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Gewerkschaftsbund Ingrid Sehrbrock

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Datum 23.04.2009

Bologna darf nicht scheitern –

für eine Korrektur der Studienreform in Deutschland

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

mit großem Engagement unterstützt der DGB die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Hochschulraums. Seit dem Start des Bo- logna-Prozesses vor exakt zehn Jahren versprechen sich die Ge- werkschaften von diesem Prozess eine Stärkung des sozialen Euro- pas, eines Europas des Wissens. Wir erwarten von einem Europäi- schen Hochschulraum nicht weniger als die Internationalisierung von Forschung, Lehre und Studium, eine bessere grenzüberschreitende Mobilität der Studierenden und des Hochschulpersonals sowie eine höhere Qualität von Lehre und Studium.

Zehn Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses müssen die Ge- werkschaften jedoch feststellen: Die Studienreform droht in Deutsch- land zu scheitern. Die guten Ziele dieser Reform werden durch ihre unzureichende Umsetzung in Deutschland geradezu konterkariert.

Überfrachtete Stundenpläne, teils gestiegene Abbrecherquoten und hohe Hürden auf dem Weg ins Ausland kennzeichnen den Alltag an den deutschen Hochschulen im Jahr Zehn nach Bologna. Allzu oft wird an den Hochschulen immer noch versucht, komplette Diplom- Studiengänge in ein sechssemestriges Bachelor-Studium zu pressen - mit fatalen Folgen, die bereits von den Medien aufgegriffen wurden.

So rät die Universität zu Köln in einem Merkblatt vom Juli 2008 poten- ziellen Studierenden vom Biologiestudium ab, wenn sie mehr als 20 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Das kompakte Studium sei mit

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Nebenjobs eben nicht zu bewältigen. Auch die Mobilität der Studie- renden wird nicht gefördert. Während vor der Studienstrukturreform knapp ein Viertel aller Studierenden ein Semester im Ausland einleg- te, sind es bei den Bachelor-Studiengängen an den Universitäten nur noch 15 Prozent, an den Fachhochschulen liegt die Quote sogar nied- riger.

Die Umsetzung der Studienstrukturen auf BA/MA-Abschlüsse weist große Defizite auf. Zwar führen rund 75 Prozent der Studienabschlüs- se in Deutschland zum Bachelor oder zum Master. Doch nur rund 30 Prozent aller Studierenden sind in den neuen Studiengängen einge- schrieben. Große Fächer – zum Beispiel Jura oder Medizin – sind nach wie vor nicht in den Bologna-Prozess integriert.

Bei allem Missmut, der sich an den deutschen Hochschulen angestaut hat: Bologna darf nicht scheitern - zu viel steht auf dem Spiel. Sie als Regierungschefs in Bund und Ländern haben es gemeinsam mit den Hochschulen in den kommenden Jahren in der Hand, den Bologna- Prozess doch noch zu einem Erfolg zu machen. Dafür brauchen wir dringend eine Kurskorrektur dieses Prozesses. Es muss der Grund- satz gelten: Qualität geht vor Tempo. Wenige Tage vor der Bologna- Konferenz im belgischen Leuven schlage ich Ihnen deshalb eine „Re- form der Studienreform“ vor. Diese Kurskorrektur müsste sich vor al- lem auf fünf Punkte konzentrieren:

1. Der DGB fordert ein Recht auf Mobilität im Europäischen Hochschulraum. Niemand darf dafür bestraft werden, im Aus- land lehren, forschen oder studieren zu wollen. Alle europäi- schen Hochschulen müssen die im Ausland erbrachten Stu- dienleistungen und Hochschulabschlüsse anerkennen. Der DGB fordert Mobilitätsstipendien für mindestens 25 Prozent al- ler Studierenden, die alle durch den Auslandsaufenthalt be- dingten Mehrkosten decken. Mangelnde Mobilität ist nicht nur ein innereuropäisches Thema. Auch innerhalb Deutschlands erschweren tausende spezialisierte Module und Studiengänge den Wechsel der Hochschule. Der DGB schlägt einen Europä- ischen Pensionsfonds vor, der die Mitnahme aller Ansprüche der Altersvorsorge garantiert.

2. Der DGB fordert mehr Sorgfalt bei der Umstellung auf Ba- chelor und Master sowie den uneingeschränkten Zugang zum Master. Die Umstellung auf Bachelor- und Master- Abschlüsse wird in Deutschland im Jahr 2010 nicht abge- schlossen sein. Diese Reform kann nur erfolgreich sein, wenn sie von Lehrenden, Studierenden und den Betrieben akzeptiert wird. Vor allem die Sechs-Semester-Struktur des Bachelors sorgt für Probleme im Alltag. Der DGB fordert Bund, Länder und Hochschulen auf bei der Einführung der neuen Studien- gänge mehr Flexibilität zu zeigen. BA-Studiengänge müssen nicht unbedingt in sechs Semestern abgeschlossen sein. Sie

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können auch sieben oder acht Semester (240 ECTS-Punkte) umfassen. Wir brauchen zudem eine uneingeschränkte Durch- lässigkeit zwischen Bachelor und Master. Weder Quote noch Note dürfen den Zugang zum Master begrenzen.

3. Die neuen Studiengänge müssen wirklich studierbar sein.

Ein Übermaß an Prüfungen, Klausuren und die zunehmende Verschulung des Studiums lassen kein Platz mehr für for- schendes Lernen. Eine zu hohe Arbeitsbelastung der Studie- renden geht einher mit der Überlastung vieler Dozentinnen und Dozenten. Deshalb muss das BA-Studium verlängert werden.

Voraussetzung für eine gelungene Studienreform ist auch eine angemessene personelle Ausstattung mit Lehrenden und Per- sonal für Verwaltung, Management, Beratung, Service und Inf- rastruktur.

4. Die Bologna-Staaten müssen die soziale Dimension des Europäischen Hochschulraumes stärken. Ein Europa des Wissens braucht künftig nicht weniger, sondern deutlich mehr gut ausgebildete Akademikerinnen und Akademiker. Deutsch- land hat hier besonderen Nachholbedarf. Die BAföG-

Fördersätze müssen regelmäßig den Lebenshaltungskosten angepasst werden. Der Darlehensanteil ist zu senken. Im Eu- ropäischen Hochschulraum müssen Studiengebühren abge- schafft werden. Der Hochschulzugang für beruflich Qualifizier- te ist zu erleichtern. Dafür müssen nicht nur die Länder ihrer Gesetze ändern. Die Hochschulen müssen berufsbegleitende Studiengänge auf- und ausbauen. Im Beruf erworbene Kompe- tenzen müssen angerechnet werden. Zudem brauchen wir ein Erwachsenen-BAföG, das Menschen, die aus dem Beruf kommen, ein Studium ermöglicht.

5. Verlässliche Karrierewege für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler absichern. Der DGB erwartet von den Hochschulen und Forschungseinrichtungen Konzepte für eine nachhaltige Entwicklung ihres Personals. Sie müssen die Lage der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler verbessern und die Gleichstellung von Männern und Frauen auf allen Ebenen der Personalstruktur tatsächlich durchsetzen.

Für den wissenschaftlichen Nachwuchs muss ein Tenure Track eingerichtet werden, der nach Abschluss der Promotion eine Perspektive eröffnet - durch die Berufung auf eine Profes- sur oder durch Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Wir brauchen kurzfristig 10.000 zusätzliche Stellen mit Tenure Track für promovierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und - wissenschaftler. Promotion muss endlich als erste Phase ei- genständiger wissenschaftlicher Berufstätigkeit organisiert werden. Wir brauchen eine Promotionsförderung über tarifver- traglich geregelte und sozialversicherungspflichtige Beschäfti- gung.

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Wie man es auch dreht und wendet: Der Bologna-Prozess wird nur er- folgreich sein, wenn auch die chronische Unterfinanzierung der Hoch- schulen beendet wird. Angesichts steigender Studierendenzahlen brauchen die Hochschulen bis zum Jahr 2020 mindestens drei Milliar- den Euro zusätzlich pro Jahr.

Wenn der Bologna-Prozess auch nach 2010 fortgesetzt wird, ist eine breite und offene europaweite Debatte über die Ziele der zweiten De- kade dieses Prozesses notwendig. Eine mögliche zweite Bologna- Erklärung 2010 darf nicht allein von den Bildungsministern erlassen werden, sondern muss auch in den nationalen Parlamenten debattiert und ratifiziert werden, um die demokratische Legitimation des Europä- ischen Hochschulraums zu sichern. Die Gewerkschaften als Beteiligte des Bologna-Prozesses werden sich auch weiterhin für einen guten Europäischen Hochschulraum engagieren. Gerade deshalb steht Ih- nen der DGB als Partner für einen Kurswechsel bei der Bologna- Reform zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß

Ingrid Sehrbrock

Stellvertretende DGB-Vorsitzende

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