Produktivität. 3) Wie in der ambu- lanten Versorgung sollen NUB auch in den Krankenhäusern erst dann flächendeckend zulasten der GKV eingeführt werden dürfen, wenn de- ren Nutzen explizit belegt wurde.
„Die ständig wiederholte Forde- rung der Kassen nach Kürzungen bei den Krankenhäusern ändert nichts daran, dass diese nach wie vor unterfinanziert sind“, kommen- tierte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, die Vorschlä- ge. Mindestens jedes fünfte Kran- kenhaus schreibe rote Zahlen. So- weit Krankenhäuser ausgeglichene Ergebnisse erreichten, sei dies das Ergebnis von rigiden Sparmaßnah- men, unter denen häufig die Mitar- beiter zu leiden hätten – etwa in Notlagentarifverträgen.
Die Einführung von Selektivver- trägen würde den Wettbewerb zwi- schen den Kliniken zweifellos wei- ter verschärfen. Daher ist es sicher nicht auszuschließen, dass sich auch Minister Rösler für diese Idee erwärmen kann; versteht sich doch die FDP als wettbewerbsorientierte Partei. DKG-Hauptgeschäftsführer Baum warnte eindringlich davor.
„Wenn die Kassen die Patienten- ströme in die Krankenhäuser steu- ern, wird die Wahlfreiheit der Patienten eingeschränkt und die Krankenhausplanung der Länder ausgehöhlt“, betonte er Anfang De- zember bei einer Tagung des Bun- desverbandes Medizintechnologie.
Ihm bereitet zudem Sorgen, dass die Marktmacht einiger Kassen in- zwischen so groß ist, dass diese in Einzelverträgen ruinöse Preise ab- verlangen könnten.
Selektivverträge mit Kranken- häusern sollten keinesfalls nur hel- fen, Preise zu drücken, erklärte da- gegen GKV-Repräsentantin Pfeif- fer bei einer Veranstaltung der Krankenhausgesellschaft Nordrhein- Westfalen: „Wir wollen die Versor- gung der Versicherten in Ballungs- gebieten auf ausgewählte Vertrags- partner konzentrieren.“ Natürlich müsse bei der Neujustierung darauf geachtet werden, dass Qualitätsin- dikatoren verpflichtend Gegenstand der Verträge würden. ■ Jens Flintrop, Sabine Rieser
E
s gibt Themen, die eignen sich ideal, um für Aufregung zu sor- gen. EU-Industriekommissar Günter Verheugen wäre kein Politprofi, wenn er dies nicht wüsste. Genau auf diese Karte hatte der SPD-Politiker offenbar gesetzt, als er kürzlich mit seinen Äu- ßerungen zum angeblich „besorgnis- erregenden“ Anstieg von Arzneimittel- fälschungen für Schlagzeilen sorgte.Innerhalb von nur zwei Monaten hätten die europäischen Zollbehörden 34 Millionen gefälschte Präparate si- chergestellt, so Verheugen. Dies habe
„alle Befürchtungen übertroffen“. Der voraussichtlich im Februar 2010 aus seinem Amt scheidende EU-Kommis- sar bezeichnete das Herstellen der Plagiate als „Kapitalverbrechen“ und
„versuchten Massenmord“. Die EU müsse angesichts dieser Entwicklung dringend handeln.
Die Medien griffen das Thema be- gierig auf, und Verheugen konnte sich – zumindest kurzfristig – seiner öf- fentlichen Bedeutung sicher sein. Was allerdings wie eine gute Tat für Euro- pas Patienten aussah, entpuppte sich bei näherer Betrachtung als Marketing in eigener Sache. Das Bedrohungs- szenario fußte nämlich mitnichten auf aktuellen Zahlen. Die EU-Kommission hatte vielmehr bereits im Dezember 2008 mitgeteilt, dass die europäischen Zollbehörden im Rahmen einer zwei Monate dauernden koordinierten Akti- on 34 Millionen illegale Medikamente sichergestellt hätten. Verheugen hat folglich mit nachweislich alten Daten Alarm geschlagen.
Was also sollte der ganze Popanz?
Panikmache scheint jedenfalls mit Blick auf Europa fehl am Platze. Zwar lässt sich nicht wegdiskutieren, dass Arzneimittelfälschungen ein Verbre- chen darstellen, das hart bestraft wer- den muss. Hierfür angesichts offener
Grenzen einheitliche europäische Vor- schriften zu finden, macht Sinn. Den- noch sind Arzneimittelfälschungen nach wie vor vor allem für Entwick- lungsländer wegen fehlender oder un- zureichender Kontrollen ein Problem.
Wer sich in Europa an die legalen Ver- triebswege (zertifizierter Versandhan- del oder Apotheken) hält, hat bislang in der Regel nichts zu befürchten.
Wichtig wäre es daher, in erster Li- nie das Bewusstsein für die Gefahren zu schärfen, die beim Bezug von Arz- neimitteln aus dubiosen Quellen dro-
hen. Hier sind auch die Ärzte gefragt, für Aufklärung zu sorgen. Verheugen jedoch ist es offensichtlich vor allem darum gegangen, vor seinem Abgang aus Brüssel frischen Schwung in die Diskussion um die Reform des euro- päischen Arzneimittelrechts zu brin- gen, um zu retten, was zu retten ist.
Denn das sogenannte Pharmapaket, das mehrere Vorschläge zur Regelung der Arzneimittelsicherheit in der EU beinhaltet, steckt seit geraumer Zeit im Gesetzgebungsprozess fest.
Viele Europaabgeordnete haben bereits signalisiert, dass sie Verheu- gens Vorschläge insbesondere zur Lo- ckerung des Informationsverbots über verschreibungspflichtige Medikamente und zur Bekämpfung von Arzneimittel- fälschungen nicht unverändert passie- ren lassen. Hinzu kommt, dass das Arzneimittelrecht in der neuen EU- Kommission vom Industrie- zum Ge- sundheitskommissar wandert. Sollte der designierte Gesundheitskommis- sar John Dalli die Pläne Verheugens ebenso kritisch beurteilen wie seine Vorgängerin Androulla Vassiliou könn- te es sein, dass das Paket komplett neu geschnürt wird. Verheugen wäre dann zwar nicht mehr im Amt. Ein gu- tes Licht würde dies aber auch rück- blickend nicht auf ihn werfen. ■
KOMMENTAR
Petra Spielberg, Journalistin
ARZNEIMITTELFÄLSCHUNGEN
Durchsichtige Taktik
A 2536 Deutsches Ärzteblatt