Leitfaden gedient als die rein äusserliehe Benennung
dureh die Grieehen und Römer. Schon bei diesen sind die Licht¬
götter Apollo und Artemis viel weniger präcisirte und concrete
Gestalten als dies (wenigstens in historischer Zeit) z. B. Ares,
Aesculap, Aphrodite, Dionysos waren. Während Helios sozusagen
die rein physicalischen Seiten der Sonne repräsentirt, haben sich
im Apoll eine Anzahl Eigenschaften verkörpert, welche als Wirkungen
und Ausflüsse des Lichts galten, wie z. B. die Weissagung.
Nur in dem seltnen Falle wo er als Gewittergott erscheint (Jahn
Pop. Auf. 273 f.) tritt in ihm personificirte Naturkraft zu Tage,
während sonst nur noch in seinen nie fehlenden Geschossen die
Erinnerung an seine ursprüngliche Bedeutung sich erhalten hat.
Wir durften daher von vom herein erwarten, dass ihm nicht durch¬
weg ein bestimmter allgemein semitischer Gott entsprechen würde,
was schon durch die Seltenheit dieser Identification indicirt war.
In den orientaUschen Religionen, speciell bei den Semiten hat der
Sonnengott entschieden den Vorrang vor aUen andem elementaren
Gottheiten, ja er wird theüweise sogar zum Hauptgott, imd als
soleher allmähUch zur Verkörpenmg der abstracten Gottesidee
selbst. Dieser Umstand und die bekannte mehr durch sprachUchen
Process vor sich gehende Verdoppelung und Vermehrung einer
Göttergestalt hat bei den Semiten ebenfalls eine wenn aucb nur
geringe Anzahl di minorum gentium geschafi'en. Aber, um eine
ParaUele zu ziehen, während die sprachlichen Differenzen der se¬
mitischen Völker kaum grösser sind, als die der griechischen Dia¬
lecte, sind die secundären Götterreihen so verschieden wie bei
Griechen und Römem, und können daher nicht dem Ursemitismus
angehört haben. Die Lichtgottheiten, — als solche dürfen wir sie
im Allgemeinen nach ihrer Wiedergabe durch Apollo auffassen —
die wir soeben besprochen, sind aber theils directe Ableger des
ürsemitischen Sonnenbaals, so entschieden der carthagiscbe "lon bsa,
der aramäische Hadad, theils sind sie Gewittergottheiten, so der
cyprische t]l81 und der idumäische ^ jä . Was die beiden letzteren
anbetrifft, so brauchen wir uns nicht lange nach Parallelen um¬
zuschauen; der Zeite Kegavviog von Seleucia, der Wizvi b»3,
welcher auf einer palmyrenischen Inschrift durch Zsvg KsQavviog
übersetzt vrird, der assyrische Rimmon (Baudissin Studien 306 f.),
endlich die tiefempfundenen poetischen Schilderangen des Gewitters
im alten Testament, dies Alles zeigt zur Genüge, dass auch bei
den Semiten das Gewitter die reUgiösen Vorstellungen beschäf¬
tigt hat. Was endlich den deus bonus puer pospboras Azizus
k 0 *
Moreltmann, mythologische Miscellen. 569
anbetriflft, so ist bis jetzt nicht möglich, seinen Character näher
zu bestimmen. Doeh mag er immerhin identisch sein mit dem
Morgenstem er würde alsdann nicht zu dem Kreise der so¬
laren Götter , sondem zu den auch sonst Yon den Arabem gött¬
lich verehrten Stemen gehören. Wahrscheinlicher dünkt mir aber,
dass er zu einer Classe göttlicher Wesen gehörte, über die wir
bei den Semiten nur sehr dürftige Notizen haben: ieh meine die
Licht- tmd chthonischen Dämonen, welche die Alten mit ihren
Dioscuren und Cabiren vergleichen.
1) Daflir würde n. A. spreeheo, daas JoUan ansdrttcUich sagt: nftonofi- nevet iov ijXiov „er geht der Sonne voran".
570
Notizen und Correspondenzen.
Kajänier im Awestä.
Von Th. NSideke.
Spiegel, der auf die Uebereinstimmung der Mythen des Awestä
mit den Angaben jüngerer Quellen, namentlich des Sähnäme, mit
Recht grossen Nachdruck legt, hat u. A. auch darauf hingewiesen,
dass die Fürsten der Vorzeit, welche Jast 13,132 und 19,71 auf¬
gezählt werden, zmn grössten Theil auch bei Firdausi in ähnlichem
Zusammenhang vorkommen. Diese Männer sind Kawi Kawät.a{\);
K. Aipiwarihu oder K. A{piwohu(2); K. üsadhan{ä); K. Arsan{^);
K. Pinna (5); K. Byarsan (Bydresan?){6) ; K. Sydwarsan(7);
K. Haosrawanh ^){S). Der Umstand, dass an beiden Stellen 1—7
in derselben Beihenfolge stehen, zeigt schon, dass diese nicht will¬
kürlich ist, und so wird man auch von vornherein annehmen, dass
der Achte, welcher nur an der einen Stelle (13,132) genannt wird,
mit Absicht an's Ende gestellt ist. Nun hat schon Spiegel die
Stelle des Firdausi Macan 229 (= Vullers I, 314; Mohl's Ueber¬
setzung, Octavausg. I, 382) herangezogen, in welcher Kai Qobddh'^)
vier in folgender Ordnung aufgezählte Söhne hat : Kdüs ^) , Kai
Ares, Kai PiSin und Kai Armin. Man erkennt wie in dem
Vater nr. 1, so in den 3 ersten Söhnen nr. 3—5; nur Kai Armin
passt nicht. Ferner entspricht anerkannter Maassen Sydwarsa« (7)
1) Pie Namensformen steilen auch bei den vier (1. 4. .5. 6), welche sonst nicht weiter vorkommeu , leidlich sicher. Für die Bestimmung der Endungen ist günstig, dass sie nn der einen Stolle alle im Accusativ, an dor andern im Genitiv stoben.
2) Dies ist die arabische Form ; rein neupersisch ist Kawddh.
3) Bekanntlich aus Kawa Unan entstanden. Missbräuchlich wird an
andern Stollen dann noch einmal Kai (= Kawi) davor gesetzt. Die Form Uxan (Nom. Usa) kommt auch an anderen Stellen dos Awestä vor. Woher die längere Form Umdhan stammt, möchte ich gern von einem Kenner hören.