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Gericht. Entscheidungsdatum. Geschäftszahl. Spruch. Text BVwG W W /3E IM NAMEN DER REPUBLIK!

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Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 17.03.2014

Geschäftszahl W103 1438760-1

Spruch

W103 1438760-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter XXXX als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 hinsichtlich Spruchpunkt I als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird gemäß § 8 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013 hinsichtlich Spruchpunkt II als unbegründet abgewiesen.

III. Gemäß § 75 Abs. 20 1. Satz, 2. Fall und 2. Satz Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, wird das Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, brachte am 26.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, nachdem er am selben Tag gemeinsam mit seiner Ehegattin XXXX(Beschwerdeführerin zu W103 438761-1/2013) und seinem minderjährigen Sohn XXXX (Beschwerdeführer zu W103 438762-1/2013) illegal in das Bundesgebiet eingereist war.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.05.2013 gab der Beschwerdeführer im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die russische Sprache an, am 23.05.2012 in die Ukraine ausgereist zu seien und von dort aus schlepperunterstützt nach Österreich gelangt zu seien. Seinen russischen Auslandsreisepass habe er unterwegs weggeworfen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, sein Cousin XXXX sei Freiheitskämpfer gewesen und sei dieser vor etwa fünf Jahren nach Österreich geflüchtet, da sein Leben im Herkunftsstaat in Gefahr gewesen sei. Am 02.11.2012 seien nachts russische und tschetschenische Militärs zu dem

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Beschwerdeführer nach Hause gekommen. Er sei von diesen mitgenommen und für etwa eine Woche in einem Gefängnis eingesperrt worden, während dieser Zeit sei er geschlagen und gefoltert worden. Die Männer hätten Informationen über den genannten Cousin verlangt, insbesondere die Preisgabe seines Aufenthaltsortes, und sei dem Beschwerdeführer gedroht worden, er würde bei seiner nächsten Festnahme umgebracht werden.

Schließlich sei er von Verwandten aus der Gefangenschaft freigekauft worden und habe er anschließend fünf Tage in einem Krankenhaus verbracht. Der Beschwerdeführer kündigte an, ein Handyfoto, auf welchem seine Verletzungen sichtbar seien, sowie einen diesbezüglichen Krankenhausbericht bei der nächsten Befragung vorzulegen. In der Zeit nach Entlassung aus dem Krankenhaus habe er sich bei verschiedenen Verwandten versteckt gehalten und habe er schließlich beschlossen, mit seiner Familie nach Österreich zu flüchten.

Im Einvernahmeprotokoll wurde angemerkt, dass es dem Beschwerdeführer lieber wäre, bei seiner nächsten Einvernahme einen Dolmetscher für die tschetschenische Sprache zur Seite gestellt zu bekommen, da der Beschwerdeführer zwar Russisch spreche, sich jedoch auf Tschetschenisch besser ausdrücken könne.

Der Beschwerdeführer legte seinen russischen Führerschein, Nr. XXXX, vor.

Anlässlich der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.08.2013 gab der Beschwerdeführer im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin für die tschetschenische Sprache, nach Belehrung zur Bedeutung seiner Angaben und Aufklärung über seine Mitwirkungs- und Meldepflicht sowie nach Aufforderung zur Erstattung wahrer Angaben, zusammengefasst an, seine bisherigen Angaben entsprächen der Wahrheit, doch wisse er nicht, ob diese Angaben auch richtig protokolliert bzw. rückübersetzt worden seien, da er sich auf Russisch nicht so gut ausdrücken könne.

Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, den Krankenhausbericht über seine Misshandlungen sowie das in der Erstbefragung erwähnte Foto in den nächsten Tagen unverzüglich vorzulegen.

Der Beschwerdeführer sei gesund und habe er einen Cousin in Österreich. Sonstige Kontakte oder Anknüpfungspunkte habe er in Österreich keine. Sein Cousin sei wie ein Bruder für ihn, er hätte mit diesem am gleichen Hof gewohnt, bevor der Cousin im Jahr 2007 nach Österreich geflüchtet sei, wo er nunmehr als anerkannter Flüchtling lebe, seitdem sei er mit dem Genannten telefonisch in Kontakt gestanden, ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesem bestehe jedoch nicht.

Befragt, warum er seinen Reisepass auf der Reise weggeworfen habe, gab der Beschwerdeführer an, dass "alle"

auf der Fahrt nach Europa ihre Reisepässe wegwerfen würden, er nehme an, damit diese nicht wieder zurückgeschickt werden können. Sein Inlandspass befände sich im Herkunftsstaat und werde der Beschwerdeführer veranlassen, dass dieser ihm von der Familie zugeschickt werde.

Weiters zu seinem Auslandsreisepass befragt, gab der Beschwerdeführer an, er glaube, dieser sei im September 2012 ausgestellt worden, er habe ihn für die Reise nach Österreich ausstellen lassen. Auf Vorhalt seiner Angabe in der Erstbefragung, wonach er den Entschluss zur Ausreise erst Ende 2012 gefasst habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits angegeben hätte, dass er dies auf Russisch nicht so gut erzählen könne und habe er das damals nicht so gesagt.

Nachgefragt, was der konkrete Grund für die Ausstellung des Reisepasses gewesen sei, gab der Beschwerdeführer nunmehr an, er sei hierher gekommen, da er wegen seines Cousins gequält worden war, es sei ihm gesagt worden, dass er den Pass für die Ausreise nach Österreich benötige. Nochmals nachgefragt, was nun der ursprünglich ausschlaggebende Grund gewesen sei, den Pass zu beantragen, gab der Beschwerdeführer an, er habe den Pass ausstellen lassen, um mit Freunden Urlaub zu machen. Den Pass habe er schon besessen, bevor er den Entschluss zur Ausreise gefasst habe. Auf Vorhalt seiner widersprüchlichen Angaben, antwortete der Beschwerdeführer, er habe den Reisepass bereits ein Jahr vor seiner Ausreise innegehabt um zu reisen.

Nach seinen Wohnadressen der letzten zehn Jahre befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei in XXXX geboren und aufgewachsen und habe er seit 2000 bei seinen Eltern in XXXX gewohnt. Vor seiner Ausreise habe er sich für ein Jahr auf der Flucht befunden. Zuletzt habe er sich eine Woche vor seiner Ausreise in XXXX aufgehalten. Nachgefragt, seit wann er konkret nicht mehr in XXXX gelebt habe und sich auf der Flucht befunden habe, gab der Beschwerdeführer an, bis Mai 2012 in XXXX wohnhaft gewesen zu seien. Am 2.10. sei er nach XXXX gefahren, dort habe er sich zwei bis drei Monate aufgehalten, im November sei er festgenommen und für zwei Wochen gefangen gehalten worden, nach dem Vorfall habe er sich versteckt gehalten, sei viel unterwegs gewesen, bis schließlich Verwandte genügend Geld zusammengelegt hätten um ihm seine Ausreise nach Österreich zu ermöglichen.

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Im Herkunftsstaat habe er mit seinem Bruder, seiner Schwester, seinen Eltern, seinem Onkel väterlicherseits, dessen Frau und Sohn und einem weiteren Onkel, dessen Frau und Tochter am selben Hof gelebt. Der Beschwerdeführer sei vier Jahre lang (2009-2012) berufstätig gewesen. Er habe Handys repariert, davor sei er als Steinmetz und Fließenleger beschäftigt gewesen. Im Jahr 2012 habe er nur zwei bis drei Monate zu Jahresbeginn gearbeitet, an konkrete Daten könne er sich jedoch nicht erinnern. Nachgefragt gab er an, er habe mit seiner Arbeit aufgehört, da die Miete zu hoch gewesen sei und er sein Geschäft in XXXX habe aufgeben müssen.

Danach sei er bis Mai 2012 zu Hause gewesen. Er habe keine Zukunftspläne gehabt, da dies bis zu einem Regierungswechsel ohnehin sinnlos sei und habe er zuletzt mithilfe der Rente seiner Mutter, der Waisenpension seiner Frau sowie der Invaliditätspension seines Sohnes seinen Lebensunterhalt bestritten.

Befragt, ob seine Verwandten Probleme im Heimatstaat hätten, gab der Beschwerdeführer an, alle hätten Probleme, doch momentan, seit seiner Ausreise, sei nichts. Auf die Bitte, dies zu konkretisieren, führte der Beschwerdeführer aus, die Verwandten seien wegen ihm gequält worden, indem "sie" ins Haus gestürmt seien und etwa nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers gefragt hätten. Davor hätten seine Verwandten keine Probleme gehabt, vor der Ausreise seines Cousins sei es jedoch früher schon zu Problemen gekommen. Nach der Ausreise seines Cousins sei für drei bis vier Jahre alles in Ordnung gewesen, dann sei der Beschwerdeführer gequält worden, es sei ihm gesagt worden "er sei derselbe wie sein Cousin". Diese Probleme habe nur er selbst, nicht jedoch seine Verwandten gehabt.

Derzeit habe er nur selten telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und werde bei solchen Gelegenheiten lediglich gefragt, wie es ihm gehe. Auf Nachfrage, woher er dann wisse, dass die Verwandten nach seiner Ausreise Probleme gehabt hätten, gab der Beschwerdeführer an, er habe gesagt, vor seiner Ausreise hätte es Probleme am Hof gegeben, da sie alle verwandt seien. Nach seiner Ausreise sei laut Auskunft seiner Mutter nunmehr alles in Ordnung. Befragt, ob es Anzeichen gäbe, dass derzeit nach ihm gesucht werde, gibt der Beschwerdeführer an, dass zwar noch niemand auf den Hof gekommen sei, doch wisse er nicht, was passieren würde, wenn er nach Hause zurückkehrt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei im Jahr 2012, nachdem er sich einen Schnurrbart rasiert und die Hosenbeine hochgeschlagen getragen habe, darauf angesprochen worden, warum er sich so benehme und sei ihm gesagt worden, er sei "derselbe wie sein Cousin" und sei er zudem gefragt worden, wo dieser sich befände. Er sei zwei Wochen festgehalten worden bis er von seinen Verwandten gefunden und freigekauft worden sei.

Nachdem der Beschwerdeführer darüber informiert wurde, dass diese Angeben zu vage seien und er eine lebensnahe Schilderung der Vorfälle vornehmen solle, gab dieser an, im November 2012 seien um drei oder vier Uhr morgens Männer ins Haus gekommen, welche Tschetschenisch und Russisch gesprochen hätten und hätten diese ihm etwas über den Kopf gezogen und ihn mitgenommen. Sie seien vier oder fünf Stunden gefahren und habe er während der Fahrt nicht aufrecht sitzen dürfen und sei er immer wieder geschlagen worden. Er sei schließlich in einen sehr kleinen Raum geworfen und immer wieder geschlagen worden. Man habe ihn nach seinem Cousin gefragt, stündlich seien Leute in den Raum gekommen, welche immer wieder dieselben Fragen gestellt und ihn geschlagen hätten. Auch sei er mit Stromstößen gefoltert und auf den Kopf geschlagen worden.

Schließlich hätten die Männer gemeint, dass der Beschwerdeführer wohl nichts wisse und man ihn für Geld verkaufen solle. Nächstes Mal, so die Entführer, würde man den Beschwerdeführer jedoch umbringen und irgendwo liegen lassen. Schließlich hätten seine Verwandten von seinem Aufenthaltsort erfahren und hätten diese ihn freigekauft, danach habe er sich ständig versteckt gehalten. Von diesem Vorfall habe er sichtbare Narben am Kopf (an der Stirn) davongetragen, auch seien seine Nieren geschädigt worden, er habe nach dem Vorfall nicht sitzen, sich bücken oder richtig stehen können. Auch habe er seither Probleme mit dem Herzen.

Keine Stelle seines Körpers sei nach dem Vorfall heil gewesen, er habe überall (Arme, Rücken, Beine) Blutergüsse gehabt. Auf dem eingangs genannten Handyfoto seien viele der Wunden schon verheilt gewesen.

Zu seiner Freilassung befragt, gab der Beschwerdeführer an, von den Entführern ins Zentrum von XXXX gebracht worden und dort liegen gelassen worden zu seien. Bis Mai 2013 habe er sich erholt, und sei in diesem Monat mit dem Geld, welches Verwandte in der Zwischenzeit zusammengelegt hätten, ausgereist. Nochmals auf das Erfordernis und die Elemente einer lebensnahen Schilderung aufmerksam gemacht, gab der Beschwerdeführer an, er hätte etwas über dem Kopf gehabt, die Entführer hätten nicht gezeigt, wer sie seien. Er könne sich an vieles nicht erinnern, da er über einen längeren Zeitraum bewusstlos gewesen sei. Dies sei zwei bis drei Tage nach seiner Festnahme geschehen, als er im Zuge einer Befragung durch die Entführer mit einem Gewehrkolben gegen den Kopf geschlagen worden sei. An die Ereignisse nach diesem Vorfall könne er sich nur mehr zum Teil erinnern. Er könne sich daher, aufgrund einer schweren Gehirnerschütterung, auch nicht an die Freilassung erinnern, er wisse nur, was ihm von den Verwandten erzählt worden sei. Ihm sei gesagt worden, dass er zwei Wochen gefangen gehalten worden sei, er selbst könne sich nur erinnern, dass er in den Raum gebracht worden sei.

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Nachgefragt, warum er dann zuvor mehrere Tage schildern habe können, gab der Beschwerdeführer an, er hätte alles erzählt, woran er sich erinnern könne.

Er sei nach seiner Freilassung zunächst von Verwandten nach Hause gebracht worden und wisse er, dass er danach fünf Tage lang im Krankenhaus war, er sei am 04.11.2012 dort aufgenommen worden. Bei seiner Entlassung habe er ein bisschen gehen können und habe er sich dann an verschiedenen Orten versteckt gehalten, er sei in dieser Zeit mit dem Sohn der Schwester seines Vaters unterwegs gewesen. Auch sei er in dieser Zeit ab und zu nach Hause zu seiner Familie gekommen, könne sich jedoch nicht erinnern, wann er nach der Entlassung aus dem Krankenhaus erstmals seine Gattin wiedergesehen habe, sie sei jedoch zur gleichen Zeit wie er selbst auch im Krankenhaus gewesen.

Nachdem dem Beschwerdeführer vorgehalten wurde, dass er ursprünglich angegeben habe, seine Mitnahme sei im November 2012 (genau gemeint wohl am 02.11.2012) erfolgt, nun aber dazu im Widerspruch stehend ausführte, dass er bereits am 04.11.2012 ins Krankenhaus aufgenommen worden sei (obwohl er 14 Tage festgehalten worden sein will), meinte dieser, dass er wohl die Daten verwechselt habe, er habe wahrscheinlich den Monat verwechselt.

Vor dem geschilderten Vorfall habe es keine ähnlichen Vorkommnisse oder Erkundigungen nach seinem Cousin gegeben, dies habe alles nach der Ausreise seines Cousins ein Ende gehabt. Nachgefragt, gab der Beschwerdeführer an, innerhalb der fünf Jahre, welche zwischen der Ausreise des Cousins und seiner Festnahme gelegen hätten, seien nie Leute an den Hof gekommen, welche nach seinem Cousin gefragt hätten und habe es auch keine sonstigen Probleme mit den Behörden gegeben. Dies erkläre sich der Beschwerdeführer dadurch, dass er erst im Jahr 2012 für "die Leute" interessant geworden sei, da er sich einen Schnurrbart rasiert und die Hosenbeine aufgeschlagen getragen habe und man da schnell verdächtigt werde, ein Rebell zu seien oder mit diesen zu sympathisieren.

Dem Beschwerdeführer wurden die dazu im Widerspruch stehenden Angaben seiner Gattin, wonach mehrmals Leute in das Elternhaus gekommen seien und nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten, vorgehalten und gab er dazu an, er wisse nicht, woher seine Ehefrau "das weiß", denn sie sei ja nie zu Hause gewesen. Nachgefragt, ob es also richtig sei, dass es keine solchen Vorfälle gegeben hätte, bei welchen Leute in das Elternhaus gekommen seien und nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten, gab letzterer an, das dies natürlich vorgekommen sei, so etwas brauche man nicht extra zu erzählen und seien diese Leute nicht von der Behörde gewesen. Mit den Behörden habe der Beschwerdeführer keine Probleme gehabt und wolle er davon nicht näher erzählen.

Abschließend wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zur Russischen Föderation übergeben und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen zu diesen Stellung zu nehmen.

2. Mit Bescheid vom XXXX, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 26.05.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idgF, sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz ab und verfügte zugleich gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation. Für die Ehefrau und den Sohn des Beschwerdeführers ergingen Bescheide gleichen Inhaltes.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"- betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person und über Ihr Privat- und Familienleben:

Die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben ergaben sich aus Ihren diesbezüglichen Angaben.

Sie wohnen in Österreich mit Ihrem Cousin in keinem gemeinsamen Haushalt. Ihr Cousin befindet sich seit 2008 in Österreich und wurde der Kontakt durch unregelmäßige Telefonat aufrechterhalten. Es war zu Ihrem Cousin weder eine besondere Beziehungsintensität, die über ein normales Verwandtschaftsverhältnis hinausgehen würde, noch ein Abhängigkeitsverhältnis festzustellen und haben Sie auch im Verfahren nichts dergleichen vorgebracht.

Sie begründeten Ihren Aufenthalt in Österreich mit einer illegalen Einreise, das Familienleben mit Ihrem Cousin hat vor Jahren geendet und der familiäre Kontakt wurde erst kürzlich mit Ihrer Einreise in Österreich durch gemeinsame Besuche erneut begründet.

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Könnten Sie sich nun auf Ihre Beziehungsintensität zu Ihrem Cousin erfolgreich berufen, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

- betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:

Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes beziehungsweise Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Ihrem Vorbringen konnte nicht glaubhaft entnommen werden, dass Sie tatsächlich aus den von Ihnen genannten Gründen die Heimat verlassen hätten. Ihre Angaben zur Verfolgungssituation bzw. zu Ihrer Anhaltung und Misshandlungen waren zu vage gehalten und waren aufgrund der gravierenden Widersprüche zwischen Ihnen und Ihrer Gattin eine konkrete, gegen Sie gerichtete Verfolgung oder Gefährdung Ihrer Person nicht glaubhaft nachvollziehbar.

Sie wurden mehrmals aufgefordert, Ihre Anhaltung, die Misshandlung, aber auch Ihre "Zelle" und den Ablauf Ihrer Entlassung lebensnah zu schildern. Sie waren jedoch nicht imstande, die Vorfälle, die Örtlichkeit oder die Abläufe so zu schildern, dass von einer selbst erlebten Situation auszugehen war.

Im Verfahren nach dem Asylgesetz ist es unabdingbare Voraussetzung für die Bewertung des Vorbringens eines Asylwerbers zu den Fluchtgründen als glaubhaft, dass der Antragsteller nicht bloß eine "leere"

Rahmengeschichte im Zuge der Einvernahme vorbringt, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, glaubhaften Emotionen etc. zu substantiieren bzw. "mit Leben zu erfüllen".

Da in einem Asylverfahren unzweifelhaft die niederschriftliche Aussage eines Antragstellers vor den Asylbehörden die zentrale Erkenntnisquelle für die Entscheidung darstellt, reicht es keinesfalls aus, dass der Asylwerber lediglich nicht zu widerlegende Behauptungen aufstellt, welche - oftmals aufgrund zu geringer

"Öffentlichkeitswirksamkeit" oder "Drittwirkung" - einer Verifizierung nicht zugänglich sind.

Vielmehr sind die Aussagen des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen daran zu messen, wie eine durchschnittliche "Maßfigur" über tatsächlich persönlich erlebte Sachverhalte berichten würde.

Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weit schweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung an auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten.

Weiters ist die Darlegung von persönlich erlebten Umständen dadurch gekennzeichnet, dass man beim Vorbringen der eigenen "Lebensgeschichte" vor allem sich selbst in die präsentierte Rahmengeschichte dergestalt einbaut, dass man die eigenen Emotionen bzw. die eigene Erlebniswahrnehmung zu erklären versucht, sich allenfalls selbst beim Erzählen emotionalisiert zeigt, bzw. jedenfalls Handlungsabläufe bzw. die Kommunikation und Interaktion zwischen den handelnden Personen der Geschichte darlegt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um wichtige Ereignisse im Leben eines Menschen handelt, die oftmals das eigene Schicksal oder einen Lebensweg dergestalt verändern, dass man sich letztendlich dazu veranlasst sieht, sein Heimatland oder das Land des letzten Aufenthaltes deshalb "fluchtartig" zu verlassen.

Auch wenn Sie durch die angeblichen Misshandlungen eine Gehirnerschütterung hatten und deswegen unter Gedächtnislücken leiden, so wäre es Ihnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich gewesen, Ihre Empfindungen bei der Festnahme oder bei Ansichtig werden der relativ kleinen Zelle, wo Sie sich immerhin zwei Wochen aufgehalten haben, zu schildern bzw. wie es Ihnen in einer solchen Zelle nach den erfolgten Misshandlungen ging - wenn Sie wahrscheinlich - im Hinblick auf die Größe der Zelle - auf dem Boden lagen, Sie Schmerzen hatten und wahrscheinlich froren. Alle diese Einzelheiten, die eine selbst erlebte Situation ausmachen, fehlten bei Ihren Ausführungen und waren ein unumstößlicher Beweis dafür, dass Sie eine solche Anhaltung bzw. Misshandlungen nicht erlebt haben.

(6)

Nicht nur, dass Sie die Situation nicht lebensnah schildern konnten, waren Sie auch nicht imstande, Ihr Vorbringen widerspruchsfrei zu schildern. Gaben Sie immer im Laufe der Einvernahme an, dass Sie im November 2012 mitgenommen worden wären, gaben Sie zuletzt an, dass Sie am 04.11.2012 im Krankenhaus eingeliefert worden sind. Da man Sie jedoch zwei Wochen davor festgenommen hatte, können Ihre zuvor getätigten Angaben über die Vorfallzeit keinesfalls stimmen. Ihre lapidare Ausrede, Sie hätten sich im Monat vertan, war dies in der Gesamtbetrachtung Ihres Vorbringens lediglich ein weiteres Indiz dafür, dass Sie ein Konstrukt ins Treffen führten. Sie gaben an, dass Sie zuvor keinen Vorfällen mit Behörden ausgesetzt gewesen wären, konnten den Tag der Krankenhauseinlieferung genau angeben, weshalb nun ein Irrtum im Monat - wäre dies eine selbst erlebte Situation gewesen - nicht glaubhaft ist, zumal Sie sich bereits bei der Frage nach Ihren Aufenthaltsorten grundlegend widersprochen haben. Gaben Sie an, dass Sie seit 02.10 für zwei bis drei Monate in XXXX gewesen wären, führten Sie im gleichen Satz an, dass Sie im November festgenommen worden wären.

All diese Widersprüche führten dazu, dass sich der Eindruck eines vorgebrachten Konstrukts verhärtete.

Auch wenn Sie angaben, dass wegen vorherrschender Sprachschwierigkeiten in der ersten Einvernahme, es zu falschen oder missverständlichen Ausführungen gekommen wäre, so muss doch festgehalten werden, dass Sie konkret angeführt hatten, dass Sie am 02.11.2012 mitgenommen worden sind. Auch wenn Sie diese Angaben in einem vielleicht niedrigem Sprachniveau angegeben haben, war jedoch nicht davon auszugehen, dass der Dolmetscher die Mitnahme mit 02.11.2012 falsch verstanden hätte oder Sie sich sprachlich so falsch ausgedrückt hätten, dass Sie statt Krankenhausaufenthalt die Wörter Militär und Mitnahme verwendet hätten.

So war zwischen der ersten und der zweiten Einvernahme ein grundsätzlicher Widerspruch festzustellen, der keinesfalls mit Erinnerungslücken und Sprachschwierigkeiten erklärbar ist. Das Datum 02.11.2012 mit der angeblichen Mitnahme und der 04.11.2011 mit der Krankenhauseinlieferung stand in einem zu gravierenden Widerspruch, sodass keinesfalls von einer wahren Begebenheit auszugehen war.

Nicht nur, dass Ihre Angaben weder konkret, lebensnah oder widerspruchsfrei waren, waren die Angaben Ihrer Gattin zu Ihren Angaben so gravierend widersprüchlich, sodass in der Gesamtbetrachtung Ihres Vorbringens keinesfalls von einer wahren Geschichte auszugehen ist.

So gab Ihre Gattin an, dass seit 2009 immer wieder Männer ins Elternhaus kamen, die nach Ihnen bzw. nach dem Aufenthaltsort des Cousins gefragt hätten. Schilderte Ihre Gattin sogar, wie zwei Mal maskierte Männer mit schwarzen Uniformen mitten in der Nacht das Haus gestürmt hätten. Sie gaben jedoch an, dass solche Vorfälle nicht stattgefunden hätten und meinten nur lapidar, dass dies Probleme gewesen wären, die jeder zu Hause hätte.

In Gesamtbetrachtung Ihres Vorbringens, der vagen und widersprüchlichen Angaben, war Ihr Vorbringen, einer Verfolgung und Misshandlung ausgesetzt gewesen zu sein, als nicht glaubhaft festzustellen.

Sie wurden aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen das Foto Ihrer Verletzung, das Sie der erkennenden Behörde lediglich auf Ihrem Handy zeigen konnten, und den Krankenhausbericht vorzulegen. Sie haben jedoch in dem angegeben Zeitraum, trotz Zuwartens von 8 Wochen, weder das Foto, noch den Krankenhausbericht oder die Inlandspässe Ihrer Familie in Vorlage gebracht.

Aufgrund Ihres unkooperativen Verhaltens gewann die erkennende Behörde vermehrt den Eindruck, dass Sie eine erfundene Geschichte ins Treffen geführt haben, denn die Nichtvorlage des Fotos, das sich bereits auf Ihrem Handy befunden hatte, war für die erkennende Behörde nicht plausibel nachvollziehbar.

Auch wenn Sie ein Foto am Handy von Verletzungen der erkennenden Behörde zeigen konnten, änderte dies nichts daran, dass Ihre Angaben zu dem Vorbringen weder glaubhaft noch widerspruchsfrei waren. Verletzungen im Kopfbereich bzw. eine Gehirnerschütterung können viele Ursachen haben und müssen nicht zwangsläufig mit einer Anhaltung, Folterung oder Misshandlung anher gehen.

Es war in der Gesamtbetrachtung der Situation zu Hause, wo Sie als einziger in der Familie auf einmal nach mehreren Jahren Probleme wegen Ihres Cousins bekommen hätten, für die erkennende Behörde nicht glaubhaft nachvollziehbar, zumal am selben Hof der Vater des Cousins, mehrere Onkel und Ihre Brüder wohnhaft waren.

Zusammenfassend waren all Ihre Ausführungen sehr vage gehalten und war aufgrund der gravierenden Widersprüche und Unstimmigkeiten zwischen Ihren Aussagen und den Aussagen Ihrer Gattin, aber auch aufgrund der unglaubwürdigen Gesamtsituation eine Verfolgung Ihrer Person nicht glaubhaft nachvollziehbar, weshalb für die erkennende Behörde keine asylrelevanten Gründe ersichtlich waren.

- betreffend die Feststellung Ihrer Situation im Falle der Rückkehr:

(7)

Da Ihnen wie bereits erörtert im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, und Sie Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat haben, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Sie verfügen im Heimatland über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte und finden deshalb, aufgrund tschetschenischer Tradition, Unterstützungsmöglichkeiten vor. Sie verfügen in Ihrem Elternhaus über eine Unterkunftsmöglichkeit. Durch Ihre Arbeitsfähigkeit ist der Lebensunterhalt der Familie gewährleistet.

Zusätzlich beziehen Ihre Gattin eine Waisenpension und Ihr Sohn eine Invaliditätspension.

Wenn auch in der Russischen Föderation eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Situation, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage im Herkunftsstatt, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Bundesasylamtes nicht gesprochen werden kann.

Es ist Ihnen zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und der Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendung von dritter Seite, z.B. Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung der gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu Ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwas zur Deckung eines kurzfristigen Bedarf ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer

"Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die Grundversorgung in der Russischen Föderation gewährleistet ist. Es gibt keine Fälle von Hungersnöten und damit in Zusammenhang stehenden Todesfällen.

- betreffend die Lage in Ihrem Herkunftsland:

Die Feststellungen zu Ihrem Herkunftsland basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BAA. Diese ist gemäß § 60 Abs. 2 AsylG 2005 zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können. Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen.

Sie machten von der Möglichkeit zu den Länderfeststellungen eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch.

Auch wenn Ihnen die Länderfeststellungen nicht persönlich übersetzt wurden, entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte, dass Ihre Rechte dadurch gewahrt werden, dass im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und Sie die Möglichkeit haben in Ihrer Beschwerde dazu Stellung zu nehmen (Thiniel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S. 175; mit Nachweisen zu entsprechender höchstgerichtlicher Judikatur)."

In rechtlicher Hinsicht wurde von der Erstinstanz ausgeführt, eine asylrelevante Verfolgung habe vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht werden können. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ergäben sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, der gemäß Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK zur Gewährung von Asyl führe. Den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe hätte keine Glaubwürdigkeit beschieden werden können, da er eine individuelle Gefährdungslage nicht glaubhaft machen habe können.

Zu Spruchpunkt II wurde nach Wiedergabe des § 8 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AsylG 2005 ausgeführt, dass sachliche Gründe für die Annahme sprechen müssten, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen müssten, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichten nicht aus. Nach der Judikatur des EGMR obliege es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behaupte, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlaubten (EGMR 5.7.2005,

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Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hätte die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (EGMR 26.7.2005, N. gg. Finnland). Dabei könne bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht seien (EGMR 6.2.2001, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.8.2001. 2000/01/0443).

Der Beschwerdeführer habe während des gesamten Verfahrens keinerlei glaubhaften Indizien oder Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, welche die Annahme hätten rechtfertigen können, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr laufen würde, im Falle seiner Rückkehr in den Heimatsstaat, der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe unterworfen zu werden.

Zur Ausweisung führte das Bundesasylamt nach Wiedergabe des § 10 Abs. 1 Z. 2, Abs. 2, Abs. 5 AsylG 2005 und Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK aus, dass - mangels Bestehen einer hinreichend strak ausgeprägten Nahebeziehung zu seinem Cousin - weder ein Eingriff in das Familienleben vorliege, noch der Eingriff in das Privatleben ungerechtfertigt wäre, zumal er sich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung erst seit etwa fünf Monaten in Österreich aufgehalten habe und er in dieser Zeit keine nennenswerten wirtschaftlichen oder sozialen Kontakte aufgenommen habe. Er sei illegal eingereist und seien keine für einen Verbleib in Österreich sprechenden Gründe vom Bundesasylamt gefunden worden.

3. Mit für alle Familienmitglieder gleichlautendem Schriftsatz vom 04.11.2013 wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Bescheide des Bundesasylamtes vom XXXX wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Begründend wurde ausgeführt, dass das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren infolge mangelhafter Sachverhaltsfeststellung aufgrund falscher Beweiswürdigung Mängel aufweise, da eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere eine Abwägung der Für- und Wieder-Punkte nicht stattgefunden habe. Vielmehr bestehe die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes aus einer Aneinanderreihung textbausteinartiger allgemeiner Ausführungen zu Glaubwürdigkeitserfordernissen, wobei nur in wenigen Sätzen auf die jeweiligen Vorbringen der Beschwerdeführer Bezug genommen werde. Auch sei das Parteiengehör im Ermittlungsverfahren verletzt worden.

Im Einzelnen werde dies wie folgt begründet:

Die Erstbehörde ziehe zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit in Betracht, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Folterung zu keiner lebensnahen Schilderung seiner Erlebnisse in der Lage gewesen sei. Die konkrete Situation des Beschwerdeführers sei bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden. Auch seien der Beschwerdeführer und dessen Ehegattin im Zuge ihrer Einvernahmen unter Druck gesetzt worden, insbesondere wurde oftmals die Nennung genauer Daten etc. verlangt, obwohl sie sich nicht mehr genau an diese erinnern hätten können. Durch die abwechselnde Einvernahme der Eheleute sei eine Stresssituation entstanden und habe die Ehefrau des Beschwerdeführers die Einvernahmesituation zudem überhaupt nicht verstanden und sich überfordert gefühlt. Die Methode einer polzeiverhörartigen Einvernahme schaffe für möglicherweise traumatisierte Asylwerber eine erhöhte Stresssituation.

Der Beschwerdeführer habe im Zuge seiner Einvernahme nicht angegeben, am 04.11.2012 ins Krankenhaus gebracht worden zu seien, vielmehr habe er ausgesagt, es sei vielleicht der 14.11.2012 gewesen und müsse angemerkt werden, dass die Einvernahme zwar auf Tschetschenisch geführt worden sei, jedoch die Zahlen 4 und 14 in der russischen Sprache sehr ähnlich klängen. Dem Beschwerdeführer sei die Niederschrift nicht wortwörtlich rückübersetzt worden.

Zu den widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin hinsichtlich vor der Festnahme des Beschwerdeführers im Jahr 2012 stattgefundenen Vorfällen, werde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer auch vor 2012 bereits Probleme gehabt habe, er habe jedoch im Zuge seiner Einvernahmen nicht auf diese eingehen wollen, da der Hintergrund dieser Bedrohug "Scham und Schande" für seine Familie bedeutet hätte und er sich nicht in der Lage sehe, darüber zu sprechen.

Bezüglich der im Bescheid gerügten Nicht-Vorlage der (angekündigten) Beweismittel (Inlandsreisepass, Foto) wird vorgebracht, dass dies unrichtig sei, der Beschwerdeführer habe seinen Bekannten XXXX gebeten, das Foto sowie Kopien der Inlandsreisepässe an das Bundesasylamt zu übermitteln, was der Genannte auch am 19.

oder 20.8.2013 persönlich erledigt hätte. Jener Bekannte sei auch dazu bereit, dies als Zeuge zu bestätigen.

Bezüglich der Berichte betreffend seinen Krankenhausaufenthalt, sei der Beschwerdeführer fälschlicherweise der

(9)

Meinung gewesen, diese nach Österreich mitgenommen zu haben und werde er sich darum kümmern, diese nachzureichen.

Weiters habe der Beschwerdeführer nie angegeben, er hätte sich seit dem 02.10.2012 durchgehend in XXXX aufgehalten bzw. sei er diesbezüglich missverstanden worden. Vielmehr habe er sich daneben auch an anderen Orten wie XXXX, wo er schließlich verschleppt wurde, aufgehalten. Bezüglich des Datums der Verschleppung sei sich der Beschwerdeführer relativ sicher, dass dies der 02.11.2012 gewesen sei, jedoch nicht absolut. Seine Frau sei zu dieser Zeit mit dem gemeinsamen Sohn im Krankenhaus gewesen.

Weiters werde bemängelt, dass die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht vor dem tatsächlichen Hintergrund bzw. der derzeitigen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers gewürdigt habe.

Auch habe die belangte Behörde es unterlassen, die widersprüchlichen Beweisergebnisse im Einzelnen ausreichend zu würdigen und darzulegen, was sie veranlasst habe, bestimmten Ermittlungsergebnissen mehr Glauben zu schenken als anderen.

Bezüglich des minderjährigen Sohnes des Beschwerdeführers werde ausgeführt, dass dieser an einer spastischen Lähmung sowie einer psychomotorischen Entwicklungsstörung, vermutlich infolge Sauerstoffmangels infolge nicht adäquater Behandlung nach der Frühgeburt im Heimatstaat leide. In Österreich erhalte der Sohn orthopädische und physiotherapeutische Behandlung sowie orthopädische Schuhe und eine Sitzzurichtung. Der Sohn des Beschwerdeführers benötige unbedingt orthopädische Hilfsmittel und seien regelmäßige ärztliche Kontrollen erforderlich. Die Ehegattin des Beschwerdeführers habe zwar angegeben, dass der Sohn im Herkunftsstaat eine kostenlose Behandlung erhalte, doch handle es sich dabei um eine offensichtlich nicht effektive und nicht als Goldstandard einzustufende Massagetherapie. Es sei evident, dass der Sohn in Österreich eine positive Entwicklung durchgemacht habe und bestehe die Möglichkeit, dass der Genannte bei entsprechender Behandlung irgendwann gehen werde können, was durch die Massage-Behandlung in Tschetschenien nicht zu erwarten sei. Auch hier habe es die belangte Behörde unterlassen, konkrete Ermittlungen bezüglich der Situation bzw. der konkreten Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat durchzuführen. Da es sich bei dem Betroffenen um ein erst zweijähriges Kind handle, dessen Zukunft von dieser Frage entscheidend geprägt werde, hätte die Erstbehörde auch in Hinblick auf das Kindeswohl zu erörtern gehabt, ob eine abweisende Entscheidung vor dem geschilderten Hintergrund nicht als unzumutbare Härte einzustufen gewesen zu wäre.

Es werde ausgeführt, dass im gegenständlichen Verfahren kein Neuerungsverbot bestehe, da das erstinstanzliche Verfahren dahingehend mangelhaft gewesen sei, dass es den Beschwerdeführern nicht möglich gewesen sei, die nunmehr genannten Tatsachen und Beweismittel vorzubringen.

Da aufgrund dieser Ausführungen ersichtlich werde, dass eine ausreichende Klärung des Sachverhaltes nicht vorliege, werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Der Beschwerdeschrift beiliegend wurden Kopien der Inlandspässe des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, ein Foto des Beschwerdeführers, welches dessen im Zuge der Gefangenschaft erlittenen Verletzungen belegen soll, sowie Krankenhausberichte des Landesklinikums Baden-Mödling bezüglich der Erkrankung des minderjährigen Sohnes des Beschwerdeführers übermittelt. Bemerkt werde diesbezüglich, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht angegeben habe, wegen der medizinischen Behandlung nach Österreich gekommen zu seien, wie es in der Anamnese zu lesen sei, dies sei auf Verständigungsprobleme mangels eines Dolmetschers im Krankenhaus zurückzuführen.

Am 12.11.2013 legte das Bundesasylamt den Akt dem Asylgerichtshof zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Russischen Föderation (Tschetschenien), wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes folgendes festgestellt:

1.1. Zur Person

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und bekennt sich zum Islam.

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Der Beschwerdeführer ist mit der russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit XXXX (W103 438761-1/2013) verheiratet und Vater eines minderjährigen Sohnes, XXXX(W103 438762- 1/2013). In Österreich befindet sich außerdem der Cousin des Beschwerdeführers, welcher als anerkannter Flüchtling im Bundesgebiet lebt. Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers leben noch die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers sowie mehrere Verwandte väterlicher- und mütterlicherseits.

Der Beschwerdeführer reiste am 26.05.2013 gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinem minderjährigen Sohn illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er leidet an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung in die Russische Föderation / Tschetschenien darstellen würde.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte oder dass ihm eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, in der Russischen Föderation eine Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig, lebt erst seit Mai 2013 in Österreich. Er ist im Bundesgebiet nicht berufstätig und kann seinen Lebensunterhalt in Österreich nicht eigenständig bestreiten. Dem bislang unbescholtenen Beschwerdeführer kam zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes in Österreich ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zu.

Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK.

Wie schon das Bundesasylamt festgestellt hat, liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 vor.

Mitglieder der Kernfamilie gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 sind:

XXXX

XXXX

XXXX

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Die aktuelle politische und menschenrechtliche Situation in der Russischen Föderation (Tschetschenien) stellt sich unter Heranziehung der erstinstanzlichen Feststellungen dar wie folgt:

Allgemeine Lage

Politik / Wahlen

Die Tschetschenische Republik ist eines der 83 Föderationssubjekte der Russischen Föderation. Ihre historisch verwurzelten Unabhängigkeitsbestrebungen führten in jüngster Geschichte zu zwei Kriegen mit dem föderalen Zentrum Russland. Der zweite Tschetschenienkrieg wurde offiziell im April 2009 für beendet erklärt. 2006 wurde Ramsan Kadyrow zum Premierminister, 2007 per Dekret zum Präsidenten Republik Tschetschenien ernannt.

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(BBC News: Chechnya profile - Timeline, Stand 24.5.2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-europe- 18190473, Zugriff 3.12.2012 / CIA World Factbook: Russia, Stand 14.11.2012, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 3.12.2012)

Im Februar 2011 wurde Ramsan Kadyrow von Präsident Medwedew zu einer zweiten fünfjährigen Amtszeit als Republiksoberhaupt ernannt und in der Folge vom tschetschenischen Parlament betätigt.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 42, 2.3.2011)

Die Macht von Ramsan Kadyrow, der seit Anfang September 2010 die neue Amtsbezeichnung "Oberhaupt"

Tschetscheniens führt, ist in Tschetschenien unumstritten. Kadyrow versucht durch Förderung einer moderaten islamischen Identität einen gemeinsamen Nenner für die fragmentierte, tribalistische Bevölkerung zu schaffen.

Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe und über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Präsident Putin verfüge.

(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

Im Mai 2012 entließ Kadyrow die gesamte tschetschenische Regierung, und ernannte Abubakar Edelgerijew zum neuen Premierminister. Zudem vereinte er die Präsidentschafts- und Regierungsverwaltung, was die Verwaltung gegenüber der lokalen Regierung stärkte und dadurch die Macht Kadyrows weiter festigte. Zum Chef der Gemeinsamen Präsidentschafts- und Regierungsverwaltung wurde Kadyrows enger Vertrauter Magomed Daudov ernannt.

(RFE/RL: Chechen Leader Restructures His Government, 22.5.2012, http://www.rferl.org/content/chechen- leader-restrucures-government/24588951.html, Zugriff 3.12.2012 / The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 103, 31.5.2012 / The Jamestown Foundation:

Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 113, 14.6.2012)

Anfang Oktober 2012 entließ Ramsan Kadyrow den Bürgermeister von XXXX, und ernannte einen seiner Verwandten, Islam Kadyrow, als neuen Bürgermeister. Zuvor hatte das Republiksoberhaupt in mehreren Bezirken der Republik Umbesetzungen in der Führungsriege durchgeführt.

(RFE/RL: Chechen Leader Replaces Grozny Mayor, 9.10.2012, http://www.rferl.org/content/chechen-leader- replaces-grozny-mayor/24733562.html, Zugriff 3.12.2012)

Mit den Parlamentswahlen im Oktober 2008 wurde das Zweikammerparlament durch ein Einkammerparlament, bestehend aus 41 Mitgliedern, die für fünf Jahre gewählt werden, ersetzt.

(Freedom House: Freedom in the World 2009: Chechnya (Russia), 16.07.2009)

In Tschetschenien hat Oberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NROs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)

Der in Tschetschenien vorherrschende Personenkult um Ramsan Kadyrow ist für außen stehende Beobachter überraschend, wenn nicht geradezu empörend.

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: Legal remedies for human rights violations in the North- Caucasus Region, 4.6.2010)

Sowohl bei den gesamtrussischen Dumawahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zum russischen Präsidenten im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen.

(Die Welt: In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin, 5.3.2012,

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http://www.welt.de/politik/ausland/article13903750/In-Tschetschenien-stimmen-99-76-Prozent-fuer-Putin.html, Zugriff 3.12.2012 / Ria Novosti: United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya, 5.12.2012, http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html, Zugriff 3.12.2012)

Allgemeine Sicherheitslage

Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter. Die Gewalt in Tschetschenien ging jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück (U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)

In Tschetschenien ist es seit Jahresbeginn 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien).

(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

Derzeit gibt es gemäß Angaben von Republiksoberhaupt Kadyrow in Tschetschenien noch 28 Polizeikontrollpunkte, die nicht unter der Kontrolle tschetschenischer Behörden sind. Diese seien von Personal aus russischen Regionen außerhalb des Nordkaukasus bemannt. 17 davon sollen nach Dagestan verlegt werden.

Von den übrigen 11 größeren Kontrollpunkten seien einige an den administrativen Grenzen, einige in XXXX und einige in der Gebirgsregion.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 206, 9.11.2012)

2011 gab es in Tschetschenien mindestens 201 Opfer des bewaffneten Konflikts, darunter 95 Tote und 106 Verwundete. 2010 waren es noch 250 Opfer gewesen (127 Tote, 123 Verletzte). Damit liegt Tschetschenien betreffend Opferzahlen hinter Dagestan an zweiter Stelle der nordkaukasischen Republiken. Gemäß Polizeiberichten wurden 2011 in Tschetschenien 62 Mitglieder des bewaffneten Untergrunds getötet (2010: 80), weitere 159 vermeintliche Kämpfer wurden festgenommen (2010: 166). 21 Sicherheitskräfte kamen bei Schießereien und Explosionen 2011 ums leben (2010: 44), 97 wurden verletzt (2010: 93). Des Weiteren wurden 2011 bei Terrorakten, Bombardierungen und Schießereien 12 Zivilisten getötet (2010: 3) und 9 verwundet (2010: 30).

2011 kam es in Tschetschenien zu mindestens 26 Explosionen und Terrorakten, 2010 waren es noch 37 gewesen.

Unter den Explosionen und Terrorakten waren sieben Selbstmordanschläge.

(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/, Zugriff 3.12.2012)

Nach Angaben von Ramsan Kadyrow im Oktober 2012 seien noch rund 35 bis 40 Rebellen in Tschetschenien aktiv. Diese Zahl (bzw. bis maximal 70) wird von ihm seit rund sieben Jahren angegeben. Jedes Jahr wird jedoch ein drei bis viermal so hohe Anzahl an getöteten und festgenommenen Rebellen angegeben.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 196, 26.10.2012)

2012 wurden zwischen Jänner und Mitte Oktober nach Angaben des Innenministeriums der Republik Tschetschenien 35 Kämpfer des bewaffneten Untergrunds in Tschetschenien getötet und weitere 80 verhaftet. Im selben Zeitraum seien 9 gemeinsame große Sonderoperationen gegen die Kämpfer durchgeführt worden.

(Caucasian Knot: The Ministry of Interior Affairs: 35 gunmen killed in Chechnya since the beginning of the year, 17.10.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/22579/, Zugriff 3.12.2012)

Gemäß Daten aus offenen Quellen wurden 2012 bei Sondereinsätzen zwischen Jänner und September 40 Soldaten getötet und 50 verletzt.

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(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 176, 27.9.2012)

Menschenrechte

Allgemein

Die Regierung von Ramsan Kadyrow in Tschetschenien verletzt weiterhin Grundfreiheiten, ist in Kollektivbestrafungen von Familien vermeintlicher Rebellen involviert und fördert insgesamt eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung.

Der tschetschenische Ombudsmann Nurdi Nukhazhiyev zeigte sich der wichtigsten NRO in der Region, Memorial, gegenüber unkooperativ. Die Behörden weigerten sich gelegentlich mit NRO, die ihre Aktivitäten kritisierten, zusammenzuarbeiten. In Tschetschenien tätige Menschenrechts-NRO, darunter das Committee Against Torture, berichteten über Drohungen und Einschüchterungen durch Exekutivorgane.

Menschenrechtsgruppen beschwerten sich, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter waren Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und -kämpfern.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

Es werden weiterhin Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit den "anti-terroristischen" Operationen der Regierung berichtet. Anwälte, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen berichten über Entführungen, willkürliche Verhaftungen, Folter, "Verschwindenlassen" und widerrechtliche Tötungen. Der russische Ombudsmann hat mehrfach über Verstöße im §3neg8negAusw AsylG05-2011 Seite 18 von 49

Nordkaukasus berichtet, ebenso wie der Menschenrechtskommissar des Europarates. Solche Berichte scheinen vor Ort aber wenige Auswirkungen zu haben.

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)

Seit 2002 sind in Tschetschenien über 2.000 Personen entführt worden, von denen über die Hälfte bis zum heutigen Tage verschwunden bleibt. Auch heute noch wird von Fällen illegaler Festnahmen und Folter von Verdächtigen berichtet Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. In einigen Fällen wurden Opponenten und Kritiker Kadyrows in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland durch Auftragsmörder getötet (darunter Mord an Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden.

(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)

Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bei der Unterdrückung größerer Rebellenaktivitäten in seinem Einflussbereich wird begleitet von zahlreichen Berichten über außergerichtliche Hinrichtungen und Kollektivbestrafungen.

(Freedom House: Freedom in the World 2012 - Russia, März 2012)

2011 wurden in Tschetschenien 20 Fälle registriert, in denen Personen entführt wurden, verschwanden oder gesetzwidrig verhaftet wurden (2010: 6).

(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/, Zugriff 3.12.2012)

Memorial dokumentierte zwischen Jänner und September 2011 elf Fälle von Entführungen lokaler Einwohner durch Sicherheitskräfte. Fünf der Entführten "verschwanden". Opfer weigern sich aus Angst vor behördlicher Vergeltung zusehends über Verstöße zu sprechen. In einem Brief an eine russische NRO im März 2011 sagten die föderalen Behörden, dass die tschetschenische Polizei Untersuchungen von Entführungen sabotierten und

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manchmal die Täter deckten. Der Brief war die erste öffentliche Bekenntnis des Unvermögens der föderalen Untersuchungsbehörden, Missbräuche in Tschetschenien zu untersuchen.

(Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012)

Berichten zufolge verübten Beamte mit Polizeibefugnissen nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen.

In einem Schreiben an die NGO Interregionales Komitee gegen Folter bestätigte ein hochrangiger tschetschenischer Staatsanwalt, dass die Ermittlungen zu den Fällen von Verschwindenlassen in Tschetschenien ineffektiv seien. Für die Menschenrechtsverteidiger in Tschetschenien stellte der ungeklärte Mord an Natalja Estemirowa im Jahr 2009 nach wie vor eine schwere Belastung dar. Sie waren zudem weiterhin Einschüchterungsmaßnahmen und Schikanen ausgesetzt.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)

Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Wiederholte Äußerungen von Präsident Medwedew und anderen Funktionsträgern deuten darauf hin, dass Recht und Gesetz hinreichend eingehalten und die Menschenrechte respektiert werden sollen. Es fehlt jedoch bislang an wirklich messbaren Fortschritten vor Ort. Die Urteile des EGMR werden von Russland nicht vollständig umgesetzt. Laut NRO "Kawkaski Usel" sind 2011 im Nordkaukasus 91 Personen entführt und verschleppt worden. Es wird vermutet, dass dafür in den meisten Fällen Sicherheitskräfte verantwortlich sind.

Vertreter russischer und internationaler NRO zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)

Unterstützung der Rebellen / Kollektivbestrafung

2012 wurden ab Jahresbeginn bis September rund 40 Personen festgenommen, um auf die Rebellen Druck auszuüben. Die meisten der Verhafteten sind Frauen die beschuldigt werden, den Rebellen Nahrung gekauft oder Unterkunft gegeben zu haben. Die offiziellen Statistiken können jedoch nicht für bare Münze genommen werden.

(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 176, 27.9.2012)

Es kann von niemandem mit Sicherheit gesagt werden, wie viele Rebellen heutzutage in Tschetschenien aktiv sind. Rekrutierung findet konstant statt. Rebellen und jene die aktive Rebellen unterstützen sind Hauptziel der tschetschenischen Behörden, während ehemalige tschetschenische Rebellen für die Behörden von weniger Interesse sein dürften. Aktive Rebellen werden für gewöhnlich während Sonderoperationen getötet, während Unterstützer festgenommen werden. Bei der Befragung von Personen, die der Zusammenarbeit mit Rebellen bezichtigt werden, soll es zu Folter kommen. In einer Reihe von Fällen wurden Personen für verschiedenartige Unterstützung der Rebellen zu Haftstrafen verurteilt.

(Landinfo: Tsjetsjenia: Tsjetsjenske myndigheters reaksjoner mot opprørere og personer som bistår opprørere, 26.10.2012, http://www.landinfo.no/asset/2200/1/2200_1.pdf, Zugriff 3.12.2012)

Das Niederbrennen von Häusern vermeintlicher Rebellen, ein Mechanismus der Kollektivbestrafung, der seit 2008 angewandt wird, ging Berichten zufolge weiter. Im Juli 2011 berichtete Caucasian Knot über mehrere Häuser, die niedergebrannt wurden, die Familien junger Leute gehörten, die sich dem Widerstand angeschlossen hatten.

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

Tschetschenische Exekutiv- und Sicherheitsbehörden unter der de-facto Kontrolle von Ramsan Kadyrow wenden gegenüber Verwandten und mutmaßlichen Unterstützern vermeintlicher Rebellen Kollektivstrafen an.

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(Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012)

Im April 2012 wurde Rechtsaktivisten von Bewohnern des Dorfes Komsomolskoye/Bezirk Gudermes berichtet, dass Personen in Uniform die Häuser von den Eltern und Großeltern eines wenige Tage zuvor getöteten Rebellen niedergebrannt hatten. Kadyrow und andere tschetschenische Beamten haben bei mehreren Gelegenheiten ausgesagt, dass Angehörige von Aufständischen für ihre Rebellen-Verwandten zur Verantwortung gezogen werden müssen.

(The Jamestown Foundation: North Caucasus Weekly -- Volume 13, Issue 10, 18.5.2012 / Caucasian Knot:

Chechnya: houses of relatives of Bantaev, killed in special operation, burnt down, locals say, 5.5.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/20948/, Zugriff 3.12.2012)

Die Verfolgung von Familienmitgliedern und Unterstützern von Widerstandskämpfern ist in der Russischen Föderation eine der Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus im Nordkaukasus.

In deutsch- und englischsprachigen Medien und Berichten von russischen und anderen Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen finden sich keine Hinweise, dass in den letzten Jahren oder derzeitig, Personen, die den Widerstand in den Jahren vor der letzten offiziellen Amnestie 2006 unterstützt oder selbst gekämpft und eine Amnestie in Anspruch genommen haben, oder die mit einer solchen Person verwandt sind, nunmehr allein deshalb verfolgt würden. Betroffen sind hauptsächlich Unterstützer und Familienmitglieder gegenwärtig aktiver Widerstandskämpfer. Um unbehelligt leben zu können müssen sich amnestierte Kämpfer und Unterstützer und deren Familien Ramsan Kadyrow gegenüber sicherlich weiterhin loyal zeigen. Ein Austritt aus den lokalen Sicherheitskräften, in denen viele der Amnestierten nunmehr arbeiten (müssen) wird nur bedingt möglich sein.

Obwohl eine strafrechtliche Verfolgung von Unterstützern des Widerstandskampfes möglich ist, greifen die tschetschenischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den Terrorismus weiterhin auf Mittel ohne rechtliche Grundlage zurück. Einerseits gibt es vereinzelte Berichte, dass Unterstützer ohne jegliches Verfahren für ihre vermeintliche Hilfeleistung "bestraft" werden. Andererseits finden sich zahlreiche Berichte über Formen der Kollektivbestrafung von Familienmitgliedern (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer. Betroffen ist vorwiegend der engere Familienkreis, also Eltern, Onkeln, Cousins und Ehefrauen. Die tschetschenischen Behörden gehen aufgrund der traditionell sehr engen Familienbande davon aus, dass Familien ihre im Wald lebenden Angehörigen unterstützen, vor allem aber davon, dass diese Familien im Stande sind ihre Angehörigen zu einer Rückkehr aus dem Wald zu bewegen. Die Verfolgung beginnt mit dem Einsatz von Druckmitteln wie der Streichung von Sozialbeihilfen, und führt bis zur Niederbrennung der Wohnhäuser der betroffenen Familien.

Offizielle Beschwerden oder Anzeigen hiergegen sind kaum möglich.

(BAA/Staatendokumentation: Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien, 20.4.2011)

Haftbedingungen

Ein Vertreter einer NRO gab 2011 an, dass die Anwendung von Folter in Tschetschenien in den letzten Jahren anstieg. Gewöhnlich umfasst diese Folter starke Schläge und im Falle längerer Haftzeiten auch Elektroschocks, so dass bei einer Entlassung keine physischen Zeichen sichtbar sind. Memorial gab an, dass die Mehrheit der Personen, die in Haft sind oder von den tschetschenischen Behörden befragt werden, physischen Misshandlungen wie starken Schlägen, Verbrennungen, Ausreißen von Nägeln und Elektroschocks ausgesetzt ist.

(Danish Immigration Service: Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, 11.10.2011)

Menschenrechtsgruppen besuchen illegale Haftanstalten für Binnenflüchtlinge in Tschetschenien und dokumentierten die dort andauernden Missstände. Tschetschenische Sicherheitskräfte unterhalten Berichten zufolge Geheimgefängnisse in Zenteroi, Gudermes und anderen Orten. Die NRO Human Rights Watch berichtete, dass sie über detaillierte Beschreibungen von mindestens 10 gesetzwidrigen Haftanstalten verfüge.

Menschenrechtsgruppen berichteten, dass Beamte des "Second Operational Investigative Bureau" (ORB-2) des föderalen Innenministeriums illegal Personen verhaften und in ihren Büroräumen in XXXX foltern.

Seit 2004 wird dem IKRK von den Behörden der Zutritt zu Personen, die in Zusammenhang mit dem Tschetschenienkonflikt verhaftet wurden, unter den Standardkriterien des IKRK verweigert.

(16)

(U.S. Department of State: Country Reports on Human Rights Practices for 2010 - Russia, 8.4.2011)

Rechtsschutz

Justiz

Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen wird weiterhin gewährt, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Der EGMR hat die Russische Föderation wiederholt in Verletzung der Artikel 2 und/oder Artikel 3 der EMRK gesehen. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungesetzliche Tötungen, Verschwinden lassen, Folter und Misshandlungen und die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen. Russland zahlt den Opfern zwar die vorgeschriebene finanzielle Kompensation, versäumt es aber, effektivere Untersuchungen durchzuführen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012 / Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012)

Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Schariah-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)

Tschetschenien hat nach wie vor Probleme, politischen Pluralismus, die Rechtsstaatlichkeit oder Frauenrechte zu gewährleisten.

(International Crisis Group: The North Caucasus: The Challenges of Integration (I), Ethnicity and Conflict, 19.10.2012)

Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen - sei es dadurch Rebellen Lebensmittel, Kleidung oder Schlafstätten zur Verfügung zu stellen oder sei es durch Waffen - in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug.

(BAA/Staatendokumentation: Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien, 20.4.2011)

In einem Schreiben an die NGO Interregionales Komitee gegen Folter bestätigte ein hochrangiger tschetschenischer Staatsanwalt, dass die Ermittlungen zu den Fällen von Verschwindenlassen in Tschetschenien ineffektiv seien. Für die Menschenrechtsverteidiger in Tschetschenien stellte der ungeklärte Mord an Natalja Estemirowa im Jahr 2009 nach wie vor eine schwere Belastung dar. Sie waren zudem weiterhin Einschüchterungsmaßnahmen und Schikanen ausgesetzt.

(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)

Die Nichtregierungsorganisation "Vesta" bietet kostenlose qualifizierte Rechtsberatung in den folgenden Bereichen:

Rechtsberatung bezüglich ziviler und juristischer Angelegenheiten, Vorbereitung von Anträgen und Anfragen, Ausstellung von Urkunden und Petitionen für die Gerichtshilfe, Einlegung von Berufung bei Verwaltungs- und Strafverfolgungsinstitutionen. Die Menschenrechtsorganisation "Memorial" bietet Rechtshilfe und befasst sich mit Wohnraumproblemen von Rückkehrer und Zwangsumgesiedelten in XXXX.

(BAMF: IOM Individualanfrage ZC96, 16.5.2012)

Sicherheitsbehörden

In Russland existiert eine Vielzahl von Sicherheitsdiensten. Es wird unterschieden zwischen den föderalen Sicherheitskräften, welche der Russischen Föderation unterstehen, und lokalen Abteilungen, welche den

Referenzen

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