A 2336 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 47|
23. November 2012 Die heute gängigen Tuberkulose-Tests versa-gen bei Kindern in neun von zehn Fällen. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie der medizinischen Hilfsorganisation Ärz- te ohne Grenzen, die auf der 43. Weltkonferenz zur Lungengesundheit in Kuala Lumpur vorge- stellt wurde. Bessere Diagnostika, die speziell für Kinder in Entwicklungsländern zur Anwen- dung kommen können, werden dringend benö- tigt. Denn das Alter spielt eine entscheidende Rolle für das Risiko, dass eine Tbc-Infektion zu einer Erkrankung führt. Vor allem Säuglinge und Kleinkinder (< 5 Jahre) sind gefährdet für eine schnell fortschreitende, disseminierte und extrapulmonale Tbc-Erkrankung.
Im Rahmen der Studie wurden über einen Zeitraum von drei Jahren in 13 Projekten von Ärzte ohne Grenzen in sechs Ländern Daten von insgesamt 2 451 Kindern mit Tuberkulose
erhoben. Nur 6,4 Prozent der Tbc-Fälle konn- ten mit der mikroskopischen Sputumuntersu- chung, der heute am häufigsten verwendeten diagnostischen Methode, nachgewiesen wer- den. „Man kann davon ausgehen, dass viele Kinder durch das Raster fallen, schlicht weil die Krankheit nicht diagnostiziert wird. Dies führt zu unnötigen Todesfällen und Ansteckun- gen“, sagte Dr. Philipp du Cros, Tuberkulose- Experte von Ärzte ohne Grenzen. „Bezeichnend für diese traurige Realität ist, dass es bis letz- ten Monat kaum Daten zur globalen Verbrei- tung von Tuberkulose bei Kindern gab.“
Die Erkennungsrate von Tuberkulose bei Kindern ist so niedrig, weil Tbc bei ihnen zum einen häufig extrapulmonal auftritt und zum anderen im Sputum von Kindern häufig nur geringe Konzentrationen von Bakterien enthal- ten sind. Außerdem ist die Gewinnung von
Sputum bei Kindern sehr schwierig. „Ärzte und Krankenschwestern sind gezwungen, invasive und schmerzvolle Maßnahmen anzuwenden“, erklärte Dr. Martina Casenghi, Spezialistin für Tuberkulose-Diagnostik bei Ärzte ohne Gren- zen. „So muss Dampf in die Lungen eingeleitet werden, um die Kinder zum Abhusten von Sputum zu bringen, oder es muss Sputum aus dem Magen abgesaugt werden.“
„Es muss dringend ein Tuberkulose-Test speziell für Kinder entwickelt werden, der nicht auf der Analyse von Sputum beruht, son- dern auf Proben wie Blut, Urin oder Stuhl, die leichter entnommen werden können“, sagt Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medika- mentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Hier ist auch die Bundesregie- rung gefragt, entsprechende Forschungen
stärker zu unterstützen.“ EB
HERKÖMMLICHE TUBERKULOSE-TESTS VERSAGEN BEI KINDERN
Nach der Reform des unter Kor- ruptionsverdacht geratenen Globa- len Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria hat Deutschland nun weitere Mittel freigegeben. Bundesentwicklungs- minister Dirk Niebel (FDP) sagte die nächste Zahlung in Höhe von 100 Millionen Euro zu. Mit einem Gesamtbeitrag von 200 Millionen Euro in diesem Jahr ist Deutsch- land wieder drittgrößter Zahler an diesen Fonds.
GLOBALER FONDS
Deutschland gibt 100 Millionen Euro
Nachdem Vertreter des Fonds un- ter Korruptionsverdacht geraten wa- ren, hatte Deutschland die Zahlun- gen ausgesetzt. Im Rahmen des ein- geforderten Reformprozesses wurde ein neuer Exekutivdirektor bestallt und das Vergabeverfahren neu gere- gelt. Ab Februar 2013 soll der ehe- malige Leiter des amerikanischen Aids-Programms PEPFAR (Presi- dent’s Emergency Plan for Aids Relief), Mark Dybul, die Leitung des Fonds in Genf übernehmen. zyl Obwohl die chilenische Justiz die
Ermittlungen gegen Hartmut Hopp, den ehemaligen Arzt der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad, eingestellt hat, läuft das Verfahren in Deutschland weiter. Der Krefel- der Oberstaatsanwalt Klaus Schrei- ber bestätigte, dass 20 mutmaßliche Opfer des Arztes vernommen wur- den. Damit droht dem 68-jährigen nach wie vor eine Verurteilung. In Chile war ein paralleles Verfahren eingestellt worden, weil Deutsch- land deutsche Staatsbürger grund- sätzlich nicht ausliefert und ein ent- sprechendes Gesuch negativ be- schieden hat.
COLONIA DIGNIDAD
Ermittlungen gegen Sektenarzt dauern an
Der von Interpol gesuchte Hopp hatte sich 2011 nach Deutschland abgesetzt. Er entzog sich damit einer drohenden Haftstrafe in Chile wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch. Hopp wird vorgewor- fen, Bewohner der Sektensiedlung über Jahre mit Psychopharmaka und anderen Medikamenten gefü- gig gemacht zu haben. Zudem soll er an der Ermordung von mindes- tens drei Widerstandskämpfern ge-
gen die Militärdiktatur von Augusto Pinochet beteiligt gewesen sein.
Die Ermittlungen dauern Ober- staatsanwalt Schreiber zufolge an.
Der zeitliche Abstand zu den mut- maßlichen Verbrechen und die man- gelnde Auskunftsbereitschaft der chilenischen Behörden erschwerten die Arbeit. Die Aufnahme von Aus- sagen in Deutschland sei schwierig, weil die Zeugen zum Teil trauma -
tisiert seien. hneu
Gegen den Arzt der „Colonia Dignidad“ ermit-
telt die Krefelder Staatsanwaltschaft.
Foto: dpa