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Gericht. Entscheidungsdatum. Geschäftszahl. Spruch. Text BVwG W W /3E W /3E.

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Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 18.05.2016

Geschäftszahl W200 2117787-1

Spruch

W200 2117787-1/3E

W200 2117788-1/3E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , und XXXX , beide StA: Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Zahlen:

831601509-2431229 und 831601607-2431237, vom 16.09.2015 bzw. 18.09.2015 zu Recht beschlossen

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

behoben und die Angelegenheit gemäß §28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (BF1), ein Staatsangehörige Afghanistans, gehört der paschtunischen Volksgruppe an und ist muslimischen Bekenntnisses, reiste gemeinsam mit seinem Sohn, dem Zweitbeschwerdeführer (BF2) am 03. November 2013 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag für beide einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zu seinen Familienangehörigen führte derBF1 im Rahmen der Erstbefragung aus, dass seine ca. 35jährige Ehefrau mit zwei Söhnen (4 und 6 Jahre) und seiner 14jährigen Tochter in Afghanistan leben würden. Sein älterer Sohn sei mit ihm nach Österreich gereist. Als letzten Wohnsitz gab er an: XXXX , XXXX , Kabul, Afghanistan. Zum Fluchtgrund führte er aus, dass sein Sohn XXXX , der mit ihm nach Österreich gereist war, vor ca. einem Jahr auf dem Schulweg nach Hause von den Taliban auf der Straße angesprochen worden sei. Er sollte ein Paket irgendwo hinlegen. Er vermute, dass es sich um eine Bombe gehandelt haben dürfte. Sein Sohn hätte dies abgelehnt und sei nach Hause gekommen. Die Taliban hätten daraufhin mehrmals zu Hause angerufen und ihm aufgetragen, dass XXXX für sie arbeiten solle. Er und seine Familie würden dafür Geld erhalten. Er hätte dies entschieden abgelehnt und sei deshalb mehrmals telefonisch mit dem Umbringen bedroht worden. Sein Sohn hätte sich seither zu Hause versteckt gehalten, hätte ca. acht Monate die Schule nicht besucht. Sein Sohn sei der eigentliche Fluchtgrund. Aus diesem Grund hätte er sich entschlossen, mit ihm gemeinsam Afghanistan zu verlassen. Da er selbst zu wenig gehabt hätte, seien seine Frau und die anderen drei Kinder zu Hause geblieben.

(2)

Befragt, warum er hinsichtlich seiner Reise durch die EU-Staaten falsche Angaben gemacht hätte, antwortete er, dass er nach anfänglichem Zögern die Wahrheit gesagt hätte, nachdem man ihm den EURO-DAC Treffer zur Kenntnis gebracht hätte.

Im Rahmen der Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) am 10.09.2015 gab der BF1 an, bisher die Wahrheit gesagt zu haben. Er hätte auf Baustellen gearbeitet - Fliesen gelegt. Er sei Hilfsarbeiter. Nebenbei hätte er auch Felder bewirtschaftet. Diese seien noch immer in seinem Besitz. Er wisse nicht, wer sie jetzt bewirtschafte. Beweismittel könne er keine vorlegen. Er hätte nie die Schule besucht und könne nur sehr wenig lesen und schreiben.

Nach Verwandten befragt gab er an, nur einen Onkel in seinem Heimatdorf zu haben. Sonst hätte er keine Verwandten in Afghanistan. Zwei Söhne des Onkels seien ums Leben gekommen und zwei Töchter seien verheiratet. Seine Geschwister seien nicht mehr am Leben, seien beide nicht verheiratet gewesen und er hätte so auch keine Cousins und Cousinen gehabt. Die Verwandten der Ehefrau würden noch im Heimatdorf leben:

Eltern, drei Brüder und zwei Schwestern, alle Bauern. Diese würden in der Provinz Parwan leben.

Seine Ehefrau befinde sich noch in seinem Heimatdorf in Kabul und arbeite zu Hause als Schneiderin. Vor zehn Tagen hätte er mit ihr telefoniert. Ihr Vater passe zurzeit auf sie auf. Es sei extrem schwierig, aber sie hätte keine andere Wahl. Die Dorfbewohner wüssten nicht, wo er sei. Sie würden "reden", da er verschwunden sei. Aber er hätte keine Wahl gehabt. Darauf hingewiesen, dass die Dorfbewohner dann wissen müssten, dass er keine Wahl gehabt hätte, antwortete er, dass es dort Leute gebe, die für die Taliban spionieren würden und dass sie Informationen über ihn weiterleiten würden.

Zum Fluchtgrund führte er aus, dass die Taliban mit seinem Sohn XXXX (dem BF2) gesprochen, ihm ein Geldangebot gemacht hätten, damit er für sie arbeite. Er hätte Sachen für sie transportieren sollen, Bomben- und Selbstmordattentäterwesten transportieren. Sein Sohn hätte zu ihnen gesagt, dass er das erst mit seinem Vater besprechen müsse. Dann hätte er es ihm erzählt und er hätte ihm gesagt, dass er mit dieser Person reden wolle.

Die Taliban hätten ihn nicht treffen wollen, sondern seine Telefonnummer haben wollen, hätten diese bekommen und ihn gegen Abend angerufen. Sie hätten gesagt, dass sie wollten, dass sein Sohn für sie und den Islam arbeite.

Wenn er in dem Dorf weiter leben möchte, sei er verpflichtet, mit ihnen zu kooperieren. Das Gespräch sei kurz gewesen und sie hätten es abgebrochen. Am folgenden Tag hätten sie ihn zur gleichen Zeit noch einmal angerufen und hätten gefragt, wie er sich entschieden hätte. Er hätte verstanden, dass das sehr ernst gemeint sei und hätte Angst bekommen. Er hätte XXXX nicht mehr in die Schule geschickt, das Dorf verlassen, die ganze Familie mitgenommen und sie seien nach Nordafghanistan gegangen. Er hätte auch die Telefonnummer gewechselt. Nach ca. einem Monat sei er wieder zurück ins Dorf und ihm sei gesagt worden, dass Leute ihn gesucht hätten. Er hätte verstanden, dass die Sache ernst sei und hätte das Land verlassen. Seine Frau hätte ihn überzeugt, dass als Erster er mit XXXX weggehen solle, da sie beide am meisten in Gefahr seien und sie selbst als Frau nicht so bedroht sei. Dann hätte er seine schwangere Frau zurücklassen müssen und sei in den Iran gegangen. Im August 2013 hätte er Kabul verlassen.

Befragt, warum er wisse, dass es die Taliban gewesen wären, die mit dem Sohn Kontakt aufgenommen hätten, antwortete er, dass es Leute gebe, die von Loghar gekommen seien und diese seien meistens in Moscheen und würden über den Jihad und den Islam reden. Es handle sich dabei um Taliban, andere normale Menschen würden solche Sachen nicht machen.

Zur Kontaktaufnahme mit dem Sohn befragt antwortete er, dass die Taliban am Nachhauseweg zu zweit gekommen wären. Die Schule sei 10km entfernt und sein Sohn benütze manchmal das Fahrrad und wenn dieses defekt sei, gehe er zu Fuß. Auch die Taliban seien zu Fuß gekommen. Es sei Anfang 2013 passiert. Den Monat wisse er nicht mehr. Die Schule befinde sich in XXXX und sein Sohn sei in XXXX angesprochen worden.

Er wisse nicht, wie lange das Gespräch mit dem Sohn gedauert hätte und er wisse auch nicht, warum die Taliban gerade seinen Sohn angesprochen hätten. Vom Heimatdorf bis zur Schule gehe man ca. 40 Minuten zu Fuß. Sein Sohn hätte die Schule fünf Jahre lang besucht. Die Schule befinde sich in XXXX neben dem Bazar.

Im 6. Monat des Jahres 2013 hätte er letztmalig Kontakt mit den Taliban gehabt. Er sei gefragt worden, wo er sei und hätte geantwortet, dass er weg sei und ihm sei gesagt worden dass - wenn sie ihn oder den Sohn erwischen würden - das ihr Ende sei. Sie hätten ihn damals kontaktiert. Sein Leben sei in Gefahr, deswegen hätte er flüchten müssen. Nach dem Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit dem Sohn befragt, antwortete er, dass dies ungefähr im 2. Monat des Jahres 2013 gewesen sei. Zwei Tage danach hätten sie mit ihm Kontakt aufgenommen.

(3)

Er hätte dann eine Woche später sein Dorf verlassen und sei nach Nordafghanistan gegangen. Er hätte insgesamt zwei Anrufe von den Taliban erhalten, der dritte Anruf sei ganz kurz gewesen - das sei der, bei dem ihm gesagt worden sei, dass es sein Ende sei, wenn man ihn erwische.

Nach dem Datum des dritten Anrufes gefragt, antwortete er, es nicht genau zu wissen - es könnte der 7. Monat 2013 gewesen sein.

Er hätte sein Dorf für drei Monate verlassen. Auf den Vorhalt, dass er zuvor ausgesagt hätte, das Dorf nur für ein Monat verlassen zu haben, antwortete er, dass er nur alleine gefahren sei, um zu fragen, wie die Situation aussehe. Dies sei ein Monat danach gewesen. Er sei eine Stunde dort geblieben und hätte erfahren, dass man ihn gesucht hätte. Dann sei er wieder nach Nordafghanistan gegangen und hätte seine Frau informiert, dass die Situation schlecht aussehe. Dann hätte er versucht die finanziellen Möglichkeiten zu schaffen und das Land zu verlassen - er hätte nur schwer so viel Geld zusammen bekommen. Das Geld hätte er von seinen Freunden ausborgen müssen und den Goldschmuck seiner Frau verkaufen müssen. Es gebe dort Geschäfte, wo man das verkaufen könne. In Nordafghanistan sei er in der Provinz Parwan in der Stadt XXXX gewesen, weil sein Schwiegervater dort gelebt hätte. Er hätte vom Ersparten damals gelebt. Dann seien sie in den Iran und danach in die Türkei. Seine Frau sei einige Zeit bei ihrem Vater geblieben und befinde sich jetzt wieder in seinem Dorf.

Die Kinder würden nicht hinausgehen.

Auf den Vorhalt, dass er den Vorfall mit den Taliban im 2. Monat 2013 datiert hätte, eine Woche später das Heimatdorf verlassen hätte und nach Nordafghanistan gegangen sei, wo er insgesamt drei Monate geblieben wäre und danach Afghanistan verlassen hätte und er - wenn die Angaben stimmen würden - Afghanistan spätestens im Juni 2013 und nicht erst im August 2013 verlassen hätte, schwieg der BF1.

Befragt, warum er nicht erst zu den Sicherheitsbehörden gegangen sei, wenn er bedroht worden sei, antwortete er, dass alle korrupt seien. Befragt, warum er nicht in Nordafghanistan beim Schwiegervater geblieben sei, stellte er die Gegenfrage, wie lange er sich dort verstecken sollte.

Befragt, woher die Taliban wüssten, wer er sei, wo er wohne und wie er aussehe um ihn mit dem Tode bedrohen zu können, antwortete er, dass diese mit XXXX gesprochen hätten - die Wohnung zu finden, sei kein Problem.

Befragt, warum gerade er so wichtig für die Taliban sei, gab er an zu glauben, dass XXXX ein leichtes Opfer sei.

Zu seinem Aufenthalt in Bulgarien gab er an, dass sie schlecht behandelt worden seien - nicht einmal Kriegsverbrecher würden so schlecht behandelt werden. Im Fall einer Rückkehr nach Kabul seien die Taliban noch stärker geworden und würden ihn töten und sein Sohn müsse für diese kämpfen.

Der am Tag der Einvernahme fünfzehnjährige, somit minderjährige Sohn des BF1, der BF2 führte am 27.08.2015 ohne Anwesenheit seines gesetzlichen Vertreters, gewillkürten Vertreters oder eines Rechtsberaters aus, fünf Jahre die Grundschule in XXXX besucht zu haben - manchmal mit dem Fahrrad, manchmal sei er die 40 Minuten zu Fuß gegangen. Er sei Paschtune, Muslime und Sunnit. Zuletzt hätte er in Parwan für drei Monate bei seinen Großeltern gelebt. Diese würden immer noch dort leben.

Befragt, warum er in Österreich einen Asylantrag gestellt hätte, antwortete er: "Mein Vater weiß es!"

Auf die Wiederholung der Frage führte er aus "ich war klein". Auf nochmalige Wiederholung der Frage gab er an, dass er eines Tages nach Hause hätte gehen wollen, dann seien zwei Taliban zu ihm gekommen. Er hätte für sie arbeiten sollen, er hätte es seinem Vater erzählt und die Taliban hätten die Nummer von seinem Vater verlangt. Diese hätten den Vater kontaktiert, der Vater sei nicht einverstanden gewesen, dass er für die Taliban arbeite. Sie seien nach Nordafghanistan geflüchtet und seien drei Monate dort gewesen. Dies sei der Grund für das Verlassen Afghanistans.

Befragt, was der Sohn des BF1 unter den "Taliban" verstehe, antwortete er, dass diese gegen die Regierung kämpfen würden und auch wollten, dass die Jungen auch mitkämpfen. Die Taliban würden Turban und Bart tragen, seien bewaffnet. Er hätte gewusst, dass es Taliban seien, weil beide, die mit ihm gesprochen hätten, Waffen mit sich geführt hätten. Wann genau das gewesen sei, wisse er nicht, vor ca. drei Jahren. Es sei am Heimweg von der Schule passiert. Dort sei eine Wiese gewesen, auf der man Fußballspielen könne. Es sei eine Straße gewesen, nicht asphaltiert. Häuser gebe es dort keine. Er hätte nach Hause gehen wollen, die beiden seien gekommen und hätten ihn gegrüßt und hätten ihm ein Geldangebot unterbreitet. Er hätte eine Bombe transportieren sollen. Befragt, von welchen Bomben er spreche, gab der BF2 keine Antwort. Wo die Männer herkamen, wisse er nicht. Diese hätten ihn auch früher schon ein paarmal beobachtet. Befragt, warum er das wisse, antwortete er, "man weiß das". Einer hätte einen Vollbart und der Zweite einen Oberlippenbart getragen.

(4)

gesprochen. Sie hätten dann die Telefonnummer seines Vaters erhalten und seien gegangen. Am Tag danach hätten die Taliban beim Vater angerufen und dieser hätte gesagt, dass sie das Dorf verlassen müssten. Am selben Tag hätte er dem Vater vom Vorfall erzählt. Er hätte die Taliban um 12.00 Uhr getroffen und er hätte es dem Vater am Abend erzählt. Dieser hätte es nicht ernst genommen und hätte es erst geglaubt, als sie angerufen hätten. Zweimal hätten sie den Vater angerufen und er wisse nicht, wann das zweite Mal war. Das Dorf hätten sie einen Tag nach dem ersten Anruf verlassen. Dann seien sie drei Monate weggegangen. Befragt, wann die Begegnung mit den Taliban stattgefunden hätte, antwortete er, sich nicht mehr zu erinnern. Er sei damals sehr jung gewesen und sei ca. elf Jahre alt gewesen. Befragt, wann Ferien gewesen seien, antwortete er, die Monate nicht zu wissen. Befragt, wie lange die Ferien gewesen seien, gab er an, dass dies drei Monate im Sommer sei.

Die Taliban hätten ihn ca. drei oder vier Monate nach den Ferien angesprochen. Im Anschluss nannte der BF2 noch ein paar Monate und wurde dann belehrt, dass er in dieser Einvernahme die Wahrheit zu sagen hätte. Er führte weiters aus, dass es kurz vor den Ferien gewesen sei. Das würde jetzt stimmen. Es sei ein bis zwei Monate vor den Sommerferien gewesen. In den drei Monaten in Parwan seien sie versteckt gewesen. Er wisse nicht mehr genau, wo. Sie hätten die ganze Zeit nichts mehr gemacht und seien zu Hause gewesen. Nach diesen drei Monaten seien sie in den Iran gegangen.

Mit Bescheiden vom 16.09.2015 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des BF1 und BF2 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und beiden ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen beide eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

Beweiswürdigend wurde auf die in sich widersprüchlichen Aussagen und auch die gegenseitig widersprüchlichen Aussagen hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Zur Anwendung der Vorgängerbestimmung, § 66 Abs. 2 AVG, durch den Unabhängigen Bundesasylsenat und den Asylgerichtshof hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.11.2002, 2002/20/0315, ausgeführt:

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden" (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 23.07.1998, 98/20/0175, Slg. Nr.

14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f.).

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ‚obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gem. § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht..."

Im vorliegenden Fall war es die Aufgabe der belangten Behörde zu klären, ob die Beschwerdeführer zum einen eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte, und zum anderen, ob darüber hinaus menschen- bzw.

asylrechtliche Gründe einer Rücküberstellung bzw. Ausweisung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würden und ihnen der Status als subsidiär Schutzberechtigter zu gewähren wäre.

(5)

Zur aktuellen Judikatur zu § 28 Abs. 3 VwGVG ist festzuhalten, dass mit Erkenntnis des VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Sachentscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes ausgeführt wurde, dass die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme zur grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Das in § 28 VwGVG verankerte System verlange im Sinne der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Im angeführten Erkenntnis des VwGH wird diesbezüglich ausgeführt:

"Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden [...]".

§ 19 Abs. 5 zweiter Satz besagt: Minderjährige Asylwerber dürfen nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden.

Aus Sicht des BVwG verstößt das Prozedere der belangten Behörde den BF2 in Abwesenheit seines gesetzlichen Vertreters (BF1) und auch seines gewillkürten Vertreters einvernommen zu haben, gegen den konkreten Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 5 AsylG.

Mit der ausdrücklichen Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters bei der Einvernahme minderjähriger Asylwerber wurde eine Rechtsschutzeinrichtung geschaffen, die ein mögliches Fehlerkalkül im Hinblick auf ein umfassendes und sachgerechtes Ermittlungsverfahren zwar nicht beseitigen, aber jedoch minimieren kann. Die Bestimmung der Beiziehung eines gesetzlichen Vertreters entspricht auch einer Entschließung des Rates der europäischen Union vom 20.06.1995 über Mindestgarantien für Asylverfahren in Ziffer 25 und 26 (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl-und Fremdenrecht, Kommentar, AsylG 2005, § 19 E1).

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint.

Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit dem oben dargestellten schweren Mangel behaftet.

Das BFA hat zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts durch die Einvernahme des minderjährigen BF2 entgegen der Bestimmung des § 19 Abs. 5 AsylG 2005 völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt, zumal in der Beweiswürdigung der angefochtenen Bescheide die laut BFA sowohl in sich widersprüchlichen Aussagen als auch die den Aussagen des Vaters (BF1) widersprechenden Aussagen des BF2 als Grund für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens gewertet werden.

Die Vornahme der erstmaligen Einvernahme des BF2 in Anwesenheit seines gesetzlichen Vertreters durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten, zumal diese grundsätzlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) durchzuführen sind.

Im fortgesetzten Verfahren wird das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den dargestellten Mangel insofern zu verbessern haben als eine Einvernahme des BF2 in Anwesenheit seines gesetzlichen Vertreters bzw. seines gewillkürten Vertreters zu erfolgen hat.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder

(6)

noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2016:W200.2117787.1.00

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