A748 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 144. April 2008
T E C H N I K
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eue Wirkstoffe auf den Gen- prüfstand zu stellen, ist das Ziel von Prof. Dr. Jürgen Borlak.Um in der Onkologie die Wechsel- wirkungen zwischen potenziellen Arzneistoffen und tumorspezifi- schen Proteinen auf der Molekül- ebene sichtbar zu machen, setzt der Direktor des Instituts für Pharmako- und Toxikogenomikforschung der Medizinischen Hochschule Hanno- ver (MHH) sowie Leiter des Fraun- hofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM; In- ternet: www.item.fraunhofer.de) auf die molekulare Bildgebung.
Ende Januar gaben das ITEM und das Unternehmen GE-Healthcare (www.gehealthcare.com) die Erwei- terung ihrer Zusammenarbeit be- kannt, um onkologische Erkrankun- gen früher als bisher diagnostizieren zu können. GE-Healthcare wird drei Jahre lang Forschungsmittel inves- tieren. Damit will die Arbeitsgruppe um Borlak mithilfe der Erbgutfor- schung die Wirksamkeit und uner- wünschte Wirkungen von Arznei- stoffen in frühen Entwicklungsstadi- en erkennen.
20 Wirkstoffe im präklinischen Test
Eingesetzt werden vor allem Immu- nonanopartikel für die Therapie von Lungen- oder Leberkrebs. Borlak hat 20 Wirkstoffkandidaten be- stimmt, die nun präklinisch getestet werden. Unter anderem werden Gen- und Proteinexpressionsanalysen ein- gesetzt, um mögliche Veränderungen der Genaktivität durch neue Substan- zen zu prüfen, sowie bildgebende Verfahren wie die Positronenemis- sionstomografie (PET) oder die Kernresonanzspektroskopie (NMR) an transgenen Mäusen. Die Hoff- nung der Forscher richtet sich auf die In-vivo-Bildgebung der molekularen
Bindung eines möglichen Wirkstoffs und seines Zielproteins in den ent- sprechenden Geweben und Organen.
Hinweise auf toxische Eigenschaften geben darüber hinaus Tests an Zell- und Organstrukturen aus menschli- chen Leberresektaten.
Nanopartikel als Trojanische Pferde
Wie beim Trojanischen Pferd brin- gen die Nanopartikel die chemothe- rapeutisch wirkenden Substanzen direkt zu den Tumorzellen, da die auf den Nanostrukturen aufgebrach- ten Antikörper die Epitope der tu- morspezifischen Proteine erkennen.
Durch die Substanzfreisetzung vor Ort (local drug delivery) können Chemotherapeutika intravenös ge- spritzt werden, ohne gesunde Kör- perzellen zu schädigen.
Borlak leitet ein Forschungsteam am Fraunhofer-ITEM und hat bun- desweit den einzigen Lehrstuhl für
Pharmako- und Toxikogenomikfor- schung an der MHH inne. Daher ist die Erforschung innovativer Metho- den für die Arzneimittelsicherheit ein weiterer Schwerpunkt seiner Ar- beiten, um die Anreicherung und Umwandlung potenzieller Arznei- stoffe im Körper bis hin zu toxi- schen Abbauprodukten bildgebend darzustellen. Borlak hebt die Wich- tigkeit der Kooperation mit dem Unternehmen hervor, da sich die Stärken von GE-Healthcare im Be- reich der Bildgebungstechnologien und molekularer Bildgebung und die Expertise des Fraunhofer-Insti- tuts in der Toxikogenomik sehr gut ergänzten.
Nach Angaben von Bernd von Pol- heim von GE-Healthcare Deutsch- land ist dies die erste wissenschaft- liche Zusammenarbeit mit einem Forschungsinstitut in der molekula-
ren Bildgebung. I
Susanne Imhoff-Hasse
MOLEKULARE BILDGEBUNG
Mit Toxikogenomik Wirksamkeit von Stoffen vorhersagen
Forschungen sollen Methoden zur Entwicklung von Krebstherapien verbessern.
Herr Prof. Borlak, wo setzen Sie künftig Ihre Schwerpunkte bei der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen GE-Healthcare?
Prof. Dr. Borlak:Wir suchen Biomarker für das therapeuti- sche Monitoring. Wir wollen die Wirkung von experimentel- len Arzneistoffen am Tumor – wie zum Beispiel dessen Verkleinerung – bildhaft zei- gen, um die Wechselwirkungen zwischen Substanz und tumorspezifischen Proteinen auf der Molekülebene besser zu verstehen.
Wie ist der Stand, um mit der Toxikogenomik die Wirksamkeit potenzieller Arzneistoffe zu erkennen?
Prof. Dr. Borlak:Wenn ich die Möglichkeit hätte, die Verteilung markierter Substanzen im Gewebe über bildgebende Ver- fahren darzustellen, wäre das ein Durchbruch. Dann könnte ich mögliche Wirkungen oder unerwünschte Arzneiwirkungen abschätzen. Denkbar wäre auch der Nachweis von Metaboliten im Urin als Signal für arzneimit- telinduzierte Leberschädigun- gen. Es wären belastbarere
Aussagen möglich als bei klini- schen Studien nach der Markt- einführung eines Medikaments.
Was ist Ihre Erwartung an die molekulare Bildgebung?
Prof. Dr. Borlak:Künftig könnte es in Richtung individualisierte Patiententherapie gehen. Wir hoffen, dass wir durch das bes- sere Verständnis auf der Molekül- ebene Kranke herausfiltern können, die von einer bestimm- ten Therapie profitieren. Und wir hoffen, dass wir Risikogruppen mit bösartigen Tumor-Vorläufer- zellen identifizieren können.