ichels Weihnachtspräsent, das in Etappen bis 2005 zusätzliche Steuerentlastungen von rund 40 Milliarden DM bringen soll, hat nicht nur Freude ausgelöst. Einerseits wird begrüßt, dass der Entlastungsef- fekt der Steuerreform deutlich ver- stärkt und zeitlich vorgezogen wird.
Auch kommt es einer politischen Sen- sation gleich, dass Bundesfinanzmini- ster Hans Eichel mit Unterstützung des Kanzlers den Spitzensteuersatz von heute 53 Prozent stärker als bis- her vorgesehen auf 45 Prozent senken will. Schröder und Eichel haben damit eine der „heiligen Kühe“ der SPD ge- schlachtet. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der neue Spit- zensatz erst 2005 erreicht wird und schon von einem deutlich niedrigeren Einkommen an greifen soll.
Negativ schlägt zu Buch, dass Ei- chels Konzept der Steuerreform trotz der nun stärkeren allgemeinen Sen- kung des Einkommensteuertarifs auf die großen Kapitalgesellschaften zuge- schnitten bleibt. Die deutsche Wirt- schaft wird aber von den mittelständi- schen Personen-Unternehmen, vom Handwerk und den selbstständig Täti- gen geprägt, zu denen ja auch die Frei- berufler zählen. Die mittelständische Wirtschaft bietet die Masse der Ar- beitsplätze an. Aber sie wird auch nach der Reform im Wettbewerb mit den Großen schlechter gestellt sein, denn selbst nach fünf Jahren der Steuersen- kung wird der Abstand in der Steuerbe- lastung noch rund 8 Prozentpunkte be- tragen. Die Kapitalgesellschaften wer- den durch Körperschaftsteuer und Ge- werbesteuer mit etwa 37 Prozent bela- stet, selbstständig Tätige zahlen in der Spitze allein 45 Prozent Einkommen- steuer. Damit wird gegen den Grund- satz der steuerlichen Gleichbehand- lung verstoßen.
Daran ändert auch der Vorschlag nichts, den der Einkommensteuer un- terliegenden Unternehmen und Selbst- ständigen das Recht einzuräumen, sich für die Besteuerung nach der Körper- schaftsteuer zu entscheiden. Das Opti- onsmodell werden aber wohl nur die großen Personengesellschaften nutzen können. Freiberufler werden es kaum nutzen wollen, denn damit wären nicht nur höhere Anforderungen an Buch- führung und Bilanzierung verbunden, sondern auch die Einbeziehung in die Gewerbesteuer. Das ist für die Freien Berufe eine sehr prinzipielle Frage.
Wer optiert, wird generell wie eine Ka- pitalgesellschaft besteuert, was auch mit Nachteilen bei der Erbschaftsteuer verbunden sein könnte.
Freiberufler, die sich weiterhin für die Einkommensbesteuerung entschei- den, haben zunächst kaum eine Steuer- entlastung zu erwarten. Die Steuersät- ze werden in Stufen gesenkt; die von Eichel vorgesehenen Maßnahmen der Gegenfinanzierung der Entlastung sol-
len jedoch schon 2001 voll wirksam werden. Dazu zählt die Verschlechte- rung der Abschreibungsbedingungen.
Dass die Steuerreform auf die großen Kapitalgesellschaften zugeschnitten ist, wird auch daran deutlich, dass diese Veräußerungsgewinne beim Verkauf inländischer Beteiligungen künftig nicht mehr versteuern müssen. Das er- leichtert zwar strukturelle Anpassun- gen im Unternehmenssektor. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht dann die allgemeine Verschärfung der Besteue- rung der Veräußerungsgewinne in den letzten Jahren wieder rückgängig ge- macht werden müsste.
Im übrigen sind die vom Finanz- minister vorgesehenen Einsparungen zur Finanzierung der Reform nur zum kleineren Teil konkretisiert worden.
Da kann es für einzelne Gruppen von Steuerzahlern noch böse Überra- schungen geben. Auch ist zu beden- ken, dass den steuerlichen Entlastun- gen eine massive Erhöhung der Ener- giesteuern gegenüberstehen wird.
Was die Steuerreform bis 2005 bringen soll:
Eingangssteuersatz: 22,9 Prozent (2000), 19,9 Prozent (2001 und 2002), 17 Prozent (2003 und 2004), 15 Prozent.
Grundfreibetrag: Erhöht sich von 13 499 DM schrittweise auf 15 011 DM.
Höchststeuersatz: 51 Prozent (2000), 48,5 Prozent (2001 und 2002), 47 Prozent (2003 und 2004), 45 Prozent.
Körperschaftsteuer: Ab 2001 ein- heitlich 25 Prozent zuzüglich Gewer- besteuer und, wie bei allen Steuer- pflichtigen, Solidarzuschlag.
Dividendenbesteuerung: Der Steuerpflichtige hat die Hälfte seiner Dividenden-Einnahmen zu versteu- ern. Die Anrechnung der Steuer auf den im Unternehmen verbleibenden Gewinn entfällt; die Aktionäre erhal- ten keine Steuergutschrift mehr. Steu- erzahler mit kleinen Einkommen wer- den damit künftig definitiv mit 25 Pro- zent belastet.
c Fazit: Die als Angestellte täti- gen Ärzte profitieren wie alle Ar- beitnehmer von der Absenkung des Steuertarifs, Erhöhung der Grundfrei- beträge und einer weiteren Verbes- serung des Familienlastenausgleichs.
Das kommt auch den Freiberuflern zugute. Sie werden jedoch durch Maßnahmen der Gegenfinanzierung belastet. Walter Kannengießer A-20 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 1–2, 10. Januar 2000
P O L I T I K AKTUELL
„Besser als nichts“
Der Bundesverband der Freien Berufe e.V., Berlin, hat die „Tendenz zur Steuersenkung“ im Steuerreform- konzept der Bundesregierung aus- drücklich begrüßt. Zugleich bedauert der Verband, dass sich die Grünen mit ihrer Forderung nach einer weiterge- henden und schnelleren Senkung der Einkommensteuer nicht durchsetzen konnten. Netzwerke und Praxisver- bindungen würden weiter wie Privat- haushalte besteuert. Dies verdeutli- che, dass die Bundesregierung das Be- schäftigungspotenzial bei den Freien Berufen nicht erkenne. Als „besser als nichts“ bewertete der Bundesverband die Absenkungen des Eingangs- und des Spitzensteuersatzes. EB