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Antiandrogene

Phamlakobgisdle Grundlagen Klinische Erfahrungen Anwendungsmöglichkeiten wirr 7633

Chemie, Biochemie und

pharmakologische Grundlagen der Antiandrogene

Friedmund Neumann

Aus den Forschungslaboratorien der Schering AG,

Berlin/Berg kamen, Department für Endokrinpharmakologie

Antiandrogene sind synthetische Stoffe, die die Wirkung von Andro- genen aufzuheben vermögen. Aufgrund ihrer pharmakologischen und biochemischen Eigenschaften sind Antiandrogene potentielle Phar- maka zur Therapie von Tumoren der Prostata, zur Behandlung der Akne und des Hirsutismus, der Pubertas praecox sowie zur Behand- lung der pathologischen Hypersexualität. Andere Indikationen mögen noch hinzukommen.

Was versteht man unter Antiandrogenen?

Wenn im klinischen Bereich von ge- gengeschlechtlicher Hormonbe- handlung gesprochen wird, dann versteht man darunter im allgemei- nen die Therapie mit Östrogenen, so etwa in der Urologie bei der endokri- nen Therapie des Prostatakarzi- noms. Es ist deshalb auch verständ- lich, daß man bei dem Begriff „An- tiandrogene" zunächst an Östroge- ne denkt. Unter Antiandrogenen ver- steht aber heute die Pharmakologie nur solche Stoffe, die die Fähigkeit besitzen, die Wirkung von Androge- nen am Erfolgsorgan aufzuheben.

Östrogene entfalten im männlichen Organismus ihre Wirkung nur über eine Hemmung der Gonadotropin- sekretion, speziell des Luteinisie- rungshormons (LH) oder intersti- tiellzell-stimulierenden Hormons (ICSH), wodurch die testikuläre An- drogenbiosynthese in den Leydig- schen Zwischenzellen einge- schränkt wird.

Die Definition des Begriffes „Antian- drogen" ist zunächst nur von theo- retischem Interesse, denn dem Klini- ker dürfte es gleichgültig sein, wie der Effekt zustande kommt. Selbst- verständlich wird sich auch die Wir- kung eines Hemmers der Androgen- biosynthese oder eines Hemmers der Gonadotropinsekretion an an- drogen-abhängigen Organen in der Peripherie auswirken. Hier soll nur über Stoffe berichtet werden, die keine östrogenen Eigenschaften be- sitzen, also über Antiandrogene im Sinne der enger gefaßten Definition.

Chemie und Partialwirkungen von Antiandrogenen

Die Substanzen, über deren antian- drogene Wirkung bis etwa Anfang der 60er Jahre berichtet wurde, ge- hörten hauptsächlich den Steroiden, daneben aber auch anderen Stoff- klassen an. Keiner dieser Stoffe hat Bedeutung erlangt, weder im experi- mentellen Bereich noch in der Kli-

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I,

VI

Abbildung 1: Wirkungsmechanismus von Androgenen und Antiandrogenen, stark vereinfachte Darstellung

Dihydrotestosteron Testosteron

OH

5a- Redu ktase

0

OH

Abbildung 2: Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron unter Ein wirkung des Enzyms 5(1-Reduktase

5a - reductase

nik. Das erste, auch für die klinische Anwendung interessante Antiandro- gen war Cyproteronacetat — ein Hy- droxyprogesteronderivat. Bei einer Reihe chemisch sehr ähnlicher Ver- bindungen wurden ebenfalls antian- drogene Eigenschaften gefunden, zum Beispiel beim Chlormadinon- acetat und A 1 -Chlormadinonacetat.

Auch einige Androstan- und Östran- derivate erwiesen sich als antiandro- gen wirksam, so zum Beispiel das 17a-Methyl-B-nortestosteron und R 2956 ( = 17[3-Hydroxy-2,2,17a-trime-

thy1-4,9-oestratrien-3-on). Ende der 60er Jahre wurden auch hochpoten- te nichtsteroidale Antiandrogene gefunden, von denen das Flutamid (a,a,a-Trifluoro-2-methy1-4-nitro-m- propionotoluidid) am bekannte- sten ist. Als noch wirksamer erwies sich die hydroxylierte Verbindung des Flutamids Sch 16423 (u,a,a-Tri-

fluoro-2-methy1-4-nitro-m-lactoto- luidid).

Zwei weitere Flutamidderivate wur- den von der Firma Rousell Uclaf ent- wickelt (Ru 23908 = 5,5-Dimethy1-3-

[4-nitro-3-(trifluoromethyl)-pheny1]- 2,4-imidazolin-dion und Ru 22930 =

5,6-Dihyd ro-2-methyl-4-(4-nitro-3- trifluoromethylpheny1)-2H-1,2,4- oxadiazin-3-(4H)-on). Ru 22930 soll nur lokal wirksam sein, nicht aber systemisch verabfolgt. Das wäre von Vorteil für die Anwendung in der Dermatologie.

Ein weiteres, nichtsteroidales Anti- androgen wurde von der Firma Hoff- mann La Roche entwickelt. Es han- delt sich um N-(3,5-dimethyl-4-iso- azolyd-methyl)pthalimid = DIMP.

Molekularer

Wirkungsmechanismus der Antiandrogene

Wie die meisten Hormone wirken Antiandrogene nur in Organen, die spezifische Bindungsstellen (Rezep- toren) — in diesem Fall für Androge- ne — besitzen. In solchen Organen, man spricht von Ziel- oder Erfolgs- organen, werden Hormone retiniert.

Abbildung 1 veranschaulicht sche- matisch den molekularen Wirkungs- mechanismus der Androgene. Man nimmt an, daß das physiologische Androgen, Testosteron, nach Eintritt in die Zelle—zumindest in einem Teil der Erfolgsorgane — unter Einwir- kung des Enzyms 5a-Reduktase zum Dihydrotestosteron (DHT) redu- ziert wird (Abbildung 2). Dihydrote- stosteron wird an einen spezifischen zytoplasmatischen Rezeptor (Zyto- solrezeptor) gebunden. Der Zytosol- rezeptor erfährt eine Transformation und Translokation in den Zellkern.

Die eigentliche Hormonwirkung, das heißt die Synthese von Proteinen oder Enzymen, wird von dem Hor- monrezeptorkomplex ausgelöst. An- tiandrogene wie Cyproteronacetat und Flutamid konkurrieren mit An- drogenen um die Rezeptoren, wobei offenbar in erster Linie die Bildung des Androgenkernrezeptorkomple- xes bzw. die Transformation und Translokation des Zytosolrezeptors in den Zellkern blockiert wird. Es handelt sich dabei um einen kompe- titiven Antagonismus in den Zielor- ganen. Zu einer 50prozentigen Hem- mung des Androgeneffektes muß Cyproteronacetat je nach Zielorgan

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Abbildung 3. Hundeprostata — A (links): Unbehandeltes Kontrolltier B (rechts): 32tägige intramuskuläre Behandlung mit täglich 10 mg/kg Cyproteronacetat. Man beachte die Atrophie, vor allem des parenchymatäsen Anteils der Prostata — Vergrößerung: ca. 120 x ; Färbung: Hämatoxylin-Eosin

und -funktion in einem 3- bis 10fachen Überschuß verabfolgt wer- den, das heißt die Affinität von Cy- proteronacetat zum Rezeptor ist et- wa ein Drittel bis ein Zehntel so groß wie die von Testosteron beziehungs- weise Dihydrotestosteron — ein recht gutes Verhältnis für einen Antagoni- sten.

Welche Funktionen, Organe und Organsysteme werden durch Antiandrogene beeinflußt?

Antiandrogene beeinflussen all jene Funktionen und Organsysteme, für die Androgene von physiologischer Bedeutung sind und wo unter pa- thologischen Bedingungen Andro- gene Krankheiten auslösen können.

Zielorgane für Androgene sind zum Beispiel die akzessorischen Ge- schlechtsdrüsen (Prostata, Samen- blasen), der Nebenhoden, in dem es- sentielle Reifungsprozesse an den Spermatozoen ablaufen, und die Sa- menleiter. Libido und Potentia co- eundi sowie die generative Hoden- funktion (Spermatogenese) sind ebenso androgenabhängig wie Vor- gänge der Sexualdifferenzierung.

Auch die Knochenreifung und das Längenwachstum sowie die Haut und Anhangsorgane der Haut, wie etwa die Talgdrüsen, werden durch Androgene beeinflußt und sind so- mit auch Zielorgane für Antiandro- gene.

Akzessorische Geschlechtsdrüsen In Untersuchungen an Nagern und Hunden konnte gezeigt werden, daß

sich die Behandlung mit Antiandro- genen auf die Funktion der akzesso- rischen Geschlechtsdrüsen ähnlich auswirkt wie eine Kastration (Abbil- dung 3). Die sekretorische Aktivität erlischt, die spezifischen Enzyme, etwa die saure Phosphatase der Prostata, sind nicht mehr nachweis- bar, es kommt zu einer Atrophie die- ser Organe. Es sei erwähnt, daß auch die stimulierende Wirkung von exogen zugeführten Androgenen auf die Funktion der akzessorischen Geschlechtsdrüsen hemmbar ist.

Das ist ein Beweis dafür, daß Antian- drogene am Zielorgan angreifen.

Libido

Hinsichtlich des Effektes von Cypro- teronacetat auf den Sexualtrieb er- brachten tierexperimentelle Unter- suchungen zum Teil kontroverse Er- gebnisse. So ist bei einigen Nagern, wie Ratten, Mäusen, Meerschwein- chen und Hamstern, der Sexualtrieb nicht oder kaum hemmbar, dagegen bei Katzen, Hunden, Kaninchen und Ebern. Eber verlieren auch ihren ty- pischen Geschlechtsgeruch.

Man weiß heute, daß zur Aufrechter- haltung von Libido und Potenz ein Mindestandrogenblutspiegel 3 ng Testosteron/ml Serum) erforderlich ist. Androgene wirken dabei auf ein im Hypothalamus lokalisiertes neu- rales Zentrum ein, das auch als Ero- tisierungszentrum oder „mating center" bezeichnet wird. Die Aus- schaltung dieses Zentrums, etwa durch sterotaktische Läsionen, führt zum Verlust von Libido und Potenz.

Es gibt keine plausible Erklärung

dafür, warum Cyproteronacetat bei einigen Nagetieren die Libido nicht zu hemmen vermag.

Pubertätseintritt, Knochenreifung und Längenwachstum

Durch kontinuierliche Behandlung mit Cyproteronacetat, beginnend vor der Pubertät, läßt sich bei männ- lichen Ratten der Eintritt der Puber- tät beliebig lange hinausschieben (Abbildung 4). Außerdem konnte ge- zeigt werden, daß die Knochenrei- fung (Ossifizierung der Epiphysen- fugenknorpel) und das Längen- wachstum verzögert werden, das heißt die Zeitspanne des möglichen Längenwachstums nimmt zu (Abbil- dung 5).

Haut und Anhangsorgane der Haut (Talgdrüsen)

In zahlreichen Tierversuchen konnte gezeigt werden, daß Antiandrogene die Talgdrüsenfunktion hemmen.

Dieser Effekt beruht auf einer Hem- mung der Mitoserate in den periphe- ren Talgdrüsenzellen. Östrogene da- gegen hemmen die Sebumproduk- tion. Bei der Kombination von Östro- genen mit Antiandrogenen liegt eine Addition der Effekte vor.

In Untersuchungen an Ratten konn- te nach Behandlung mit Antiandro- genen auch eine Abnahme des Haarfettgehaltes festgestellt wer- den. Bei lokaler Anwendung von An- tiandrogenen (untersucht wurde Cy- proteronacetat im sogenannten Talgdrüsenohrmodell beim syri- schen Goldhamster) war die Hem-

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0 0 0 0

0 0

100 80 60 40 20 -

Behandlungszeit

7 9

•••.—

0

r.

-p_40,001 mung der Talgdrüsenfunktion im

behandelten Ohr sehr viel stärker ausgeprägt als im unbehandelten.

Auch dieser Befund weist darauf hin, daß Antiandrogene ihre Wirk- samkeit am Zielorgan direkt entfal- ten (Tabelle 1 und Abbildung 6).

Manche Nager weisen Drüsen auf, die im Aufbau und Sekretionsmodus (holokrin) Talgdrüsen weitgehend entsprechen. Dazu gehören zum Beispiel die Präputialdrüsen von Ratten und Mäusen, die sogenannte Abdominaldrüse des mongolischen Gerbils und das Flankenorgan des Hamsters. Nach Antiandrogengabe kommt es zur Atrophie dieser vor- wiegend der Reviermarkierung die- nenden Drüsen.

Sexualdifferenzierung

Es gibt einige Wirkungen, die von der erwünschten antiandrogenen Wirkung nicht abtrennbar sind und mit denen somit generell bei der An- wendung von Antiandrogenen zu rechnen ist.

Dazu gehört die Beeinflussung der männlichen Sexualdifferenzierung, wenn gravide Tiere in der entspre- chenden Phase der Fötalentwick- lung mit Antiandrogenen (hochdo- siert) behandelt werden.

Die somatische männliche Sexual- differenzierung wird weitgehend ge- steuert durch Androgene, die in der fötalen Gonade entstehen. Antian-

drogene blockieren auch die Andro- genwirkung in den Föten mit dem Resultat, daß die männliche Sexual- differenzierung gestört ist.

In Tierversuchen konnte gezeigt.

werden, daß es bei Gabe hoher Do- sen von Cyproteronacetat an gravi- de Mütter zu einer ganz bestimmten Form des Pseudohermaphroditis- mus masculinus bei den männlichen Föten kommt, die dem Gynäkologen als „testikuläre Feminisierung" oder

„hairless women" bekannt ist (Ta- belle 2).

Hodenfunktion und Potentia generandi Antiandrogene mit zusätzlich vor- handenen antigonadotropen Eigen-

40 47 54 61 68 75 82 89

25 Alter (Tage) 80

Insemination

behandelt

Kontrolle Impregnation

Abbildung 4:

Verzögerung des Pubertatsein- trItts von männli- chen Ratten durch Behand- lung mit Cypro- teronacetat (5 mg/100 g Kör- pergewicht täg- lich subkutan) vom 25. bis 80.

Lebenstag. Erst nach Absetzen der Behandlung kommen die Tie- re in die Puber- tät. Sexuelle Ak- tivität und Fertili- tät gehen streng parallel

96 103 110 117 124 131 138

Tabelle 1: Einfluß von topisch appliziertem Cyproteronacetat auf die Talgdrüsenfunktion im Hamster-Ohr- Modell (von Luderschmidt & Plewig 1976)

Planimetrische Auswertung (mm 2 ) Markierungsindex (%)

Cyproteronacetat, topisch

Unbehandeltes kontra- laterales Ohr, Kontrolle Unbehandelte Kontrolle

8,5± 1,8

12,7± 1,9

19,9± 1,2

0,0725 ± 0,0243

0,1062± 0,0515

0,1687 ± 0,032

p_40,10

p0,01

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Heft 28 vom

13. Juli

1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Tabelle 2: Vergleich des Syndroms der „testikulären Feminisierung"

mit feminisierten Hunden

„testikuläre Feminisierung" feminisierte Hunde chromosomales Geschlecht

d

Gonaden

d

äußeres Genitale

y

Entwicklung einer Vagina Fehlen von Uterus und Tube Fehlen von Nebenhoden und Samenleiter

Fehlen männlicher akzessori- scher Geschlechtsdrüsen unvollständiger Descensus testiculorum

chromosomales Geschlecht

d

Gonaden

äußeres Genitale

y,

Entwicklung einer Vagina Fehlen von Uterus und Tube Fehlen von Nebenhoden und Samenleiter

Fehlen männlicher akzessori- scher Geschlechtsdrüsen unvollständiger Descensus te- sticulorum (die Skrotalentwick- lung ist gehemmt)

schaften — dazu gehört das Cyprote- ronacetat — hemmen die Spermato- genese und führen zu einer passa- geren Infertilität (Abbildung 8). Auch dieser Effekt ist nicht als Nebenwir- kung im strengen Sinne anzusehen, denn man weiß, daß die Vorgänge der Spermatogenese und Spermio- genese androgenabhängig sind.

In neueren Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß Antiandrogene

— untersucht wurde wiederum Cy- proteronacetat — wahrscheinlich die sekretorische Sertolizellfunktion hemmen. Ein Sekretionsprodukt der Sertolizellen ist ein spezifisches an- drogenbindendes Protein (ABP), das für den Transport der Androgene durch die Blut-Hoden-Schranke hin- durch sorgt. Man muß bedenken, daß die Androgenkonzentrationen im Hoden selbst etwa um den Faktor 50 bis 100 höher sind als im Serum.

Wenn die ABP-Produktion gehemmt ist, dann muß daraus ein intratesti- kuläres Androgendefizit resultieren.

Es sei erwähnt, daß auch die Funk- tion des Nebenhodenkopfes, in dem Reifungsvorgänge an Spermatozo- en ablaufen, zumindest zum Teil ebenfalls von einer ungestörten ABP-Produktion abhängig ist (Transport von an ABP gebundenen Androgenen in hohen Konzentratio- nen über die Tubuli und Rete-testis- Flüssigkeit in den Nebenhoden- kopf). Zur Hemmung der Spermato- genese sind bei Tieren ca. 10mal hö- here Dosen erforderlich als zur Hemmung mehr peripherer andro- genabhängiger Funktionen und Or- gane, wie etwa der Prostata.

Vorhandene und

potentielle Nebenwirkungen Androgene haben — neben den se- xualspezifischen — auch Stoffwech- selwirkungen, wobei der protein- anabolen Wirkung die größte Be- deutung zukommt. Man hätte des- halb annehmen können, daß Anti- androgene auch die Stoffwechsel- wirkungen der Androgene hemmen, also etwa zu einer Negativierung der Stickstoff-, Kalzium- und Phosphat- bilanz führen. Bilanzuntersuchun-

gen an Tieren wurden nicht durch- geführt. Die körperliche Entwick- lung jugendlicher Ratten war aber bei Behandlung mit hohen Anti- androgendosen reduziert. Anzei- chen einer Osteoporose wurden al- lerdings nie beobachtet.

In chronischen Verträglichkeitsstu- dien traten bei Ratten unter Cyprote- ronacetat gehäuft Hepatome auf.

Die Entwicklung von Hepatomen bei Nagern nach Behandlung mit Gesta- genen und Östrogenen ist ein be- kanntes Phänomen und sicher keine spezifische Nebenwirkung von An- tiandrogenen. Substanzen wie Nor- ethisteron, Norethisteronacetat, Norethinodrel und Chlormadinon- acetat induzieren ebenfalls Hepato- me bei Nagern. Die Relevanz dieser Befunde für den Menschen ist zu- mindest umstritten. Es sei in diesem Zusammenhang auf ein Statement der Ständigen Kommission für Ste- roidtoxikologie der Deutschen Ge- sellschaft für Endokrinologie zu die- sem Problem hingewiesen (Ham- merstein 1977).

Bei Nagern wurde auch eine Beein- flussung der Nebennierenrinden- funktion registriert. Bei hohen Do- sen von Cyproteronacetat oder Chlormadinonacetat kommt es zur Atrophie der Nebennieren, die Korti- kosteron- (Ratte) respektiva Korti-

sol- (Meerschweinchen) Plasmakon- zentrationen können auf nicht meß- bare Werte absinken. Überraschend ist aber, daß diese Tiere niemals An- zeichen einer sekundären Neben- nierenrindeninsuffizienz aufwiesen oder gar Symptome des Morbus Ad- dison. Tatsächlich haben die ge- nannten Antiandrogene — zumindest in höheren Dosierungen — auch glu- kokortikoidartige Eigenschaften. So gelingt es, adrenalektomierte Tiere mit Cyproteronacetat am Leben zu erhalten.

Antiandrogene wirken auch thymo- lytisch, jedoch nicht antiphlogi- stisch.

Offenbar ist das Fehlen von Krank- heitssymptomen einer sekundären Nebennierenrindeninsuffizienz un- ter der Behandlung mit Antiandro- genen vom Typ des Cyproteronace- tats nur so zu erklären, daß die er- niedrigte endogene Kortisolwirkung durch solche Antiandrogene quasi substituiert wird.

Andererseits wurde aber auch bei extrem hohen Dosen (bis zu 100 mg/

kg bei Hund oder Ratte) niemals ein Morbus Cushing beobachtet.

Abschließend sei erwähnt, daß alle Effekte — dies gilt für die erwünsch- ten und unerwünschten Wirkungen

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Abbildung 5: Tibia 70 Tage alter weiblicher Ratten (Tetrazyklinfluoreszenz) A (links): Tägliche Behandlung vom 23. bis 70.

Tag mit 4,0 mg/kg Testosteronpropionat subkutan - B (rechts): Behandlung wie bei A, zusätzliche Gabe von 70 mg/kg Cyproteron - (Tetrazyklin wurde am 58., 63. und 68. Tag verabfolgt.) Der größere Abstand der fluoreszierenden Linien zeigt an, daß das Längenwachstum bei Gaben des Androgens zusammen mit dem Antiandrogen ausgeprägter ist als bei Gabe des Androgens allein

Abbildung 6: Einfluß von Cyproteronacetat auf die Talgdrüsenfunktion (Hamster-Ohr--Modell) - A (links): Unbehandeltes männliches Tier - B (rechts): 0,25 ml einer 1 %igen Cyproteronacetatlösung wurden 3 x wöchentlich subkutan verabfolgt (insgesamt 8 Injektionen) - Zur Erfassung der mitotischen Aktivität wurden H 3-Thymidin verabfolgt. Man 'beachte die Reduktion des Talgdrüsenvolumens und die Abnahme der mit H 3-Thymidin markierten Zellen an der Peripherie - Vergrößerung: 500 x ; Färbung: Hämatoxylin-Eosin (von Luderschmidt & Plewig 1976)

Abbildung 7: Hundehoden - A (links): Unbehandelte Kontrolle - B (rechts): Nach ca. 1jähriger Behandlung mit 100 mg/kg Cyproteronacetat täglich p. 0. Man beachte die Tubulusatrophie und die Hemmung der Spermatogenese - Vergrößerung:

ca. 160 x ; Färbung: Hämatoxylin-Eosin

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Zusammenfassung

Mit Antiandrogenen steht heute der Klinik eine neue Stoffklasse von Hormonen zur Verfügung. Es kön- nen mit diesen Hormonen sicher neue Wege in der Hormontherapie beschritten werden. Es sei hier nur an das Hirsutismus- oder Aknepro- blem und Tumoren der Prostata erinnert. In einem zweiten Aufsatz wird über die klinischen Erfahrun- gen und potentiellen Anwendungs- möglichkeiten von Antiandrogenen berichtet werden. Er ist für das nächste Heft vorgesehen.

Literatur

Hammerstein, J.: Stellungnahme zur Entste- hung von Lebertumoren unter dem Einfluß von Steroiden, Mitteilungen der Kommission Ste- roidtoxikologie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, Endokrinologie Informationen 2 (1977) 58-59 — Luderschmidt, Ch., and Ple- wig, G.: Effects of cyproterone acetate and carboxylic acid derivatives an the sebaceous glands of the Syrian hamster, Manuscript (1976) — Neumann, F., Berswordt-Wallrabe, R.

von, Elger, W., Steinbeck, H., Hahn, J. D., and Kramer, M.: Aspects of androgen-dependent event as studied by antiandrogens, Rec. Progr.

Horm. Res. 26 (1970) 337-410 — Neumann, F., and Steinbeck, H.: Antiandrogens. In: Eichler, 0., Farah, A., Herken, H., and Welch, A. D., (eds.): „Handbuch der experimentellen Phar- makologie, Band 35/2, Kap. VI, S. 235-484.

Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York (1974) — Raspä, G.: Schering Symposium über Sexualdeviationen und ihre medikamentöse Behandlung, Berlin 1971, Life Sciences Mono- graphs 2, Pergamon Press — Vieweg, Oxford/

Edinburgh/New York (1972) — Schering AG:

Medizinische Mitteilungen Schering, Heft 2 (1973) 1-39

Anschrift des Verfassers:

Professor

Dr. Friedmund Neumann Forschungslaboratorien der Schering AG Department

für Endokrinpharmakologie Müllerstraße 170-178 1000 Berlin 65

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