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Zwergbecken mit Lumbosacral-Kyphose.

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Aus der geburtshiilflich.gyn~kologisehen l~linik des Prof.

S e h a u t a in Innsbruek.

Zwergbecken mit Lumbosacral-Kyphose.

K l i n i s c h e B e o b a c h t u n g yon

Dr. F r a n z T o r g g l e r ,

klin. Assistent.

Die grSssere Seltenheit, sogenannte kyphotische Becken an der Lebenden beobaehten und diagnosticiren zu kSnnen ( L i t z - m a n n 1) z. B. fiihrt unter den 132 Beobachtungen enger Becken kein derartiges an), mSge die VerSffentlichung des nachstehenden Falles, fiir dessert giitige Ueberlassung ich an dieser Stelle reel- nero Chef Prof. Dr. Friedr. S c h a u t a meinen Dank ausspreche, entschuldigen.

Wenn aueh die Tr~gerin dieser Beckenanomalie uns nicht als Schwangere oder Geb~irende zu Gesieht kam, sondern eines geringfiigigen gyni~kologischen Leidens Wegen die Hiilfe der hie- sigen Klinik in Anspruch nahm, so diirfte doch eine Publicirung des Falles yon um so grSsserem Interesse sein, als die Frau elf Mal, darunter oft lebensfKhige, mehrere Male auch reife, aus- getragene Kinder geboren hat und es mir mSglich war, fiber die meisten dieser Geburten aus den Protokollen der Landesgeb~r- anstalt siehere, wenn auch hSchst liickenhafte Notizen aufzufinden.

Bevor ich jedoch auf diese Thatsache niiher eingehe, will ich die mSglichst genau zusammengestellte Anamnese skizziren:

Die am 11. Februar 1885 aufgenommene A. K., im Jahre 1832 yon gesunden Eltern geboren, ist das zweite yon drei Kin- dern, die alle vollkommen gesund und yon normaler GrSsse sein

1) Die Geburt bei engem Becken. Leipzig 1884.

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430 T o r g g 1 e r, Zwergbecken mit Lumbosacral - Kyphose.

sollen. Von ihren Eltern in Pflege gegeben, sell sio im Alter yon etwas fiber einem Jahre durch einea Sturz vom Tisehe eine Fractur der Lendenwirbels~ule erlitten haben, infolge deren sie einige Wochen zu Bette liegen musste, hernaeh aber - - selbe konnte schon vorher allein gehen - - wieder gehen konnte. Mit noun Jahren hat sieh Patientin den rechten Fuss im Sprung- gelenke h x i r t , acht Woehen lung das Bert gehiitet und ~nusste dann ein Vierteljahr hindurch mit einer Kriicke gehen; seit dieser Zeit besitzt sie einen leieht hinkenden Gang. Mit zwSlf Jahren hat sie eine langdauernde Eiterung (Caries mit Nekrotisirung ?) am reehten Oberschenkel, an dessen Innenfl~ehe jetzt noch zwei viel- leieht neukreuzer grosse, weissliche Narben erkennbar sind, durch- gemaeht. Im Uebrigen war sie stets gesund und namentlich frei yon Rachitis, Drfisensehwellungen und chronischen Katarrhen der Luftwege. Mit 17 Jahren zum ersten Male menstruirt, immer in regelmiissigen vierwSchentlichen Intervallen mit drei- bis ffinf- t~giger Dauer, m~ssigem Blutverluste. Mit 22 Jahren zum ersten Male yon einem grossen, schlanken, gesunden Manne geschwSn- gert; mit 42 Jahren zum elften Male, immer vom selben Manne, schwanger; Climax mit 47 Jahren ohne StSrung eingetreten.

S t a t u s p r a e s e n s : Auffallend kleine, zierliehe Person yon 130 cm KSrperl~nge mit schm~chtiger, diirftiger Muskulatur und gracilem, im Allgemeinen regelm~ssigen Knochenbau. Die Brust- organe yon vollkommen normalem Befande.

Der gut gebildete und geformte Thorax reicht in den Axillar- linien beinahe bis auf die naeh ausseu vorspringenden Durra, beinschaufeln; der Processus xyphoideus sterni hat nur 12,5 cm Abstand veto oberon Symphysenrande.

Das Abdomen ist auffallend sehlaff und faltig, mit vielen Schwangersehaftsnarben versehen.

Die Gliedmaassen sind alle vollkommen g e r a d e , lang und dfinn, zeigen keine abnorme Dieke der Epiphysen ihrer RShren- knochen oder sonst Spuren yon Rachitis. 9

Die Wirbels~ule ist gerade und zeigt keinerlei Abweiehungen yon d e r medianen Richtung. ttfllgegen weisen der unterste Ab' schnRt des Brustsegmentes und das gauze Lendensegment eine stark ausgesprochene Lordosis gegen das welt nach hinten vor- springende obere Kreuzsegment auf; dadureh fdllt in der Kreuz- gegend, besonders charaktcristisch beim Stehen, ein HScker auf.

Die fiber diesem, dem D0rnfortsatze des ersten Kreuzboinwirbels

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T o r g g 1 e r, Zwergbecken mit Lumbosacral- Kyphose. 431 entsprechenden HScker befindliche starke Einsattelung geht bei- l~ufig am fiinften Brustwirbel in die vollkommen normale Kriim- mung tier Brustwirbels~ule fiber. Diese lordotische Kriimmung der Lenden- beziehungsweise Brustwirbelsi~ule ist am st[irksten in der HShe des fiinften Lendendornes ausgepr~gt und bleibt sich bei allen Bewegungen, die mit dem Rumple ausgefiihrt werden, glcich.

Die Haut fiber Kreuz- und Lendengegend ist fiberaU normal, nirgends zeigt sie Spuren yon Narben.

Das Becken f~illt vor AUem durch seine sehr geringe Nei- gung auf, denn die Schamspalte ist welt nach vorn gestellt, der obere Symphysenrand 4 cm fiber der Schamhaargrenze und eben- soviel unterhalb des Nabels zu f i i h l e n , die Entfernung yore Sehwertfortsatze zum oberea Rande der Schamfuge, wie er- ws sehr gering, und die Cristae ossium ilei stehen seitlich bei- nahe am Rippenbogen an; man gewinnt den Eindruck, als ob der vordere Beckenringantheil nach oben, wie durch Drehung des Beckens um seine Querachse, verschoben w~re. Dasselbe, im Ganzen yon kleinen, dem Zwergwuchse tier Frau entsprechen- den Dimensionen ist etwas asymmetrisch gebaut, da die reehte H~lfte, wie die nachstehenden Maasse zeigen, um Geringes ver- kleinert erscheint. Die Symphyse springt stark schnabelfSrmig vor, die absteigenden Schambeini~ste liegen nahe aneinander und bilden start eines Arcus einen Angulus ossium pubis. Die einzelnen Knochen sind gracil, i~usserlich ohne jedwelehen pathologischen Befund, ausser der Ver~nderung ihrer Lage und Form. Dies- beziiglich ist noah das Vorspringen der Hfifte in die Breite, deren grSsster Abstand nur 15 mm k l e i n e r als die Trochanterendistanz ist, und alas gestreekte Yerlaufen tier Darmbeink~mme, sowie das Flachliegen der Darmbeinteller zum Horizonte zu erw~ihnen.

S~mmtliche Beckenknochen sind druckunempfindlich, die Scham- bein- und Ileosacralfugen weisen keine abnorme Beweglichkeit, Resistenzverminderung oder Auftreibungen auf, es fehlt jedes Symptom, das zur Annahme eines abgelaufenen oder noch beste- henden Knochenleidens berechtigen wfirde.

Eine innere Messung tier Diagonalconjugata, respective ein Abtasten der Vorderfl~che tier Lendenwirbelsi~ule, des Promonto- rium oder des Kreuzbeines, sowie die Constatirung des Verhi~lt- nisses der Lendens~ule zu den Seitenmaassen des Kreuzbeines oder des der Linen innominata zum fiinften Lendenwirbel ist wegen

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432 Torggler, Zwergbecken mit Lumbosacral-Kyphose.

der auf seniler Atrophie der Scheide beruhenden Enge derselben nicht ausfiihrbar. Wohl muss abet eine Digitalmessung der Con- jugata, wie aus den sp~ter angefiihrten Geburtsprotokollen her- vorgeht, in jiingeren Jahren m5glich gewesen sein, denn wir fanden einmM (Geburt III) die Conjugata (freilich ist nicht ge- sagt ob die vera, diagonalis oder geburtshiilfliche, veto oberen Rande der Schossfuge zum vorspringendsten Punkte der lordo- tischen Lendenwirbels~ule) mit 3 Zoll angegeben; ein anderes Mal (Geburt XI) wird nur erw~hnt, dass das Becken im geraden Durchmesser des Einganges verengt sei.

Dieso UnmSglichkeit der vaginalen Beckenmessung hinderte aber nicht, die Formverhiiltnisse des Beckens dutch die iiussere Messung mSglichst genau zu bestimmen.

Diese ergab :

Distantia spinarum anteriorum saperiorum ossium ilei 23,1 ,, cristarum ossium ilei . . . 24,5 ,, trochanterum . . . 26,o Conjugata externa . . . 20,o Spina posterior superior dextra zur Spina anterior supe-

rior sinistra . . . 20,s Spina posterior superior sinistra zur Spina anterior supe-

rior dextra . . . 19,s Dornfortsatz des letzten Lendenwirbels zur Spina anterior

superior sinistra . . . 17,5 Dornfortsatz des letzten Lendenwirbels zur Spina anterior

superior dextra . . . 17,o Dornfortsatz des letzten Lendenwirbels zum Trochanter

sinister . . . 21,o Dornfortsatz des letzten Lendenwirbels zum Trochanter

dexter . . . 20,7 Dornfortsatz des ersten Kreuzbeinwirbels zum oberon Sym-

physenrande . . . 20,5 Distantia spinarum posteriorum superiorum ossium ilei 10,5 ,, tuberum isehii . . . 5,5 Conjugata exitus . . . 9,3 Die Maasse des Beckenausganges wurden genau nach den Angaben Br e i s k y ' s 1) genommen.

Bei der inneren Untersuchung fanden wir die Pottle vagi- 1) Medicinische Jahrbticher, Bd. XIX, Heft 1, S. 3.

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Torggler~ Zwergbeckea mit Lumbosacral-Kyphose. 433 nalis beiderseits eingerissen, im rechten SeheidengewSlbe eine straffe, derbe, bei Beriihrung schmerzhafte Narbe, die der Frau ausstrahlende Schmerzen, besonders beim Gehen und Stehen ver- ursachte, weshalb sie die Klinik aufsuchte.

Wenn wir nun dieses Becken mit seinen Maassen niiher be- traehten, so kSnnen wir dieselben nach zwei Richtungen hin ver- werthen: erstens deren Verh~ltni-ss untereinander, zweitens das dieser l~faasse zu den Durchschnittsmaassen des normalen Beekens.

In ersterer Beziehung finden wit ein im Eingange allgemeiu erweitertes, im Ausgange aUgemein, doeh ungleichm~ssig, am iiberwiegendsten in querer Richtung verengtes Becken, das ,/on einer lordotischen Wirbels~iule theilweise iiberdacht ist.

Was abet das Verh~ltniss unserer Beckenmaasse zu Durch- schnittsmaassen anlangt, so i~s trotz der eonstatil~ten allgemei- nen gleichm~ssigen Erweiterung im Beckeneingange, die Klein- heir der Conjugata externa, die das gewShnliche Durehschnitts- maass nieht iibersehreitet, ferner die geringe Distanz der 8pinae anteriores superiores, der Cristae ossium ilei und der Trochanteren, die alle mehr oder weniger unter der Norm sind, auf. Die Er- kl~rung fiir diese auffallende Thatsache liegt darin, dass wir es hier mit einem, der GrSsse der Frau entsprechenden Zwergbecken zu thun haben.

Es wirft sich uns nun die Frage auf um die Diagnose dieser Beckenanomalie, die sich zusammensetzt aus dem Zwergbecken und aus der gei~'hderten Stellung der lordotischen Wirbelsiiule zum Kreuzbeine einerseits, der tier Beckenknoehen untereinander andererseits.

Nachdem aus Anamnese und objectivem Befunde Rachitis und Osteomalacie mit Sicherheit auszuschliessen sind, kommt nur mehr das spondyl-olisthetisehe und das lumbosacral-kyphotische Becken in Betracht. Gerade diese beiden Beckenanomalien besitzen sehr viele gemeinschaftliche Eigenthiimlichkeiten und dieselben er- ,strecken sich nicht nur auf den inneren Befund, sondern attch

auf die ~ussere Form.

In unserem Falle konnte keines der, durch die innere Unter- suehung yon den verschiedenen Autoren angegebenen, zu eruiren- den pathognomischen Zeichen fiir diese Differentialdiagnose ver- werthet werden: weder der fiir Spondyl-olisthesis sprechende yon B r e i s k y ') angegebene Lateralwinkel zwischen Lendens~ule und

1) Dieses Archiv, Bd. IX, S. 7.

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434 T o rggl e r, Zwergbecken mit Lumbosacral - Kyphose.

Kreuzbein, noch das yon H i i t e r citirte Verhalten der Lineae innominatae zum letzten LendenwirbelkSrper, noch die yon O l s - h a us e n ~) erw~hnte leichtere Tastbarkeit der Bifurcation der Aorta abdominalis, d a d e r untersuchende Finger wegen Enge der Scheide diese Stellen nicht zu erreichen vermochte. s

fanden wir abet, dass bei allen Beugebewegungen des Rumpfes die Lordosis sich gleichbleibe, auf welches Verhalten als fiir Lumbo- sacral-Kyphose pathognostisch zuerst N e u g e b a u e r ~) hinwies, dass die S-Kriimmung der Darmbeink~mme auffallend verringert und deren abgerundete Winkel welter yon einander abstehen, welche Zeichen nach B r e i s k y 3) bei Differentialdiagnose zwischen spondyl-olisthetischen und kyphotischen Becken zu Gunsten der letzteren Beckenform spreehen.

In Beriicksichtigung dieser Thatsachen mussten wir, trotz des negativen inneren Befundes, die Diagnose unseres Falles auf ein l u m b o s a c r a l - k y p h o t i s c h e s , t r i c h t e r f S r m i g v e r e n g - t e s , l e i c h t a s y m m e t r i s c h e s Z w e r g b e c k e n stellen.

Als Grund der Entstehung der Kyphose ist unzweifelhaft jener im Alter yon einem Jahre gethanene Sturz mit angeblicher Fractur der Lendens~ule zu bezeichnen, w~hrend die leichte Asymmetric wohl auf Rechnung der ungleichen KSrperbelastung, bedingt durch das seit dem neunten Lebensjahre bestehende Hin- ken, zu setzen ist.

Was nun den Fall besonders interessant macht, ist die That- sache, dass die Tr~gerin dieses Zwergbeckens, das durch die Kyphose in querer Richtung des Ausganges noch so bedeutend verengt wurde, nicht weniger als elf Mal, wic eingangs erw~hnt, geboren hat.

Wir wollen nun auf diese Geburten, fiber sieben davon sind in den vorhandenen Protokollen Notizen zu finden, n~her ein- gehen.

Die erste, angeblich am normalen Schwangerschaftsende im Juli 1855 stattgehabte Entbindung wurde von einem Chirurgen geleitet:

Naehmittags die ersten Wehen, Abends 5 Uhr Blasensprung, Vor- fall eines Fusses bei Sch~idellage, Fuss reponirt; Wehen kr~iftig bis 2 Uhr Nachts, um welche Zeit sie aufhSren; um 3 Uhr frfih er-

1) Monatsschrift ffir Geburtshtilfe, Bd. XXII.

2) Dieses Archiv, Bd. XIX, S. 458.

3) Medicinische Jahrbacher, Bd. XXI, S. 21.

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T o r g g l e r , Zwergbeeken mit Lumbosacral-Kyphose. 435 15schen die HerztSne des Kindes, hierauf Perforation und Extraction eines sehr gut entwickelten Kindes. Wochenbett angebllch normal.

Am 19. Februar 1862 die zweite Geburt, fiber welche das Ge- burtsprotokoll berichtet, dass die letzten Menses Mitte Mai statt- gefunden haben, ferner dass bei der Geb~irenden der Lendenbug stark eingezogen, Symphyse schnabelfSrmig zugespitzt, Schambogen spitzig~ Sitzknorren einander genEhert seien. Zweite Querlage, Wen- dung auf den Kopf, Forceps. Kind scheintodt, stirbt bald nach der Geburt.

Im Jahre 1863 finden wit in den Protokollen die Frau als auf- fallend klein, bueklig und hinkend mit verengtem Beckeneingange (Conjugata 3 j' ira Durchmesser) angegeben. Am 21. April wird mit- tels Zange bei verkehrt rotirtem SchEdel ein reifes asphyktisches Madchen entbunden, das zum vollen Leben gebracht wird. Es stirbt

1/a

Jahr alt in der Pflege yon Zieheltern.

Ueber die vierte, am 2. October 1864 stattgehabte Geburt fehlt das Geburtsprotokoll; die Frau giebt an t damals einen faultodten Knaben im sechsten oder siebenten Kalendermonate spontan geboren zu haben. Puerperium normal.

Ebenso fehlt das Protokoll fiber die tfinfte Geburt am 20. De- cember 1865. Nach den Angaben sell mittels Wendung ein starkes, gut entwickeltes, reifes Mi~dchen, das noeh am Leben ist~ zur Welt bef'6rdert worden sein. Wochenbett normal.

V o n d e r sechsten Geburt (23. December 1866) beriehtet das Protokoll, dass ein reifes, lebensschwaches Kind geboren wurde.

Letzte Periode am 1. April: Das Kind nach acht Wochen an Le- benssehw~tehe gestorben.

Bei der siebenten Geburt (15. Mai 1868) wurden laut Protokoll Zwillinge (Knaben) geboren, woven der erste nach a/a Jahren, der zweite naeh sechs Tagen starb.

Das Protokoll der achten Geburt veto 17. October schildert die Person als skoliotisch, klein, schlecht gen~hrt~ mit ,,etwas engem Becken", bei der in zweiter Sch~idellage ein lebensschwaches Kind mittels Forceps entbunden wurde, das am 18. October starb.

Die neunte Geburt, Anfangs December 1870, nach Angabe der Frau ein Abortus im zweiten Monate der Schwangersehaft, hat ausser- halb der Anstalt stattgefunden.

Die zehnte Geburt ist weder in den Gebnrtsprotokollen noch im Verzeichnisse der Verpflegten auffindbar, trotzdem Patientin angiebt, in der Anstalt ein todtes, sehr scblecht entwickeltes Kind, das nach ihrer Berechnung um einen Monat zu frfih zur Welt kam, spontan geboren zu haben. Frau will im Frfihjahre 1872 oder 1873 nieder- gekommen sein.

Die letzte (elfte) am 17. Juni 1874 vor sich gegangene Geburt finder sleh unter Protokoll-Nr. 186 verzeiehnet: ElftgebErende mit im Aus- gange und ira geraden Durchmesser des Einganges verengtem Becken.

Letzte Periode Mitte October 1873. Erste Wehen am 17. Juni um

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436 T o r g gl e r, Zwergbecken mit Lumbosacral- Kyphose.

4 Uhr friih, Abends 101/~ Uilr Muttermund beinahe verstrichen.

tternach bei erster Querlage die Blase gesprengt~ auf einen Fuss gewendet und mittels des S m e l l i e ' s c h e n Handgriffes das Kind extrahirt. Die Entwickehng des Kopfes ist wegen des um den Hals des Kindes sich contrahirenden Yfuttermundes sehr schwierig. Um 103/~ Uhr ist die Entbindung vollendet, das gut entwickelte, schein- todte Kind stirbt nach einer Viertelstunde. Puerperium normal.

Aus diesen Geburtsskizzen ersehen wir, dass die Frau fiinf Mal (Geburt I, II, III, V und XI) yon ausgetragenen, reifen Friichten entbunden wurde. Was das Operationsverfahren dabei anbelangt, so wurde einmal (Geburt I) am vorausgehenden Sch~ideI perforirt; zwei Mal die Zange angelegt, alas erste Mal (Geburt II) nach Wendung einer Querl~ge auf den Kopf, das zweite Mal (Geburt III) bei verkehrt rotirtem Seh~idel; die iibrigen zwei Mul (resp. drei M~I, wenn wir die dureh Forceps naeh auf den Kopf gemachter Wendung vollendete Geburt beriicksichtigen) wurde die Wendung mit anschliessender Extraction gemacht (Geburt V und XI).

Von diesen mittels Kunsthiilfe geborenen Kindern kam nur das durch Wendung und Extraction zu Tage gefSrderte des Falles V lebend und lebensfrisch zur Welt. Die durch Zange entbun- denen waren alle scheintodt; yon denen das des Falles II schnell starb, w~hrend jenes vom Falle III ein Vierteljahr alt wurde.

D,~s durch Wendung im Falle XI entwickelte war asphyktisch und starb nach einer Viertelstunde.

Ausser diesen ausgetragenen, reifen Kindern hat die Frau noeh vier lebensfdhige Friichte geboren, die alle mehr oder we- niger lange, yon einem Tage bis zu drei Vierteljahren lebten (Ge- burr VI, VII und VIII).

Unter den anderen Geburten linden wit einen Abortus im zweiten (Geburt IX) und zwei Friihgeburten im sechsten his sie- benten resp. achten Sonnenmonate (Geburt IV und X).

lqachdem es nun keinem Zweifel unterliegen kann, dass die Beckenform, wie selbe uns jetzt zur Untersuchung vorlag, schon bei vo]lendetem Knoehenwachsthume abgeschlossen war, so miis- sen wir annehmen, dass die friiher geschilderten Geburten bei der jetzt gefundenen und diagnosticirten Beckenanomalie vor sich gegangen sind, wofiir auch tier bei Geburt II citirte Beekenbefund aus dem Jahre 1862 spricht.

Diese Annahme als richtig vorausgesetzt, bringt nns auf die Frage, wie es denkbar ist, dass der Sch~del einer lebensfdhigen

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Torggler,~ Zwergbecken mit Lumbosacral-Kyphose. 437 beziehungsweise ausgetragenea Frucht ein derartig verengtes Becken zu passiren vermag. Die Antwort muss lauten, dass dies nut auf Rechnung einer Versehiebbarkeit des Beckens ge- schehen kann.

Dass eine derartige Verschiebbarkeit bei dieser Beckenform wirklich cxistirt, hat schon L a m b l ~) bei der Besehreibung des Briisseler Beckens constatirt, indem er Beweglichkeit ia allen drei Beckengelenken nachwies. M o h r 2 ) , der diese Beweglichkeit allen kyphotisehen Becken zuschreibt, erkl~rte zuerst dieselbe, und zwar als eine Folge der Verlegung des Centrum des Schwer- punktes nach vorn zu einer Zeit, wo die Ligamenta noch nicht erstarkt sind, also in friiher Jugend. K o r s e h 3) konnte diese Beweglichkeit in einem Falle yon kyphotischem Becken in den Beckengelenken w~hrend des Geburtsactes selbst beobachten und den Einfluss derselben auf die VergrSsserung des Beckenausganges, besonders in der Riehtung des queren Durehmessers (yon 6,5 auf 9,5 cm) direct messen.

Ausser dieser Dehnbarkeit des Beckens in seinen Gelenken, die hauptsKchlich dem Ausgange zu Gute kommt, ist noch eine VergrSsserung des Beckenraumes zu Gunsten des Beckeneinganges mSglich, n~imlich dutch die Beweglichkeit der lordotischen Wir- belsKule.

Diese veri~nderlichen Dimensionen des Beckens, die einerseits bedingt sind in einer abnormen Dehnbarkeit der Beckengelenke, in der Beweglichkeit der lordotischen Wirbels~ule andererseits, miissen auch in unserem Falle vorhanden gewesen sein, wenn selbe jetzt auch nicht mehr naehwcisbar sind, was wohl das be- deutende Alter der Frau und die damit verbundene Altersatro- phie in allen Organen, also auch in den Fugen der Becken- gelenke hinreichend zu erkl~ren vermag.

Gerade diese Beweglichkeit des Beckens ist bei Stellung der Prognose der Geburt fiir Mutter und Kind nie ausser Betracht zu lassen und wird dieselbe auch bei der Wahl des einzuschla- genden Operationsverfahrens yore aUergrSssten Einflusse sein.

Jedenfalls diirfte die yon F e h l i n g ~) ausgesprochene Vet- 1) Scanzoni's Beitri~ge, Bd. VIII. Wtirzburg 1857.

2) Das in Ztirich befiadliche kyphotisch querverengte Becken.

1865.

3) Dieses Archly, Bd. XIX, S. 478.

4) Ibid., Bd. IV, S. 33.

Ziirich

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438 Torggler, Zwergbecken mit Lumbosacral-Kyphose.

muthung, dass die Prognose fiir Mutter und Kind immer sehr ungiinstig sei, da tier auszufiihrende Kaiserschnitt nur fiir das Kind die Prognose verbessern, wi~hrend eine mSgliehst friihzeitig eingeleitete Friih- oder Fehlgeburt wieder nur die fiir die Mutter bessern wiirde, zu pessimistiseh sein. Nach K l e i n w ~ i c h t e r 1) waren die Einleitung tier kiinstlichen Friihgeburt und die Perle, ration bisher die h~ufigsten therapeutischen Eingriffe. S e h r S - d e r u) glaubt, dass Friihgeburt in der Mehrzahl der F~lle, Sectio caesarea wohl nur bei ganz ungewShnlicher Yerengerung des Beckenausganges indicirt sei. Doch kSnne man auch, so l~nge es das Befinden der Kreissenden erlaube, die Geburt den Natur- kr~iften iiberlassen, gehe das nicht, so werde oft der Forceps mit Erfolg. angelegt werden, 5fters aber wird man zur Perforation schreiten miissen. S c h a u t a a) macht auf die Thatsache auf- merksam, dass selbst in hochgradigeren Verengerungen dieser Beckenform nur ausnahmsweise Kaiserschnitt oder Perforation, sondern gewShnlich die Zange zur Anwendung komme, oft aber spontane Geburten beobaehtet werden.

Diese Ansicht findet nun dureh die Geburten und die dabel in Verwendung gebraehten Operationen unseres Fatles eine neue Best~tigung.

1) Grundriss der Geburtshillfe, S. 249.

2) Lehrbuch der Geburtshiilfe, S. 592.

3) Wiener medicinische Wochenschrift 1883, Nr. 36 u. 37.

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