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Der Sozialhilferegress in der notariellen Praxis

(von Notarassessor Dr. Christian Vaupel, Pulheim)

Einleitung

A. Einführung in das Sozialrecht I. Vorbemerkungen

II. Grundbegriffe und gesetzliche Grundlagen III. Arten der Hilfegewährung

1. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II 2. Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB

XII

a) Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 – 40 SGB XII)

b) Grundsicherung im Alter und bei Er- werbsminderung (§§ 41 – 46 SGB XII) aa) Keine Berücksichtigung von Un-

terhaltsansprüchen

bb) Kein Anspruchsübergang (§ 94 SGB XII) und kein Erbenregress (§ 102 SGB XII)

cc) Schuldhafte Herbeiführung der Bedürftigkeit

c) Die weiteren Hilfearten (§§ 47 – 74 SGB XII)

IV. Allgemeine Voraussetzungen der Leistungs- gewährung

1. Einsatzgemeinschaft, Bedarfsgemein- schaft und Haushaltsgemeinschaft 2. Einzusetzendes Vermögen

a) Unverwertbares Vermögen i. S. v. § 12 Abs. 1 SGB II, § 90 Abs. 1 SGB XII b) Schonvermögen i. S. v. § 12 Abs. 3

SBG II, § 90 Abs. 2 SGB XII c) Sonstige Ausnahmeregelungen 3. Einzusetzendes Einkommen

B. Ausgleichsansprüche und Regressmöglichkeiten I. Unbeachtlichkeit eines Rechtsgeschäfts we-

gen Nichtigkeit, insbesondere wegen Sitten- widrigkeit

1. Gesetzliche Verbote, § 32 SGB I 2. Sittenwidrigkeit, § 138 BGB

a) Voraussetzungen für eine sozial- rechtlich bedingte Sittenwidrigkeit b) Rechtsfolgen

c) Einzelfälle möglicher Sittenwidrigkeit im sozialrechtlichen Kontext

aa) Sittenwidrigkeit der Erbschafts- ausschlagung

bb) Sittenwidrigkeit von Erb- und Pflichtteilsverzichten

cc) Sittenwidrigkeit eines Verzichts auf sonstige Ansprüche

dd) Sittenwidrigkeit der Vereinba- rung bzw. Geltendmachung von Rückforderungsrechten ee) Sittenwidrigkeit von sog. „leis-

tungsausschließenden Wegzugs- klauseln“

II. Rückforderungsrechte nach allgemeinem Sozialverwaltungsrecht, §§ 45, 50 SGB X III. Kostenersatz bei schuldhafter Verursachung

der Hilfsbedürftigkeit, § 34 SGB II bzw. § 103 SGB XII („unselbständige“ Erbenhaftung) IV. „Selbständige“ Erbenhaftung, § 35 SGB II

bzw. § 102 SGB XII

1. Zu ersetzende Leistungen 2. Ersatzpflichtige Personen 3. Haftung mit dem Nachlass 4. Gestaltungsüberlegungen

V. Übergang von Ansprüchen, § 33 SGB II,

§§ 93, 94 SGB XII

1. Allgemeine Voraussetzungen des An- spruchsübergangs

a) Art der gewährten Sozialleistungen b) Vollzug des Anspruchsübergangs c) Übergangs- bzw. überleitungsfähige

Ansprüche

aa) Vertragliche Versorgungsrechte (insbesondere Pflegeverpflich- tungen und Wohnungsrechte) bb) Pflichtteilsansprüche

cc) Rückforderungsanspruch aus

§ 528 BGB

dd) Vertragliche Rückforderungs- und Gestaltungsrechte ee) Ausschlagungsrecht

d) Anspruchsinhaber, Anspruchsgegner, Höhe des Anspruchsübergangs e) Sonstige Übergangs- bzw. Überlei-

tungsvoraussetzungen

2. Besonderheiten beim Übergang von Un- terhaltsansprüchen, § 33 Abs. 2 SGB II, 94 SGB XII

a) Bestehen eines gesetzlichen Unter- haltsanspruchs

aa) Verwandtschaft in gerader Linie (§ 1601 BGB)

bb) Bedürftigkeit (§ 1602 BGB) cc) Leistungsfähigkeit (§ 1603 BGB) dd) Maß des Unterhalts (§ 1610

BGB)

ee) Unterhaltsverzicht und andere Ausschlussgründe

Rheinische

Notar-Zeitschrift

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b) Sozialrechtliche Einschränkungen des Anspruchsübergangs

aa) Einschränkungen aufgrund der Person des Unterhalts-

verpflichteten

bb) Ausschluss bei eigener Hilfs- bedürftigkeit und Härtefall- regelungen

cc) Ausschluss bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

dd) Der Verweis auf das Selbsthilfe- gebot des § 2 SGB II bzw. § 2 SGB XII

c) Strategien zur Vermeidung der He- ranziehung zum Elternunterhalt VI. Notarielle Belehrungspflichten hinsichtlich

eines möglichen Sozialhilferegresses

Einleitung

Der Sozialhilferegress ist, jedenfalls wenn man die An- zahl der dazu veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und Stellungnahmen in der Literatur betrachtet1, ein ju- ristischer Dauerbrenner. Das hat vor allem drei Gründe, nämlich eine zum Teil sehr hektische Betriebsamkeit des Gesetzgebers2, eine auf insgesamt drei verschiedene Ge- richtszweige verteilte Rechtsprechungszuständigkeit3 und eine Lebenswirklichkeit, die durch eine steigende Lebenserwartung, hohe Kosten im Fall des Alten- oder Pflegeheimaufenthaltes, eine im Zuge der Finanzkrise wieder rapide ansteigende Arbeitslosigkeit und zu- nehmend leere Kassen in den öffentlichen Haushalten geprägt ist. Hinzu kommt, dass die zwischen 2003 und 2006 in Kraft getretenen Gesetze zur Reform des Ar- beitsmarktes dazu geführt haben, dass viele Arbeitslose bereits nach 12 Monaten nur noch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende – besser bekannt als Arbeitslosengeld II (ALG II) oder „Hartz IV“ – be- anspruchen können und damit unmittelbar der Gefahr eines Sozialhilferegresses ausgesetzt sind. Angesichts dieser Entwicklungen ist das Problem des Sozialhilfe- regresses inzwischen für große Teile der Bevölkerung zu einem ganz realen Risikofaktor bei der Gestaltung ihrer Vermögensverhältnisse geworden, weshalb in der nota- rielle Beratungspraxis heute praktisch bei jeder Testa- mentsgestaltung und lebzeitigen Vermögensübertragung Situationen auftreten können, in denen der Notar mit sozialrechtlichen Fragestellungen konfrontiert wird. Die in Betracht kommenden Problemstellungen sind zum Teil sehr schwierig und komplex, da sie nicht nur genaue Kenntnisse des im Rahmen der Juristenausbildung häu- fig vernachlässigten Sozialrechts voraussetzen, sondern auch ausgesprochene Spezialkenntnisse im Zivilrecht er- fordern, wie etwa im Erbrecht oder im Bereich des Unterhaltsrechts. Für den einzelnen Notar ist es daher oftmals schwierig, im Rahmen seiner alltäglichen Bera- tungspraxis und Beurkundungstätigkeit mögliche Kolli- sionsbereiche mit den in Betracht kommenden Sozial- leistungsansprüchen zu erkennen und den Beteiligten geeignete Lösungswege aufzuzeigen. Hierzu soll der fol- gende Beitrag eine konkrete Hilfestellung bieten. Ziel ist

es, dem mit der sozialrechtlichen Materie weniger ver- trauten Leser einen ersten Einstieg in die Problematik zu ermöglichen und ihm durch das Aufzeigen der aus nota- rieller Sicht relevanten Problemkreise einen Überblick über die ohne Zweifel vielschichtige und aufgrund des Zusammenspiels verschiedener Rechtsgebiete auch sehr unübersichtliche Thematik zu verschaffen. Zu diesem Zweck werden zunächst in einem einleitenden Teil (Teil A) die Grundzüge des Sozialrechts und einige Grund- begriffe des Sozialrechts dargestellt. Im zweiten Teil (Teil B) werden sodann die Möglichkeiten und Grenzen einer Inanspruchnahme durch den Sozialleistungsträger auf- gezeigt, wobei das Hauptaugenmerk auf die für die nota- rielle Praxis bedeutsamen Fallgestaltungen gerichtet ist.

A. Einführung in das Sozialrecht I. Vorbemerkungen

Bei dem Versuch, sich dem Sozialrecht zu nähern, muss man sich zunächst die Frage stellen, was überhaupt So- zialrecht ist. Ausgangspunkt ist Art. 20 Abs. 1 GG, wo- nach die Bundesrepublik Deutschland ein demokrati- scher und sozialer Bundesstaat ist. Das dadurch ver- mittelte Sozialstaatsgebot wird verwirklicht durch eine inzwischen fast unüberschaubare Anzahl von sozialen Leistungsgesetzen, welche sich in Anlehnung an die in Art. 74 GG verwendeten Begriffe in die Bereiche So- zialversicherung (vgl. Art. 74 Nr. 12 GG), Sozialversor- gung (vgl. Art. 74 Nr. 10 GG) und Sozialfürsorge (vgl.

Art. 74 Nr. 7 GG) einteilen lassen.

Durch die Sozialversicherung werden zunächst die all- gemeinen Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter, Arbeitsunfall und Pflegebedürftigkeit abgesichert.

Die hierzu von der Arbeitslosen-, Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung gewährten Leistungen werden überwiegend aus den Beiträgen der zwangsweise versicherten Mitglieder finanziert. Diese Leistungen sind deshalb in der Regel nicht an die Bedürftigkeit der be- troffenen Person geknüpft, sondern es können grund- sätzlich auch vermögende Personen Leistungen bean- spruchen.

Die Leistungen aus dem Bereich der Sozialversorgung werden dagegen überwiegend aus Steuermitteln finan- ziert. Diese Leistungen dienen in erster Linie dem Aus- gleich besonderer Opfer oder Nachteile (z. B. Schwerbe- hindertenrecht, Wohngeld, Kindergeld, Erziehungsgeld, Ausbildungsförderung), weshalb sie regelmäßig eine ge- wisse Bedürftigkeit der betroffenen Person voraussetzen.

1 Bei einer aktuellen Juris-Recherche zu den Stichworten „Sozialhilfe“

und „Regress“ wurden z. B. 378 Literaturnachweise und 1 444 Ge- richtsentscheidungen angezeigt.

2 So hat der Gesetzgeber z. B. das erst zum 1. 1. 2005 in Kraft getretene SGB II bereits ein Jahr später wieder mehrfach geändert, indem er u. a. das zum 1.4./1. 7. 2006 in Kraft getretene SGB II-Optimierungs- gesetz und durch das zum 1. 8. 2006 in Kraft getretene SGB II-Fort- entwicklungsgesetz verabschiedet hat.

3 Die Zuweisung der sozialhilferechtlichen Streitigkeiten im weiteren Sinn (SGB II, SGB XII) an die Sozialgerichtsbarkeit (vgl. § 51 Abs. 1 Nrn. 4 a und 6 a SGG) ist erst zum 1. Januar 2005 erfolgt. Zuvor waren hierfür ausschließlich die Verwaltungsgerichte zuständig. Den Zivil- gerichten obliegt dagegen z. B. die Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang ein zivilrechtlicher Anspruch, der von dem Sozial- leistungsträger übergeleitet wurde, tatsächlich besteht.

(3)

Der Bereich der Sozialfürsorge übernimmt schließlich die Funktion des untersten sozialstaatlichen Netzes, in dem all diejenigen Fälle aufgefangen werden, die durch die Maschen der anderen Leistungsgesetze hindurch ge- fallen sind. Die ebenfalls aus allgemeinen Steuermitteln finanzierten Leistungen der Sozialfürsorge (insbesonde- re das Arbeitslosengeld II und die Sozialhilfe) stellen auf die konkrete Notlage der betroffenen Personen ab und werden deshalb grundsätzlich nur bei entsprechender Bedürftigkeit gewährt. Da in diesem Bereich die Be- dürftigkeit der betroffenen Personen naturgemäß am größten ist, besteht hier die höchste Gefahr, dass eine ur- sprünglich nur zivilrechtlich ausgerichtete Vertragsge- staltung einer sozialrechtlichen Überprüfung nicht standhält4. Aus diesem Grund wird sich die folgende Darstellung auf die in dem Bereich der Sozialfürsorge typischerweise auftretenden Problemkreise konzen- trieren.

II. Grundbegriffe und gesetzliche Grundlagen Das Sozialfürsorgerecht war früher sehr stark zersplit- tert. So war z. B. die Sozialhilfe früher im Bundessozial- hilfegesetz (BSHG) geregelt, während sich die Rege- lungen zur Arbeitslosenhilfe im SGB III befanden. Durch das „Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ vom 24. 12. 2003 ist das Sozialfürsorge- recht völlig neu strukturiert worden. Die frühere Ar- beitslosenhilfe des SGB III und die im BSHG enthaltene Sozialhilfe für den Personenkreis der Erwerbsfähigen und ihre Haushaltsangehörigen wurden zu einer ein- heitlichen Grundsicherung für Arbeitssuchende zusam- mengefasst und im SGB II abschließend regelt. Die wei- teren Regelungen zur Sozialhilfe, die früher im BSHG enthalten waren, wurden ebenfalls in das Sozialgesetz- buch integriert und befinden sich nunmehr im SGB XII.

Diese beiden Bereiche, nämlich die Grundsicherung für Arbeitssuchende des SGB II und die Sozialhilfe des SGB XII, werden im Folgenden näher dargestellt.

Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) und Sozialhilfe (SGB XII) erhält grundsätzlich nur, wer hilfsbedürftig ist (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II und

§ 19 Abs. 1 – 3 SGB XII). Hilfsbedürftig i. S. des SGB II und III ist, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (vgl. § 9 Abs. 1 SGB II, ähnlich § 19 Abs. 1 – 3 SGB XII i. V. m. § 2 Abs. 1 SGB XII). Daraus folgt bereits der wichtigste Grundsatz des Sozialfürsorgerechts, nämlich der Grund- satz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) bzw. der Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 2 SGB II). Der Grundsatz der Nachrangigkeit besagt, dass finanzielle Hilfe vom Staat nur erhält, wer sich nicht an- ders helfen kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderer Seite erhält. Das heißt, wer staatliche Hilfe beanspruchen will, muss zunächst seine eigenen „Kräfte und Mittel“ einsetzen: Er muss eine zumutbare5Arbeit aufnehmen, er muss sein Einkommen und sein Vermögen bis auf bestimmte Grenzen6 aufbrauchen, er muss An- sprüche gegen Dritte realisieren, soweit diese wirtschaft- lich verwertbar und durchsetzbar sind7, und er muss

vorrangige öffentliche Leistungen, wie beispielsweise Wohngeld und Kindergeld, ausschöpfen.

III. Arten der Hilfegewährung

1. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II

Bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeits- suchende nach dem SGB II ist zu unterscheiden zwischen den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 14 – 18 a SGB II) und den Leistungen zur Sicherung des Lebens- unterhalts (§§ 19 – 35 SGB II). Die Leistungen zur Ein- gliederung in Arbeit nach den §§ 14 ff. SGB II werden nach dem Grundsatz des Forderns (§ 2 SGB II) und des Förderns (§ 14 SGB II) zusammen mit dem Hilfs- bedürftigen in einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 SGB II) festgelegt. Zu den Leistungen, die der Hilfs- bedürftige aufgrund der Eingliederungsvereinbarung er- halten kann, gehören vor allem die in § 16 SGB II ge- nannten Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem SGB III (wie z. B. Arbeitsvermittlung, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen etc.). Es handelt sich dabei also in erster Linie um zweckgebundene, einmalige oder zeitlich beschränkte Leistungen, die dazu dienen, den Hilfsbedürftigen erstmals oder wieder in den Arbeits- markt einzugliedern.

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 – 35 SGB II bestehen vor allem aus dem Ar- beitslosengeld II (§§ 19 ff. SGB II) für erwerbsfähige Hilfsbedürftige und dem Sozialgeld (§ 28 SGB II) für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, die mit dem er- werbsfähigen Hilfsbedürftigen in einer Bedarfsgemein- schaft (§ 7 Abs. 3 SGB II) leben. Die Leistungen von Ar- beitslosengeld II und Sozialgeld orientieren sich an dem individuellen Lebensbedarf des Hilfsbedürftigen und setzen sich im Wesentlichen zusammen aus einer pau- schalierten Regelleistung (§ 20 SGB II) und den tatsäch- lichen Leistungen für eine angemessene Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Die finanziellen Regelleistungen des § 20 SGB II basieren auf den Regelsätzen der Sozial- hilfe des SGB XII8.

4 Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass es auch bei Leistungen aus dem Bereich der Sozialversorgung zu Wechselwirkungen zwischen dem Zivilrecht und sozialrechtlichen Ansprüchen kommen kann (z. B.

die Anrechnung von Einkommen bei der Ausgleichsrente gem. §§ 32, 33 Bundesversorgungsgesetz). Lediglich die Leistungen aus dem Be- reich der Sozialversicherung (Arbeitslosen-, Kranken-, Renten-, Un- fall- und Pflegeversicherung) erfolgen unabhängig von anderweitig vorhandenem bzw. nicht mehr vorhandenem Einkommen oder Ver- mögen.

5 Nach der – politisch hoch umstrittenen – Regelung des § 10 SGB II ist dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen grundsätzlich jede, auch unter- tariflich bezahlte, legale Arbeit zumutbar, auch wenn sie hinter seiner Ausbildung oder seiner bisherigen Beschäftigung zurück bleibt, der Arbeitsort weiter vom Wohnort entfernt ist oder die Arbeits- bedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen des Hilfsbedürftigen.

6 Zu den Grenzen des einzusetzenden Einkommens und Vermögens siehe sogleich unter A. IV. 2. und 3.

7 Vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 2 SGB XII, Rn. 8 u. 14; Armborst/Brühl in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 2 SGB XII, Rn. 14 ff.

8 Anders als bei der früheren Arbeitslosenhilfe orientiert sich die Leis- tungshöhe also nicht mehr am zuvor erhaltenen Arbeitslosengeld, sondern allein am notwendigen Bedarf des Hilfsbedürftigen.

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2. Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII Bei den Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII ist zu differenzieren zwischen den Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 – 40 SGB XII), der Grundsiche- rung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 – 46 SGB XII)9 und den weiteren Hilfearten der §§ 47 – 74 SGB XII.

a) Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 – 40 SGB XII) Die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt stellen – ebenso wie die Grundsicherung im Alter und bei Er- werbsminderung und das Arbeitslosengeld II – eine Grundhilfe für den allgemeinen Lebensbedarf dar und dienen der Sicherung des notwendigen Lebensunter- haltes, d. h. insbesondere der Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Haus- rat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens, wozu in vertretbarem Umfang auch Bezie- hungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben gehören (vgl. § 27 SGB XII). Dieser gesamte Be- darf des notwendigen Lebensunterhalts mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung wird als sog.

Regelbedarf bezeichnet und nach pauschalierten Regel- sätzen erbracht (§ 28 SGB XII). Zusätzlich zu dem Re- gelsatz nach § 28 SGB II erhält der Hilfsbedürftige Leis- tungen für eine angemessene Unterkunft und Heizung, deren Höhe sich nach den tatsächlichen Aufwendungen richtet (§ 29 SGB XII).

b) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs- minderung (§§ 41 – 46 SGB XII)

Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Er- werbsminderung nach den §§ 41 – 46 SGB XII erhalten nur hilfsbedürftige Personen, die bereits das 65. Lebens- jahr10 vollendet haben oder dauerhaft voll erwerbs- gemindert i. S. v. § 43 Abs. 2 SGB VI sind (§ 19 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 41 SGB XII). Sinn und Zweck dieser Sonderregelung für ältere und voll erwerbsgeminderte Personen ist, durch ein zusätzliches Sicherungssystem, das der allgemeinen Sozialhilfe bzw. der Hilfe zum Le- bensunterhalt nach den §§ 27 – 40 SGB XII vorgeht (vgl.

§ 19 Abs. 2 Satz 2 SGB XII), eine „verschämte Armut im Alter und bei dauernder Erwerbsminderung“ zu verhin- dern. Diese „verschämte Armut“ beruht nach den Er- kenntnissen des Gesetzgebers darauf, dass sich vor allem ältere Menschen wegen eines befürchteten Unterhalts- rückgriffs auf ihre Kinder häufig nicht trauen, die ihnen gesetzlich zustehenden Sozialhilfeansprüche geltend zu machen11. Um das Ziel der Vermeidung von „verschäm- ter Altersarmut“ zu verwirklichen, hat der Gesetzgeber in

§ 43 SGB XII einige Ausnahmen vom Grundsatz der Nachrangigkeit vorgesehen.

aa) Keine Berücksichtigung von Unterhalts- ansprüchen

Während bei allen Sozialleistungen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass realisierbare Unterhaltsansprüche des Hilfesuchenden ebenso wie alle anderen realisier- baren Ansprüche bei der Bemessung der Hilfeleistung insofern eine Rolle spielen, als sie als bedarfs- bzw. an- spruchsminderndes Vermögen des Hilfesuchenden anzu- sehen sind12, gilt für Unterhalsansprüche im Rahmen der

Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ge- mäß § 43 Abs. 2 SGB XII eine Sonderregelung. Danach bleiben Unterhaltsansprüche des Hilfsbedürftigen ge- genüber seinen Kindern und Eltern außer Betracht, so- fern deren jährliches Gesamteinkommen i. S. d. § 16 SGB IV13unter einem Betrag von 100 000Eliegt. Gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB XII wird vermutet, das das Einkommen der in Betracht kommenden Unterhaltsverpflichteten die Grenze von 100 000E nicht übersteigt. Das Vermögen der unterhaltspflichtigen Kinder bzw. Eltern darf hierbei nur insofern berücksichtigt werden, als hieraus Einkünfte (z. B. Zinsen oder Mieterträge) erzielt werden, die zu einem Überschreiten der Einkommensgrenze von 100 000E führen14. Das bedeutet, dass Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung grundsätzlich auch dann gewährt werden müssen, wenn der Hilfesuchende über eigentlich vorrangig zu ver- wertende Unterhaltsansprüche gegen seine Kinder und/

oder Eltern verfügt15. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Unterhaltspflichtige tatsächlich Unterhaltsleistungen erbringt – diese gelten dann trotz der Privilegierung des

§ 43 SGB XII als anzurechnendes Einkommen des Hil- fesuchenden, das den Bedarf und damit den Anspruch auf Grundsicherungsleistungen mindert16 –, oder wenn feststeht, dass das Einkommen der unterhaltspflichtigen Kinder oder Eltern die Grenze von 100 000Eübersteigt.

Wenn das Einkommen der unterhaltspflichtigen Kinder oder Eltern über der Grenze von 100 000Eliegt, ist der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen gemäß § 43 Abs. 2 S. 6 SGB XII vollständig ausgeschlossen. Dieser Ausschluss gilt unabhängig davon, ob und ggf. in wel- chem Umfang der Hilfesuchende von seinen Kindern oder Eltern tatsächlich Unterhaltsleistungen erhält. So- fern der Hilfesuchende nämlich ausreichende Unter- haltszahlungen erhält, so ist er nicht bedürftig und hat schon deshalb keinen Anspruch auf Grundsicherungs- leistungen. Sollte der Hilfesuchende hingegen keine aus- reichenden Unterhaltszahlungen erhalten, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als entweder seine Unterhalt- sansprüche gegenüber seinen Kindern bzw. Eltern ein- zuklagen oder Sozialhilfe in Form von Hilfe zum Le- bensunterhalt nach den §§ 27 ff. SGB XII in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall könnten jedoch die unterhalts- pflichtigen Kinder oder Eltern wegen der verauslagten Sozialhilfe aus dem gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialleistungsträger übergegangenen Unterhaltsan- spruch in Regress genommen werden17.

9 Früher geregelt im Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsiche- rung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) vom 26. 6. 2001, BGBl I, 1310. Ausführlich zu den Auswirkungen des GSiG auf die Gestaltungspraxis Mayer, ZEV 2003, 173 ff.

10 Bzw. die Altergrenze des § 41 Abs. 2 SGB XII.

11 BT-Drs. 14/4595, S. 39 und BT-Drs. 14/5150, S. 48.

12 Einzelheiten dazu unten unter A. IV. 2. a).

13 Nach h. M. Ist hier nicht auf das zusammengerechnete Einkommen aller unterhaltsverpflichteten Kinder, sondern auf das Einkommen jedes einzelnen Kindes abzustellen, vgl. Hußmann, ZEV 2005, 54, 57;

Münder, NJW 2002, 3661, 3663.

14 Müller, Der Rückgriff gegen Angehörige von Sozialleistungsemp- fängern, 5. Aufl. 2008, Teil D Rn. 14.

15 Vgl. BGH DNotZ 2007, 759; Müller, a.a.O. (Fn. 14), Teil D Rn. 10;

Hußmann, ZEV 2005, 54, 57.

16 BGH DNotZ 2007, 759; Hußmann, ZEV 2005, 54 , 57.

17 Vgl. unten B. V. 2.

(5)

bb) Kein Anspruchsübergang (§ 94 SGB XII) und kein Erbenregress (§ 102 SGB XII)

Eine weitere wichtige Privilegierung des Empfängers von Grundsicherungsleistungen im Vergleich zu den Emp- fängern anderer Hilfeleistungen besteht darin, dass bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ein ansonsten nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII mögli- cher18 Übergang von Unterhaltsansprüchen gegenüber Eltern und Kindern sowie eine ansonsten nach § 102 SGB XII mögliche19 Inanspruchnahme der Erben des Hilfe- bedürftigen für die Kosten der Grundsicherungsleis- tungen ausgeschlossen ist (§ 94 Abs. 1 Satz 3 a. E. SGB XII, § 102 Abs. 5 SGB XII). Zu beachten ist allerdings, dass durch die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung lediglich die Kosten für den allgemeinen Lebensunterhalt abgedeckt werden, nicht dagegen (z. B. bei pflegebedürftigen Personen in Alten- oder Pflegeheimen) die darüber etwa hinausgehenden Heimunterbringungs- und Pflegekosten. In diesen Fällen werden daher neben den Leistungen der Grundsicherung zusätzlich Leistungen der Hilfe zur Pflege (§§ 61 – 66 SGB XII) erbracht, für die die genannten Privilegie- rungen nicht gelten.

cc) Schuldhafte Herbeiführung der Bedürftigkeit Keine Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhält, wer in den letzten zehn Jah- ren seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 41 Abs. 3 SGB XII). Durch diesen Ausschlusstatbestand soll die missbräuchliche Inan- spruchnahme von Grundsicherungsleistungen verhin- dert werden. Eine solche missbräuchliche Inanspruch- nahme kann in einer Verschleuderung des Vermögens oder im Verschenken des Vermögens, jedenfalls soweit dies ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit der Bildung von Rücklagen für das Alter geschieht, gesehen wer- den20. Übliche Vermögensverfügungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, gemischte Schenkungen oder Altenteilsverträge reichen allerdings in der Regel für einen solchen Anspruchsausschluss nicht aus21. Je größer die zeitliche Nähe zwischen einer Übertragung von Vermögen und dem Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers liegt, desto eher wird sich jedoch der Vor- wurf der fahrlässigen Herbeiführung der Bedürftigkeit rechtfertigen lassen. Bei der Gestaltung von Überga- beverträgen im Rahmen der vorweggenommenen Erb- folge sollte daher stets darauf geachtet werden, dass die zukünftige Versorgung des Schenkers entweder durch vorhandenes eigenes Einkommen oder durch die Ver- einbarung von Gegenleistungen (wie etwa Renten- zahlungen oder Pflegeverpflichtungen) sichergestellt ist. Andernfalls wird der Schenker sich möglicherweise den Vorwurf gefallen lassen müssen, er habe die Schenkung ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit der Bildung von Rücklagen und Vorsorge für das Alter vorgenommen. Anstelle der Grundsicherung würde der Schenker in diesem Fall Leistungen der allgemeinen Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 – 40 SGB XII) erhal- ten, was dem Sozialleistungsträger – wie bereits ge- zeigt – deutlich weitergehende Regressmöglichkeiten eröffnet.

c) Die weiteren Hilfearten (§§ 47 – 74 SGB XII) Die Tatbestände der weiteren Hilfearten der §§ 47 – 74 SGB XII (früher zusammenfassend bezeichnet als Hilfe in besonderen Lebenslagen) gewähren dagegen für be- stimmte Personengruppen, die sich in einer ganz be- sonderen Lebenssituation befinden (z. B. kranke, behin- derte, pflegebedürftige, alte oder aufgrund ihrer Situa- tion in sonstiger Weise sozial benachteiligte Menschen), speziell auf die jeweiligen Erfordernisse der Personen zugeschnittene Leistungen. Zu diesen Leistungen zählen:

Hilfe zur Gesundheit (§§ 47 – 52 SGB XII22), Eingliede- rungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 – 60 SGB XII), Hilfe zur Pflege (§§ 61 – 66 SGB XII), Hilfe zur Über- windung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67 – 69 SGB XII) sowie Hilfe in anderen Lebenslagen (§§ 70 – 74 SGB XII23). Die Leistungen umfassen z. B. die Beratung und persönliche Betreuung des Hilfsbedürftigen, die Übernahme der Kosten für eine Heimunterbringung, Rehabilitationsmaßnahmen usw. Die weiteren Hilfearten der §§ 47 – 74 SGB XII dienen damit nicht der Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs, sondern als Ausgleich für die mit der besonderen Lebenssituation verbundenen Schwierigkeiten. Sie sollen dazu beitragen, die Schwie- rigkeiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mildern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten (vgl. § 68 Abs. 1 SGB XII).

IV. Allgemeine Voraussetzungen der Leistungs- gewährung

Die vom Staat zu gewährende Hilfe orientiert sich zu- nächst an dem Bedarf des Hilfsbedürftigen (sog. Be- darfsdeckungsprinzip). Der Bedarf bemisst sich bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (SGB II) und den Hilfen in besonderen Lebenslangen (SGB XII) nach den Kosten der jeweiligen Maßnahme, die zur Eingliederung bzw. zur Überwindung der sich aus der besonderen Le- benslage ergebenden Schwierigkeiten von der zu- ständigen staatlichen Stelle für erforderlich erachtet wird. Bei den verschiedenen Hilfen zur Sicherung des Lebensbedarfs (Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter, Hilfe zum Lebensunterhalt) bemisst sich der Bedarf dagegen – wie dargestellt – am individuellen Lebensbe- darf des Bedürftigen, der auf der Grundlage von be- stimmten Regelsätzen pauschal festgelegt wird. Steht der so ermittelte Bedarf fest, ist auf der nächsten Stufe zu prüfen, wie der Bedarf zu decken ist. Nach dem oben be- reits dargestellten Grundsatz der Nachrangigkeit der So- zialhilfe erhält sozial-staatliche Hilfe nur, wer seinen notwendigen Bedarf nicht aus eigenen „Kräften und Mitteln“ decken kann. Dem auf der ersten Stufe er- mittelten Bedarf ist daher zunächst das nach den maß- geblichen Vorschriften anrechnungsfähige Einkommen

18 Vgl. unten B. V. 2.

19 Vgl. unten B. IV.

20 Vgl. BT-Drucks. 14/5150.

21 Müller, a.a.O. (Fn. 14), Teil D Rn. 30.

22 Im Einzelnen: vorbeugende Gesundheitshilfe (§ 47 SGB XII), Kran- kenhilfe (§ 48 SGB XII), Hilfe zur Familienplanung (§ 49 SGB XII), Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 50 SGB XII), Hilfe bei Sterilisation (§ 51 SGB XII).

23 Im Einzelnen: Hilfe zur Weiterführung des Haushalts (§ 70 SGB XII), Altenhilfe (§ 71 SGB XII), Blindenhilfe (§ 72 SGB XII), Hilfe in sonstigen Lebenslagen (§ 73 SGB XII), Bestattungskosten (§ 74 SGB XII).

(6)

und Vermögen des Hilfsbedürftigen gegenüberzustellen.

Die Differenz zwischen dem Bedarf und dem einzuset- zenden Einkommen/Vermögen ist dem Hilfsbedürftigen sodann als finanzielle Hilfe vom Staat zu gewähren. Eine ganz entscheidende Frage für die Höhe der an den Hilfs- bedürftigen zu leistenden Hilfe ist daher, welches Ein- kommen und welche Vermögensgegenstände bei der Be- messung der sozial-staatlichen Hilfe zu berücksichtigen sind.

1. Einsatzgemeinschaft, Bedarfsgemeinschaft und Haushaltsgemeinschaft

Aus dem Grundsatz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe folgt zunächst, dass bei der Bemessung der Hilfe nicht nur das dem Hilfsbedürftigen persönlich zustehende Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen ist, son- dern auch das Einkommen und Vermögen der zusammen mit dem Hilfsbedürftigen in einer Einsatzgemeinschaft lebenden Personen. Dem Konstrukt der Einsatzgemein- schaft liegt die Annahme zu Grunde, dass Personen, die besondere persönliche oder verwandtschaftliche Bezie- hungen zueinander haben und die in einem gemeinsamen Haushalt leben, sich in Notlagen gegenseitig materiell unterstützen und ihren Lebensunterhaltsbedarf gemein- sam decken. Daraus wird gefolgert, dass Angehörige einer solchen Einsatzgemeinschaft weniger sozialstaat- liche Hilfe benötigen als Personen, die nicht in einer sol- chen Gemeinschaft leben. Der Begriff der Einsatz- gemeinschaft ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff der Bedarfsgemeinschaft, auch wenn beide Begriffe häufig synonym verwendet werden. Der Begriff der Bedarfs- gemeinschaft umschreibt diejenigen Personen, die mit dem Hilfesuchenden in einer häuslichen Gemeinschaft i. S. d. § 7 Abs. 3 SGB II leben und ebenfalls hilfs- bedürftig sind. Diese Personen können gemäß § 7 Abs. 2 SGB II ebenfalls sozial-staatliche Leistungen zur De- ckung ihres Lebensbedarfs verlangen und bilden daher zusammen mit dem Hilfsbedürftigen eine Bedarfs- gemeinschaft. Eine Einsatzgemeinschaft umschreibt da- gegen denjenigen Personenkreis, der für den Hilfs- bedürftigen aufgrund von verwandtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen einzustehen hat und dessen Einkommen und Vermögen daher vorrangig zu ver- werten bzw. bei der Bemessung der sozial-staatlichen Hilfe anzurechnen ist (vgl. § 9 Abs. 2 SGB II). Zu einer Einsatzgemeinschaft i. S. des SGB II und SGB XII ge- hören:

. der nicht dauernd getrennt lebende „Partner“ des Hilfsbedürftigen, d. h. bei einer Ehe der Ehepartner, bei einer eingetragenen Lebenspartnerschaft der Le- benspartner und bei einer ehe- bzw. lebenspartner- schaftsähnlichen Lebensgemeinschaft der mit dem Hilfsbedürftigen zusammenlebende Partner24 (vgl.

§ 9 Abs. 1 S. 1 SGB II, sowie § 19 Abs. 1 – 3 SGB XII i. V. m. § 20 SGB XII),

. bei unverheirateten, hilfsbedürftigen Kindern auch die mit den hilfsbedürftigen Kindern zusammen in einem Haushalt lebenden Eltern bzw. Elternteile25des Kindes (vgl. § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II, § 19 Abs. 1 S. 2 a. E. und Abs. 3 SGB XII).

Das Vorliegen einer Einsatzgemeinschaft führt dazu, dass bei der Prüfung, ob der Hilfesuchende hilfsbedürftig und

damit anspruchsberechtigt ist, nicht nur dessen eigenes Einkommen und Vermögen, sondern auch das Ein- kommen und Vermögen der mit ihm in der Einsatz- gemeinschaft lebenden Personen berücksichtigt wird26. Alle Personen der Einsatzgemeinschaft sind deshalb ver- pflichtet, der Behörde Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu geben.

Nicht zu einer Einsatzgemeinschaft in diesem Sinne ge- hören alle sonstige Personen, mit denen der Hilfs- bedürftige lediglich zusammen in einer Haushalts- gemeinschaft27 lebt. Das bedeutet aber nicht, dass das Vermögen und Einkommen dieser Personen völlig irre- levant wäre. Denn bei den zu einer Haushaltsgemein- schaft gehörenden Personen wird in der Regel28vermutet, dass sie den Hilfesuchenden in einem zumutbaren Rah- men unterstützen, weshalb auch das Einkommen und Vermögen dieser Personen bei der Bemessung der Hilfe-

24 Das Gesetz spricht hier von Personen, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen- leben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinan- der einzustehen (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II). Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander ein- zustehen, wird vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusam- menleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Ein- kommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (§ 7 Abs. 3 a SGB II). Zweck dieser Regelung ist es, den Nachweis eheähnlicher Ge- meinschaften zu vereinfachen und deren Definition auf gleich- geschlechtliche Partnerschaften auszuweiten. Die Bundesregierung wollte es erschweren, dass sich zusammenwohnende Menschen als Wohngemeinschaft ausgeben, anstatt als anspruchsmindernde Ein- satzgemeinschaft. Insbesondere der erste Tatbestand, dass alle Men- schen, die länger als ein Jahr zusammenleben, als Einsatzgemein- schaft angesehen werden, betrifft auch viele Wohngemeinschaften.

Da das Gesetz aber nur von „zusammenleben“ und nicht von „zu- sammenwohnen“ spricht, genügt es für die Annahme einer Einsatz- gemeinschaft nicht, nur in derselben Wohnung zu wohnen, sondern es kommt auf das gemeinsame „Zusammenleben“ an. Die zuständige Behörde muss also nach wie vor nachweisen, dass es sich um eine Beziehung handelt, die über gemeinsames Wohnen hinausgeht, erst dann darf sie eine Einsatzgemeinschaft vermuten. Diese Vermutung können die Mitglieder einer Wohngemeinschaft allerdings wider- legen, wobei es bisher jedoch noch keine gefestigte Rechtsprechung gibt, welche Indizien diese Vermutung widerlegen können (z. B.

Vorlage eines Untermietvertrages, vgl. Landessozialgericht Baden- Württemberg ZFSH/SGB 2006, 159).

25 Zur Einsatzgemeinschaft des SGB II zählt in diesem Falle sogar der mit einem Elternteil zusammenlebende „Partner“ (vgl. § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II), weshalb in sog. „Patchwork-Familien“ bei der Prüfung der Hilfsbedürftigkeit des „fremden“ Kindes das Einkommen und Vermögen des „Stief“-Partners bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist, vgl. BSG BeckRS 2009, 53990, Rn. 28 ff.

26 Dies ist vor allem dann problematisch, wenn durch das Konzept der Einsatzgemeinschaft Hilfesuchende auf Unterhaltsleistungen der mit ihnen in einem Haushalt lebenden Personen verwiesen werden, auf die sie – etwa bei einer „Patchwork-Familie“ oder einer nicht- ehelichen Lebensgemeinschaft – zivilrechtlich gar keinen Rechtsan- spruch haben und die sie infolgedessen auch nicht vor Gericht ein- klagen können (so auch die Kritik vom SG Düsseldorf in seinem Beschluss v. 18. 4. 2005, abgedruckt in JAmt 2005, 415).

27 Zum Begriff der Haushaltsgemeinschaft siehe Schellhorn/Schellhorn/

Hohm, a.a.O. (Fn. 7), § 36 SGB XII, Rn. 6 ff.

28 Während bei der Bemessung der Sozialhilfe gemäß § 36 SGB XII sämtliche in der Haushaltsgemeinschaft lebende Personen zu be- rücksichtigen sind, begrenzt die Regelung des § 9 Abs. 5 SGB II den Personenkreis bei der Bemessung des ALG II auf die in einer Haus- haltsgemeinschaft lebenden Verwandten und Verschwägerten des Hilfsbedürftigen. Der bei der Bemessung des ALG II zu berück- sichtigende Personenkreis ist also insofern enger als der bei der Be- messung der Sozialhilfe zu berücksichtigende Personenkreis. Weitere Ausnahmen sind in § 36 S. 3 SGB XII für gewisse Härtefälle (z. B. bei schwangeren, behinderten oder pflegebedürftigen Hilfesuchenden) vorgesehen.

(7)

leistung in einem gewissen Umfang Berücksichtigung findet (vgl. § 9 Abs. 5 SGB II, § 36 SGB XII)29.

2. Einzusetzendes Vermögen

Das Vermögen, das der Hilfesuchende einzusetzen hat, bevor er sozial-staatliche Hilfeleistungen beanspruchen kann, umfasst grundsätzlich alle verwertbaren Vermö- gensgegenstände des Hilfesuchenden und der mit ihm in einer Einsatzgemeinschaft lebenden Personen (vgl. § 12 Abs. 1 SGB II, § 90 Abs. 1 SGB XII). Hierzu zählen Geld- oder Geldeswerte, Forderungen und Ansprüche gegen Dritte (insbesondere Unterhaltsansprüche) sowie bewegliche und unbewegliche Gegenstände30.

a) Unverwertbares Vermögen i. S. v. § 12 Abs. 1 SGB II, § 90 Abs. 1 SGB XII

Da sich der Vermögensbegriff nur auf solche Gegen- stände bezieht, die verwertbar sind, bleiben unverwert- bare Gegenstände bei der Bemessung der Hilfeleistung unberücksichtigt. Obwohl das Gesetz den Begriff der Verwertbarkeit nicht näher umschreibt, ist hier davon auszugehen, dass Vermögen verwertbar ist, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet wer- den können31. Eine Unverwertbarkeit liegt daher insbe- sondere dann vor, wenn es sich um einen gemäß §§ 811, 812 ZPO unpfändbaren Gegenstand handelt oder wenn der Hilfesuchende auf den betreffenden Gegenstand oder die Leistung einen Anspruch nach dem SGB I-XII hat32. Weitere Gründe für eine Unverwertbarkeit sind die fehlende Übertragbarkeit eines Gegenstandes, wie etwa bei einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (z. B.

Wohnrecht)33, oder die fehlende Verfügungsbefugnis des Eigentümers oder Inhabers des Rechts, wie z. B. bei der nicht befreiten Vorerbschaft (§§ 2113 ff. BGB) oder einem Gegenstand, der der Testamentsvollstreckung un- terliegt (vgl. § 2211 Abs. 1 BGB). Typische Anwen- dungsfälle für diese beiden erbrechtlichen Gestaltungs- instrumente sind das sog. „Behinderten-“ und „Bedürfti- gentestament“34und die Pflichtteilsbeschränkung in gu- ter Absicht (§ 2338 BGB).

Darüber hinaus enthält der Begriff der Verwertbarkeit aber auch eine tatsächliche Komponente35. Die Verwer- tung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebens- unterhalt bestreiten kann. Tatsächlich nicht verwertbar sind deshalb Vermögensgegenstände, für die in abseh- barer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie, wie Grundstücke infolge sinkender Im- mobilienpreise, über den Marktwert hinaus belastet sind36. Durch das Kriterium der tatsächlichen Unver- wertbarkeit soll verhindert werden, dass der Hilfe- suchende sein Vermögen verschleudern muss, um in den Genuss sozial-staatlicher Hilfeleistungen zu kommen. Ist aus solchen tatsächlichen Gründen eine sofortige Ver- wertung eines Vermögensgegenstandes nicht möglich, sind die Leistungen grundsätzlich als Darlehen zu er- bringen (vgl. § 23 Abs. 5 SGB II und § 91 SGB XII37), bis sich die Marktverhältnisse gebessert haben oder ein nachhaltiger Ertrag aus der Verwertung zu erwarten ist.

Äußerst umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob auch ein zeitlich beschränktes, schuldrechtliches Ver-

äußerungs- und Belastungsverbot – wie etwa das in einem Grundstücksübertragungsvertrag enthaltene, durch eine Vormerkung gesicherte Rückübertragungsrecht für den Fall einer vertragswidrigen Veräußerung oder Belastung des Grundstücks – zu einer Unverwertbarkeit in Sinne des Sozialrechts führt. Einige Verwaltungsgerichte ver- traten in der Vergangenheit die Ansicht, dass in einem solchen Fall der Vermögensgegenstand unmittelbar, also nicht erst nach Ablauf des auf den Tod des Berechtigten befristeten Rückübertragungsrechtes, verwertbar sei, da die Geltendmachung des Rückübertragungsverlangens bzw. die Verweigerung des Genehmigung durch den Be- rechtigten im Falle einer durch den Sozialträger er- zwungenen Veräußerung oder Belastung wegen Ver- stoßes gegen § 138 BGB unbeachtlich sei38. Dagegen hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen kürzlich in einem noch nicht rechtskräftigen39 Urteil entschieden, dass eine Unverwertbarkeit auch bei schuldrechtlichen Verfügungsverboten bestehe, da der Verstoß gegen das vertragliche Verfügungsverbot unabhängig von etwa ver- einbarten Rückübertragungsansprüchen einen gesetz- lichen Schadensersatzanspruch begründe, der gemäß

§§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB auf die Rückgängigma- chung der Verfügung gerichtet sei und damit zumindest eine sofortige Verwertung des Gegenstandes aus- schließe40.

Richtigerweise wird man in diesen Fällen differenzieren müssen. Zunächst ist davon auszugehen, dass schuld- rechtliche Verfügungsverbote ebenso wie die Belastung mit einem Nießbrauch einer sofortigen Verwertung des Gegenstands entgegenstehen, so dass auch in diesen Fäl- len grundsätzlich kein verwertbares Vermögen i. S. d. § 12

29 Die gesetzliche Vermutung, dass der Hilfesuchende von diesen Per- sonen unterstützt wird, kann jedoch vom Hilfesuchenden widerlegt werden mit der Folge, dass ihm uneingeschränkt Hilfeleistungen zu- stehen (vgl. § 36 S. 2 SGB XII). Darüber hinaus ist die Vermutung in bestimmten Härtefällen kraft Gesetz ausgeschlossen (vgl. § 36 S. 3 SGB XII).

30 Vgl. Brühl/Geiger in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 90 SGB XII, Rn. 5 ff.

31 Vgl. BSG MittBayNot 2008, 239.

32 Diese Gegenstände oder Leistungen können gemäß §§ 53, 54 SGB I nicht bzw. nur eingeschränkt übertragen und gepfändet werden.

33 Vgl. Brühl/Geiger in: LPK-SGB XII, a.a.O. (Fn. 30), § 90 SGB XII, Rn. 17. Zu beachten ist aber, dass sich ein solches höchstpersönliches Recht unter Umständen (z. B. wegen Änderung der Geschäfts- grundlage gemäß § 313 BGB) in einen Geldersatzanspruch um- wandeln kann, der dann als verwertbares Vermögen oder Ein- kommen anzusetzen ist (z. B. Kapitalisierung eines Wohnrechtes, das wegen Umzug des Berechtigten in ein Pflegeheim gegenstandslos geworden ist, vgl. dazu auch unten B. V. 1. c) aa).

34 Vgl. Litzenburger, ZEV 2009, 278; Everts, ZErb 2005, 353; Grziwotz, NotBZ 2006, 149; Kleensang, RNotZ 2007, 22.

35 Vgl. Brühl/Geiger in: LPK-SGB XII, a.a.O. (Fn. 30), § 90 SGB XII, Rn. 22.

36 BSG MittBayNot 2008, 239.

37 Wobei sowohl in § 23 Abs. 5 SGB II als auch in § 91 SGB XII aus- drücklich die Möglichkeit einer dinglichen Sicherung des Darlehens zugelassen ist.

38 VG Gießen, DNotZ 2001, 784 mit abl. Anm. Mayer; VG Karlsruhe v.

14. 1. 2004 – 10 K 1353/03 (zitiert nach Juris); VGH Bayern ZFSH/

SGB 2006, 415.

39 Das Urteil liegt derzeit dem Bundessozialgericht unter dem Az.: B 14/7 b AS 47/07 R vor.

40 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen v. 30. 8. 2007 – L 7 (12) AS 8/07 (zitiert nach Juris) = NotBZ 2007, 459 (red. Leitsatz). Im Er- gebnis ebenso Brühl/Geiger in: LPK-SGB XII, a.a.O. (Fn. 30), § 90 SGB XII, Rn. 10; Brühl in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 12 SGB II, Rn. 9 a. E.; Mecke in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 12 SGB II, Rn. 32; VGH Baden-Württemberg NJW 1993, 152.

(8)

Abs. 1 SGB II, § 90 Abs. 1 SGB XII vorliegt und deshalb in der Regel sozial-staatliche Hilfe zu gewähren ist41. Anschließend ist jedoch zu fragen, ob die Hilfeleistung als Zuschuss oder nur als Darlehen zu erbringen ist. Dies hängt wiederum davon ab, ob dem Hilfsbedürftigen eine Verwertung des Gegenstandes in absehbarer Zeit mög- lich ist. Ist dem Hilfsbedürftigen eine Verwertung in ab- sehbarer Zeit nicht möglich, etwa weil es sich um ein le- benslängliches Rückübertragungsrecht handelt und völ- lig ungewiss ist, wann der Berechtigte versterben und da- mit das Recht gegenstandslos werden wird, ist dem Hilfsbedürftigen die Hilfe als Zuschuss zu gewähren42. Ist dagegen sicher, dass die Verwertbarkeit in absehbarer Zeit eintritt, etwa weil das Erlöschen der Verfügungsbe- schränkung von dem Eintritt eines bestimmten kalen- dermäßig ablaufenden Datums abhängt und nicht von dem Eintritt eines ungewissen Ereignisses wie dem Tod des Berechtigten, so ist dem Hilfsbedürftigen die Ver- wertung nur vorübergehend unmöglich mit der Folge, dass die Hilfe gemäß § 23 Abs. 5 SGB II, § 91 SGB XII als Darlehen zu gewähren ist43.

Ebenfalls noch nicht abschließend geklärt ist, unter wel- chen Voraussetzungen Forderungen oder Ansprüche des Hilfesuchenden gegen Dritte (z. B. Unterhaltsansprüche) zum unverwertbaren Vermögen des Hilfesuchenden ge- hören. Hier stellt sich die Frage, ob der Sozialleis- tungsträger den Antrag eines Hilfesuchenden, der über noch nicht realisierte Forderungen oder Ansprüche ge- gen Dritte verfügt, unter Hinweis auf das Nachrangig- keitsprinzip mit der Begründung ablehnen kann, der Hilfesuchende könne seine Bedürftigkeit selbst besei- tigen, indem er zunächst die ihm zustehenden Forde- rungen und Ansprüche gegen Dritte realisiert. Solche Verweise auf das im Nachrangigkeitsprinzip zum Aus- druck kommende Selbsthilfegebot (vgl. § 2 Abs. 2 SGB II bzw. § 2 Abs. 1 SGB XII) werden in der Praxis häufig missbräuchlich dazu benutzt, berechtigte Anträge auf Sozialleistungen abzuweisen44. Auch wenn in diesem Bereich noch vieles unklar ist, so ist dennoch davon aus- zugehen, dass noch nicht realisierte Forderungen und Ansprüche des Hilfesuchenden gegen Dritte nur in Aus- nahmefällen zum verwertbaren Vermögen des Hilfe- suchenden gehören. Dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn sich Anspruch nicht alsbald durchsetzen lässt, etwa weil der Aufenthaltsort des Schuldners des Anspruchs unbekannt ist oder weil der Schuldner sich bereits ge- weigert hat, den Anspruch zu erfüllen, also seine Leis- tungsunwilligkeit ersichtlich ist45. Auch aus anderen Gründen darf die Durchsetzung des Anspruchs nicht un- zumutbar sein, weshalb einem Verweis auf das Selbst- hilfegebot z. B. eine psychische Erkrankung, eine Behin- derung46, ein hohes Alter oder eine besondere Kon- fliktlage47entgegenstehen können. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass ein noch nicht realisierter An- spruch des Hilfesuchenden gegen einen Dritten nur dann zum verwertbaren Vermögen des Hilfesuchenden gezählt werden kann, wenn sich der Hilfesuchende nicht bemüht oder gar weigert, trotz bekannter oder wahrscheinlicher Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Schuld- ners den ihm zustehenden Anspruch gerichtlich durch- zusetzen, obwohl ihm ein „Rechtfertigungsgrund“ für dieses Verhalten (z. B. Krankheit, hohes Alter oder be- sondere Konfliktlage) nicht zur Seite steht48.

b) Schonvermögen i. S. v. § 12 Abs. 3 SBG II, § 90 Abs. 2 SGB XII

Neben den unverwertbaren Vermögensgegenständen werden noch weitere, im Gesetz ausdrücklich genannte Vermögensgegenstände als sog. „Schonvermögen“ ge- mäß § 12 Abs. 3 SGB II, § 90 Abs. 2 SGB XII von dem vorrangig einzusetzenden Vermögen ausgenommen.

Hierzu gehört z. B.:

. Vermögen, das einer staatlich geförderten Altersvor- sorge dient (z. B. Riester-Rentenverträge),

. Vermögen, das der Beschaffung oder Erhaltung eines angemessenen Hausgrundstücks für behinderte oder pflegebedürftige Personen dient49,

. angemessener Hausrat,

. Gegenstände, die zur Berufsausbildung oder Berufs- tätigkeit notwendig sind,

. Familien- und Erbstücke (deren Veräußerung eine besondere Härte darstellen würde),

. Gegenstände zur Befriedigung künstlerischer und wissenschaftlicher Bedürfnisse (soweit sie sich nicht als Luxus darstellen),

. bestimmte Bar- bzw. Freibeträge50,

. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemesse- ner Größe oder eine entsprechende Eigentumswoh- nung.

Bei der Bemessung der Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II) gehört zudem ein angemessenes51 Kraftfahrzeug zum privilegierten Schonvermögen (vgl.

41 So jedenfalls das Bundessozialgericht für den Fall der Belastung mit einem Nießbrauch, vgl. BSG MittBayNot 2008, 239.

42 Ebenso Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen v. 30. 8. 2007 – L 7 (12) AS 8/07 (zitiert nach Juris) und BSG MittBayNot 2008, 239 für den Fall der Belastung mit einem lebenslänglichen Nießbrauch.

43 So sind wohl auch die Ausführungen des Landessozialgerichts Nord- rhein-Westfalen (Urteil v. 30. 8. 2007 – L 7 (12) AS 8/07) und des Bundessozialgerichts (MittBayNot 2008, 239) zu verstehen, wenn sie darauf abstellen, wann mit einem Wegfall der Verfügungsbeschrän- kung zu rechnen ist. Ähnlich im Ergebnis auch BGH (DNotZ 2007, 283) wonach ein im Wege der vorweggenommenen Erbfolge über- tragenes Grundstück, das mit einem Nießbrauch und einem durch eine Vormerkung gesicherten Rückforderungsrecht belastetet ist, für den Beschenkten „nicht ohne wirtschaftlichen Wert“ sei und daher von ihm (im Falle der Weiterübertragung) nach § 528 BGB zurück- gefordert werden könne, obwohl er es „zeitweise jedenfalls nicht ohne weiteres zur Unterhaltssicherung verwenden kann“.

44 Vgl. hierzu Schoch in: LPK-SGB XII, a.a.O. (Fn. 30), § 2 SGB XII, Rn. 33.

45 Vgl. Armborst/Brühl in: LPK-SGB XII, a.a.O. (Fn. 30), § 2 SGB XII, Rn. 16.

46 Vgl. BVerwG ZfSH/SGB 1993, 198.

47 Vgl. VGH Baden-Württemberg v. 15. 4. 1992 – 6 S 634/90 (zitiert nach Juris).

48 Vgl. Armborst/Brühl in: LPK-SGB XII, a.a.O. (Fn. 30), § 2 SGB XII, Rn. 14 ff.

49 Die Einordnung als Schonvermögen entfällt, wenn der privilegierte Zweck endgültig nicht mehr erreicht werden kann, etwa Umzug der begünstigten Person in ein Alten- oder Pflegeheim, Aufgabe der Kauf- oder Bauabsicht usw.

50 Vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. § 1 der Verordnung zu § 90 SGB XII. Die Vermögensfreibeträge beim Arbeitslosengeld II liegen demgegenüber deutlich höher, vgl. § 12 Abs. 2 SGB II.

51 Nach einer Entscheidung des BSG vom 6. 9. 2007 (NJW 2008, 2281) ist ein Kfz bis zu einem Verkehrswert von 7 500 EUR als angemessen anzusehen. Über teurere Fahrzeuge muss im Einzelfall entschieden werden.

(9)

§ 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II)52. Der Zweck der Privilegie- rung von Immobilien als Schonvermögen ist nicht der Schutz der Immobilie als Vermögensgegenstand, sondern allein der Schutz der Wohnung i. S. der Erfüllung des Grundbedürfnisses „Wohnen“ und als räumlicher Le- bensmittelpunkt. Die Privilegierung als Schonvermögen gilt deshalb für eine Immobilie nur, wenn und so lange sie vom Hilfesuchenden oder einem Mitglied der Einsatz- gemeinschaft selbst bewohnt wird. Der Umzug des Hilfe- suchenden in ein Alten- oder Pflegeheim führt daher grundsätzlich zur Aufhebung der Schonvermögensei- genschaft, es sei denn, die Immobilie wird weiterhin von einem zur Einsatzgemeinschaft gehörenden Ehepartner, Lebenspartner oder Partner einer nichtehelichen Le- bensgemeinschaft bewohnt53. Das alleinige Bewohnen durch Angehörige, die nicht zur Einsatzgemeinschaft ge- hören, genügt jedoch in keinem Falle zur Begründung einer Schonvermögenseigenschaft.

Die Angemessenheit der Immobilie bestimmt sich im SGB XII (Sozialhilferecht) nach differenzierteren, auf die konkreten Lebensverhältnisse und den wirtschaft- lichen Wert der Immobilie abstellenden Kriterien (Zahl der Bewohner, besonderer Wohnbedarf, z. B. behinder- ter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen, Grund- stücksgröße, Hausgröße, Zuschnitt und Ausstattung des Wohngebäudes sowie Wert des Grundstücks ein- schließlich des Wohngebäudes)54. Im Bereich des SGB II (Arbeitslosengeld II) wird dagegen die Angemessenheit ohne Berücksichtigung des Werts der Immobilie allein anhand der Wohnfläche und der Anzahl der Personen beurteilt55. Die Rechtsprechung orientiert sich hierbei im Grundsatz an den Wohnflächengrenzen des II. Woh- nungsbaugesetzes56. Danach sind Eigentumswohnungen nicht unangemessen groß, wenn die Wohnfläche bei einem Haushalt von vier Personen 120 qm nicht über- schreitet. Bei einer geringeren Familiengröße sind typi- sierend für jede Person Abschläge von 20 qm vorzu- nehmen; wobei im Regelfall von einer Mindestzahl von zwei Personen auszugehen ist, sodass im Einzelfall auch bei Einzelpersonen eine Größe von 80 qm angemessen sein kann57. Sofern die Immobilie nach diesen Grund- sätzen als angemessen anzusehen ist und damit zum Schonvermögen gehört, kann weder der Verkauf noch die Belastung der Immobilie mit einem Grundpfandrecht verlangt werden. Denn auch die Belastung mit einem Grundpfandrecht stellt eine teilweise Verwertung dar, die der Hilfesuchende bei den zum Schonvermögen ge- hörenden Gegenständen nicht hinnehmen muss58. Über- steigt die Immobilie dagegen die Grenze der Angemes- senheit, so ist zunächst zu prüfen, ob sich von dem Grundbesitz ein Teil (z. B. eine Teilfläche oder eine nach dem WEG in sich abgeschlossene Wohnung) abtrennen und selbständig verwerten lässt. Sofern eine solche ge- trennte Veräußerung möglich ist, muss der Hilfesuchende erst einmal den abtrennbaren Teil verwerten und den Erlös verbrauchen, bevor er staatliche Hilfe beanspru- chen kann59. Ist eine getrennte Veräußerung jedoch z. B.

wegen Unteilbarkeit der Immobilie oder Unwirtschaft- lichkeit einer Teilveräußerung nicht möglich, so ist da- nach zu differenzieren, ob der Hilfesuchende Arbeits- losengeld II (SGB II) oder Sozialhilfe (SGB XII) bean- sprucht. Bei der Bemessung der Sozialhilfe (SGB XII) gehen die Behörden davon aus, dass die unangemessen

große Immobilie in diesem Fall insgesamt zum ein- zusetzenden Vermögen gehört und damit in vollem Um- fang zu verwerten ist. Der Hilfesuchende kann also erst dann Sozialhilfe nach dem SGB XII beanspruchen, wenn er die gesamte Immobilie verkauft und den vollen Erlös (ggf. nach Erwerb einer angemessenen kleineren Immo- bilie) aufgebraucht hat. Anders ist die Situation dagegen beim Arbeitslosengeld II (SGB II) geht. Hier wird dem Hilfesuchenden eine Veräußerung des unangemessen großen Eigenheims nicht zugemutet. Statt dessen wird dem Hilfesuchenden als fiktives Einkommen derjenige Betrag angerechnet, der sich bei einer angenommenen Vermietung der über die Grenze der Angemessenheit hinausgehenden „Mehrflächen“ auf der Grundlage der ortsüblichen Miete als Einkommen ergeben würde. Die ALG-II-Leistungen werden also um die entsprechenden fiktiven Mieteinnahmen gekürzt. Sollten die gekürzten ALG-II-Leistungen jedoch nicht ausreichen, um den notwendigen Mindestbedarf des Hilfesuchenden zu de- cken, werden die zusätzlich notwendigen ALG-II-Leis- tungen allerdings gemäß § 23 Abs. 1 SGB II nur als Dar- lehen gewährt.

c) Sonstige Ausnahmeregelungen

Zusätzlich zu den vorstehend genannten Gegenständen des unverwertbaren Vermögens und des Schonvermö- gens sind in besonderen Fällen noch weitere Vermögens- gegenstände von der Einsatzpflicht ausgenommen. So kann die Pflicht zum Einsatz eines Vermögensgegen- standes im Einzelfall daran scheitern, dass die Verwer- tung des Gegenstandes für den Betroffenen eine Härte bedeuten würde (§ 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II, § 90 Abs. 3 SGB XII). Durch diese Regelung sollen vor allem unge- wöhnliche Fälle erfasst werden, bei denen die besondere Situation des Betroffenen eine Lockerung der all- gemeinen Schonvermögensregelungen erfordert. Bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Er- werbsminderung nach den §§ 41 – 46 SGB XII bleiben zudem – anders als beim Arbeitslosengeld II nach dem SGB II und der allgemeinen Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 – 40 SGB XII – die grundsätzlich ebenfalls zum verwertbaren Vermögen gehörenden Unterhaltsan- sprüche des Hilfsbedürftigen gegenüber seinen Kindern und Eltern außer Betracht, sofern deren jährliches Ge-

52 Bei der Bemessung der Sozialhilfe nach dem SGB XII gehört ein Kraftfahrzeug nur dann zum Schonvermögen, wenn es sich dabei um einen zur Berufsausbildung oder Berufstätigkeit notwendigen Ge- genstand i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 5 SGB XII handelt. Dies ist z. B. der Fall, wenn das Kraftfahrzeug zur Erreichung der Arbeits- oder Aus- bildungsstelle unentbehrlich ist oder der Erzielung von Einkünften dient (z. B. Kurier- oder Taxifahrer).

53 Vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O. (Fn. 7), § 90 SGB XII, Rn. 69.

54 Vgl. § 90 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 SGB XII 55 BSG NZS, 2007, 428.

56 BSG NZS 2007, 428.

57 BSG NZS 2007, 428.

58 Vgl. Brühl/Geiger in: LPK-SGB XII, a.a.O. (Fn. 30), § 90 SGB XII, Rn. 23.

59 Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O. (Fn. 7), § 90 SGB XII, Rn. 66.

Eine gemischte Nutzung des Objekts zu Wohn- und Gewerbezwek- ken lässt die Schonvermögenseigenschaft dagegen unberührt, sofern die gewerbliche Nutzung oder Vermietung lediglich untergeordneten Charakter hat, vgl. BVerwGE 59, 299.

(10)

samteinkommen i. S. d. § 16 SGB IV unter einem Betrag von 100 000Eliegt (§ 43 Abs. 2 SGB XII)60.

3. Einzusetzendes Einkommen

Zu dem auf die sozial-staatliche Hilfe anzurechnenden Einkommen zählen gemäß § 11 Abs. 1 SGB II und § 82 Abs. 1 SGB XII grundsätzlich alle „Einkünfte in Geld oder Geldeswert“. Dazu gehören insbesondere Löhne und Gehälter, Renten, Kapitaleinkünfte (Zinsen, Mie- ten), Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbständiger Tätigkeit sowie Transfergelder (etwa Krankengeld, Kin- dergeld, Wohngeld, Elterngeld etc.). Weiter gehören zu den Einkünften „in Geldeswert“ alle Sachbezüge wie Kost, Wohnung, Kleidung, Heizung sowie Dienstleis- tungen, die üblicherweise gegen Geld erbracht werden.

Ausgenommen vom Einkommensbegriff sind lediglich bestimmte, im Gesetz ausdrücklich genannte Ein- kommensarten, wie etwa die aufgrund des SGB II und SGB XII erbrachten Hilfeleistungen, die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, Renten und Bei- hilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz, Schmer- zensgeld nach § 847 BGB sowie bestimmte zweckbe- stimmte Einnahmen (z. B. Pflegegeld der Pflegever- sicherung) und Zuwendungen der freien Wohlfahrts- pflege (vgl. § 11 Abs. 1 und 3 SGB II, §§ 82 Abs. 1, 83, 84 SGB XII). Soweit allerdings Einkünfte bereits unmittel- bar den Bedarf gemindert haben, dürfen sie zur Vermei- dung einer doppelten Inanspruchnahme natürlich nicht noch einmal beim Einkommen berücksichtigt werden.

Von dem danach zu berücksichtigenden Einkommen sind sodann bestimmte Beträge abzusetzen, vor allem Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und weitere mit der Er- zielung des Einkommens verbundenen Ausgaben (vgl.

§ 11 Abs. 2 SGB II, § 82 Abs. 2 SGB XII). Ferner ist ein bestimmter Prozentsatz des Einkommens aus selbstän- diger und nichtselbständiger Tätigkeit abzusetzen, z. B.

bei geringfügigen Einkünften neben der Rente (vgl. § 30 SGB II, § 82 Abs. 3 SGB XII). Für Beschäftigte einer Werkstatt für Behinderte gilt eine Sonderregelung zur Berechnung des Absetzungsbetrags. Mit dieser Ab- setzungsmöglichkeit soll ein Anreiz für den Betroffenen geschaffen werden, eine Erwerbstätigkeit oder Werk- stattbeschäftigung aufzunehmen bzw. fortzuführen. Das hiernach verbleibende Einkommen (sog. „bereinigtes“

Einkommen) des Hilfsbedürftigen und der mit ihm in einer Einsatzgemeinschaft lebenden Personen ist nach dem vereinfachten Grundsatz „Bedarf minus anrechen- bares Einkommen = Auszahlungsbetrag“ bei der Bemes- sung der Hilfeleistung zu berücksichtigen. Eine Ein- schränkung gilt allerdings bei den Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach den §§ 47 – 74 SGB XII.

Bei den Empfängern dieser Leistungen wird nämlich ein Einkommenseinsatz in der Regel nur verlangt, soweit es eine bestimmte Einkommensgrenze übersteigt (vgl.

§§ 85 – 89 SGB XII). Durch diese Privilegierung der Empfänger von Leistungen der Hilfe in besonderen Le- benslagen soll der benachteiligten Stellung aufgrund der

„besonderen Lebenslage“ Rechnung getragen und er- reicht werden, dass den Hilfsbedürftigen genügend Ei- genmittel für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebensführung verbleiben und sie nicht gleichzeitig Ar- beitslosengeld II oder Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 – 40 SGB XII) beantragen müssen.

B. Ausgleichsansprüche und Regressmöglichkeiten Wie bereits dargestellt, ist das Sozialhilferecht ganz ent- scheidend geprägt vom Grundsatz der Nachrangigkeit.

Für den Fall, dass der Sozialhilfeträger dennoch Leistun- gen gewähren muss, bestehen deshalb zahlreiche Aus- gleichsansprüche und Regressmöglichkeiten der Sozial- leistungsträger, um den Grundsatz der Nachrangigkeit nachträglich wieder herzustellen. Im Folgenden sollen nur die wichtigsten in der Praxis vorkommenden Instru- mente angesprochen werden.

I. Unbeachtlichkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Nichtigkeit, insbesondere wegen Sitten- widrigkeit, § 138 BGB

1. Gesetzliche Verbote, § 32 SGB I

Gemäß § 32 SGB I sind privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von zwingenden sozialrechtlichen Vorschriften abweichen, nichtig. Das bedeutet aber nicht, das sämtliche Rechts- geschäfte, die sich für den Hilfsbedürftigen als wirt- schaftlich nachteilig darstellen, nach § 32 SGB I nichtig wären. Die Regelung in § 32 SGB I will vielmehr nur solche privatrechtlichen Vereinbarungen untersagen, die den durch die sozialrechtlichen Normen gewährten Schutz beeinträchtigen61. Es soll gewährleistet sein, dass die Sozialleistungsberechtigten ihre Sozialleistungen auch tatsächlich erhalten bzw. behalten62.

2. Sittenwidrigkeit, § 138 BGB

Sehr viel häufiger in Betracht kommt dagegen eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten,

§ 138 Abs. 1 BGB. Nichtig sein können daher insbe- sondere solche Rechtsgeschäfte, die sich zu Lasten des Sozialhilfeträgers auswirken, wie etwa eine Vermögens- übertragung oder ein Unterhaltsverzicht63.

a) Voraussetzungen für eine sozialrechtlich bedingte Sittenwidrigkeit

In welchen Konstellationen der Einwand der Sittenwid- rigkeit wegen Benachteiligung des Sozialhilfeträgers konkret gerechtfertigt erscheint, kann hier nicht allge- mein beantwortet werden, sondern muss bei jedem ein- zelnen Gestaltungsinstrument gesondert geprüft werden.

Dennoch lassen sich bereits an dieser Stelle einige Eck- punkte für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit fest- machen. Zunächst ist festzustellen, dass Vertrags- klauseln, die eindeutig den Grundsatz der Nachrangig- keit des Sozialhilferechts in sein Gegenteil verkehren wollen, mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Verstoßes gegen grundlegende Wertungen der Rechts- und Sitten- ordnung für nichtig erachtet werden64. Umgekehrt ist

60 Sie dazu bereits oben unter A. III. 2. b) aa).

61 Wie z. B. die nach § 53 Abs. 1 SGB I unzulässige Übertragung oder Verpfändung von Ansprüchen des Hilfeempfängers auf sozial- rechtliche Dienst- oder Sachleistungen.

62 Timme in: LPK-SGB I, 2. Aufl. 2008, § 32 SGB I, Rn. 2.

63 Vgl. Palandt/Ellenberger, 68. Aufl. 2009, § 138 BGB, Rn. 45 a.

64 Vgl. auch die sehr lebensnahe Argumentation des VG Düsseldorf in seinem Urteil vom 25. 1. 2008, 21 K 3379/07 (ZFSH/SGB 2008, 307).

In dem fraglichen Fall hatte die Kl. ihre Eigentumswohnung auf ihre Tochter übertragen und kurz darauf Sozialleistungen beantragt.

Nach Ansicht des Gerichts spreche hier für die Sittenwidrigkeit der

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