Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Ein Auslandsstudium schreckt viele potentielle Medizinstudenten ab.
Dabei ist gerade ein Auslandsstu- dium für den, der die nicht zu über- sehenden Anstrengungen eines Auf enthalts und Studiums im Ausland auf sich nimmt, eine reelle Chance, in Deutschland doch noch das er- wünschte Fach zu studieren.
Belgien war bisher das meistge- wählte Land für abgewiesene deut- sche Medizinbewerber. Es gab lange Zeit keine Zulassungsbeschränkun- gen. Da der Andrang zu den medizi- nischen Fachrichtungen besonders stark spürbar ist, muß in Zukunft mit immer mehr einschränkenden Maß- nahmen hinsichtlich der Zulassung gerechnet werden. Der teilweise ein- geführte Numerus fixus - eine Ent- sprechung unseres Numerus clau- sus - und die enormen Studienge- bühren von 7000 bis 8000 DM im Jahr weisen in diese Richtung. Den- noch ist die Anzahl der deutschen Studenten in Belgien beträchtlich.
Allein an der Universität Antwerpen studierten im letzten Studienjahr et- wa 150 deutsche Studenten Medizin.
In Belgien, ebenso wie in Frank- reich, Holland und England gilt das akademische Jahr. Es beginnt im Oktober eines jeden Jahres. Bewer- bungsschluß ist meist spätestens der Juli. Am Ende des Studienjahres gilt es eine Abschlußprüfung zu be- stehen. Die Anforderungen in diesen Prüfungen sind recht hoch, so daß viele Studenten scheitern. Ein Mu- sterbeispiel für ein gelungenes Aus-
landsstudium ist der Stuttgarter Kai Andrees. Er bestand nach einem Jahr Studium an der Universität Mons (Belgien) das akademische Jahr mit Auszeichnung als bester Student. Andrees (Abiturnoten- durchschnitt 2,5) hat ein Jahr inten- siv und hart arbeiten müssen. Er hät- te mit bestandener Prüfung in Bel- gien im 2. Studienjahr weiter studie- ren dürfen. Ansonsten hätte er das erste Studienjahr wiederholen müs- sen. Andrees ließ sich aber in Deutschland beim Landesprüfungs- amt für Medizin seine Scheine aner- kennen. Somit bekam er zwei Seme- ster in Deutschland angerechnet und konnte sich in das dritte Seme- ster bewerben. In Deutschland ist die Vergabe eines Studienplatzes für ein höheres Semester Angelegen- heit der Universitäten. Dadurch daß immer wieder ursprünglich zugelas- sene Studenten ihr Studium aufge- ben, weil es für sie doch nicht das Richtige zu sein scheint, werden in höheren Semestern Plätze frei. Die- se werden dann erneut vergeben.
Andrees erhielt einen Studienplatz an der Universität Düsseldorf und steht jetzt kurz vor dem Physikum.
Das Nichtbestehen des akademi- schen Jahres bedeutet aber noch lange keinen Weltuntergang. Rein- hard Minkenberg aus Unna studierte im Studienjahr 1976/77 mit 150 wei- teren Deutschen an der Universität Antwerpen. Doch von den 150 Stu- denten bestanden nur 10 die Ab- schlußprüfung. Minkenberg konnte aber beim Landesprüfungsamt für Medizin die Scheine vorweisen, die
Wechseldienstsystem
herbeigerufen werden. In unserer Klinik wird die Kontinuität zur Ver- sorgung am Tage noch dadurch ver- stärkt, daß in der Regel nur einer der beiden Bereitschaftsdienst-Ärzte aus dem „Stationsfrei", also erst am Nachmittag in die Klinik kommt; der andere Bereitschaftsdienstarzt ist - da im klassischen Dienstsystem ar- beitend - vom Tag her fortlaufend informiert.
Bedenken hinsichtlich der Facharzt- anerkennung wären zumal deshalb anachronistisch, weil mittlerweile schon offiziell empfohlen wird, Überstunden in Freizeit abzugelten.
Praktische Durchführung
In Abwandlung des Schemas in Ab- bildung 1 gestalten wir an unserer Klinik den Dienst auf der Wechsel- dienststation nicht derart, daß jeden Monat vom 1. bis 15. der eine (schwarz gezeichnete) Arzt die Sta- tion versorgt und vom 16. und 31.
der andere (weiß gezeichnete). Denn dann müßte manchmal mitten in der Woche gewechselt werden. Wir hal- ten es für zweckmäßiger, wenn der Wechsel am Wochenende stattfin- det. Deshalb wird bei uns ganz re- gelmäßig alle zwei Wochen gewech- selt: zwei Wochen versorgt der schwarz gezeichnete Arzt die Sta- tion, dann zwei Wochen der weiß gezeichnete, dann wieder zwei Wo- chen der schwarz gezeichnete usw.
- unabhängig vom Kalenderdatum.
In Abwandlung der Abbildungen 1 und 2 werden bei privaten Hinder- nissen Bereitschaftsdienste oft ei- nen Tag eher oder später abgelei- stet, als für einen ganz regelmäßigen Drei-Tage-Rhythmus notwendig wäre.
(Details, Kostenberechnungen und Literatur beim Verfasser.)
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Peter Clemens Kinderkrankenhaus Hamburg-Rothenburgsort Marckmannstraße 131 2000 Hamburg 28
FORUM
Studium im Ausland — eine Alternative?
Ertay Hayit
Der Numerus clausus an deutschen Universitäten läßt manchen abge- wiesenen Studienbewerber nach Möglichkeiten im Ausland suchen.
Der Verfasser schildert anhand mehrerer Fälle, welche Möglichkeiten im benachbarten Ausland bestehen.
1960 Heft 35 vom 31. August 1978 DEUTSCHES ÄRZ LEBLATT
Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Studium im Ausland — eine Alternative?
er in diesem einen Jahr gemacht hatte, und bekam ein Semester an- erkannt. Er erhielt an der Universität Erlangen einen Studienplatz im zweiten Fachsemester.
Nicht ganz soviel Glück hatte sein Studienkollege Rainer Schmoll-Klu- te. Er bewarb sich ebenso überall für das zweite Semester, erhielt aber keinen Studienplatz. Darauf klagte er gegen die Universität Münster:
die Kapazitäten seien nicht ausge- nutzt. Das Verwaltungsgericht Mün- ster gab ihm recht. Schmoll-Klute erhielt, wenn auch verspätet, einen Studienplatz im zweiten Semester.
Die wenigsten Studenten bleiben im Ausland. Die hohen Prüfungsanfor- derungen, Studiengebühren und die fremde Umgebung treiben viele Me- dizinkandidaten zurück nach Deutschland. Eine kleine Schar zä- her und eifriger Studenten hält sich jedoch im Ausland auf, um ihr dort begonnenes Medizinstudium zu En- de zu führen. Der ausgebildete Sani- täter Reinhold Blum verpaßte 1974 mit seinem Abiturdurchschnitt von 1,9 nur knapp den erhofften Stu- dienplatz. Nach drei Jahren Warte- zeit war er es satt; ihn packte die Bewerbungswut. Er bewarb sich überall von Malta bis Finnland. In den Niederlanden, wo es für Auslän- der keine Studiengebühren gibt, er- hielt er an der Universität Amster- dam einen Studienplatz. Jetzt ist er entschlossen, sein in Holland be- gonnenes Studium auch dort fortzu- setzen. „Schon im ersten Semester wird man hier mit klinischen Proble- men konfrontiert", berichtet er, „das ist unheimlich interessant und span- nend. Deshalb bleibe ich hier, wenn auch sehr zum Leidwesen meiner Freundin in München."
Die große Ortswahl bliebe Blum üb- rigens auch bei einer Rückkehr nach Deutschland nicht. Es ist vielmehr eine Sache des Zufalles und des Glückes, irgendwo einen Studien- platz zu erhalten.
Beendet man sein Medizinstudium im Ausland, so erhält man meist, wenn das ganze Studium im Aus- land absolviert und dort die Appro- bation zugeteilt wurde, auch in
Deutschland die Approbation aner- kennt. Ausnahmen bilden Länder, bei denen Scheine erkauft werden können oder wo Prüfungsanforde- rungen wesentlich geringer als bei uns sind. Zuständig für die Anerken- nung sind die Landesprüfungsämter für Medizin.
Nicht zu vergessen allerdings ist bei der Entscheidung zu einem Aus- landsstudium, daß man nur die im Lichte sieht, d. h. nur die, die es ge- schafft haben. Die im Schatten aber sieht man nicht. Wer es nicht ge- schafft hat, studiert oft einen ganz anderen Studiengang. Vor sechs Jahren hat Thomas Bohlen Abitur gemacht. Er ist mit der französi- schen Sprache groß geworden und studierte ein Jahr in Brüssel Medi- zin. Doch er gab auf: „Für die hohen naturwissenschaftlichen . Anforde- rungen fehlte mir mit meinem sprachlichen Abitur die notwendige Voraussetzung", meint er, „und man darf nicht übersehen, daß die belgi- schen Studenten zusätzlich zu ihrer Vorbildung fast ohne Pause lernen.
Das Arbeitstempo ist dort so schnell, daß mir keine Möglichkeiten blie- ben, vorhandene Lücken nachzuho- len." Bohlen studiert jetzt im 6. Se- mester Jura und ist zufrieden.
Im allgemeinen aber ist jeder Nume- rus-clausus-geschädigte Abiturient dazu eher zu ermutigen, sein Glück im Ausland zu versuchen. Die Mög- lichkeiten des Einstieges in ein hö- heres Semester durch Bewerbung an eine Universität oder durch Ge- richtsbeschluß sind nicht zu unter- schätzen. Die Vielzahl derjenigen, die es auf diesem Wege geschafft haben, sind ermutigende Hinweise genug. Und es bleibt noch die Mög- lichkeit, das begonnene Studium im Ausland auch zu Ende zu führen und als approbierter Arzt nach Deutsch- land zurückzukehren: zumal, wenn man in einem EG-Land studiert hat.
wird man mit der Anerkennung sei- ner Approbation in Deutschland kaum Schwierigkeiten haben.
Anschrift des Verfassers:
Ertay Hayit Jakordenstraße 16 5000 Köln 1
BRIEFE AN DIE REDAKTION
RENTEN
Überlegungen zur Finanzierung der Ren- tenversicherung:
Staatszuschuß nötig
Die vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung kürzlich mit Stand 1. April 1977 herausgegebene Schrift „Übersicht über die Soziale Sicherung" enthält ... Aufstellun- gen, denen folgendes zu entnehmen ist:
1. Der Staatszuschuß zur gesetzli- chen Rentenversicherung, der von 1891 bis 1956 stets etwa 33,3 Pro- zent der Ausgaben betragen hat, fiel von 1957 an ständig und betrug 1976 nur noch 12,1 Prozent . .
2. Die Bundeszuschüsse wurden zudem nicht immer voll gezahlt oder indirekt durch Darlehen oder Stun- dungen gemindert. So wurden die Zuschüsse für die Jahre 1968 bis 1971 um rund 4,1 Milliarden DM ge- kürzt. 1972 übernahm die Angestell- tenversicherung freiwillig Schuld- buchforderungen des Bundes in Hö- he von rd. 1 Milliarde DM. Die Zah- lung des Zuschusses für 1973 ist in Höhe von 2,5 Milliarden DM bis 1981 zinslos aufgeschoben worden. Die Zahlung von 650 Mio. DM für 1974 wurde verzinslich bis längstens 1980 und die von 2,5 Milliarden DM für 1975 verzinslich bis 1982 gestundet.
Neben dieser Reduzierung der Staatszuschüsse wurde die Finanz- lage der Rentenversicherungsträger dadurch geschwächt, daß der Ge- setzgeber ihr Risiken aufbürdete, die eigentlich zur Sozialhilfelast al- ler Steuerzahler gehören .
Leider gibt es keine genauen Be- rechnungen darüber, wie hoch der Staatszuschuß sein müßte, um alle den gesetzlichen Rentenversiche- rungen aufgelasteten versiche- rungsfremden Verpflichtungen mit ihm abzudecken. Ich bin aufgrund meiner 19jährigen beruflichen Be- schäftigung mit der gesetzlichen Rentenversicherung der Auffas- sung, daß eine Fortzahlung des bis zur Rentenreform 1957 alljährlich gezahlten Zuschusses in Höhe von