Die Verfassungsbeschwerde im zu entscheidenden Fall betraf die Frage, ob appro- bierten Ärztinnen und Ärzten nach dem vollendeten 55. Le- bensjahr der Zugang zur ver- tragsärztlichen Tätigkeit ver- sperrt werden darf, insbe- sondere um zur Kostendämp- fung im Gesundheitswesen beizutragen (§ 98 SGB V in Verbindung mit § 25 der Zu- lassungsverordnung für Ver- tragsärzte). Der Beschwer- deführer beantragte Anfang 1993, kurz vor Vollendung seines 60. Lebenjahres, die Zulassung, weil er die Fort- setzung seines Arbeitsverhält- nisses als zu belastend und als nicht mehr zumutbar emp- fand. Mit Erhalt der Zulas- sung wollte er seine Arbeit als angestellter Arzt been- den. Seine Anträge sind durch den Zulassungsausschuss und den Berufungsausschuss ab- gelehnt worden. Die Sozial- gerichte haben diese Ent- scheidung bestätigt.
Keine Verletzung der Grundrechte
Mit seiner Verfassungsbe- schwerde rügte der Arzt ei- ne Verletzung seiner Grund- rechte, nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts je- doch unbegründet. Der Ge- setzgeber darf zum Erhalt der Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung den Zugang von Ärzten, die allenfalls noch für eine re- lativ kurze Zeit tätig sein können, begrenzen. Mit der Altersgrenze verringert sich die Zahl von Ärzten, die nach Einschätzung des Ge- setzgebers in spezifischer Wei- se zu einer Gefährdung der Wirtschaftlichkeit der Ge- setzlichen Krankenversiche- rung (GKV) beitragen. Wenn Ärzte nur wenige Jahre in der Praxis bleiben, sie aber durchschnittliche Gewinne anstreben, müssen sie einen erhöhten Umsatz erzielen.
Das kann – aus Sicht der GKV – unerwünschte Men-
genausweitungen zur Folge haben. Dieser Gesichtspunkt ist nach Meinung des Bun- desverfassungsgerichts beson- ders wichtig, weil der Ver- tragsarzt zugleich Sachverwal- ter der Kassenfinanzen insge- samt ist.
Prüfung von Härtefällen Die Altersgrenze wahrt auch den Grundsatz der Verhält- nismäßigkeit. Sie ist für ei- ne Erstzulassungsgrenze sehr hoch angesetzt und liegt in einem Bereich, in dem Ar- beitnehmern vielfach schon Möglichkeiten von Altersteil- zeit oder Frühverrentung of- fen stehen. Zugangshürden, die erst so spät greifen, wir- ken in der Regel weniger be- lastend, da die Betroffenen bereits beruflich etabliert sind.
Ihnen wird durch die Vorent- haltung der Kassenarztzulas- sung keine Betätigung ver- wehrt, für die sie in ihrem langen Berufsleben besonde- re Erfahrungen gesammelt ha- ben.
Demgegenüber wiegen die öffentlichen Interessen schwer, insbesondere die an einer Si- cherung der Leistungsfähig- keit und an der finanziellen Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung. Damit ist die Regelung verhältnis- mäßig, zumal sie den Zu- lassungsgremien abweichen- de Entscheidungen ermög- licht, soweit dies zur Vermei- dung von unbilligen Härten erforderlich ist.
Vom Grundsatz der star- ren Altersgrenze kann ab- gewichen werden, weil sich individuelle Lebenswege ge- legentlich der gesetzlichen Typisierung entziehen. Zulas- sungsgremien und Fachgerich- te sind deshalb aufgerufen, bei der Prüfung eines Einzelfalls Artikel 12 Absatz 1 Grund- gesetz im Rahmen von Här- tefallentscheidungen Rech- nung zu tragen. (Bundesver- fassungsgericht, Beschluss vom 20. März 2001, Az.: 1 BvR
491/96) Be
V A R I A
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 28–29½½½½16. Juli 2001 AA1907
Vertragsärztliche Zulassung
Ausschluss für Ärzte nach dem 55. Lebensjahr rechtens
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