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Erstellung Erweiterungsbau Schulanlage Aesch

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Erstellung Erweiterungsbau Schulanlage Aesch

Untersuchungsbericht betreffend Kreditbewilligung und freihän- dige Vergabe

Geht an: Gemeinderat Maur

Datum: Zürich, 27. November 2021

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1. AUSGANGSLAGE

1 Der Gemeinderat Maur hat am 26. August 2019 (GRB 149) für die Erweiterung der Schulanlage Aesch einen «Projektierungskredit von CHF 160'000.00 als gebun- dene Ausgabe zu Lasten der Investitionsrechnung» bewilligt. Zudem wurde der Auftrag «für die Phase Vorprojekt bis Bewilligungsverfahren» aufgrund Dringlich- keit direkt an die Planer (apb architekten ag, Uster) vergeben.

2 Mit Beschluss vom 27. Januar 2020 (GRB 12) hat der Gemeinderat Maur für die Erweiterung der Schulanlage Aesch einen «Objektkredit von CHF 2'050'000 als ge- bundene Ausgabe zu Lasten der Investitionsrechnung» bewilligt. Mit dem glei- chen Beschluss wurde der Auftrag für die Architekturleistungen aufgrund Dring- lichkeit direkt an die gleichen Planer vergeben, die bereits den Auftrag für das Vorprojekt erhielten.

3 Die Maurmer Post hat am 1. Oktober im Hauptbeitrag unter dem Titel «Wenn’s plötzlich pressiert» ausführlich über den Erweiterungsbau beim Schulhaus Aesch berichtet. Es wurde unter anderem die Frage gestellt, weshalb die Ausgaben für den Ergänzungsbau Aesch als gebunden gelten, «wenn andere Infrastrukturpro- jekte wie das Generationenprojekt Looren oder das geplante Bevölkerungsschutz- gebäude dieses Kriterium offenbar nicht erfüllen?». Auch zur freihändigen

Vergabe der Architekturleistungen wurden unter Berufung auf einen angefragten Rechtsanwalt kritische Fragen gestellt.

4 Auf Nachfrage der Maurmer Post erklärte der Gemeindepräsident, dass der Ge- meinderat die Klassifizierungspraxis betreffend gebundene Ausgaben und die freihändigen Vergaben mit externer Unterstützung überprüfen werde.

2. UNTERSUCHUNGSAUFTRAG

5 Mit Email vom 21. Oktober 2021 erteilte der Gemeinderat Federas den Auftrag betreffend Untersuchung/Gutachten zum Erweiterungsbau Schulanlage Aesch.

Der Auftrag umfasst die Klärung folgender Fragestellungen:

6 Überprüfung der Gebundenheit der Erstellungskosten für den Erweiterungsbau, einschliesslich der bisherigen Praxis zu den gebundenen Ausgaben bei Bauvorha- ben;

7 Überprüfung der freihändigen Vergaben der Planerleistungen für den Erweite- rungsbau;

8 Prüfung der Frage, welche Bedeutung der Tatsache beizumessen ist, dass der Ge- meinderatsbeschluss vom 27. Januar 2020 betreffend gebundene Ausgaben und die Freihandvergaben nicht angefochten wurden;

9 Prüfung der Frage, ob Projektierungskosten in den Objektkredit bzw. in die ge- bundenen Ausgaben für das Ausführungsprojekt eingerechnet werden;

10 Eine rechtliche Analyse dieser Fragestellungen;

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11 Empfehlungen/Leitplanken für eine zukünftige, auf das neue Gemeindegesetz (LS 131.1; GG) und die neue Gemeindeverordnung (LS 131.11; VGG) abgestützte Pra- xis in diesen Fragen.

3. BEDEUTUNG DER FORMELLEN RECHTSKRAFT DER BESCHLÜSSE ZUM ERWEITERUNGSBAU

12 Die beiden Beschlüsse des Gemeinderates (siehe oben N 1 und 2) wurden wie folgt publiziert:

13 Der Beschluss über die gebundenen Ausgaben von CHF 2'050'000.- wurde am 14.

Februar 2020 in der Maurmer Post unter «Mitteilungen der Gemeinde» ordent- lich öffentlich bekanntgemacht. Die Information hat auch nach neuem Gemeinde- gesetz ohne Rechtsmittelbelehrung über das amtliche Publikationsorgan der Ge- meinde, das Internet oder die Medien zu erfolgen (M. Rüssli, in: Kommentar zum Gemeindegesetz, 2017, N 4 zu § 105). Mit der erwähnten Mitteilung in der Maur- mer Post sind die Anforderungen gemäss Gemeindegesetz damit erfüllt.

14 Die Beschlüsse über die freihändigen Vergaben an die apb architkten ag, Uster, vom 26. August 2019 (für CHF 75'928.50) und vom 27. Januar 2020 (für CHF 197'750.10) erreichen den Staatsvertragsschwellenwert von CHF 350'000 gemäss Anhang 1 zur Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (LS 720.1) nicht und müssen daher gemäss § 35 der Submissionsverordnung (LS 720.11) im Amtsblatt des Kantons Zürich und in der gemeinsamen elektronischen Plattform von Bund und Kanton nicht veröffentlicht werden. Gemäss § 11 der Submissions- verordnung erfolgen korrekterweise freihändig vergebene Aufträge formlos, also ohne Veröffentlichung.

15 Der Gemeinderat hat allerdings in der Maurmer Post vom 6. August 2021 unter der Rubrik «Amtlich» auf S. 8 öffentlich gemacht, dass «die Aufträge für den Er- weiterungsbau (…) direkt an das Planerteam apb architekten ag, User, vergeben»

worden seien. Dieses Architekturbüro habe bereits den Kostenvoranschlag ausge- arbeitet und zuvor eine Machbarkeitsstudie erstellt.

16 In Bezug auf die hier im Vordergrund stehendende Frage der Gebundenheit be- deutet dies, dass die Beschlüsse zur Gebundenheit vom 26. August 2019 und vom 27. Januar 2020 formell rechtskräftig geworden sind, da sie von keinem Stimm- bürger/keiner Stimmbürgerin mit dem hier offenstehenden Rechtsmittel der Stimmrechtsbeschwerde angefochten wurden. Formelle Rechtskraft bedeutet fol- gendes:

17 «Formelle Rechtskraft einer Verfügung oder eines Rechsmittelentscheids bedeutet, dass die Anordnung von den Betroffenen nicht mehr mit einem ordentlichen Rechtsmittel an- gefochten werden kann und somit grundsätzlich nicht mehr abänderbar ist. (…) Die for- melle Rechtskraft ist grundsätzlich Voraussetzung der Vollstreckung. Formell rechtskräf- tige Verfügungen und Rechtsmittelentscheide sind rechstbeständig, d.h. inhaltlich grundsätzlich unabänderlich, weil sie durch spätere Verfügungen bzw. Rechtsmittelent- scheide nicht voraussetzungslos wieder aufgehoben werden können; die sich hieraus erge- bende Bindungswirkung gilt – und darin liegt ihre eigentliche Bedeutung – auch für die Behörde, die verfügt bzw. entschieden hat.» (Kommentar zum VRG des Kantons Zürich, 3.

Aufl. 2014, N 6 Vorbemerkungen zu §§ 86a-86d VRG).

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18 Diese Aussagen haben umso mehr zu gelten, wenn der Kredit bzw. das damit indi- rekt bewilligte Projekt bereits vollzogen, der als gebunden finanzierte Bau also schon steht. Insofern ist auch die Aufarbeitung der Frage der Gebundenheit eher akademischer Natur und kann an den entsprechenden Beschlüssen nichts mehr ändern. Immerhin kann die Aufarbeitung für die Zukunft Hinweise geben, wie die Praxis allenfalls angepasst werden könnte. Da aufgrund der formellen Rechts- kraft ungewiss bleiben muss, wie eine Rechtsmittelinstanz oder ein Gericht die Frage der Gebundenheit beurteilen würde und da aufgrund der fehlenden An- fechtung der Beschlüsse von einer grundsätzlichen Akzeptanz des Vorgehens in der Bevölkerung ausgegangen werden kann, ist bei der Beurteilung des gemein- derätlichen Vorgehens Zurückhaltung angebracht. Eine solche «Nachhineinbeur- teilung» hat daher auch etwas hypothetisches, weshalb im Folgenden das Ge- wicht auf Empfehlungen für die künftige Praxis gelegt werden soll.

19 Ähnliches hat in Bezug auf die Beschlüsse zur freihändigen Vergabe der Planer- leistungen zu gelten, da auch diese formell rechtskräftig und bereits vollzogen sind.

4. DER BEGRIFF DER GEBUNDENEN AUSGABEN

4.1. Rechtsgrundlagen

20 Wie schon das alte Gemeindegesetz (§ 121 alt GG) kennt auch das neue Gemeindegesetz vom 20. April 2015, in Kraft seit 1. Januar 2018, eine Legaldefinition der gebundenen Ausgaben (§ 103 Abs. 1):

21 «Ausgaben gelten als gebunden, wenn die Gemeinde durch Rechtssatz, durch einen Entscheid eines Gerichts oder einer Aufsichtsbehörde oder durch einen früheren Beschluss der zuständigen Organe oder Behörden zu ihrer Vorname verpflichtet ist und ihr sachlich, zeitlich und örtlich kein erheblicher Entscheidungsspielraum bleibt.»

22 Gemäss dieser Legaldefinition wird vorerst grundsätzlich vorausgesetzt, dass eine Rechtsgrundlage vorhanden sein muss, welche eine Verpflichtung zur Tätigung einer Ausgabe vorsieht.

23 Erst wenn eine solche Bindung an eine Rechtsgrundlage bejaht werden kann, ist noch die Frage zu prüfen, ob trotz Ausgabenbindung noch ein erheblicher Ent- scheidungsspielraum für die Vollzugsbehörden besteht. Dabei geht es darum, festzustellen, wie eng die Bindung an die Rechtsgrundlage im Vollzug tatsächlich ist.

4.2. Rechtsprechung des Bundesgerichts

24 Das Bundesgericht hat mehrfach festgestellt, dass die Begriffsumschreibung von § 121 alt GG im Wesentlichen mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über- einstimmt (Urteil des Bundesgerichts vom 12. März 2009 betreffend Wohnsied- lung Luggweg Zürich, 1C_467/2008, Erw. 2.3.).

25 Da die Umschreibung der gebundenen Ausgaben nach dem neuen Gemeinde- gesetz (§ 103 Abs. 1) weitgehend derjenigen von § 121 alt GG entspricht (M.

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Rüssli, a.a.O., N 3 zu § 103), gilt die Rechtsprechung des Bundesgerichts weiterhin auch für die Gemeinden des Kantons Zürich.

26 Die einzige wesentliche Neuerung, welche das neue Gemeindegesetz im Zusammenhang mit gebundenen Ausgaben mit sich brachte, ist die Tatsache, dass die Gemeinden den Begriff der gebundenen Ausgaben nicht mehr wie früher näher umschreiben können (Rüssli, a.a.O.).

27 Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den gebundenen Ausgaben und die damit zusammenhängende Umschreibung dieses Begriffs ist etwas präziser als die Legaldefinition im Gemeindegesetz und erklärt sehr anschaulich, worum es bei dieser Rechtsfigur geht. Gemäss dieser Rechtsprechung gelten Ausgaben als gebunden und damit als nicht referendumspflichtig,

28 «wenn sie durch einen Rechtsatz prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben oder zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind.

Gebunden ist eine Ausgabe ferner, wenn anzunehmen ist, die Stimmberechtigten hätten mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgenden Aufwendungen gebilligt, falls ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war oder falls gleichgültig ist, welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass über- nommenen Aufgaben gewählt werden. (…) Immer dann, wenn der entscheidenden Be- hörde in Bezug auf den Umfang der Ausgabe, den Zeitpunkt ihrer Vornahme oder andere Modalitäten eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit zusteht, ist eine neue Aus- gabe anzunehmen.» (BGE 115 Ia 142).

29 Mit der Bewilligung einer gebundenen Ausgabe wird die Ausgabe also dem Finanzreferendum entzogen. Der Sinn des Instituts der gebundenen Ausgaben ist es unter anderem, zweimalig Abstimmungen über dieselbe Frage zu vermeiden.

Sinnvoll ist ein Referendum nur, «wenn nicht nur Details, sondern im Lichte der staatspolitischen Funktion des Ausgabenreferendums wesentliche Fragen offen sind.» (BGE 115 Ia 142 f.).

30 Wie schon in der Legaldefinition gemäss Gemeindegesetz bildet also das Mass der Handlungsfreiheit beim Entscheid über eine Ausgabe ein wichtiges (häufig das Wichtigste) Kriterium. Es geht dabei um die Frage, ob trotz grundsätzlicher Verpflichtung zur Tätigung der Ausgabe in zeitlicher, örtlicher oder sachlicher Hinsicht noch ein erheblicher Entscheidungsspielraum bzw. nach bundes- gerichtlicher Terminologie eine «verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit»

bleibt. Das Mass der Handlungsfreiheit ist deshalb letztlich das entscheidende Kriterium, weil daran gerade die umstrittenen Fälle hangen, «die von der Sache her oder den Begleitumständen politisch brisant sind. Und hier gerade herrscht nur noch Ermessen, das von den jeweils sehr unterschiedlichen und kaum je gleich gewichteten konkreten Umständen abhängt» (K. Sameli, Aktuelle Aspekte des Finanzreferendums, ZBL 94/1993, 52).

4.3. Massgeblichkeit des Einzelfalls und Bedeutung einer erheblichen Praxis

31 Bei der Beurteilung der Gebundenheit einer Ausgabe kommt es also ausgespro- chen auf den Einzelfall an:

32 «Der Entscheidungsspielraum der Gemeinde kann tatsächlich oder rechtlich begründet sein, und zwar hinsichtlich der Grundlagen und der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles» (BGE 115 Ia 142).

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33 Es ist deshalb schwierig, allgemein gültige Regeln zu finden. Das Bundesgericht lässt deshalb häufig offen, wo die Grenze zwischen zulässigem und nicht mehr er- laubtem Entscheidungsspielraum liegt. «Abstrakte Ausführungen dazu sind frei- lich auch kaum möglich. Letztlich erfordert die Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe, welche für die Unterscheidung zwischen neuen und gebunden Ausgaben massgebend sind, immer eine wertende Gesamtbetrachtung des Ein- zelfalls» (CH. Auer zum Entscheid des Bundesgerichts vom 4. Juni 2012,

1C_35/2012, in: ZBl 114/2013, 506).

34 Das Bundesgericht hat wiederholt festgestellt, dass seine Rechtsprechung nur dann gilt, sofern das Gemeinwesen «nicht eine eigene, von der bundesgerichtli- chen Rechtsprechung abweichende und erhebliche Praxis für die Behandlung die- ser Ausgaben als gebundene nachweist» (BGE 112 Ia 232).

35 Der Begriff der gebundenen Ausgaben ist also kein einheitlicher. «Er ist vielmehr ebenfalls kantonalrechtlicher und teilweise sogar kommunalrechtlicher Natur»

(K. Spühler, Die Praxis des Bundesgerichts zu den gebundenen Ausgaben in den zürcherischen Gemeinden, in: ZBl 92/1991, 143). Er kann von Gemeinde zu Ge- meinde eine unterschiedliche Bedeutung haben.

4.4. Zur Bedeutung der Grösse des Gemeinwesens

36 Aus der Weisung des Regierungsrates zur Änderung des Gemeindegesetzes vom 30. März 1983, mit welchem die gebundenen Ausgaben gesetzlich verankert wur- den (ABl 1983, 573), geht hervor, dass der Begriff der gebundenen Ausgaben der- art auszulegen ist, dass in kleinen Gemeinden eine Ausgabe weniger rasch als gebunden zu betrachten ist als in einem grösseren Gemeinwesen. In kleinen Ge- meinden ist nämlich die unmittelbare Beteiligung der Bevölkerung an der Verwal- tung grösser. Gemäss Sameli (a.a.O., 53) entspricht die Berücksichtigung der Grösse des Gemeinwesens «dem Willen des Gesetzgebers», was auch heute noch zutreffen dürfte.

4.5. Bedeutung des Budgets bei gebundenen Ausgaben

37 Auch gebundene Ausgaben setzen einen Budgetbeschluss voraus, allerdings nur,

«soweit die Ausgabe voraussehbar ist» (§ 105 GG). Nicht voraussehbar «sind etwa (gebundene) dringliche Ausgaben» (M. Rüssli, a.a.O., N 6 zu § 105). Kann die Aus- gabe auch noch im nächsten Budgetjahr getätigt werden, so ist sie im betreffen- den Budget einzustellen.

5. GEBUNDENHEIT DER ERSTELLUNGSKOSTEN FÜR DEN ERWEITERUNGSBAU AUF DER SCHULANLAGE AESCH?

38 Im Kanton Zürich gilt grundsätzlich, dass «die Kosten für die Erstellung von Neu-, Ersatz-, Erweiterungs- und Ergänzungsbauten» als «neue Ausgaben» gelten (Rüssli, a.a.O., N 16 zu § 103; siehe auch Saile/Burgherr/Loretan, Verfassungs- und

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Organisationsrecht der Stadt Zürich, 2009, N 617). Dies gilt selbst dann, wenn ge- stützt auf eine klare Verpflichtung, wie die obligatorische Schulpflicht mit entspre- chendem Schulungsrecht in Schulräumen, Ausgaben getätigt werden müssen. In sachlicher Hinsicht und auch in zeitlicher Hinsicht bestehen denn auch in diesem Bereich häufig erhebliche Entscheidungsspielräume bei der Umsetzung der Ver- pflichtung.

39 Das Verwaltungsgericht hatte einen vergleichbaren Fall in der Stadt Bülach zu be- urteilen und ist insbesondere zum Schluss gekommen, dass keine zeitliche Dring- lichkeit bestehe. «Die allein vorgebrachte Entwicklung der Schülerzahlen vermag keine solche zu begründen. Leiten die Schulbehörden die durch steigende Schü- lerzahlen notwendig gewordenen Massnahmen nicht rechtzeitig ein, können sie sich später nicht auf zeitliche Dringlichkeit berufen, könnte doch mit einem sol- chen Vorgehen die demokratische Mitwirkung regelmässig ausgehebelt werden.»

(Verwaltungsgerichtsentscheid vom 24. 9. 2020, VB.2020.00538, Erw. 2.3). Gleich- zeitig hielt das Verwaltungsgericht in diesem Entscheid fest, dass es durchaus denkbar sei, «dass die Kosten für ein Provisorium zur vorübergehenden Bereit- stellung zusätzlichen Schulraums - etwa bis zur Fertigstellung eines neuen Schul- hauses - aufgrund der konkreten Umstände als gebundene Ausgabe qualifiziert werden könnten.» (Erw. 2.4.). Die Stadt Bülach konnte in diesem Fall allerdings keine vom Bundesgericht anerkannte «feststehende und unangefochtene Rechts- auffassung und Praxis der zuständigen» Organe nachweisen (BGer 1C_17/2017, Erw. 4.3.).

40 In Berücksichtigung einer solchen erheblichen Praxis (siehe oben, Ziff. 4.3.) hat das Bundesgericht einen Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 7. Dezember 2016 geschützt, mit welchem für die Übertragung einer Liegenschaft ins Verwaltungsvermögen und die Erstellung und Ausstattung eines Kantonsschul- provisoriums Fr. 18'221'000.- gebundene Ausgabe als gebunden bewilligt wurden (BGer 1C_17/2017).

41 Es stellt sich die Frage, ob dieser Entscheid des Bundesgerichts auch für den vorliegend zu beurteilenden Fall herangezogen werden kann, falls die Gemeinde Maur in der Lage wäre, vor einer Rechtspflegeinstanz eine erhebliche Praxis nachzuweisen. Dabei hat fol- gendes zu gelten:

42 Die für den Kanton geltende Legaldefinition im CRG (LS 6111) unterscheidet sich punktu- ell von der gemeinderechtlichen Legaldefinition in § 103 GG. «Das CRG definiert in § 37 Abs. 2 eine Reihe von Ausgaben, die als gebunden gelten, gleichgültig ob dem Kanton ein erheblicher Handlungsspielraum zukommt oder nicht» (Rüssli, a.a.O., N 27 zu § 103). Ins- besondere § 37 Abs. 2 lit. c und lit. d gelten für die Gemeinden nicht derart generell: Nur beim Kanton gelten die Miete von Verwaltungsräumen und Projektierungskosten stets als gebunden. Darum geht es vorliegend aber nicht. Ansonsten lehnt sich die kantonale Definition der gebundenen Ausgaben wie die gemeinderechtliche Legaldefinition (oben, Ziff. 4.2) «grundsätzlich an die Rechtsprechung des Bundesgerichts an» (BGer

1C_17/2017, Erw. 4.3.2.).

43 Dies bedeutet, dass dieser Bundesgerichtsentscheid im vorliegenden Fall durchaus heran- gezogen werden kann, weil keine der erwähnten Ausnahmen (§ 37 Abs, 2 lit. c und lit. d CRG) zu beurteilen sind. Eine analoge Anwendung dieses Gerichtsentscheides setzt aller- dings voraus,

44 -dass eine unangefochtene Praxis vergleichbarer Fälle nachgewiesen werden kann;

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45 -dass betriebliche und organisatorische Vorteile berücksichtigt wurden, welche vernünf- tigerweise für den Standort beim bestehenden Schulhaus sprechen;

46 -dass aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit und dem verfassungsmässigen Anspruch auf Schulunterricht in geeigneten Schulräumen kein erheblicher Entscheidungsspielraum be- stand;

47 -dass überzeugend dargetan werden kann, dass sich auch in örtlicher Hinsicht kein ande- rer geeigneter Standort finden liess.

48 Im Folgenden soll geprüft werden, ob eine Gerichtsinstanz, hätte sie diesen Fall zu beurteilen gehabt, die erwähnten Voraussetzungen gemäss N 44 bis 47 als er- füllt betrachtet hätte. Wie erwähnt (oben, N 18), geht es dabei um eine hypothe- tische Beurteilung der Rechtslage, die von Instanz zu Instanz teilweise auch unter- schiedlich beurteilt wird (im Fall Bülach, oben N 40, hat der Bezirksrat Bülach den stadträtlichen Entscheid mit überzeugenden Argumenten noch vollumfänglich ge- schützt). Es ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gemeinde Maur nicht um eine Kleingemeinde handelt, sondern mit 10700 Einwohnern und Einwohne- rinnen durchaus um eine relativ grosse Gemeinde (siehe dazu oben, Ziff. 4.4).

49 Einen vergleichbaren Baukredit hat der Gemeinderat bereits am 25. November 2013 bewilligt: Es ging ebenfalls um die Erstellung eines Erweiterungsbaus (Neu- bau), zwar nicht um Schulraum, sondern um Befriedigung von Raumbedarf für die Gemeindeverwaltung. Der Kredit bewegte sich in vergleichbarer Höhe von CHF 2'485'000.00, also auch über CHF 2 Mio. Begründet wurde die Gebundenheit der Ausgaben wie folgt:

50 «Für die Raumerweiterung ergibt sich die Gebundenheit aus der Aufgabenerfüllung durch die Gemeinde und dem damit verbundenen Raumbedarf (sachliche Gebunden- heit), der ausgewiesenen, schon länger andauernden Raumknappheit (zeitliche Gebun- denheit) und organisatorischen Anforderungen (örtliche Gebundenheit).»

51 Diese Begründung erinnert stark an die Auffassung von Z. Giaccometti, welche er in seinem Gutachten «Die Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden zum Ab- schluss von langfristigen Mietverträgen für Verwaltungszwecke» (in: ZBL 59 (1958), S. 97 ff.) vertreten hat. Danach seien Ausgaben «für die Errichtung bzw.

den Erwerb der für die Zwecke der Verwaltung notwendigen Gebäulichkeiten oder Räume» «keine neuen Ausgaben, sondern gebundene Ausgaben». «Die be- treffende Ausgabe ist in gleicher Weise wie die Besoldungen eine logische Folge der den Verwaltungsapparat organisierenden und die materielle Verwaltung de- terminierenden Normen.» Das regierungsrätliche Ermessen sei «durch das Will- kürverbot der Bundesverfassung beschränkt». Die Wahl der benötigten Räume müsse auf pflichtgemässem Ermessen beruhen, «die betreffende Wahl muss sich mit anderen Worten begründen lassen.» Gemessen an dieser von Giaccometti vertretenen Auffassung wären beide Beschlüsse (Erweiterung Schulhaus Aesch und Erweiterung Gemeindehaus Maur) nicht zu beanstanden.

52 Das Bundesgericht hat die grosszügige Auslegung von Giaccometti, obwohl es sich um die Meinung eines gewichtigen Staatsrechtlers gehandelt hat, nicht ge- schützt und dafür gehalten, dass «mit dem Entscheid darüber, dass eine staatli- che Verwaltung aufzubauen sei», noch nicht gesagt sei, «auf welche Weise die für die staatlichen Beamten benötigten Räumlichkeiten beschafft werden» (BGE 95 I 538/539). Die Entscheidung, «ob der Staat selber durch Eigenbauten für die De- ckung seines Raumbedarfs sorgen oder sich mit blosser Miete begnügen soll, ist

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Einrichtung einer kantonalen Verwaltung einverstanden waren, zu diesem Ent- scheid nicht Stellung nehmen können. Er ist somit nicht schon durch den Grunder- lass gedeckt und darf dem Stimmbürger nicht entzogen werden. Die entsprechen- den Ausgaben gelten daher als neu» (BGE 112 Ia 231 f.).

53 In BGE 112 Ia 232 wird ein «wichtiger, grundsätzlich auch für die Gemeinden gülti- ger Vorbehalt gemacht, nämlich derjenige des Nachweises einer eigenen, von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweichenden und erheblichen Praxis für die Behandlung gebundener Ausgaben» (P. Saile, Das Recht der Ausgabenbe- willigung der zürcherischen Gemeinden, 1991, S. 101). Gemäss alt Bundesrichter K. Spühler (a.a.O., S. 143) muss von der bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung dort «abgewichen werden, wo sich nach Auslegung des kantonalen Rechts oder aufgrund einer feststehenden und unangefochtenen Rechtsauffassung und Pra- xis der zuständigen kantonalen oder kommunalen Organe eine andere Betrach- tungsweise aufdrängt».

54 Vorweg ist festzustellen, dass diese in der Gemeinde Maur angewandte Praxis bis- her unangefochten war. Es scheint sich durchaus auch um eine feststehende Pra- xis zu handeln, nachdem nicht nur ein Erweiterungsbau des Gemeindehauses 2013 und der Erweiterungsbau auf der Schulanlage Aesch 2020 als gebunden be- zeichnet wurden, sondern bspw. auch ein Montage-Holzbau für ein Schulraum- provisorium in der Schulanlage Leeacher 2015, obwohl in anderen Gemeinden (bspw. in der Stadt Zürich) selbst Schul-Provisorien als neue Ausgaben gelten.

55 Die Gemeinde Maur hat also in der Frage von dringend benötigten Verwaltungs- räumen für Gemeindeangestellte und der Frage von dringend benötigtem Schul- raum aufgrund schnell steigender Schülerzahlen eine bewusst eigene Praxis ver- folgt; diese Praxis ist unangefochten geblieben und bis zu einem gewissen Grad auch gefestigt. Die Praxis ist auch gut begründet und damit nicht willkürlich:

56 Beim Erweiterungsbau Aesch wurden auch alternative Lösungen geprüft:

57 Als Standort wurde auch das alte Schulhaus Aesch miteinbezogen. Gemäss Aussa- gen der Abteilung Liegenschaften (Email vom 12. November 2021) ist das Volu- men des im kommunalen Inventar stehenden Gebäudes zu klein, so dass nicht zwei Klassen mit je einem Gruppenraum hätten untergebracht werden können.

Überdies ist die Parzelle von der übrigen Schulanlage Aesch getrennt, das Grund- stück stark abfallend und für den notwendigen Aussenspielbereich nicht geeignet.

Die Schule hatte das Bestreben, alle Kindergarten- und Schulklassen auf demsel- ben Areal unterzubringen. Auch der dringend notwendige Sanierungsbedarf die- ses Gebäudes war ein weiterer Grund für den Entscheid eines Erweiterungsbaus auf der Schulanlage Aesch.

58 Ein Augenschein bestätigt diese Gründe als sachlich und nachvollziehbar. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sachlich und örtlich kein erheblicher Ent- scheidungsspielraum im Sinn von § 103 Abs. 1 GG bestand. Sachlich ist der ge- wählte Erweiterungsbau als einfacher Kubus wohl nicht wesentlich teurer als es ein Provisorium gewesen wäre. Es handelt sich um eine nachhaltige, kostengüns- tige Lösung ohne wesentliche vergleichbare Alternativen. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall vom Bülacher Schulhausbau, bei welchem offensichtlich örtliche Alternativen bestanden (Erw. 2.3. des in N 39 erwähnten Verwaltungsge- richtsentscheides).

59 In zeitlicher Hinsicht gilt, dass der Verwaltung in der Frage des Zeitpunktes der Vornahme einer Ausgabe eine gewisse Handlungsfreiheit zugestanden wird

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(Rüssli, a.a.O., N 25 zu § 103, und Saile, a.a.O., S. 68). In der Begründung von GRB 12 vom 27. Januar 2020 wird ausgeführt, dass auf August 2021 neuer Schulraum aufgrund steigender Schülerzahlen und den damit verbundenen bestehenden en- gen räumlichen Verhältnissen benötigt würden. Es besteht kein Grund, an diesen von keiner Seite bestrittenen Auffassung zu zweifeln. Es ist somit davon auszuge- hen, dass auch in zeitlicher Hinsicht kein erheblicher Entscheidungsspielraum be- stand und die Behörden nach pflichtgemässem Ermessen handelten.

60 Kritischer ist diesbezüglich der in N 49 erwähnte Baukredit zu beurteilen, weil dort bei der Begründung der zeitlichen Gebundenheit die ausgewiesene, «schon länger andau- ernde Raumknappheit» erwähnt wird. Hier wäre nicht auszuschliessen, dass eine Rechts- mittelinstanz wie im Fall Bülach (Erw. 2.3) zum Schluss gekommen wäre, dass die Behör- den gehalten gewesen wären, die notwendigen Massnahmen rechtzeitig einzuleiten.

6. GESAMTBEURTEILUNG DER PRAXIS ZU DEN GEBUNDENEN AUSGABEN BEI BAUVORHABEN

61 Eine Gesamtwürdigung der Praxis zu den gebundenen Ausgaben bei Bauvorha- ben ergibt folgendes Bild:

62 Geht es um die Befriedigung von Raumbedürfnissen für Gemeindeangestellte o- der für Schüler und Schülerinnen verfolgt die Gemeinde Maur eine Praxis, welche von derjenigen der meisten Gemeinden abweicht, da Ausgaben für Neubauten anderswo generell als neu beurteilt werden (oben N 38). Es ist allerdings nicht auszuschliessen, dass eine Rechtsmittelinstanz diese sich an die Auffassung von Giacometti (oben N 52) anlehnende Praxis im Fall des Erweiterungsbaus Aesch geschützt hätte, da für solche Erweiterungsbauten eine seit Jahren bestehende Praxis besteht sowie diese Praxis unangefochten geblieben, der Raumbedarf un- bestritten und auch die örtliche/sachliche Wahl gut begründet ist.

63 Da es hier um eine hypothetische Beurteilung des Falles des Erweiterungsbaus Schulanlage Aesch und weiterer Baukredite geht (oben N 18), kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Fälle dieser Praxis von Rechtmittelinstan- zen nicht geschützt worden wären. Diesbezüglich ist die zeitliche Komponente zu erwähnen (oben N 60). Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Praxis der Gemeinde Maur weiter geht als die (grosszügige) Praxis des Kantons, indem nicht nur Ausga- ben für Provisorien als gebunden bezeichnet werden, sondern auch Ausgaben für eigentliche Neubauten. Der Kanton betrachtet zwar Mietkosten für Verwaltungs- räume als gebundene Ausgaben (oben N 42), nicht jedoch eigentliche Neubauten.

Als durch einen Grunderlass gedeckt werden grundsätzlich nur Ausgaben für die Sanierung/Erhaltung von bereits gebauten oder erworbenen Gebäuden betrach- tet, nicht jedoch Kosten für einen Neubau, weil hier von Alternativen wie Erwerb oder Miete eines Gebäudes ausgegangen wird, die als erheblich betrachtet wer- den. Auch muss festgestellt werden, dass die einzelnen Beschlüsse, mit denen Ausgaben für eigentliche Neubauten als gebunden bewilligt wurden, in Anbe- tracht der Abweichung von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung ungenü- gend begründet wurden und damit schwer nachvollzogen werden können. Dies hat auch und vor allem für den Erweiterungsbau Aesch zu gelten, welcher zur Ge- bundenheit ausser dem Hinweis auf die Dringlichkeit keine Erwägungen zum sach-

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lichen und örtlichen Entscheidungsspielraum enthält. Beim Erweiterungsbau Ge- meindehaus Maur kann immerhin erahnt werden, dass hier die Auffassung von Giacometti adaptiert werden sollte (oben N 50 ff.).

64 Es muss auch festgestellt werden, dass in anderen Fällen, in denen es nicht um das Bereitstellen von Räumen ging, die Gebundenheit sehr differenziert bzw.

auch (unnötig) einschränkend beurteilt wurde. In GRB Nr. 8 vom 14. Januar 2019 wurde die Sanierung des Sportplatzes als gebunden bewilligt, was in Übereinstim- mung mit der herrschenden Lehre ist, der Ersatz der bestehenden Platzbeleuch- tung allerdings als neue Ausgabe bezeichnet, obwohl beim Ersatz einer Anlage der neueste Stand der Technik berücksichtigt werden darf, ohne dass bereits von einer neuen Ausgabe auszugehen ist (Saile, a.a.O., S. 96 ff.). Es kann bei einer technischen Erneuerung einer Anlage auch zu einer Erhöhung der Leistungsfähig- keit kommen, «solange diese eine zwingende Nebenfolge der üblichen techni- schen Modernisierung ist» (Saile/Burgherr/Loretan, Verfassungs- und Organisati- onsrecht der Stadt Zürich, 2009, N 622, S. 310).

7. FREIHÄNDIGE VERGABEN

7.1. Rechtsgrundlagen

65 Gemäss § 1 Beitrittsgesetz in Verbindung mit Anhang 2 zur Interkantonalen Ver- einbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (LS 720.1) sind Vergaben von Dienstleistungen mit einem Auftragswert ab CHF 150'000.- und unter CHF 250'000.- im Einladungsverfahren und Vergaben mit einem Auftragswert ab CHF 250'000.- im offenen oder selektiven Verfahren zu vergeben.

66 Freihändig können demnach Dienstleistungsaufträge bis CHF 150'000.- vergeben werden. Zudem können solche Aufträge dann freihändig vergeben werden, wenn eine der abschliessend in § 10 der Submissionsverordnung (LS 720.11; SVO) auf- gezählten Ausnahmetatbestände erfüllt sind.

7.2. Voraussetzungen

67 Gemäss konstanter Rechtsprechung sind die Ausnahmetatbestände, wonach frei- händig vergeben werden kann, auch wenn Schwellenwerte für ein Einladungs- o- der ein offenes Verfahren überschritten sind, restriktiv auszulegen (siehe BVGer B-1570/2015, Erw. 2.1. mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Litera- tur).

68 Im vorliegenden Fall massgebend ist § 10 Abs. 1 lit. d SVO, da sich die Gemeinde Maur auf Dringlichkeit beruft. Es gelten gemäss BGE 141 II 113 (E. 5.3.1 und E.

5.3.2) folgende Voraussetzungen für eine zulässige Berufung auf Dringlichkeit:

69 -ein unvorhergesehenes Ereignis tritt ein, das

70 -eine Situation von erheblicher Dringlichkeit erzeugt, welche

71 -nicht auf das Verhalten der Auftraggeberin zurückzuführen ist, und

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72 -für die Durchführung eines Einladungs- oder offenen Verfahrens nicht genug Zeit verbleibt.

73 -der Gegenstand des Freihandverfahrens ist auf das zu beschränken, was für die Wiederherstellung der normalen Situation erforderlich ist.

74 In den Submissionsrichtlinien der Politischen Gemeinde Maur vom 4. April 2011 (als interne Verwaltungsrichtlinie bezeichnet) wird im Abschnitt C, Ziff. 2.2. lit. f zusätzlich verlangt, dass es sich um dringliche Aufträge handeln muss, «die insbe- sondere eine unmittelbare Schadensbegrenzung ermöglichen».

7.3. Freihändige Vergaben der Planerleistungen rechtmässig?

75 Die Frage, ob diese freihändigen Vergaben rechtmässig erfolgten, ist kritischer zu würdigen als die Frage der Gebundenheit des Erweiterungsbaus. Auch in der Be- gründung zur freihändigen Vergabe wird einzig auf die Dringlichkeit verwiesen.

Die weiteren Voraussetzungen einer freihändigen Vergabe werden nicht erläutert (oben N 69 bis 74). Es fragt sich insbesondere, ob der Zuwachs von Schulkindern nicht schon seit längerem hätte vorausgesehen werden können, ob also die Dring- lichkeit nicht auf das Verhalten der Auftraggeberin zurückzuführen war. Auch hier geht es aber letztlich um eine hypothetische Beurteilung im Nachhinein bei einer Vergabe, die bereits formell rechtskräftig geworden ist. Es ist auch hier nicht aus- zuschliessen, dass die Gemeinde Maur in einem Rechtsmittelverfahren hätte nachweisen können, dass unvorhersehbare Faktoren die Dringlichkeit bewirkt ha- ben. Unbefriedigend ist auch hier, dass diese Frage aufgrund der Akten nicht be- antwortet werden kann, da die Begründung des GR-Beschlusses zur freihändigen Vergabe wie erwähnt ungenügend ist.

8. FESTGESTELLTE MÄNGEL UND EMPFEHLUNGEN

76 Da bei einer Ausgabe, die über der Kompetenz der Exekutive für neue Ausgaben liegt, bei einer Taxierung als gebundene Ausgabe die Mitbestimmung der Stimm- bevölkerung entzogen wird, ist eine nachvollziehbare und genügend differen- zierte Begründung zu fordern. Die Begründungen in den geprüften GR- Beschlüs- sen vermögen diesen Anforderungen meistens nicht zu genügen.

77 Daher die Empfehlung 1: In Beschlüssen zu gebundenen Ausgaben ist eine rechts- genügende Begründung dann aufzunehmen, wenn die Ausgabe die gemeinderätli- che Kompetenzlimite für neue Ausgaben übersteigt. Die Begründung hat sich auf die eigenen Gemeindepraxis und die Rechtsprechung und Lehre zu § 103 GG zu beziehen. Eine Begründung kann dann kurz gehalten sein, wenn es um reine Er- satzbeschaffungen oder klaren, werterhaltenden Unterhalt von Anlagen und Ge- bäuden im Sinn der gesetzlich in § 5 VGG verankerten Unterhaltspflicht geht, selbst wenn dabei der neueste Stand der Technik berücksichtigt wird. Geht es je- doch um Entscheide, die von Lehre und Rechtsprechung abweichen, ist eine aus- führliche Begründung unverzichtbar.

78 Die Praxis der Gemeinde Maur weicht in Bezug auf Erweiterungsneubauten stark von den herrschenden Auffassungen ab und es ist daher unklar, ob diese

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Praxis durch die Gerichte geschützt würde. Diese Unklarheit besteht hauptsäch- lich deshalb, weil es bisher noch nie zu einer Anfechtung gekommen ist. Dieser Umstand zeigt aber auch (zusammen mit der Bewilligung der jeweiligen Budget- positionen durch die Gemeindeversammlung), dass die Praxis bei der Bevölkerung zu keiner Opposition geführt hat und akzeptiert zu sein scheint. Für den Gemein- derat bleibt aber eine Rechtsunsicherheit.

79 Empfehlung 2: Der Gemeinderat sollte sich grundsätzlich überlegen, ob er ins- künftig an der Praxis, Erweiterungsneubauten bei einem ausgewiesenen Raumbe- darf generell als gebundene Ausgaben zu bewilligen, festhalten will, oder ob er der damit verbundenen Rechtsunsicherheit im Hinblick auf eine mögliche Anfech- tung eines künftigen Beschlusses mit einer Anpassung dieser Praxis (bspw. nur noch dringende Provisorien als gebunden zu bezeichnen) reagieren soll.

80 Es musste festgestellt werden, dass nicht immer die gleichen Massstäbe zur An- wendung kommen (oben N 64).

81 Empfehlung 3: Es sollte eine Stelle in der Verwaltung bezeichnet werden, welche alle bedeutenden Gebundenheitsbeschlüsse einer (einheitlichen) Beurteilung un- terzieht. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass es je nach Verwaltungsab- teilung zu unterschiedlichen Beurteilungen kommt. Es ist für den Gemeinderat als gemäss § 105 GG zuständige Instanz dann auch einfacher, die Gebundenheit (zu- sammen mit der Umsetzung der Empfehlung 1) zu beurteilen.

82 Es ist festzustellen, dass in den Beschlüssen zur Gebundenheit einer Ausgabe ab und zu der Hinweis fehlt, ob und in welchem Budgetjahr die Ausgabe ordentlich budgetiert ist. Auch gebundene Ausgaben sind zu budgetieren, so dass der Ge- meinderat in jedem diesbezüglichen Beschluss über die Budgetsituation orientiert werden sollte. Ist die gebundene Ausgabe nicht budgetiert, so muss die Ausgabe noch ins Budget eingestellt werden oder es ist zu begründen, weshalb die Aus- gabe gemäss § 105 nicht voraussehbar war und daher nicht budgetiert werden konnte. Im GRB zum Erweiterungsbau des Gemeindehauses vom 25. November 2013 fehlt bspw. jeglicher Hinweis auf das Budget, in anderen Beschlüssen wird nur lückenhaft und zum Teil fehlerhaft auf die Budgetsituation hingewiesen (bspw. GRB 8 vom 14. Januar 2019 betreffend Sanierung Sportplatz Looren, wo nur die Budgettranche 2019 erwähnt wird und diese Tranche nicht richtig wieder- gegeben ist, da im Budget 2019 effektiv nicht wie in der Weisung auf S. 2 erwähnt CHF 600'000.-, sondern nur CHF 500'000.- eingestellt waren). Im GRB vom 30. No- vember 2020 betreffend Sanierung der Kanalisation steht zwar, dass die Ausga- ben nicht im Budget enthalten waren, aber es fehlt der Hinweise, ob diese Ausga- ben vorhersehbar waren oder nicht. Dieser Hinweis ist für den Gemeinderat wichtig, damit er weiss, ob Ausgaben nicht bewusst dem Budgetierungsprozess entzogen werden.

83 Empfehlung 4: In jeden Ausgabenbeschluss ist ein Abschnitt «Budget» aufzuneh- men, in welchem die Budgetsituation erläutert wird, was mit Blick auf § 105 GG v.a. bei nicht budgetierten gebundenen Ausgaben unverzichtbar ist.

84 Aus den Gemeinderatsbeschlüssen geht jeweils nicht hervor, ob die Projektie- rungskosten im Ausführungskredit enthalten sind. Hier hat das neue Gemeinde- gesetz eine Neuerung gebracht: Mussten bisher die Projektierungskosten für das Ausführungsprojekt in den Objektkredit eingerechnet werden (§ 2 der alten Ge- meindehaushaltsverordnung), so ist dies gemäss der neuen VGG nicht mehr erfor- derlich, da die Projektierungskosten in § 15 VGG nicht mehr erwähnt werden. Die

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Gemeinde ist daher heute frei, diese Kosten wie bisher einzurechnen oder neu nicht mehr einzurechnen. Aus den Kreditbeschlüssen geht nicht klar hervor, ob die Projektierungskosten heute noch eingerechnet werden. Durch die Nichtein- rechnung erhöht sich die gemeinderätliche Finanzkompetenz um den Betrag der Projektierungskosten.

85 Empfehlung 5: Der Gemeinderat sollte generell in einem GRB oder bei der Kos- tenzusammenstellung in den jeweiligen Kreditbeschlüssen festhalten, ob die Pro- jektierungskosten in den Objektkredit bzw. in den gebundenen Kredit einzurech- nen sind bzw. eingerechnet oder abgezogen wurden.

86 Bei freihändigen Vergaben ist die Begründung als ungenügend zu bezeichnen, da die einzelnen Voraussetzungen für eine freihändige Vergabe (oben, N 69 bis 74) nicht geprüft bzw. nicht dokumentiert wurden.

87 Empfehlung 6: Geht es um Vergaben, die einen Auftragswert aufweisen, welcher ein Einladungsverfahren oder ein offenes oder selektives Verfahren erforderten, ist im Detail zu begründen, wenn ausnahmsweise das freihändige Verfahren zur Anwendung gelangen soll. Diese Ausnahmen sind restriktiv anzuwenden.

9. ZUSAMMENFASSUNG

88 Die Prüfung der Hauptfrage, ob die Ausgaben für den Erweiterungsbau auf der Schulanlage Aesch zulässigerweise als gebunden bezeichnet werden durften, hat ergeben,

89 dass es sich bei der Rechtfigur der gebundenen Ausgaben um eine ausgespro- chene Einzelfallproblematik handelt (oben, N 31 ff.);

90 dass der Gebundenheitsbeschluss nicht angefochten und somit formell rechts- kräftig geworden und bereits vollzogen ist, womit er von einer Rechtsmitte- linstanz und auch vom Gemeinderat nicht mehr überprüfbar bzw. abänderbar ist (oben, N 16 ff.);

91 dass in der Gemeinde Maur eine langjährige, unangefochtene und damit grund- sätzlich akzeptierte Praxis besteht, Ausgaben für dringliche, kleinräumige Erweite- rungsbauten auf bestehenden Anlagen auch dann als gebunden zu erklären, wenn es um Neubauten geht;

92 dass eine gewisse Akzeptanz auch aus dem Umstand abgeleitet werden kann, dass die erforderlichen Budgettranchen in den Jahren 2020 (CHF 1 Mio.) und 2021 (CHF 1,5 Mio.) ordentlich budgetiert und vom Budgetorgan ohne Missfallenskund- gebung bewilligt wurden;

93 dass sowohl der Bau selbst als auch der gewählte Standort als sachlich und orga- nisatorisch nicht nur gerechtfertigt, sondern als überzeugend betrachtet werden können und der Gemeinderat somit nach pflichtgemässem Ermessen und nicht willkürlich handelte;

94 und dass es um den verfassungsmässigen Anspruch auf Schulunterricht geht und aufgrund zunehmender Schülerzahlen nicht von einem zeitlichen erheblichen Ent- scheidungsspielraum auszugehen ist.

95 Damit ist der Gemeinderatsbeschluss zu diesen gebundenen Ausgaben nachvoll-

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ungewiss zu bleiben hat, ob ein solcher Beschluss von einer Rechtsmittelinstanz bei einer Anfechtung geschützt worden wäre. Der Beschluss ist aus unserer Sicht jedenfalls nicht willkürlich.

96 In Bezug auf die generelle Praxis zu gebundenen Ausgaben ist Verbesserungspo- tential vorhanden (oben, N 76 ff.) bzw. es sollte eine Überprüfung der zum Teil sehr weitgehenden, der herrschenden Meinung widersprechenden Praxis in Be- zug auf Neubauten ins Auge gefasst werden.

97 Zu den freihändigen Vergaben: Diese sind aus unserer Sicht kritischer zu beurtei- len. Es wurde zu wenig begründet, ob die Voraussetzungen für eine freihändige Vergabe gegeben sind, weshalb es zweifelhaft erscheint, ob diese Vergaben recht- mässig waren. Allerdings lässt sich auch diese Frage nicht mehr gerichtlich über- prüfen, da sie formell rechtskräftig geworden sind.

Dr. Peter Saile Senior Berater Federas Beratung AG

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