BIBB/BAuA 2018
Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Führungskräften
40 baua: Fakten
Führungskräfte müssen hohen Arbeitsanforderungen gerecht werden. Gleichzeitig verfügen sie im Vergleich zu Personen ohne Führungsverantwortung aber auch über mehr arbeitsbezogene Ressourcen, wie beispielsweise erweiterten Handlungsspielraum. Diese Ressourcen können zur Bewältigung der Arbeitsanforderungen beitragen. Trotzdem können die hohen Anforderungen an Führungskräfte ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit beeinträchtigen. Dies zeigen Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018.
Das Verhalten von Führungskräften steht im Zusammen- hang mit der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Beschäftigten.1 Wenn bei Führungskräften eine günstige Arbeits- und Gesundheitssituation vorliegt, ist eine ge- sundheitsförderliche Führung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wahrscheinlicher.2 Anhand von Daten der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 soll analysiert werden, welchen Arbeitsbedingungen, Ressourcen und gesundheitlichen Beschwerden Beschäftige mit und ohne Führungsverantwortung ausgesetzt sind. Außerdem wird betrachtet, welche Rolle die Anzahl der zu führenden Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Zusammenhang spielt. Dabei werden nur abhängig Beschäftigte in Vollzeit in die Berechnungen einbezogen (n = 13.275).
Anforderungen an Führungskräfte
Führungskräfte sind mit hohen Arbeitsanforderungen im Hinblick auf Arbeitsintensität konfrontiert (siehe Abbil- dung 1). Im Vergleich zu Beschäftigten ohne Personalver- antwortung müssen Führungskräfte häufiger sehr schnell handeln, verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen, unter starkem Termin- oder Leistungsdruck oder an der Grenze der Leistungsfähigkeit arbeiten. Außerdem kommt es bei den Führungkräften häufiger vor, dass sie bei ihrer Arbeit gestört oder unterbrochen werden. Dabei nimmt die Häufigkeit dieser Arbeitsanforderungen mit steigender Führungsspanne zu. Im Gegensatz zu Führungskräften mit ein bis zwei unterstellten Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern berichten solche mit einer Führungsspanne von mehr als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern häufiger von Multitasking (69 % vs. 84 %), starkem Termin- oder Leistungsdruck (56 % vs. 66 %), Störungen und Unter- brechungen (54 % vs. 66 %) und der Notwendigkeit sehr schnellen Arbeitens (38 % vs. 42 %).
Verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen
Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit Sehr schnell
arbeiten Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit Starker Termin- Leistungsdruckoder
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 56
70 79 69
84 47
5959 56
66 44
535460 66 32
3939 38 42 16
171821 23
Keine Führungsverantwortung (FV) FV für 5 bis 10 Mitarbeiter/-innen FV für 1 bis 2 Mitarbeiter/-innen FV für mehr als 10 Mitarbeiter/-innen FV für 3 bis 4 Mitarbeiter/-innen
Abb. 1 Häufige Arbeitsanforderungen von abhängig Beschäftig- ten mit und ohne Führungsverantwortung (in %)
Ressourcen von Führungskräften
Um hohe Anforderungen zu bewältigen, sind arbeitsbezo- gene Ressourcen wichtig (siehe Abbildung 2). Führungs- kräfte mit größerer Führungsspanne berichten etwa ein höheres Maß an Handlungsspielraum. Während 71 % der Führungskräfte mit einer Führungsspanne von ein bis zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Arbeit selbst planen und einteilen können, gelingt dies bei einer Füh- rungsspanne von mehr als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 80 % der Führungskräfte. Die beiden Grup- pen unterscheiden sich auch dahingehend, ob die Füh-
baua: Fakten Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Führungskräften 2
Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de, Internet: www.baua.de |
Autorinnen und Autor: M. Lück, H. Möller, Dr. B. Thomson, Redaktion: Dr. G. Meilicke, Gestaltung: S. Graul | doi:10.21934/baua:fakten20210927 | Oktober 2021
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Weiterführende Informationen
1 B. Thomson, C. Steidelmüller, T. Schröder, A. Wittmers, F. Pundt, C. Weber, 2020: Organisation, Führung und Gesundheit. in: baua: Bericht kompakt, 1. Auflage.
Dortmund: Verfügbar unter www.baua.de/dok/8844324 2 Stressreport Deutschland 2019. Psychische
Anforderungen, Ressourcen und Befinden 1. Auflage.
Dortmund: BAuA 2020. Verfügbar unter www.baua.de/dok/8824662
3 F. Pundt & M. Lück, 2021. Working conditions and health of leaders in three service sectors. SMR – Journal of Service Management Research, 5 (2), 103–118.
rungskräfte selbst entscheiden können, wann sie eine Ar- beitspause machen (65 % vs. 74 %) und welche Menge an Arbeit sie übernehmen (32 % vs. 39 %). Dagegen berich- ten Beschäftige mit und ohne Führungsverantwortung, und unabhängig von der Führungsspanne, in ähnlichem Umfang von sozialer Unterstützung.
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Eigene Arbeit
selbst planen und einteilen
Hilfe/Unterstützung von Kollegen/-innen Einfluss auf die Arbeitsmenge Selbst entscheiden,
wann Pause gemacht wird
Hilfe/Unterstützung vom/von der direkten Vorgesetzten
60
7980 7172
60
7374 6569
26
3940 3238
79
78798082 58
5859 5461
Keine Führungsverantwortung (FV) FV für 5 bis 10 Mitarbeiter/-innen FV für 1 bis 2 Mitarbeiter/-innen FV für mehr als 10 Mitarbeiter/-innen FV für 3 bis 4 Mitarbeiter/-innen
Abb. 2 Häufige Ressourcen von abhängig Beschäftigten mit und ohne Führungsverantwortung (in %).
Gesundheitliche Beschwerden von Führungskräften In Abbildung 3 ist die Anzahl der psychosomatischen Beschwerden in Abhängigkeit von der Häufigkeit ver- schiedener Arbeitsanforderungen von Führungskräften dargestellt. Zu psychosomatischen Beschwerden können beispielsweise Verdauungsbeschwerden, Kopfschmerzen, Erschöpfung, Müdigkeit oder Schlafstörungen zählen. Ins- besondere vermehrtes Arbeiten an der Grenze zur Leis- tungsfähigkeit geht mit psychosomatischen Beschwerden einher: 71 % der Führungskräfte, die diese Arbeitsbedin- gung häufig nennen, haben drei oder mehr Beschwerden.
Zudem weisen 53 % der Führungskräfte, die häufig unter starkem Termin- oder Leistungsdruck oder sehr schnell arbeiten müssen, drei oder mehr Beschwerden auf. Dies trifft ebenfalls auf ungefähr die Hälfte (46 % und 50 %) der führenden Personen zu, die häufig mehrere Arbei- ten gleichzeitig betreuen oder Störungen und Unterbre- chungen ausgesetzt sind. Wenn Führungskräfte dagegen manchmal, selten oder nie mit solchen Arbeitsanforde- rungen konfrontiert werden, treten weniger psychosoma- tische Beschwerden auf.
Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit Sehr schnell arbeiten
Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit Starker Termin- oder Leistungsdruck Verschiedene Arbeiten gleichzeitig betreuen
0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %
manchmal – niehäufig
manchmal – niehäufig manchmal – niehäufig manchmal – niehäufig
manchmal – niehäufig
29 25 46
38 28 34
24 23 53
41 31 28
25 24 50
38 28 33
25 23 53
35 28 37
14 15 71
35 29 36
keine Beschwerden 1–2 Beschwerden 3 und mehr Abb. 3 Psychosomatische Beschwerden von Führungskräften in Abhängigkeit davon, ob Arbeitsanforderungen häufig oder manchmal bis nie vorliegen (in %).
Fazit
Führungskräfte sind in ihrem Arbeitsalltag höheren Anfor- derungen im Hinblick auf Arbeitsintensität ausgesetzt als Beschäftigte ohne Führungsverantwortung, haben aber auch tendenziell mehr arbeitsbezogene Ressourcen. Das gilt besonders für Führungskräfte mit hoher Führungs- spanne. Bei ihnen gehen die erhöhten Anforderungen häufig trotz zusätzlicher Ressourcen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einher. Weiterführende Analysen im Dienstleistungssektor zeigen, dass je nach Wirtschafts- zweig unterschiedliche Anforderungen von Führungs- kräften berichtet werden. Der Zusammenhang von Ar- beitsbedingungen, Ressourcen und gesundheitlichen Beschwerden besteht jedoch unabhängig von den einzel- nen Dienstleistungsbranchen.3 Die Beeinträchtigungen können sich auf das Führungsverhalten auswirken und die gesunde Führung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter erschweren. Vor diesem Hintergrund sollten Unter- nehmen den Gesundheitszustand ihrer Führungskräfte als zentrale Beschäftigtengruppe in den Blick nehmen.
Zitiervorschlag:
Lück, Marcel; Möller, Helene; Thomson, Birgit, 2021. Arbeitsbedingungen und Gesundheit von Führungskräften.
baua:Fakten 40. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.