BIBB/BAuA 2012
Höhere Anforderungen, mehr Ressourcen – Arbeitsbedingungen von Führungskräften
22 baua: Fakten
Führungskräfte haben im Sinne einer gesundheitsgerech- ten Arbeitsgestaltung eine wichtige Funktion. Diese so- genannte gesunde Führung wird wahrscheinlicher, wenn Führungskräfte selbst eine günstige Arbeits- und Gesund- heitssituation vorfinden. Sie soll hier mit den Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012 analysiert wer- den. Dabei werden nur abhängig Beschäftigte in die Be- rechnungen einbezogen.
Bei der Arbeit gestört, unterbrochen Starker Termin- und Leistungs- druck Verschiedene
Arbeiten gleichzeitig betreuen Konfrontation
mit neuen Aufgaben Arbeiten an der Grenze der Leistungs- fähigkeit Sehr schnell
arbeiten
39
Keine Führungs- verantwortung (FV) FV für 1 bis 2 Mitarbeiter(innen) FV für 3 bis 4 Mitarbeiter(innen)
FV für mehr als 10 Mitarbeiter(innen) FV für 5 bis 10 Mitarbeiter(innen) 4853
58 64 47 57
57 63 68 53 62
6875 79 3639
4347 52 1419
1922 21
37 43 4345
45
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Führungskräfte sind hohen Arbeitsanforderungen ausgesetzt, verfügen aber auch über viele Res- sourcen. Ein noch differenzierteres Bild ergibt sich hinsichtlich der Anzahl geführter Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter. Jene Führungskräfte, die eine große Führungsspanne aufweisen, haben z. B.
häufiger Termin- und Leistungsdruck, aber auch mehr Handlungsspielraum als Vorgesetzte mit weniger Führungsverantwortung. Hohe Anforderungen gehen trotz der Ressourcen mit psychoso- matischen Beschwerden, wie Erschöpfung oder Schlafstörungen, einher. Das sind Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012.
Anforderungen
Führungskräfte sind bei ihrer Tätigkeit im Vergleich zu Be- schäftigten ohne Führungsverantwortung mit hohen Ar- beitsanforderungen konfrontiert, siehe Abb. 1. Psychische Anforderungen, wie bei der Arbeit gestört und unterbro- chen zu werden, unter starkem Termin- und Leistungs- druck zu arbeiten oder verschiedene Arbeiten gleichzeitig zu betreuen, kommen bei Führungskräften besonders häufig vor. Dabei sind die Arbeitsanforderungen umso häufiger, je größer die Führungsspanne ist. So werden beispielsweise 48 % der Führungskräfte mit 1 bis 2 Mit- arbeitern häufig bei der Arbeit gestört und unterbrochen.
Davon sind jedoch 64 % der Vorgesetzten betroffen, wenn sie Führungsverantwortung für mehr als 10 Mitarbeiter haben. Höhere Anforderungen bei größerer Führungs- spanne zeigen sich ebenfalls für häufige Konfrontation mit neuen Aufgaben (52 % vs. 39 %), Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit (21 % vs. 19 %) und gehäuftes sehr schnelles Arbeiten (45 % vs. 43 %).
Ressourcen
Gegenüber Beschäftigten ohne Führungsverantwortung verfügen vorgesetzte Personen aber auch über mehr Res- sourcen, wie Abb. 2 zeigt. Diese sind bei der Bewältigung hoher Arbeitsanforderungen wichtig. Führungskräfte haben größeren Handlungsspielraum, können also in höherem Maße ihre Arbeit selbst planen und einteilen, haben mehr Einfluss auf die Arbeitsmenge und entscheiden häufiger selbst, wann Pause gemacht wird. Dabei gilt: Je größer die Führungsspanne, desto häufiger werden diese Ressourcen genannt. Während etwa 70 % der Vorgesetzten, die Füh- rungsverantwortung für 1 bis 2 Mitarbeiter haben, ange- ben, ihre Arbeit häufig selbst planen und einteilen zu kön- nen, sind es 86 % bei einer Führungsspanne von mehr als Abb. 1 Häufige Arbeitsanforderungen von abhängig Beschäftig-
ten mit und ohne Führungsverantwortung (in%).
baua: Fakten Höhere Anforderungen, mehr Ressourcen – Arbeitsbedingungen von Führungskräften
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Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de, Internet: www.baua.de |
Autor: M. Lück, Redaktion: T. Frindte, Gestaltung: S. Graul | doi:10.21934/baua:fakten20171114 | Dezember 2017
Weiterführende Informationen
1 I. Rothe, L. Adolph, B. Beermann, M. Schütte, A. Windel, A. Grewer, U. Lenhardt, J. Michel, B.
Thomson und M. Formazin, 2017. Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaft- liche Standortbestimmung. Dortmund: BAuA.
Verfügbar unter: www.baua.de/dok/8708776 2 T. Rigotti, T. Holstad, G. Mohr, C. Stempel, E. Han-
sen, C. Loeb, K. Isaksson, K. Otto, U. Kinnunen und K. Perko, 2014. Rewarding and sustainable health-promoting leadership. Dortmund: BAuA.
Verfügbar unter: www.baua.de/dok/5670154 10 Mitarbeitern. Soziale Unterstützung durch Mitarbeiter
und direkte Vorgesetzte erhalten Führungskräfte hingegen fast in gleichem Ausmaß wie Beschäftigte ohne Führungs- verantwortung. Auch bei größerer oder kleinerer Führungs- spanne zeigen sich hinsichtlich der Unterstützung keine nennenswerten Unterschiede.
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
Keine Führungsverantwortung (FV) FV für 1 bis 2 Mitarbeiter(innen) FV für 3 bis 4 Mitarbeiter(innen) FV für mehr als 10 Mitarbeiter(innen) FV für 5 bis 10 Mitarbeiter(innen) Eigene Arbeit
selbst planen und einteilen Einfluss auf die Arbeitsmenge Selbst entscheiden, wann Pause gemacht wird
Hilfe/
Unterstützung vom direkten Vorgesetzten
Hilfe/
Unterstützung von Kollegen
63 70 73 80
86 28 35
4343 45
5357 5963
68 7980
8181 81 5860
5658 58
Gesundheitliche Beschwerden
Führungskräfte mit höheren Anforderungen sind auch eher gesundheitlich beeinträchtigt. In Abb. 3 werden die psychosomatischen Beschwerden von Führungskräften angegeben, die häufig und nie ausgewählten Arbeitsanfor- derungen ausgesetzt sind. Zu diesen psychosomatischen Beschwerden zählen Symptome, wie Reizbarkeit, Erschöp- fung, Müdigkeit oder Schlafstörungen. Insbesondere häufi- ges Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit geht mit mehr psychosomatischen Beschwerden einher: 65 % der Führungskräfte, die häufig diese Arbeitsbedingung nen- nen, geben an, gleichzeitig unter 3 oder mehr Beschwerden zu leiden. Von den Vorgesetzten, die dieser Anforderung nicht ausgesetzt sind, klagen hingegen nur 22 % über 3 oder mehr Beschwerden. Zudem weist knapp die Hälfte der Führungskräfte, die häufig starken Termin- und Leis- tungsdruck haben, 3 oder mehr Beschwerden auf. Gleiches gilt für jene, die oft bei der Arbeit gestört und unterbrochen werden oder sehr schnell arbeiten müssen. Sind Führungs- kräfte diesen Arbeitsbedingungen nicht ausgesetzt, haben sie grundsätzlich weniger psychosomatische Beschwerden.
Das gilt für alle ausgewählten Arbeitsbedingungen außer für die Konfrontation mit neuen Aufgaben.
Bei der Arbeit gestört, unterbrochen
Starker Termin- und Leistungsdruck
Verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen
Konfrontation mit neuen Aufgaben
Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit
Sehr schnell arbeiten häufig
nie häufig nie häufig nie häufig nie häufig nie häufig nie
25 27 48
37 28 35
26 26 49
29 26 45
51 * *
39 32 30
30 28 43
29 29 43
13 23 65
46 32 22
25 27 48
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
keine Beschwerden 1 – 2 Beschwerden
3 und mehr Beschwerden * Häufigkeit zu gering
41 26 33
Fazit
Führungskräfte sind höheren Arbeitsanforderungen aus- gesetzt als Beschäftigte ohne Führungsverantwortung, haben aber auch mehr Ressourcen. Doch trotz dieser häu- fig genannten Ressourcen, gehen erhöhte Anforderungen vielfach mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einher.
Dies kann Auswirkungen auf das Führungsverhalten von Führungskräften haben. Ungünstige Anforderungen, wenig Handlungsspielraum, fehlende Unterstützung und psy- chosomatische Beschwerden können die gesunde Führung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschweren.
Zur Förderung der Gesundheit aller Beschäftigten sollten Unternehmen daher die Anforderungen begrenzen und selbstständiges Handeln sowie den kollegialen Austausch stärken.
Abb. 2 Häufige Ressourcen von abhängig Beschäftigten mit und ohne Führungsverantwortung (in %).
Abb. 3 Psychosomatische Beschwerden von Führungskräften in Abhängigkeit davon, ob Arbeitsanforderungen häufig oder nie vorliegen (in %).