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Archiv "Heimliche Vaterschaftstests: Unethisch und bedenklich" (21.01.2005)

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xtennisstar Boris Becker hat einen gemacht und Fußballwunder Diego Maradona auch. Vaterschaftstests haben Hochkonjunktur – nicht nur bei Superreichen. Seitdem so genannte Test-Kits für wenige Hundert Euro auch im Internet zu haben sind, schicken im- mer mehr zweifelnde Väter Speichel- proben, Babyzahnbürsten oder Haar- wurzeln zur Begutachtung der DNA an entsprechende Diagnostik-Institute.

Fünf bis zehn Prozent der bei den Laboren eingehenden Proben werden nach Branchenangaben heimlich einge- holt. Dem will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nun einen Rie- gel vorschieben. „Wir verbieten im Strafgesetzbuch, dass jemand die Post eines anderen liest – da können wir doch nicht erlauben, dass jemand das genetische Material einer anderen Per- son illegal durchforstet“, meint Zypries.

Schließlich gebe es ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Nach einem Entwurf des Gendia- gnostikgesetzes, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, müssen neben dem Vater auch die Mutter und das Kind – soweit es einwilligungsfähig ist – einer Genanalyse zustimmen. Geschieht dies nicht, drohen bis zu einem Jahr Gefäng- nis, kündigte Zypries an und sorgte da- mit für eine kontroverse Diskussion.

„Mit einem solchen Gesetz würde die Regierung unnötigerweise Väter kriminalisieren, die von Zweifeln an ih- rer Vaterschaft geplagt sind“, meint Henriette Tewes, Geschäftsführerin des Genlabors „Papacheck“ in Geesthacht.

Unterstützt wird Zypries’ Vorstoß in- des von vielen Rechtsmedizinern, unter anderem von Prof. Dr. med. Dieter Krause, Präsident der Deutschen Ge- sellschaft für Abstammungsbegutach- tung: „Heimliche Vaterschaftstests sind unethisch, unsittlich, verfassungsbe-

denklich und müssen verboten wer- den.“ Niemand dürfe genetisch ausge- forscht werden – auch kein Kind. „Nur mit einem grundsätzlichen Verbot der heimlichen genetischen Ausforschung kann dem ,gläsernen Menschen‘ entge- gengewirkt werden“, meint der Rechts- mediziner der Universität Magdeburg.

Denn mit dem Material könne weit mehr als nur die biologische Vaterschaft eines Kindes bestimmt werden.

Doch nicht nur ethische Aspekte hal- ten Abstammungsgutachter von heimli- chen Tests ab. „Zu unsicher sind die prä- analytischen Bedingungen“, sagt Prof.

Dr. rer. nat. Peter M. Schneider, Foren- sischer Genetiker an der Universität Köln. Es sei weder nachvollziehbar, ob der Einsender die Probe korrekt ent- nommen hat, noch ob die Probe über- haupt von dem zu testenden Kind stammt.

Aggressive Werbung

Medizinisch beruht der Vaterschaftstest auf der DNA-Analyse einer Gense- quenz, die größtenteils aus short tandem repeats (STR, Mikrosatelliten) besteht, die keine Genprodukte kodieren. Im menschlichen Genom existieren Tau- sende STR-Loci, von denen derzeit et- wa 30 hochgradig validiert sind. Ent- sprechend den Richtlinien der Bundes- ärztekammer und des Robert Koch- Instituts von 2002 sollten für einen Vaterschaftstest mindestens zwölf Loci auf zehn verschiedenen Chromosomen untersucht werden. Drei oder mehr Ausschlusskonstellationen erlauben die Aussage (99,99 Prozent), dass der Mann nicht der biologische Vater ist.

Tests-Kits kann man auch über Apo- theken oder das Internet beziehen.

Alarmiert durch vage Schätzungen,

nach denen in Deutschland jedes zehnte Baby als „Kuckuckskind“ zur Welt kä- me, geben die Deutschen jährlich 40 000 bis 50 000 Tests in Auftrag; davon schät- zungsweise 10 000 als heimliche Gut- achten. Werbung in U-Bahnen, auf Lit- faßsäulen, aber auch TV-Spektakel, bei denen Kandidaten vor laufender Kame- ra die Herkunft ihres Nachwuchses te- sten lassen, heizen den Boom weiter an.

Studien, die die tatsächliche Zahl der

„Kuckuckskinder“ belegen, gibt es je- doch nicht. Schätzungen von Experten liegen bei weitem unter den derzeit kursierenden Angaben. „Nach unseren Hochrechnungen ist maximal jedes 20.

Kind betroffen“, sagt Krause.

Für die Wahl eines Sachverständigen für Abstammungsbegutachtung emp- fiehlt Krause, der gleichzeitig als Vorsit- zender der „Kommission zur Feststel- lung der Qualifikation von Abstam- mungsgutachtern“* tätig ist, auf die Qualitätskriterien zu achten. Die Ein- haltung der Richtlinien werde oft ver- schleiert dargestellt, indem private La- bore eigene „Richtlinien“ erstellten.

Doch auch wenn die Qualität der Be- gutachtung von heimlich entnommenen Proben den Normen entspricht, war bis- lang unklar, ob die Tests auch vor Ge- richt verwertbar sind. So entschied das Landgericht München I im Juli 2003, dass unverheiratete Männer die Ab- stammung eines Babys ohne Wissen der Mutter überprüfen lassen dürfen (Az:

17HK0 344/03). Die Oberlandesgerich- te Jena und Celle wiesen dagegen auf heimliche Vaterschaftstests gestützte P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 3⏐⏐21. Januar 2005 AA89

Heimliche Vaterschaftstests

Unethisch und bedenklich

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries will heimlich vorgenommene Vaterschaftstests unter Strafe stellen und

stößt bei Rechtsmedizinern auf Zustimmung.

* Der Kommission zur Feststellung der Qualifikation von Abstammungsgutachtern obliegt gemäß den Richtlinien der Bundesärztekammer und dem Robert Koch-Institut (DÄ, Heft 10/2002) die Prüfung der Qualifikation von Sach- verständigen sowie des nachzuweisenden Qualitätsma- nagement-Systems nach Ziffern 3 und 5 der Richtlinien. Sie vergibt ein geschütztes Qualitätssiegel. www.kfqa.de

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Vaterschaftsanfechtungsklagen ab. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.

Januar schafft nun Klarheit: Heimliche DNA-Vaterschaftschaftsanalysen sind vor Gericht unzulässig. Der für das Fa- milienrecht zuständige XII. Zivilsenat entschied, dass die Untersuchung des genetischen Materials eines anderen Menschen ohne dessen Zustimmung gegen das Grundrecht auf informatio- nelle Selbstbestimmung verstößt und rechtswidrig ist. Dieses Grundrecht des Kindes brauche auch nicht hinter dem Interesse des Mannes zurückzustehen, sich Gewissheit über seine biologische Vaterschaft zu verschaffen.

Sollte es tatsächlich zu einem grund- sätzlichen Verbot heimlicher Tests kom- men, stellt sich die Frage der juristi- schen Verwertbarkeit ohnehin nicht mehr. Allerdings ist fraglich, ob die Plä- ne von Ministerin Zypries in der jetzi- gen Form Gesetz werden. Führende Grünen-Politiker reagierten brüskiert über den nicht abgesprochenen Vor- stoß: Durch die offene Anfechtung der Vaterschaft vor Gericht, der einzigen Alternative zum heimlichen Test, würde den Familien geschadet, erklärte die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckhardt.

Rechtsmediziner Krause verweist je- doch darauf, dass jeder Vater auch nach Gültigkeit des Gendiagnostikgesetzes die Chance habe, seine biologische Va- terschaft privat und ohne Gerichtsver- fahren kontrollieren zu lassen. „Näm- lich dann, wenn der Test in Abstimmung mit der Mutter erfolgt.“ Dieser Fakt werde häufig von Politikern unterschla- gen, um Wählerstimmen zu gewinnen, meint der Abstammungsgutachter.

Zudem gibt es nach Einschätzung des Kölner Genetikers Schneider eine Vielzahl von Alternativen zu der ge- planten gesetzlichen Regelung. Eheli- che Väter mit Sorgerecht sollten seiner Ansicht nach das Recht erhalten, sich mit dem Kind in einem seriösen Institut ohne Zustimmung der Mutter rechts- gültig testen zu lassen. Nichteheliche Väter sollten vor der Anerkennung der Vaterschaft über die Möglichkeit eines Tests informiert werden, meint Schnei- der. Mütter würden in dieser Situation einen Test kaum verweigern, um Zwei- fel an der Vaterschaft auszuräumen.

Samir Rabbata, Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann

P O L I T I K

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A90 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 3⏐⏐21. Januar 2005

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n den Universitätskliniken rumort es weiter: Am 17. Dezember de- monstrierten fast 1 000 Ärzte und Pfleger des Klinikums der Philipps-Uni- versität Marburg gegen die vom Land Hessen als Arbeitgeber verordneten Ein- kommenseinbußen und Arbeitszeitver- längerungen sowie einen drohenden Stellenabbau. Erst am 11. Oktober waren 1 000 Ärzte der vier baden-württember- gischen Universitätskliniken in Stuttgart auf die Straße gegangen, um gegen einen ähnlichen „Lohnraub“ zu protestieren.

Am 3. September hatte eine Stellenzeige von 270 Ärzten der Berliner Charité im Deutschen Ärzteblatt Aufsehen erregt.

Die Inserenten gaben an, wegen schlech- terer Arbeitsbedingungen infolge neuer Tarifverträge andere Jobs zu suchen.

Zur Demonstration in Marburg aufge- rufen hatte eine Arbeitsgruppe von Ärz- ten und Pflegern, die sich „Kliniker ge- gen die 42-Stunden-Woche“ (KG42) nennt. Diese hatte sich formiert, nach- dem das Land Hessen zum 1. April 2004 zunächst aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten war und zum 1. Au- gust wichtige Tarifregelungen für die Angestellten im öffentlichen Dienst gekündigt hatte. Neue Angestellte im öffentlichen Dienst und jene, die ihre Ar- beitsverträge verlängern, müssen seit- dem 42 Stunden wöchentlich arbeiten – ohne dass sie dafür mehr verdienen als ihre Kollegen mit den Altverträgen (in- klusive 38,5-Stunden-Woche). Neben der längeren Arbeitszeit ohne Lohnaus- gleich müssen die Betroffenen auch den Wegfall des Urlaubsgeldes und die Kür- zung des Weihnachtsgeldes hinnehmen.

Da viele Ärzte befristete Arbeitsverträge abgeschlossen haben, sind sie von den Maßnahmen besonders betroffen. Ein weiteres Problem: Es wird weniger Be- reitschaftsdienstzeit vergütet, wenn sich die reguläre Arbeitszeit verlängert.

Dr. med. Elmar Lindhorst, Vorstands- mitglied des Marburger Bundes (MB) Landesverband Hessen, erläuterte den Demonstranten für die KG42 die Forde- rungen an die Landesregierung. Dazu zählen der Erhalt der 38,5-Stunden- Woche sowie des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes, die Vergütung sämtlicher Arbeitsleistungen, den Abschluss langfri- stiger Verträge, die generelle Genehmi- gung von Nebentätigkeiten, definierte Zeiträume für Forschung und Lehre so- wie eine bessere Förderung der Qualifi- zierung von Ärzten durch Weiterbil- dungscurricula und Fortbildungskurse.

Wichtiges Ziel der Initiative sei die Organisation einer lückenlosen Über- stundendokumentation beim ärztlichen Personal, betonte KG42-Sprecher Dr.

med. Thorsten Steinfeldt gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Dazu gebe es bald eine Vollversammlung. Bei den anstehenden Veränderungen für die

Universitätsklinik, wie der Fusion mit der Universitätsklinik Gießen und der späteren Privatisierung, werde die Ar- beitsgruppe dann zusammen mit dem MB, ver.di und dem Personalrat gegen drohende weitere Einschnitte für die Ärzte und Pfleger kämpfen.

Nach ersten positiven Erfahrungen in Hessen und Baden-Württemberg will der MB die Zusammenarbeit mit den As- sistentensprechern zu einem bundeswei- ten Netzwerk ausweiten. Ziel ist der In- formationsaustausch und die Koordina- tion von Aktionen, sagte MB-Sprecher Athanasios Drougias. Kontakt: Marbur- ger Bund, Referat Tarifpolitik, E-Mail:

tarifpolitik@marburger-bund.de, Fax:

02 21/9 73 16 78. Jens Flintrop

Marburger Universitätsärzte

Protest gegen Lohneinschnitte

Bundesweites Netzwerk der Assistentensprecher angeregt

Ärzte und Pfleger demonstrierten in Marburg gegen längere Arbeitszeiten und Einkom- menseinbußen.

Foto:Fotoagentur BROWA

Referenzen

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