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Archiv "Mit verhaltenem Schwung aufwärts" (02.12.1994)

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POLITIK

gab, hatte mit der ernsthaften Sorge zu tun, es könnten bei den Behan- delten Hemmkörperhämophilien auftreten. So bestätigte ein Mitar- beiter der Behring-Werke dem Aus- schuß: „Dieser Verdacht (der ver- mehrten Entwicklung von Hemm- körpern unter Faktor VIII-HS), der durchaus nachzuvollziehen ist, wur- de von medizinischer Seite immer wieder uns vorgehalten, die Angst vor Unverträglichkeit."

An einigen Stellen geht der Be- richt auch auf den Aspekt „Mel- dung unerwünschter Arzneimittel- wirkungen" ein. So sei im Jahr 1983

„das ohnehin bekannt schlechte Meldeverhalten zahlreicher Ärzte im Fall von AIDS noch dadurch be- einträchtigt gewesen, daß das Krankheitsbild AIDS in Deutsch- land den behandelnden Ärzten noch weitgehend unbekannt war und die notwendige Diagnostik nur an wenigen Stellen durchgeführt wurde".

Teilweise ratlos waren nach Angaben von Zeugen vor dem Un- tersuchungsausschuß durchaus zu- nächst auch Hämatologen. Viele Äußerungen von ihnen aus dieser Zeit legten nahe, „daß dieser Teil der Ärzteschaft bewußt oder unbe- wußt konkrete Hinweise für die AIDS-Gefährdung seiner Patienten zu diesem Zeitpunkt nicht wahr- nahm".

Andere gefährdet Für die mittleren 80er Jahre wird in dem Bericht kritisiert, daß die Hämophilie-Behandler ihre Pa- tienten zwar aufklärten, jedoch teil- weise in Widerspruch zu dem da- mals bereits vorhandenen Erkennt- nisstand. Dennoch konzidiert der Ausschuß, daß seinerzeit manches aus der Sorge heraus geschah, die Patienten nicht — vermeintlich unnötig — zu beunruhigen. Eine Fol- ge davon war allerdings, daß Hämo- phile teilweise einem HIV-Test un- terzogen wurden, ohne daß man sie informierte, oder daß ihnen das Er- gebnis gewisse Zeit vorenthalten wurde — mit der Konsequenz, daß sie andere Menschen unwissentlich infizierten. Sabine Dauth

AKTUELL

D

ie von der Auslandsnachfrage ausgehenden Impulse haben die konjunkturelle Wende herbeigeführt. Amerika war dies- mal die Konjunkturlokomotive.

Aber auch in den aufstrebenden Ländern in Südostasien wächst die Wirtschaft weiter kräftig. In fast al- len wichtigen Industrieländern er- holt sich die Konjunktur sichtbar.

Die wirtschaftswissenschaftli- chen Forschungsinstitute und der Sachverständigenrat zur Begutach- tung der gesamtwirtschaftlichen La- ge sind sich einig: Das Bruttoin- landsprodukt wird im nächsten Jahr in Deutschland real um etwa drei Prozent steigen. Für Ostdeutsch- land wird eine reale Wachstumsrate von 8,5 bis 9 Prozent, für West- deutschland von 2,5 Prozent vor- ausgesagt. Der Osten holt also auf;

der Abstand bleibt allerdings groß, vor allem bei der Produktivität.

Dennoch: Der Sachverständigenrat spricht davon, daß es 1995 mit ver- haltenem Schwung weiter aufwärts gehe. Die Fakten sprechen dafür, daß diese Einschätzung richtig ist.

Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute sehen das ähnlich. In ihrem Herbstgutachten schreiben sie, daß sich das konjunkturelle Grundmuster trotz des ökonomi- schen Schocks der deutschen Ein- heit und der Standortprobleme nicht wesentlich von früheren Zy- klen unterscheide. Die jüngste Ver- stärkung der konjunkturellen Dy- namik sei daher auch nicht überra- schend gekommen. Besondere Be- deutung messen die Institute der Tatsache bei, daß sich die Investi- tionsneigung spürbar verstärkt ha- be.

Für die weitere konjunkturelle Entwicklung sehen die Institute aber auch Risiken. So könne der Anstieg der Kapitalmarktzinsen um

fast zwei Prozentpunkte die Investi- tionsneigung dämpfen. Mit einem Abbruch des Investitionsauf- schwungs wird jedoch nicht gerech- net. Die für 1995 beschlossenen massiven Abgabenerhöhungen würden die konjunkturelle Expan- sion von Nachfrage und Produktion zwar nur vorübergehend dämpfen, heißt es in dem Gutachten der Insti- tute, auf mittlere Sicht werde die Entwicklung aber nachhaltig beein- trächtigt.

Der Sachverständigenrat und die Institute werten übereinstim- mend die Lage auf dem Arbeits- markt als die größte Herausforde- rung für die Wirtschaftspolitik. Der Beschäftigungsstand werde am Jah- resende mit rund 28,6 Millionen Er- werbstätigen wohl den Tiefpunkt im Konjunkturzyklus erreicht ha- ben. Das sind knapp eine Million Erwerbstätiger weniger als Anfang 1992. Beschäftigungsverluste seien vor allem in der Industrie zu ver- zeichnen. Im produzierenden Ge- werbe seien im Zuge der Rezession mehr als eine Million Arbeitsplätze verloren gegangen. Trotz der Stabi- lisierung am Arbeitsmarkt werde es in Westdeutschland Ende des Jah- res mit 2,5 Millionen Personen aber immer noch mehr Arbeitslose als ein Jahr zuvor geben. Anlaß zur Be- sorgnis sieht der Sachverständigen- rat vor allem durch den wachsen- den Anteil der Langzeitarbeitslo- sen.

Die Geldpolitik der Bundes- bank wird vom Sachverständigenrat als zu expansiv gewertet. Er teilt al- so nicht die Ansicht vieler Politiker, vor allem aus den Reihen der Op- position, daß die Bundesbank die Leitzinsen hätte rascher und nach- haltiger senken sollen. Zwar sei die Preisrate in Westdeutschland auf et- wa drei Prozent zurückgegangen, in

Mit verhaltenem Schwung aufwärts

Die Rezession ist früher überwunden worden, als die Pessimisten erwarteten. Seit dem Frühsommer geht es wieder aufwärts. 1995 dürfte das reale Wachstum bei drei Prozent liegen. Arbeitslosigkeit und Preisrate bleiben hoch.

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 48, 2. Dezember 1994 (17) A-3325

(2)

Prognose des Sachverständigenrates (in Prozent gegenüber dem Vorjahr) Westdeutschland Ostdeutschland

(in Preisen von 1991)

1994 1995 1994 1995

Bruttoinlandsprodukt + 2 Privater Verbrauch + 1 Staatsverbrauch 0 Investitionen — 0,5 B auinvestitionen + 3,5

Ausfuhr + 7

Einfuhr + 6,5

Verfügbares

Einkommen + 3

Bruttolohn- und

Gehaltssumme + 0,5 Verbraucherpreise + 2,5

+ 2,5 9,5

+ 1,5 4

+ 1 2,5

+ 8,5 8

+ 2 21

+ 6 16,5

+ 5 9

+ 3,5 + 7

+ 3 + 8,5

+ 2,5 + 3,5

• 9

• 3,5 0 + 9 + 18,5 + 18 + 7 + 6,5 + 7 + 3 (in Millionen)

Arbeitslose 2,6 2,5 1,2 1,1

Verdeckt Arbeitslose 0,58 0,54 1,2 1

POLITIK

Ostdeutschland liege die Rate der Geldentwertung kaum höher. Die expansive Geldpolitik könne jedoch Inflationserwartungen geweckt ha- ben, die sich in der Form einer er- höhten Inflationsrate in den langfri- stigen Zinsen niederschlügen. Die monetäre Expansion verheiße für die mittelfristige Entwicklung der Preise nichts Gutes, meint der Sach- verständigenrat, der unterstellt, daß die Bundesbank an ihrer Geldpoli- tik festhält.

Die Aufgaben der Wirtschafts- politik formuliert der Sachverstän- digenrat wie folgt: die deutsche Wirtschaft müsse bei stabilem Geld- wert zu einem stetigen, angemesse- nen und auch umweltverträglichen Wachstum finden, die Arbeitslosig- keit müsse in beiden Teilen Deutschlands deutlich und dauer- haft reduziert werden, der Abstand

in der Produktivität zwischen neuen und alten Bundesländern müsse ste- tig abgebaut werden. Mit der Verfe- stigung der Dauerarbeitslosigkeit werde man nur fertig, wenn auf län- gere Sicht eine konsequent beschäf- tigungsorientierte Lohnpolitik be- trieben werde. Das bedeutet, daß bei den Tarifvereinbarungen weder der Produktivitätsfortschritt noch der zu erwartende Preisauftrieb in voller Höhe berücksichtigt werden

AKTUELL

sollte. In den neuen Ländern sollten die Lohnerhöhungen nicht über das hinausgehen, was in Westdeutsch- land vereinbart werde. Das sei zu- mutbar, nachdem sich die Preisra- ten angeglichen hätten.

Sachverständigenrat und die Institute sprechen sich dafür aus, die Konsolidierungspolitik fortzu- führen. Ziel ist es, die Staatsquote und die Abgabenquote wieder auf den Stand vor der Wiedervereini- gung zurückzuführen. Die Ökono- men plädieren also dafür, von der quantitativen zur qualitativen Kon- solidierung überzugehen. Bislang ist die Konsolidierung des Staats- haushalts ganz überwiegend durch Abgabenerhöhungen betrieben worden; künftig sei einer restrikti- ven Ausgabenpolitik und dem Ab- bau von Subventionen Vorrang zu geben. Die Koalition hat sich zwar

auf dieselben Ziele festgelegt, aber das politische Risiko gescheut, für den Abbau der Staats- und der Ab- gabenquote einen verbindlichen Zeitplan vorzugeben. Der Sachver- ständigenrat und die Forschungsin- stitute setzen für die Abgabenpoli- tik unterschiedliche Akzente. Die Institute geben der Senkung der Abgaben Priorität, um die Konsoli- dierung durch einen verstärkten Wachstumsschub zu erleichtern.

Die Vorteile einer raschen Senkung der Steuern und sonstiger Abgaben wären erheblich größer als die Vor- teile, die die schnelle Rückführung des Budgetdefizits über die Er- höhung der Abgaben verspreche, heißt es im Herbstgutachten der In- stitute.

Der Sachverständigenrat wünscht erst Fortschritte bei der Konsolidierung; der Abbau des So- lidarzuschlags, der am 1. Januar ein- geführt wird, könne dann folgen.

Dafür werden drei Stufen vorge- schlagen: 1996 könne der Satz von 7,5 Prozent der Steuerschuld auf 5 Prozent, 1997 auf 2,5 Prozent er- mäßigt und dann 1998 der Steuerzu- schlag ganz aufgehoben werden. Fi- nanzminister Waigel widersetzt sich einem solchen Stufenplan, der der Politik einen knallharten Konsoli- dierungskurs abverlangen würde.

Mittelfristig sollte, so die Sach- verständigen, der Spitzensatz der Einkommensteuer an den inzwi- schen auf 45 Prozent gesenkten Thesaurierungssatz der Körper- schaftsteuer herangeführt werden.

Wenig spricht dafür, daß sich die Koalition oder die SPD eine solche der ökonomischen Vernunft ent- sprechende Finanzpolitik zu eigen machen wird.

Der Sozialpolitik wird vom Sachverständigenrat die Aufgabe zugewiesen, die aus den beitragsfi- nanzierten Systemen resultierende Beitragsbelastung in Grenzen zu halten, zugleich aber zu gewährlei- sten, daß sie ihre Funktion der Ab- sicherung gegen bestimmte Risiken und in bestimmten Lebenslagen ef- fizient erfüllen. Der Rat wiederholt seine Kritik am Gesundheitsstruk- turgesetz. Eine Politik der admini- strativen Ausgabenbegrenzung sei der Problemlage nicht angemessen.

Inzwischen zeige sich, daß die im GSG vorgesehenen Maßnahmen zur Kostendämpfung bereits an die Grenzen ihrer Wirksamkeit stießen.

Eine grundlegende Reform sei dringlicher denn je. Zur Pflegever- sicherung heißt es, daß mit deren Einführung die Chance vertan wor- den sei, neue Wege zu gehen.Schon bald werde man auf administrative Aktionen zur Dämpfung der Aus- gaben angewiesen sein. wst

A-3326 (18) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 48, 2. Dezember 1994

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