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In Gefahr: Das Erbe von 1989

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un will die SPD gegen den Willen der Koalitionspart- ner Grüne und Linke in Berlin wieder Lehrer verbeamten (siehe Seite 5). Offenkundig haben die Sozialdemokraten in der Hauptstadt aus der Ge- schichte nichts gelernt.

In der Kanzlerschaft Brandts wurde der Staatsapparat aufge- bläht. Nach dem sogenannten Wirtschaftswunder und Jahr- zehnten CDU-geführter Bundes- regierungen schienen die staatlichen Kassen gut gefüllt. Es war die Zeit des linken Machbar- keitswahns. Alles schien plan- und erreichbar, wenn man nur genügend Fachleute einstellte.

Die von den Universitäten kom- menden 68er bekamen gut do- tierte Beamtenposten. Das ließ die Schulen nicht aus. Ein schlechtes Examen war kein Grund, nicht ein beamteter Leh- rer werden zu können.

Die Folgen sind bekannt. Es wurden große Pensionslasten für die Zukunft angehäuft, und Schulen hatten keine Chance, sich von Lehrern zu trennen, die ihre Stelle nur dem Aufblä- hen des Staatsapparates zu ver- danken hatten. Letzteres schlug nicht nur auf die Qualität des Unterrichts, sondern führte – auch in Kombination mit ab- nehmendem Wirtschaftswachs- tum und der zunehmenden Notwendigkeit des Staates zu sparen – dazu, dass in der Nach- folgezeit selbst Lehramtskandi- daten mit guten Leistungen leer ausgingen. Sie konnten froh sein, wenn sie eine Ange- stelltenstelle bekamen, wie sie in der freien Wirtschaft übri- gens gang und gäbe ist.

Gegenwärtig scheint sich der Kreis zu schließen. Statt von einer Lehrerschwemme ist nun wieder von Lehrermangel die Rede. Pensionierungswellen ge- hen da mit einer Fülle schul- pflichtiger Asylsucherkinder einher, die Merkels Grenzöff- nung dem Land beschert hat.

Hinzu kommen personalinten- sive ideologische Prestigepro- jekte wie Inklusion, Inte gration und eingliedriges Schulsystem.

Es wird wieder fleißig einge- stellt. Und selbst Lehramtskandi- daten mit schlechten Noten bekommen wieder ihre Chance.

Nun könnte man meinen, dass die Politik aus der Geschichte ge- lernt hätte und auf Massenver- beamtungen verzichtete. Dem ist aber offenkundig nicht so.

Und das, obwohl die Praxis ge- zeigt haben dürfte, dass ange- stellte Lehrer nicht schlechter sind als verbeamtete, und die freie Wirtschaft auch ohne die Gewährung von Beamtenprivile- gien zu ihren Leistungsträgern kommt. Mit der Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrern schei- nen eine Verschärfung des Pen- sionsproblems sowie Zeiten, in denen die Schulen selbst für gute Lehramtskandidaten wie- der dicht sind, programmiert.

M

ANUEL RUOFF

:

Nichts gelernt

In Gefahr: Das Erbe von 1989

Die Verlierer von damals haben ihren Kampf nie beendet

30 Jahre nach dem Mauerfall sind viele Errungenschaften der friedli- chen Revolution in Gefahr. Es geht um Einigkeit und Recht und Frei- heit, nichts weniger.

„So viel Anfang war nie!“, jubel- ten die Zeitgenossen angesichts der epochalen Umwälzung, die sich da vor ihren eigenen Augen am Abend des 9. November 1989 in Windeseile abspielte.

Selbst Optimisten und leiden- schaftliche Anhänger der deut- schen Einheit hatten sich den Vollzug ihres Traums, das Ende der Blockspaltung ihres Vaterlan- des, Europas, ja der Welt, selbst im besten Falle nur als Abschluss eines langwierigen, schrittweisen Prozesses vorstellen können. Mau- erfall über Nacht? Verbrüderungs-

szenen und unbeschreibliche, überschwängliche Freude alleror- ten? Kinderglauben, Politik geht anders, so die Überzeugung der vermeintlichen Realisten.

Doch genau so, eigentlich wie im Märchen, sollte es dann tat- sächlich kommen.

Die Vereinigung dessen, was von Deutschland nach der Amputation seiner Ostgebiete übrig bleiben sollte, war zum Greifen nah: Die Wiedergeburt einer Nation in Frei- heit und Einheit, in Demokratie und Rechtsstaat. Was sollte jetzt noch passieren? Die Zukunft strahlte in majestätischem Glanz.

Die letzten Vertreter des kom- munistischen Irrwegs und die ins Mark erschütterten Antideutschen

− es gab sie zwar noch. Doch ihre dunkle Zeit schien endgültig vor- bei. So dachten die meisten. Was für ein Irrtum!

30 Jahre später erleben wir die Transformation Deutschlands in eine andere Republik und erken- nen, dass die Wurzeln dieser Transformation schon damals ge- legt wurden, im Schatten der groß- artigen Ereignisse von 1989/90.

Die SED wurde weder verboten, noch löste sie sich auf. Schon, um das vermutlich milliardenschwere Parteivermögen zu retten, klebte sie sich bloß andere Etiketten ans Revers. Die Antideutschen, ihre Parole lautete schon 1989 „Nie wieder Deutschland!“, rappelten sich schnell auf, auch und gerade in Westdeutschland. Es wurde ihnen leicht gemacht: Das eigene Land zu verachten, gehörte in gro- ßen Teilen der tonangebenden Eli- ten der alten Bundesrepublik schon vor 1989 zum Repertoire.

So machten sich die Verlierer jener großen Nacht umgehend daran, den Deutschen die Revolu- tion zu stehlen. Heute darf alles, was patriotisch oder „national“ da- herkommt, als „Nazi“ verunglimpft werden. Das Bundesamt für Ver- fassungsschutz rief die Bürger die- ser Tage sogar dazu auf, ihre Nachbarn, Freunde, Verwandte oder Kollegen auf „Hinweise für Rechtsextremismus“ hin zu beob- achten und gegebenenfalls beim Geheimdienst zu melden.

Die Deutschen geben zu rund zwei Dritteln an, dass sie (wieder) Bedenken haben, ihre Meinung frei und offen zu äußern. Zu groß ist (wieder) die Furcht, Probleme zu bekommen wegen einer „fal- schen“ Äußerung. Demonstratio- nen von Regierungskritikern werden nicht mehr von der Stasi auseinandergeprügelt. Dafür rük- ken heute die Rollkommandos der Antifa an, denen es schon reicht, wenn jemand öffentlich einen an- deren Kanzler will, um ihn nie- derzuschlagen.

Im Deutschlandfunk wird offen zum „Hass“ (wörtlich!) aufgerufen gegen das, was man ganz links als

zu weit rechts betrachtet. Dabei wissen wir, wie weit die ganz Lin- ken einen Begriff wie „rechtsex- trem“ fassen können, wenn es ihnen in den Kram passt. Eben jener „Antifaschistische Schutz- wall“, der vor 30 Jahren fiel, legte Zeugnis darüber ab: Faschismus, das waren die Demokratie im We- sten und alle Deutschen, die nichts als ihr Recht auf Freiheit durch Flucht in die alte Bundesre- publik durchsetzen wollten.

„Antifa“, das ist das alte Bünd- niskonzept der Bolschewisten. Es funktioniert nach der Salamitak- tik: Nach und nach wird alles unter Faschismusverdacht gestellt, was den Vorstellungen der extre- men Linken zuwiderläuft. Dabei werden Sozialdemokraten und Bürgerliche zunächst eingespannt, bis sie (zu spät) merken, dass sie ebenfalls Ziel dieser Strategie sind.

Sie sind weit gekommen. Der so- zialdemokratische Bundespräsi- dent Steinmeier gratuliert einer gewaltverherrlichenden, linksex- tremen Musikgruppe, die SPD ko- aliert, wo es geht, mit den SED-Fortsetzern, und in Thürin- gen liebäugelt ein CDU-Chef mit einer Zusammenarbeit mit alten SED-Kadern, die sich immer noch zuhauf in der Linkspartei des Bun- deslandes tummeln. Derweil wer- den die Reste der bürgerlichen Konservativen im etablierten Spektrum, wie die „Werte-Union“, fast schon genauso giftig in den Fa- schismus-Senkel gestellt wie die junge AfD-Opposition.

Dass die Parteineugründung vor allem in den Ländern der früheren DDR Erfolge feiert, verwundert nicht. Freie, selbstbestimmte Deut- sche in einem freien, selbstbe- stimmten Land wollten sie sein.

Und nicht in etwas aufgehen, was der erste Präsident des wieder un- abhängigen Estland, Lennart Meri, den „grauen Völkerbrei“ nannte, den man auf den Bahnhöfen der Sowjetunion habe besichtigen

können. Heute aber sehen sie sich von einer Kanzlerin regiert, die bloß noch zwischen „denen, die schon länger hier leben“, und

„denen, die erst kürzlich zu uns gekommen sind“, unterscheiden will. Die damit alle Bezüge zu Volk, Heimat und Verwurzelung verbal niedertrampelt.

Dabei geriet schon die nutzlose, ja wirtschaftlich schädliche Auf- gabe der nationalen Währung zum Desaster. Nun, so scheint es, sol- len Land und Volk ebenso in einem kulturell amorphen Sam- melsurium aufgehen. Und sie, die doch für ihr Land in der friedli- chen Revolution von 1989 so viel riskiert haben, sollen das nicht einmal kritisieren dürfen, ohne in die „Nazi“-Ecke geschoben zu werden?

Die Errungenschaften von 1989 sind in Gefahr. Wo der Staatssen- der zum Hass gegen Abweichler aufruft, der Geheimdienst zum Spitzeln animiert, das Staatsober- haupt nach ganz links offen ist und wo die Meinungs- und Versamm- lungsfreiheit vielerorts nur noch auf dem Papier stehen, da müssen die Alarmglocken schrillen.

Noch sind wir weit von einer neuen Herrschaft der Unfreiheit entfernt. Aber der Horizont hat sich bereits bedenklich verdüstert.

Das Erbe von 1989 darf nicht ver- schwendet werden. Wie damals bedarf es wachen Bürgersinns und manchmal auch einigen Mutes, um es zu verteidigen. An uns Bür- gern ist es, das Erbe von 1989 zu bewahren und uns damit seiner würdig zu zeigen. Es geht um Ei- nigkeit und Recht und Freiheit, nichts weniger. Hans Heckel

Preußen / Berlin DIESE WOCHE

Aktuell

Hintergrund

Ausland

Kultur

Deutschland

Es kam, wie es eigentlich nur im

Märchen passiert

Freiheit und Selbstbestimmung

unter Druck

Einzelverkaufspreis: 2,90 Euro

Nr. 45 – 8. November 2019

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N A B H Ä N G I G E

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E U T S C H L A N D ZKZ 05524 - PVST. Gebühr bezahlt

Lebensstil

Es geschah wie im Märchen: Begeisterte Menschen in Berlin am Abend des 9. November 1989 Bild: imago images/Sven Simon

Maue rfall S . 2, 9 , 10, 11

Das Ostpreußenblatt

Gewalttäter beim Fußball

Der hohe Anteil von Immigranten wird kaum

diskutiert

5

Islamische Unterwanderung

Katarische Stiftung will Europa islamisieren

2

Pulverfass Algerien

Entscheidend wird sein, wer die Herzen der Masse der Soldaten erobert

4

Sieg der Peronisten

Präsidentenwahl in

Argentinien

6

Bulgariens Schatzgrube

Neues Museum in Plowdiw zeigt alte Mosaiken

Osten will mehr Einfluss

Ende November wählt die AfD ihren

neuen Bundesvorstand

3

9

Eine glatte 1 in »Glück«

Wer kann schon Deutsch oder liebt Mathe?

21

MAUERFALL

Aktuell

Geschichte Kultur

Mauerfall und neue Gesichter

Grenzöffnung am

9. November 1989

2

Als die Menschen auf der Mauer tanzten

Der deutsche Frühling im

November 1989

10

Rosarote Zukunft

Hoffen auf den großen Wurf – Der Mauerfall

in Film und Literatur

9

(2)

Auf der Leipziger Montagsdemon- stration am 13. November 1989, an der sich etwa 200 000 Menschen beteiligten, war auf einem Trans- parent zu lesen: „Die Mauer hat ein Loch, aber weg muss sie doch!“

Reisefreiheit und das damit ver- bundene Ende des DDR-Grenzre- gimes waren zwar von Anfang an Anliegen der Proteste, aber die Be- hauptung, die Mauer habe ein

„Loch“, wäre noch eine Woche zu-

vor falsch gewesen. Der Fall der Mauer, um den es sich dabei fak- tisch handelte, war für jeden Ein- zelnen die sicht- und spürbarste Veränderung dieser Tage, zugleich ein sicheres Zeichen dafür, dass das SED-Regime am Ende war. Der Ruf „Deutschland einig Vater- land!“ ließ sich in der Folge dieses Ereignisses von einigen Demon- stranten auch schon vernehmen.

Allerdings handelte es sich hier

noch um eine Minderheit, der von anderen bedeutet wurde, dass dies zunächst kein vorrangiges Ziel sei.

Reisen in die CSSR waren be- reits seit dem 1. November wieder möglich. Ziel der weitaus meisten, die sich in Richtung Prag auf- machten, war es, über die Bot- schaft in die Bundesrepublik aus- zureisen. Schließlich wurde die Grenze der CSSR zur Bundesrepu- blik geöffnet. Allein am ersten No- vemberwochenende verließen auf

diesem Weg über 23 000 Men- schen die DDR. Die Massenausrei- se hielt an, im Wirtschaftsleben machten sich die personellen Lük- ken bereits deutlich bemerkbar.

Am 7. November trat der DDR- Ministerrat unter seinem Vorsit- zenden Willi Stoph zurück. Das Kabinett blieb kommissarisch im Amt. Sein letzter offizieller Akt war die Abschaffung des in den Schulen erteilten Wehrkundeun-

terrichts, der ideologisch aufgela- den war und bereits Jugendliche in einem Wehrlager vormilitärisch ausbildete. Wenig später trat auch das Politbüro des Zentralkomitees (ZK) der SED, das eigentliche Machtzentrum der DDR, ge- schlossen zurück. Eine Reihe von Mitgliedern wurde dauerhaft ent- fernt, allen voran Staatssicher- heitsminister Erich Mielke. Ande- re stellten sich im ZK einer Wiederwahl und verblieben im

Amt, so auch Egon Krenz. Dieses Gebaren rief inzwischen auch Tausende von unzufriedenen SED-Mitgliedern auf den Plan, die für umfassende Veränderun- gen in ihrer Partei eintraten.

Das in Teilen neue Politbüro ver- ständigte sich in einer Mittagspau- se während der ZK-Plenartagung am 9. November über die nach wie vor dringend erforderliche Reise- reglung. Die Einwohner der DDR,

die in der Regel nur Personalaus- weise besaßen, hätten danach Päs- se beantragen müssen, die Moda- litäten sollten einen Tag später be- kannt gegeben werden. Die ent- sprechende Pressemitteilung ver- las das sichtlich irritierte Politbü- romitglied Günter Schabowski je- doch schon auf einer Pressekonfe- renz am selben Abend. Seine auf Nachfrage erteilte Auskunft, dass die Regelung sofort in Kraft trete, führte dazu, dass sich eine große

Zahl von Menschen in Berlin zu den Grenzübergängen begab. Die Grenzposten – und mit ihnen das Regime – kapitulierten. Sie sahen keine andere Möglichkeit, als die Grenzen zu öffnen. Die Frage nach den eigentlich erforderlichen Päs- sen stellte sich nicht mehr. Erwo- gen wurde, sich derjenigen, wel- che die Grenze an diesem Abend überschritten und die von der Staatssicherheit als besonders un-

zufrieden und „unzuverlässig“

eingestuft wurden, dauerhaft zu entledigen, indem man auf dem Foto in deren Personalausweisen einen Stempel platzierte. Damit wäre das Dokument nach Lesart der DDR-Behörden ungültig gewe- sen. Die Menschen wären ohne ihr Wissen ausgebürgert worden und hätten nicht zurückkehren dürfen.

Durchhalten ließ sich dieses Vor- gehen nicht. Dass sich in den nächsten Tagen Unmengen von DDR-Bewohnern aufmachten, um den ihnen bislang weitgehend ver- schlossenen Westteil ihres Landes zu erkunden, war dann wenig überraschend. Von großen, sicht- baren Emotionen begleitet, war der Fall der Mauer ohne jegliche Gewalt erfolgt.

Im Bundestag war auf die Nach- richt von der Grenzöffnung hin die Nationalhymne angestimmt wor- den. Bundeskanzler Helmut Kohl unterbrach – zum Unmut der Gastgeber – seinen Staatsbesuch in Polen, um am 10. November in West-Berlin zu sprechen. In einer der unwürdigsten Szenen der Ge- schichte dieser Tage wurde er von einer großen Zahl von Demon- stranten ausgepfiffen.

In der DDR traten umfassende personelle Veränderungen ein.

Der Rechtsanwalt Lothar de Maizi- ère wurde Vorsitzender der dorti- gen CDU, die als Blockpartei die SED-Politik unterstützt und mitge- tragen hatte. Die Volkskammer wählte mit dem Vorsitzenden der Bauernpartei, Günther Maleuda, einen Präsidenten, der nicht der SED angehörte. Aus dieser stamm- te allerdings wieder der neue Vor- sitzende des Ministerrats, Hans Modrow. Er galt, nach den Maß- stäben seiner Partei, schon länger als für Reformen aufgeschlossener Kritiker.

In einer Volkskammersitzung mussten sich verschiedene, inzwi- schen ihrer Posten enthobene Ver- antwortungsträger einer für sie ungewohnten Aussprache stellen.

Bekannteste Szene sollten die armseligen Worte Mielkes werden, der auf den Hinweis, er solle doch nicht alle mit „Genossen“ anspre- chen, hervorbrachte: „Aber ich lie- be doch alle, alle Menschen.“

Erik Lommatzsch

EuGH-Anwältin sieht Verstoß

Luxemburg – Die Generalanwäl- tin des Europäischen Gerichts- hofs (EuGH), Eleanor Sharpston, wirft Ungarn, Polen und Tsche- chien vor, EU-Recht gebrochen zu haben. Nach Ansicht der General- anwältin hätten sich die drei Län- der nicht weigern dürfen, einen EU-Beschluss zur Umsiedlung von Asylbewerbern aus Griechen- land und Italien umzusetzen. Im Jahr 2015 war von einer Mehrheit der EU-Staaten beschlossen wor- den, bis zu 160 000 Asylbewerber aus Syrien und anderen Ländern in anderen EU-Mitgliedsländern unterzubringen. Ungarn, Polen und Tschechien hatten eine Um- setzung des Beschlusses verwei- gert. Nach Ansicht der EU-Gene- ralanwältin Sharpston hatten die drei Länder nicht das Recht, die Umsetzung rechtsgültiger Maß- nahmen der EU unter Berufung auf ihre Zuständigkeit für die In- nere Sicherheit abzulehnen. Ein Urteil des EuGH in der Angele- genheit wird in einigen Wochen

erwartet. N.H.

Mauerfall und neue Gesichter

Grenzöffnung am 9. November 1989 – Bundestag sang Nationalhymne – Mielke: »Ich liebe doch alle«

Merkel sagt Milliarde zu

Neu-Delhi– Bundeskanzlerin An- gela Merkel (CDU) hat während ihres Indien-Besuchs dem Land eine Milliarde Euro für den Aus- bau umweltfreundlicher Ver- kehrsmittel zugesagt. Allein für 200 Millionen Euro sollen im Bundesstaat Tamil Nadu als Ersatz für Dieselbusse Elektrofahrzeuge gekauft werden. Im Zuge der deutsch-indischen Regierungs- konsultationen sprach sich Kanz- lerin Merkel auch dafür aus, die Anwerbung von indischen Fach- kräften nach Deutschland zu ver- einfachen. Zur Umsetzung dieses Vorhabens sollen ab 2020 auch die deutschen Außenhandels- kammern eingebunden werden.

Einsetzen will sich die Bundes- kanzlerin zudem auch für eine Wiederaufnahme von Verhand- lungen für ein EU-Freihandelsab- kommen mit Indien. Die Gesprä- che zu einem Abkommen waren 2012 abgebrochen worden N.H.

Islamische Unterwanderung

Nach außen hin friedfertig, in Wirklichkeit radikal – Wie eine katarische Stiftung Europa islamisieren will

Z

wei Journalisten des Fern- sehsenders Arte haben die Machenschaften der größ- ten regierungsnahen Stiftung des Emirats Katar in Westeuropa un- ter die Lupe genommen. Dabei kam heraus, dass die Stiftung Qa- tar Charity dem radikalen Islam der Muslimbruderschaft in Euro- pa durch die Hin tertür von Wohl- fahrtsaktivitäten zum Durchbruch verhelfen will.

Der Dokumentarfilm „Katar:

Millionen für Europas Islam“ des französischen Regisseurs Jérôme Sesquin, der Ende September auf Arte ausgestrahlt wurde, bringt erhellende Einblicke in die dunk - le Welt des radikalen Islam. Ein Whistleblower hatte zwei franzö- sischen Journalisten Tausende von vertraulichen Dokumenten der NGO Qatar Charity zuge- spielt. Auf dem mysteriösen USB- Stick, den die beiden französi- schen Journalisten Georges Mal- brunot und Christian Chesnot ausgewertet haben, befanden sich Tausende vertraulicher Doku- mente der größten NGO der Golf- staaten. Deren Präsident ist Mo- hammed al-Thani, ein Neffe des Emirs und ehemaliger Innenmini- ster von Katar.

Die Unterlagen enthüllen Ein- zelheiten über ein Missionie- rungs- und Finanzierungspro- gramm zur Stärkung des politi- schen Islams in ganz Europa, mit 140 Moscheebauten, Kulturzen- tren, Schulen und Gewerbebetrie- ben, die alle auf die eine oder an- dere Art mit der Muslimbruder- schaft zusammenhängen.

Das Motto der Muslimbruder- schaft lautet: „Der Islam ist die Lösung für alles“. Die Dreharbei- ten begannen in Doha, der Haupt- stadt des Emirats Katar, wo die Behörden jegliche religiöse Akti- vitäten des Wohlfahrtverbandes im Westen bestritten.

Die Qatar Charity sammelt in den riesigen Einkaufsmeilen des Emirats unter den Muslimen die vom Koran geforderte islamische Zakat-Steuer in Form von Spen- den ein. Was mit diesen Steuer- spenden geschieht, wollte das Filmteam genauer wissen und re- cherchierte anhand des Materials des Whistleblowers über die Akti- vitäten des islamischen Wohl- fahrtverbandes in Westeuropa.

Das größte Prestigeprojekt die- ses Wohlfahrtverbandes ist die im Bau befindliche neue An-Nour Moschee von Mülhausen im El-

sass, ein Projekt von 29 Millionen Euro mit islamkonformem Kul- tur-, Einkaufs- und Freizeitzen- trum, mit Ausstrahlung nach Deutschland und in die Schweiz.

Über die Hälfte des Geldes für diese Moschee sollen laut Bele- gen des Whistleblowers von Qatar Charity stammen. Laut den Infor- mationen dieses Hinweisgebers sind weitere exklusive Moschee- bauten in Großbritannien, Frank-

reich, Deutschland und Luxem- burg in Planung.

Durch den Geheimnisträger wird im Film auch offengelegt, dass ein Flüchtlingszentrum in Catania auf Sizilien, das auf dem Höhepunkt der Syrienkrise Immi- granten aufnahm, von der Stiftung finanziert wurde. Von Aufnahme- projekten für syrische Flüchtlinge in Katar selbst, das wesentlich nä- her an Syrien liegt als Sizilien, ist bislang nichts bekannt. Dabei war am Bürgerkrieg in Syrien auch

ein Aufstand der Muslimbrüder im Lande schuld.

In Italien ist vor allem Sizilien der Schwerpunkt der Aktivitäten von Qatar Charity mit über zehn Projekten, weil, wie eine Broschü- re der Organisation hervorhebt, Sizilien über 400 Jahre von Mus- limen beherrscht war und an die- se Zeit angeknüpft werden soll.

Der Film belegt auch, dass nach Erhalt der finanziellen Mittel von den Einrichtungen die dahinter- stehende Ideologie gelehrt wer- den muss, was ein weiteres Vor- dringen des politischen Islam un- ter den Muslimen bedeutet. Offen lässt der Film, ob die aufgedek- kten Vorhaben Teile eines zentral gesteuerten, weitreichenderen Is- lamisierungsprojekts sind.

Das steinreiche kleine Emirat Katar, das im Jahre 2022 trotz wiederholter Proteste von Men- schenrechtsorganisationen die Fußballweltmeisterschaft austra- gen wird, versucht seit dem Ara- bischen Frühling durch die Stär- kung der Muslimbruderschaft sei- ne Führungsposition in der arabi- schen Welt weiter auszubauen. Es befindet sich deshalb in einem Konflikt mit Saudi-Arabien und Ägypten, wo die Muslimbruder-

schaft wegen Terrorvorwürfen verboten ist. Neben Analysen der Reden des religiösen Oberhaupts der Muslimbruderschaft, Scheich Yussef al-Qaradawi, der seit 1961 in Katar lebt, wird in dem Film auch die führende Rolle des Fern- sehsenders Al Jazeera offengelegt, der dem Scheich Qaradawi ein wöchentliches Podium für seine Hasspredigten bietet.

In einem Film im Film über ein Programm zur Stärkung der Ein- flussnahme des politischen Islam in Europa ist auch Benjamin Idriz zu sehen. Er gilt als Bayerns be- kanntester Imam. In seiner Ge- meinde Penzberg bei München gibt er nach außen den liberalen Imam, wie die Zeitungen schrei- ben. Zusammen mit seiner Ge- meinde stehe er für eine gelunge- ne Integration, heißt es.

Der Film beweist jedoch, mit welcher gespaltenen Zunge die Muslimbrüder oft sprechen.

Gegenüber den nichtmuslimi- schen Mitbürgern betonen sie den Dialog und die Friedfertigkeit des Islam, gegenüber den eigenen Muslimen ist davon jedoch in keinster Weise mehr die Rede, da geht es nur noch um die Herr- schaft des politischen Islam. B.B.

Die Qatar Charity bietet eine

»Lösung für alles« an

Rückbauwelle bei Windkraft

Dessau – Das Umweltbundesamt (UBA) warnt vor Engpässen beim Recycling von Rotorenblättern von Windkrafträdern und vor Risiken beim Rückbau von Wind- kraftanlagen. Zum Ende des Jah- res 2020 werden erstmals Wind- kraftanlagen aus der 20-jährigen Förderung fallen. Das Umwelt- bundesamt rechnet daher damit, dass ab 2021 verstärkt Anlagen zurückgebaut werden. Zum Pro- blem können dabei die faserver- stärkten Rotorblätter werden, für die bundesweit nur eine Recy- cling-Anlage existiert. Ein Pro- blem sieht das UBA auch bei den finanziellen Rückstellungen für den Rückbau: Die Betreiber von Anlagen sind verpflichtet, Geld für deren spätere Beseitigung zu- rückzulegen. Nach Einschätzung des UBA besteht allerdings das Risiko, dass diese Rücklagen nicht ausreichen werden. Für das Jahr 2038 prognostiziert das Umwelt- bundesamt sogar eine Finanzie- rungslücke von 300 Millionen Eu- ro. Als Konsequenz seiner Ein- schätzung empfiehlt das Amt, die Berechnungen zu den Rücklage- anforderungen regelmäßig durch Sachverständige prüfen zu lassen.

Bundesweit sind derzeit an Land zirka 27 000 Windkraftanlagen in-

stalliert. N.H.

MELDUNGEN

A K T U E L L

Grenzöffnung an der Bornholmer Straße: DDR-Bewohner überwinden die Absperrung Bild: imago images/Camera4

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MELDUNGEN

Rentner als Steuerzahler

Berlin – Rentner zahlen an den Fiskus immer mehr Einkommen- steuer. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervorgeht, haben Steuerpflichtige mit Rentenein- künften im Jahr 2015 rund 34,65 Milliarden Euro an Einkom- mensteuer gezahlt. Damit hat sich der Betrag innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2005 mussten Rentner ledig- lich 15,55 Milliarden Euro als Einkommenssteuer an die Fi- nanzämter bezahlen. Das gesamte Steueraufkommen ist zwischen 2005 und 2015 um etwa 50 Pro- zent gestiegen. Renten unterlie- gen seit dem Jahr 2005 einer so- genannten nachgelagerten Be- steuerung. Unter anderem durch Rentenerhöhungen steigt die Zahl steuerpflichtiger Senioren. N.H.

Mehr Geld für Bahnvorstand

Berlin – Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) lehnt Überlegungen zu einer Gehaltser- höhung für einen Teil des sechs- köpfigen Vorstandes der Deut- schen Bahn ab. Der Vorschlag zu einer Gehaltserhöhung von bis- lang 400 000 Euro auf künftig 485 000 Euro jährlich geht auf ein internes Gutachten der Unterneh- mensberatung Kienbaum zurück.

In dem Papier waren die Ein- stiegsgehälter für die Bahn-Vor- stände im Vergleich zu anderen Großunternehmen als zu niedrig eingeschätzt worden. Verkehrsmi- nister Scheuer kritisierte die ge- plante Erhöhung als „falsches Sig- nal“ und kündigte an, die Überle- gungen im Aufsichtsrat der Bahn zu stoppen. Scheuer bezeichnete es als Grundprinzip, dass vor ei- ner besseren Vergütung zunächst bessere Ergebnisse stehen müss- ten. Als Eigentümer der Deut- schen Bahn ist der Bund im Auf- sichtsrat mit drei Mitgliedern ver-

treten. N.H.

E

ine kleine Gruppe von linksgrünen Fanatikern kämpft seit Monaten gegen Klimawandel und Weltuntergang.

Sie wird von einem britischen Hedgefonds-Milliardär mitfinan- ziert und kann so ungeniert wei- tere „Aktivisten“ mit einer monat- lichen Beihilfe ködern.

Auf gerade einmal etwas mehr als 5000 Mitglieder wird die Grö- ße von Extinction Rebellion (XR) derzeit in Deutschland geschätzt.

Die mediale Berichterstattung über die Gruppe und ihre Aktio- nen steht jedoch in keinem Ver- hältnis zu dieser Größe. Weltweit sollen es angeblich 100 000 „Akti- visten“ sein. Die wenigen Tausend Unterstützer überraschen, da es sehr einfach ist, sich der Bewe- gung anzuschließen. Es werden keine Mitgliedsbeiträge verlangt, es gibt keine Aufnahmeverfahren noch sonstige Hürden.

Die Gruppierung ist nach eige- ner Darstellung in mehr als 70 Ländern aktiv. Hinter den Städteblockierern steht die briti- sche Firma „Compassionate Revo- lution Ltd.“, was so viel bedeutet wie „mitfühlende Revolution“.

Von Mitgefühl kann jedoch bei den XR-Aktionen, die Millionen Unbeteiligte in Beugehaft neh- men, um ihre Ideologie durchzu- setzen, keine Rede sein. Dass die

Bewegung sogar bereit ist, Tote in Kauf zu nehmen, hat Roger Hal- lam, einer der Mitbegründer der XR, unlängst klargemacht.

In ihrem radikalen Kampf ha- ben XR-Blockierer alle Normal- bürger zu einer Bedrohung des Planeten erklärt. Noch begnügen sich die Störer mit zivilem Unge- horsam und beschränken ihre Ge- waltbereitschaft auf Sachbeschä- digung, Nötigung und Freiheitsbe- raubung. Dies könnte sich bald ändern. Nicht ohne Grund warnt

selbst die Ökolinke Jutta Ditfurth vor der Gruppierung. Die briti- sche Polizei nahm bei den jüng- sten Protesten in London mehr als 1200 Personen fest.

Der frühere Leiter der Terroris- musabwehr von Scotland Yard, Richard Walton, fordert ein kom- promissloses Vorgehen gegen die Organisation, die den Klima- schutz als Tarnung missbraucht.

Und auch unter den Blockadeteil- nehmern wächst der Unmut im Mutterland der Bewegung. Einige von ihnen scheinen nicht gewusst

zu haben, welche juristischen Konsequenzen drohen, als sie sich den militärisch organisierten Störern anschlossen.

Manche Blockierer ließen sich von der Aussicht auf eine satte Alimentierung locken. Immerhin loben die Hintermänner des linksanarchistischen Netzwerks umgerechnet bis zu 450 Euro pro Woche für jeden Unterstützer aus, der nachweist, dass er seine Le- benshaltungskosten nicht selbst tragen kann. Hinter dem Netz- werk sollen potente, allerdings bislang unbekannte Financiers stehen, deren Motive noch un- durchsichtig scheinen.

Die Organisation versucht auch, die traditionell konservativen reli- giösen Utopisten und Weltunter- gangsphantasten aller Religionen unter ihren Fittichen zu scharen.

Gerade da wirkt es sehr rufschä- digend, dass der Bewegung jetzt eine Rassismusdebatte ins Haus steht. Manche XR-Aktivisten hat- ten die Justiz aufgefordert, sich lieber um die täglichen Messerat- tacken in der britischen Haupt- stadt zu kümmern, als friedliche Demonstranten zu verfolgen.

Da Messerattacken überwie- gend im Milieu schwarzer Ju- gendlicher vorkommen, werteten andere Aktivisten diese Äußerung

als rassistisch. B.B.

Gesponserte Gewalt

Ausgesorgt dank Sabotage – Die Geldgeber von Extinction Rebellion

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Nach nur 15 Wochen in seiner Heimat Libanon ist der schwerst- kriminelle Clan-Chef Ibrahim Mi- ri nach seiner Abschiebung wie- der illegal nach Deutschland ein- gereist und darf erneut Asyl bean- tragen. Seine Rückkehr offenbart die immensen Lücken im Grenz- sicherungssystem der EU.

Die Abschiebung des schwer- kriminellen Clan-Chefs Ibrahim Miri im Sommer, nach 13 Jahren gültiger Ausreisepflicht, wurde als Großtat des deutschen Rechts- staats und als Beispiel harten Durchgreifens bei Rechtsverstö- ßen durch Clan-Mitglieder in den Medien in höchsten Tönen gelobt.

Nun ist derselbe bereits wieder il- legal nach Deutschland zurückge- kehrt und hat in Begleitung eines Anwalts einen neuen Asylantrag in Bremen gestellt. Der jetzt Zu- rückgekehrte ist Chef von minde- stens 2500 Miri-Familienmitglie- dern, die vor allem in Berlin und Bremen ihr Unwesen treiben. Ge- gen mindestens 1200 Miri-Fami- lienmitglieder wurde bereits er- mittelt, vor allem wegen banden- mäßigen Drogenhandels, Körper- verletzungen, Prostitution und Menschenhandel.

Nach seiner Rückkehr in den Libanon war er dort polizeilich vernommen, aber nach wenigen Stunden wieder freigelassen wor- den. Jetzt sagte sein Anwalt, dass der einstige Rockerboss, der zu- letzt wegen gewerbsmäßigen Dro- genhandels zu einer sechsjähri- gen Haftstrafe verurteilt worden war, von schiitischen Hisbollah- Milizen im Libanon mit dem Tode bedroht werde.

Warum gerade ein deutscher Rockerboss von islamischen Mili- zen der Partei Allahs mit dem To- de bedroht werde, sagte der An- walt nicht. Die Hisbollah ist im Li- banon an der Regierung beteiligt, die Hisbollah-Miliz übt faktisch eine polizeiähnliche Funktion in diesem Land aus. Interessant ist auch der Zeitpunkt der Rückkehr, so kurz nach drei entscheidenden Wahlen in drei Bundesländern und nicht davor. Auch im Libanon

protestieren seit zwei Wochen täglich Hunderttausende gegen die Regierung und gegen die His- bollah. Geschäfte, öffentliche Ein- richtungen und das gesamte öf- fentliche Leben liegen seit dieser Zeit lahm im Libanon.

Wie der Drogenboss, der sich auf das Asyl beruft, wieder nach Deutschland gekommen ist, sagte er natürlich nicht. Sein Anwalt ließ lediglich wissen, dass es eine lange Flucht gewesen sei, die die Finanzen des Clans viel Geld ge-

kostet habe, das jetzt alles wieder durch Sozialleistungsbetrug im großen Stil vom Steuerzahler her- eingebracht werden muss. Ganz zu schweigen von den Hundert- tausenden Euro, die die Abschie- bung mit Hunderten von Sicher- heitskräften und einem Spezial- flugzeug gekostet hat.

Entsprechend groß war der Auf- schrei durch alle rechtsstaatlichen Parteien hindurch, als die Wieder- einreise des Clan-Bosses bekannt

wurde. Mit einer Ausnahme, die Linkspartei, die vorgab, dass Miri nicht hätte abgeschoben werden dürfen, weil er seinen Lebens- mittelpunkt seit Langem in Deutschland gehabt habe. Der Be- weis sei gerade die lange Liste von Straftaten in Deutschland.

Von einem sicherheitspoliti- schen Skandal erster Klasse sprach FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae. „Wenn Schwerkriminelle wie Ibrahim Miri vom Libanon aus unkontrolliert und ungehin-

dert in die EU und bis nach Deutschland reisen können, schaf- fen das auch andere“, sagte er der

„Welt“. Die Verbringung in erneute Abschiebehaft direkt nach seiner Einreise sei nur konsequent, sagte Lars Castellucci (SPD), Sprecher seiner Fraktion für Migration und Integration. CDU-Innenpolitiker Armin Schuster forderte schärfere Grenzkontrollen, nicht nur in Bay- ern, sondern an allen Außengren- zen Deutschlands. Schwerkrimi-

nelle Asylsucher und IS-Heimkeh- rer wüssten schon lange, dass man auch über andere Bundesländer nach Deutschland einreisen kann, auch wenn man über die Balkan- route kommt. AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio sprach von einer

„Verhöhnung des deutschen Rechtsstaats“. Der Fall offenbare eklatantes „Staatsversagen“, so Cu- rio.

In keinem anderen Rechtsbe- reich wird geltendes Recht so ekla- tant mit Füßen getreten wie im

Asylbereich. Offenbar hat der Staat seit dem Kontrollverlust von 2015 im Asylbereich nie wieder die Kontrolle zurückgewonnen.

Verheerend war vor allem die Außenwirkung der Wiedereinreise des Clan-Chefs. Nun wissen alle Clan-Kriminellen, dass ihnen nichts mehr passieren kann, wenn schon die härteste Waffe des Rechtsstaats, die Abschiebung, stumpf geworden ist. Wer sich jetzt noch wundert, warum sich

seit 2015 plötzlich die kriminellen Clan-Strukturen so diversifiziert und die Mitglieder sich so stark vermehrt haben, der hat spätestens jetzt die Antwort darauf gefunden.

Während die normalen Asylsu- cher monate- und sogar jahrelang in Griechenland oder den Balkan- staaten herumhängen, gelingt es den Schwerstkriminellen unter den Asylsuchern in wenigen Ta- gen, wieder nach Deutschland ein- zureisen. Auch das ist eine Lehre aus der Causa Miri. Fast alle politi-

schen Vertreter fordern mit Aus- nahme der Linkspartei jetzt eine schnelle zweite Abschiebung von Clan-Chef Miri. In Wirklichkeit glaubt das jedoch keiner. Während eines laufenden Asylverfahrens durch drei Instanzen darf nicht ab- geschoben werden. Und man soll- te bedenken, dass Miri seine letzte Abschiebung immerhin 13 Jahre lang, wahrscheinlich bei vollen Sozialhilfebezügen, hinauszögern

konnte. Bodo Bost

Verhöhnung des deutschen Rechtsstaats

Kriminelle Clans nutzen lasche Asylregelungen aus – Der Fall Ibrahim Miri sorgt für Empörung

Vor einem Prozess wegen Drogenhandels gegen vier Män- ner der Rocker- Gruppe „Mongols MC“ in Bremen:

Dem in den Libanon abge- schobenen und nun nach Deutschland zurückgekehrten Clan-Chef Ibrahim Miri (r.) werden zahlreiche Verbrechen zur Last gelegt

Bild: pa

(4)

In der Rangliste der Länder, die Rüstungsgüter aus Deutschland beziehen, rangierte die Demokra- tische Volksrepublik Algerien 2018 nach 2013 und 2016 erneut an erster Stelle – gefolgt von den USA. Dabei ist Algerien ein poli- tisches Pulverfass, wodurch die Gefahr besteht, dass die geliefer- ten Waffen in die Hände von ra- dikalen Moslems geraten.

Algerien verwendet mehr als 16 Prozent seiner Staatsausgaben für das Militär und kauft ständig Rüstungsgüter im Ausland ein.

Der Wert der Waffenimporte aus der Bundesrepublik lag alleine von 2016 bis 2018 bei knapp drei Milliarden Euro. Bisher gingen vor allem dreiachsige Transport- panzer vom Typ Fuchs 2 und an- dere Fahrzeuge, Fregatten der Unterklasse MEKO A-200AN so- wie Lenkflugkörper, Feuerleitein- richtungen, Kleinwaffen und Mu- nition nach Algerien. Vergange- nen September genehmigte der Bundessicherheitsrat schließlich noch die Lieferung von 160 elek-

trischen Antrieben für Waffensta- tionen zur Erhöhung der Schlag- kraft der Fuchs-Panzer. Außer- dem lief 2018 die Produktion von weiteren 1000 solcher Kampfwa- gen in einem algerischen Zweig- werk der Kasseler Firma Rhein- metall MAN Military Vehicles an.

Das alles stößt auf harsche Kri- tik seitens der Opposition in Ber- lin angesichts

der innenpoliti- schen Situation in dem nordafri- kanischen Land.

Algerien nimmt im internationa- len Demokratie-

index einen der hinteren Plätze ein und sein Regime kann daher mit Fug und Recht als autoritär bezeichnet werden. Des Weiteren herrscht derzeit ein gefährliches politisches Vakuum in Algier – ausgelöst durch den Rücktritt des unbeliebten Langzeitpräsidenten Abd al-Aziz Bouteflika am 2. April aufgrund anhaltender Proteste der Bevölkerung. Denn Neuwahlen fanden bisher nicht

statt, weil es angeblich keine ge- eigneten Kandidaten gibt. Das nährt bei vielen Algeriern den Verdacht, dass die Armeeführung um den einflussreichen Heeres- Stabschef Ahmed Gaïd Salah die Wahlen hinauszögert, um selbst nach der Macht zu greifen. Hier- aus resultieren erneute Unruhen, die nun schon seit Monaten an- halten und radi- kal-islamischen Kräften in die Hände spielen könnten.

Nachdem de- ren Einfluss ab dem Ende des Bürgerkrieges in Algerien durch das Militär und die Regierung Bouteflika zurückgedrängt wor- den war, mehren sich nun die Anzeichen für eine Reislamisie- rung des Maghrebstaates. Nicht umsonst finden die Massenpro- teste regelmäßig nach den tradi- tionellen Freitagsgebeten statt und tauchen im Straßenbild zu- nehmend mehr Männer mit lan- gen Salafistenbärten und voll

verschleierte Frauen auf. Dazu kommen nicht weniger als vier zugelassene und zwei verbotene radikal-islamische Parteien so- wie zwei ziemlich aktive dschi- hadistische Untergrundorgani- sationen.

Trotzdem halten die meisten westlichen Beobachter eine Machtübernahme der radikalen Moslems für unmöglich. Diese werde schon allein wegen der Stärke der hochgerüsteten algeri- schen Armee scheitern. Dabei unterschätzen sie aber die Ent- schlossenheit der radikalen Mos- lems, die von verbündeten Mili- zen aus dem benachbarten Li- byen unterstützt werden.

Letztlich wird wohl alles davon abhängen, auf welche Seite sich die Masse der algerischen Mili- tärangehörigen schlägt, wenn ei- ne Entscheidung für oder gegen den radikalen Islam ansteht. Soll- te Letzterer innerhalb der Streit- kräfte obsiegen, dann hätte Ber- lin allen Grund, die Waffenexpor- te nach Algerien aufs Tiefste zu bereuen. Wolfgang Kaufmann

I

n den algerischen Streitkräf-

ten dienen rund

147 000 Mann. Dazu kommen 150 000 Reservisten, knapp 100 000 Angehörige von Gendar- merie und Grenzwachen sowie 150 000 Mitglieder lokaler Mili- zen und Selbstverteidigungstrup- pen. Die Ausrüstung der bewaff- neten Kräfte stammt vielfach aus der Russischen Föderation oder der Sowjetunion, sofern sie nicht in westlichen Staaten wie der Bundesrepublik zusammenge- kauft wurde.

Das algerische Heer verfügt über eine große Zahl an Kampf-, Schützen- und Späh- panzern. Die entsprechenden Zahlenangaben schwanken zwi- schen 2800 und 5500. Darunter befinden sich Hunderte moder- ner russischer Kampfpanzer vom Typ T-90S. Ansonsten kann das Heer noch um die 500 Ge-

schütze und 150 Mehrfachrake- tenwerfer sowie 480 Panzerab- wehr- und 780 Flugabwehrkano- nen aufbieten.

Die Luftwaffe Algeriens verfügt über rund 750 Flugzeuge und 250 Hubschrauber. Das Rückgrat der Luftstreitkräfte bilden etwa

130 Abfangjäger und Jagdbom- ber der sowjetischen bezie- hungsweise russischen Typen Mikojan-Gurewitsch MiG-23MS, MiG-25PDS, MiG-29SMT, Su- choi Su-24MK und Su-30MKA.

Außerdem soll Algerien dem- nächst noch zwölf neue Su-34 er- halten. An Hubschraubern wären

besonders die zirka 60 Kampf- hubschrauber Mil Mi-24 und Mi- 28 zu erwähnen. Weitere sollen bald aus Russland eintreffen.

Im Bestand der algerischen Marine befinden sich über 200 Schiffe. Die wichtigsten Ein- heiten sind die sechs dieselelek- trischen Jagd-U-Boote vom russi- schen Typ Warschawjanka, drei Landungsschiffe britischer und italienischer Herkunft, acht Fre- gatten der sowjetischen Koni- und der deutschen MEKO- sowie der chinesischen Adhafer-Klasse, sieben Korvetten, von denen vier in Algerien gebaut wurden, und 24 Schnellboote vorwiegend so- wjetischen Typs. Bei der Marine - rüstung geht der Trend neuer- dings hin zu chinesischen oder deutschen Produkten. Insbeson- dere zeigt Algier ein wachsendes Interesse an U-Booten aus der

Bundesrepublik. W.K.

Zeitzeugen

D

erzeit agieren in Algerien vor allem zwei dschihadi- stische Gruppierungen: die Or- ganisation al-Kaida des Islami- schen Maghreb (AQMI) und die Gruppe für die Unterstüt- zung des Islam und der Musli- me (JNIM). Die AQMI entstand 1998 während des algerischen Bürgerkrieges in Abspaltung von der Groupe Islamique Ar- mé (GIA) und trug zunächst den Namen Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC).

Nach ihrem Anschluss an Osa- ma Bin Ladens al-Kaida im Jahre 2006 nahm die GSPC je- doch ihren heutigen Namen an. Seitdem erwarb sich die AQMI den Ruf, die bestorgani- sierte Terrororganisation Nord- afrikas zu sein. Sie verfügt über relativ viel Geld, zu dem sie nicht zuletzt durch die Entfüh- rung von westlichen Touristen im Maghreb und der Sahara und deren anschließende Frei- lassung gegen hohe Lösegeld- summen kommt. Ihre Waffen hat die AQMI nach Erkenntnis- sen des algerischen Geheim- dienstes Département du Ren-

seignement et de la Sécurité (DRS) vor allem aus dem bür- gerkriegsgeschüttelten Nach- barland Libyen bezogen.

Auf das Konto der al-Kaida des Islamischen Maghreb ge- hen diverse Terroranschläge in Algerien und anderen afrikani- schen Staaten, bei denen bis- her 119 Menschen starben.

Mehrmals wandte sich die AQMI in Videobotschaften an junge Oppositionelle in Alge- rien und Tunesien mit der Auf- forderung, statt gegen die „kor- rupten, kriminellen und tyran- nischen Regierungen“ ihrer Länder zu demonstrieren, lie- ber Trainingslager der Dschi- hadisten zu besuchen, in de- nen sie auf den bewaffneten Freiheitskampf vorbereitet würden.

Neben der AQMI kämpft auch die JNIM, die im März 2017 durch den Zusammen- schluss von vier radikal-islami- schen Terrorgruppen entstand, gegen den algerischen Staat.

Ihr Operationsschwerpunkt liegt vorwiegend im Süden des Landes sowie in Mali. W.K.

Agnieszka Brugger – Nachdem die Lieferung einer kompletten Pan- zerfabrik von Rheinmetall MAN Military Vehicles an Algerien be- kanntgeworden war, sagte die da- malige Sprecherin der Grünen für Sicherheitspolitik und Abrüstung:

„Mit diesem Geschäft ermöglicht die Bundesregierung erstmals ei- nem autoritären, vom Militär do- minierten Regime mit höchstpro- blematischer Menschenrechtsla- ge, Panzer selbst zu produzieren.“

Ahmed Gaïd Salah – Offiziellen Äußerungen des Stabschefs des Heeres und stellvertretenden Ver- teidigungsministers Algeriens zu- folge, sollten in dem nordafrikani- schen Staat schnellstmöglich Neu- wahlen stattfinden, damit es nicht wieder im Chaos versinke. In Wirklichkeit scheint der General- leutnant, der als Graue Eminenz Algeriens gilt, es aber gar nicht so eilig zu haben, hofft er doch, eine Marionette des Militärs im Präsi- dentenamt platzieren zu können.

Kamel Daoud – Anfang April 2019 äußerte der prominente algerische Autor anlässlich des Rücktrittes von Präsident Bouteflika im Inter- view mit der „Welt“, er befürchte eine Machtergreifung durch die radikalen Moslems in seinem Lan- de, denn das Beispiel anderer Staaten zeige, dass diese „leider die Angewohnheit“ hätten, „Revo- lutionen zu stehlen“.

Abdelmalek Droukdel alias Abu Musab Abdel Wadoud – Nach Kampfeinsätzen in Afghanistan auf Seiten der Taliban avancierte der studierte Mathematiker 2004 zum Anführer der algerischen Sa- lafisten-Gruppe für Predigt und Kampf (GSPC), die sich 2006 auf seine Ini tiative hin al-Kaida an- schloss und im darauffolgenden Jahr in Organisation al-Kaida des Islamischen Maghreb (AQMI) um- benannte.

Abd al-Aziz Bouteflika – Der alge- rische Politiker war von April 1999 bis April 2019 Staatspräsident sei- nes Landes. Weil der zunehmend unbeliebte 82-Jährige nach vier Amtszeiten trotz erheblicher ge- sundheitlicher Probleme erneut zur Wahl antreten wollte, kam es zu Protesten der Bevölkerung.

Daraufhin trat Bouteflika zurück.

Die deswegen notwendigen Neu- wahlen wurden mehrmals ver- schoben und sollen nun endlich am 12. Dezem ber stattfinden.

Buntes Waffenarsenal

Wo Algeriens Streitkräfte ihr Großkampfgerät herhaben

Obsiegen die Dschihadisten?

Entscheidend wird sein, wer die Herzen der Masse der Soldaten erobert

Doppelte dschihadistische

Gefahr

Algeriens Militär ist mit deutscher Hilfe hoch gerüstet

Von ihm und seinen rund 147 000 Kameraden hängt die Zukunft seines Landes maßgeblich ab: Ein algerischer Soldat Bild: pa

Deutschland ist nur einer von diversen Lieferanten

Die AQMI ist recht finanzkräftig

P U LV E R FA S S A L G E R I E N

Bild: MagharebiaBild: Stefan KaminskiBild: Yelles

V.i.S.d.P:

Dr. Sebastian Husen Verantwortliche Redakteure: Politik, Wirtschaft, Berlin, Mensch & Zeit: Hans Heckel; Kultur, Lebensstil, Leserbriefe:

Harald Tews; Geschichte, Preußen:

Dr. Manuel Ruoff; Buchseite, Bildredak- tion, Ost preußen heute: Manuela Ro- senthal-Kappi; Heimatarbeit: Christiane Rinser-Schrut; Die Pommersche Zei- tung: Brigitte Stramm.

Korrespondenten: Norman Hanert (Ber- lin), Edyta Gladkowska (Allenstein), Ju- rij Tschernyschew (Königsberg).

Verlag und Herausgeber: Landsmann- schaft Ostpreußen e. V., Anschrift von Verlag und Redaktion: Buchtstraße 4, 22087 Hamburg.

Druck: Schleswig-Holsteinischer Zei- tungsverlag GmbH & Co.KG, Fehmarn- straße 1, 24782 Büdelsdorf. – ISSN 0947-9597.

Die Preußische Allgemeine Zeitung ist das Organ der Landsmannschaft Ost- preußen (LO) und erscheint wöchent- lich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der LO.

Bezugspreisepro Monat seit 1. Januar 2019: Inland 12 Euro einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer, Ausland 14,50 Euro, Luftpost 18,50 Euro. Abbe-

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WO C H E N Z E I T U N G F Ü R DE U T S C H L A N D

DA S OS T P R E U S S E N B L AT T

(5)

Linke Kandidatin durchgefallen

Von T HEO M AASS

D

rei Positionen im Berliner Verfas- sungsgericht waren neu zu besetzen.

92 Abgeordnete zählen die drei linken Fraktionen im Abgeordnetenhaus zusammen.

Der CDU-Kandidat Christian Burholt bekam von allen Kandidaten die meisten Stimmen − 148 Mal Ja und viermal Nein. Er dürfte von Teilen der AfD Stimmen bekommen haben.

Auf Ludgera Selting (SPD) entfielen 134 Ja- und zwölf Nein-Stimmen bei sechs Enthaltungen.

Die Linkspartei-Kandidatin Lena Kreck erhielt indes nur 86 Ja-Stimmen und erreichte damit nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Neben den drei bürgerlichen Oppositionsparteien müssen wohl auch einige Vertreter der Regierungsparteien an der Qualifikation von Frau Kreck Zweifel gehabt haben. Die

Vorsitzenden der CDU- und der FDP-Fraktion wiesen den Vorwurf der „Unzuverlässigkeit“

von sich.

CDU-Fraktionschef Burkhard Dregger sagte:

„Das gestern war eine geheime Wahl und ich habe meinen Kollegen nicht in der Wahlkabine über die Schultern geschaut.“

Und FDP-Fraktionsführer Sebastian Czaja meinte: „Unsere Demokratie nimmt Schaden, wenn wir aus dem heutigen Eklat nicht die entscheidenden Lehren ziehen.“ AfD und FDP waren gar nicht erst in die Kandidaten- suche eingebunden worden.

AfD-Fraktionschef Georg Pazderski erklärte, endlich sei es einmal nicht um Parteibücher, sondern um die Qualifikation gegangen.

Linkspartei-Chef Udo Wolf erblickt dagegen in der Abstimmung fast schon eine

Majestätsbeleidigung und sprach von einem

„ziemlich gravierenden Vorgang“. Er wirft der CDU vor, die mutmaßlich neben FDP- und AfD-Abgeordneten gegen Kreck stimmte, Absprachen gebrochen zu haben. „Die Institution des Verfassungsgerichtshofes ist durch diesen Vorgang beschädigt“, behauptet Wolf.

SPD-Kollege Raed Saleh sieht ebenfalls einen offenen Bruch von Absprachen: „Die CDU hat sich damit disqualifiziert.“ Eine Nummer größer hatte es Grünen-Fraktions- chefin Antje Kapek ausgedrückt. Sie warf der CDU „hinterlistiges Verhalten“ zum „Schaden für die Demokratie vor“.

Linksaußen argwöhnt man über einen angeblichen Rechtsruck in der Berliner CDU.

Parteichef Kai Wegner tauchte unlängst auf einem Treffen der Werte-Union auf, die sich die Aufgabe gestellt hat, dem konservativen Flügel der Partei eine Stimme zu geben. Im

„Spiegel“ rechtfertigte sich Wegner: „Das sind Mitglieder der Berliner CDU.“ Die durchgefallene Kandidatin ist übrigens an der Evangelischen Hochschule beschäftigt.

Verbandsfunktionäre loben regelmä- ßig die „integrative Kraft des Sports“

sowie die neue „Buntheit“ und „Viel- falt“ unter den Sportlern. Gerade beim Fußball zeigen sich nun aber auch die Schattenseiten der angeblichen Er- folgsgeschichte.

Auf Deutschlands Fußballplätzen se- hen sich Schiedsrichter nicht nur ver- stärkt groben Pöbeleien ausgesetzt, Unparteiische werden durch Spieler oder Fans auch immer öfter bedroht und körperlich angegriffen. Bundes- weit für Aufsehen sorgte vor Kurzem eine Attacke auf einen Amateur- schiedsrichter während eines Kreisli- ga-Spiels in Hessen.

Am 27. Oktober hatte in der Partie FSV Münster gegen TV Semd ein Spie- ler eine Gelb-Rote Karte kassiert. Dar- aufhin verpasst der Fußballspieler dem Schiedsrichter einen Faustschlag am Kopf. Der Attackierte verlor das Bewusstsein, sackte zu Boden und musste schließlich mit einem Ret- tungshubschrauber in eine Uniklinik gebracht werden. Laut Medienberich- ten lief der Schläger vom Platz, ohne sich um das Opfer zu kümmern. Wie Lokalzeitungen berichteten, soll der betreffende Spieler Hayri G. bereits zu- vor eine sechswöchige Sperre abgeses- sen haben.

Am Wochenende vor dieser Attacke waren in Berlin bereits Amateur- schiedsrichter für ein Wochenende in den Streik getreten. Der Berliner Fuß-

ballverband (BFV) sah sich in der Fol- ge gezwungen, mehr als 1000 Spiele abzusagen. Gegenüber dem Deutsch- landfunk (DLF) sagte Schiedsrichter- sprecher Ralf Kisting zum Streik: „Wir wollen auf die Gewalt auf Fußballplät- zen aufmerksam machen.“ Laut den Angaben des Schiedsrichter-Ausschus- ses des Berliner Fußballverbandes er- eigneten sich in der laufenden Saison auf den Fußballplätzen der Hauptstadt bereits 109 Vorfälle von Gewalt und Diskriminierung. In 53 Fällen waren dabei Schiedsrichter betroffen.

Schiedsrichterspre- cher Kisting wies gegenüber dem DLF kurz auf den Berlin- Legisten BSV Al-Der- simspor hin. Nach insgesamt vier Platz- verweisen gegen die

Kreuzberger Mannschaft hatte ein Spieler von Al-Dersimspor den Schiedsrichter der Partie im Kabinen- trakt geschlagen. Folge war ein zeit- weiliger Boykott des Immigrantenfuß- ballvereins durch Berliner Schieds- richter.

Vor dem Hintergrund der zuneh- menden Gewalt warnte Kisting ein- dringlich: „Es darf nicht den ersten to- ten Schiedsrichter in Deutschland ge- ben.“

In den Niederlanden ist es im De- zember 2012 bereits zu einem Todes- fall gekommen. Der ehrenamtliche Li- nienrichter Richard Nieuwenhuizen

war nach einem Spiel der beiden Ju- gendmannschaften von ,,Buitenboys‘‘

und „Nieuw Sloten“ zu Boden geschla- gen und mehrfach gegen den Kopf ge- treten worden. Der Familienvater wur- de dabei so schwer verletzt, dass er an einer Gehirnblutung starb. Ein nieder- ländisches Strafgericht in Lelystad ver- urteilte sechs Spieler der Jugendmann- schaft des Amsterdamer Vereins Nieuw Sloten sowie auch den Vater ei- nes der Fußballer zu Haftstrafen. Alle sieben Verurteilten hatten einen ma- rokkanischen Immigrationshinter-

grund.

Auch ein Blick auf die Berichterstattung zu konkreten Einzel- fällen in Deutschland legt die Vermutung nahe, dass bei der Entwick lung hierzu- lande Fans und Spieler mit Immigra- tionshintergrund einen überproportio- nalen Anteil an der zunehmenden Ge- walt haben. Aussagekräftige Statistiken fehlen bislang. Beobachtern bleibt nur übrig, aus der Berichterstattung der Medien über Vereins- und Spielerna- men Rückschlüsse zu ziehen.

Die Sozialwissenschaftlerin Thaya Vester, die eine Studie zur Situation von Schiedsrichtern in Baden-Würt- temberg erstellt hat, sprach davon, dass die Stadtstaaten deutlich stärker von Gewalt betroffen seien als die Flä- chenländer, und äußerte zurückhal- tend die Vermutung: „Das hat viel-

leicht auch mit der Zusammensetzung der Bevölkerung zu tun.“

Özgür Özvatan vom Institut für Sozi- alwissenschaften der Humboldt-Uni- versität Berlin sprach einen bislang wenig beachteten weiteren Aspekt an.

Auch Schiedsrichter, Vereinsaktive und Sportfunktionäre, die selber einen Immigrationshintergrund haben, ste- hen unter erheblichem Druck. Gegen- über dem Deutschlandfunk wies der Wissenschaftler darauf hin, dass „in ei- nigen Fällen Personen mit Migrations- hintergrund ins Schiedsgericht beru- fen wurden“. Diese haben laut Özvatan von Immigrantenfußballvereinen „ei- nen Riesendruck erhalten“, damit sie

„dann in diesen Entscheidungen im- mer für ‚ihre‘ Vereine entscheiden sol- len“.

Die Entwicklung auf den Fußball- plätzen stellt die bislang von Ver- bandsfunktionären verbreitete Sicht- weise vom Fußball als Erfolgsgeschich- te der Ausländer-Integration erheblich in Frage. Der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel griff beispielsweise zur Formulierung, beim Fußball würde

„Integration spielend“ gelingen.

Nach der schweren Gewalttat in der hessischen Kreisliga verurteilte der DFB die zunehmende Gewalt gegen Amateurschiedsrichter in einer Erklä- rung. Verbunden war dies mit einem Appell an Polizei, Justiz und auch die Politik, gegen die zunehmende Gewalt mit aller Schärfe vorzugehen.

Norman Hanert Immer häufiger eskaliert die Situation:

Schiedsrichter zeigt aufgebrach- ten Spielern die Rote Karte bei ei- nem Regional - ligaspiel in Berlin

Bild: imago images/Mat- thias Koch

M

it der Wiederauferste- hung des historischen Stadtgrundrisses in un- mittelbarer Nähe von Altem Markt und Landtag entstehen mehrere Straßen des alten Pots- dam wieder. Um die Benennung der Straßen ist in der Stadtverord- netenversammlung jedoch ein Streit entbrannt. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob auf die historischen Straßenna- men wie Schloss-, Schwertfeger- und Kaiserstraße zurückgegriffen wird oder aber Frauennamen ver- wendet werden.

Zur Diskussion stehen die Na- men der langjährigen Vorsitzen- den der israelitischen Frauenge- meinde, Anna Zielenziger, der SPD-Kommunalpolitikerin Anna Flügge und der Ehrenvorsitzen- den der brandenburgischen CDU, Erika Wolf. Gegen eine Verwen- dung der historischen Namen hat sich mit großer Mehrheit un- längst der Kulturausschuss im Stadtparlament ausgesprochen.

Gegenüber den „Potsdamer Neu- esten Nachrichten“ („PNN“) sagte der Linkspartei-Stadtverordnete Sascha Krämer, Frauen seien bei der Benennung von Straßen über- gangen worden.

Die Bürgerinitiative „Mitte- schön“ hat laut „PNN“ als Kom-

promiss vorgeschlagen, die Frau- en an anderer Stelle in Potsdam zu ehren: „Straßennamen sollten kein Ort für politische Graben- kämpfe und Verewigungsphan - tasien von Parteien sein, sondern dienen nach der Straßenverkehrs- ordnung zuerst der Orientierung, das ist offenbar in Vergessenheit geraten“, so die Initiative.

Die Diskussion kann als ein weiteres Zeichen dafür gewertet

werden, dass die Rekonstruktion der historischen Mitte Potsdams auf mehr Widerstand stößt, als dies unter dem langjährigen Pots- damer Oberbürgermeister Jann Jacobs (SPD) der Fall war. Sein Nachfolger Mike Schubert (eben- falls SPD) hatte zur Amtseinfüh- rung im November 2018 angekün- digt, er wolle die Potsdamer bei der Stadtentwicklung stärker be- teiligen.

Schubert sagte, die Wiederge- winnung der historischen Mitte könne auch als „Verlust von jün- gerer Baugeschichte und damit auch Verlust von Identität in der Stadt“ gewertet werden. Nach der Kommunalwahl im Mai ha- ben sich SPD, Grüne und Links- partei zu einer rot-rot-grünen Rathauskoalition zusammenge- tan. Insbesondere aus den Rei- hen der Linkspartei kam in den vergangenen Jahren regelmäßig Kritik, wenn es um den Abriss von Bauten aus der DDR-Zeit

ging. N.H.

Potsdam streitet um Namen

Rot-Rot-Grün will alte Straßen neu benennen − nach Frauen

Keine »spielende« Integration

Gewalttäter beim Fußball: Der hohe Anteil von Immigranten wird kaum diskutiert

Koalitionskrach

Berlin: SPD-Beschlüsse verärgern Partner

D

er jüngste Berliner Landes- parteitag der SPD brachte nach heftigen Diskussionen zwei Ergebnisse zustande, die eine Ko- alitionskrise verursachen könn- ten. Es geht um die Verbeamtung von Lehrern und die Enteignung von Wohnungskonzernen. Einer- seits will die SPD künftig in der Stadt wieder

Lehrer verbeam- ten. Damit sollen angehende Leh- rer in der Stadt gehalten werden.

Allerdings hatte sich die SPD im Koalitionsvertrag dazu bereit- gefunden, bis zu den Wahlen im Herbst 2021 keine Lehrer mehr zu verbeamten, wie es Linkspartei und Grüne forderten.

Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek: „Meine Partei hat in bei- den Fragen eine andere Position.“

Linkspartei-Landeschefin Katina Schubert: „Die Parteitagsbe- schlüsse der SPD stimmen mit unserer Haltung in beiden Fragen

nicht überein.“ Während die FDP in der Verbeamtungsfrage eher Linkspartei und Grünen zuneigt, findet die Wende der SPD bei CDU und AfD Zustimmung.

CDU-Landeschef Kai Wegner lob- te den Beschluss, mit dem die So- zialdemokraten endlich zur Ver- nunft kämen. Die AfD hat den Umschwung bei der SPD ebenfalls begrüßt.

Die Forderung von Linkspartei und Grünen nach einem Enteignungsgesetz gegen Wohnungsunternehmen lehnten die Sozialdemokraten ab. Schu- bert ist enttäuscht: „Es wäre bes- ser, wenn die Koalitionsparteien jetzt gemeinsam ein solches Ge- setz auf den Weg bringen könnten ... Dann muss es eben die Berliner Bevölkerung in einem Volksbe- gehren richten.“ In dieser Frage weiß die SPD jedoch die gesamte bürgerliche Opposition auf ihrer

Seite. Frank Bücker

Linker Widerstand gegen historische Rekonstruktion wächst

Gegen Enteignung von Wohnungsfirmen

AfD bekam keinen Raum

A

m 2. November gab der Pres- sesprecher der Berliner AfD bekannt, dass der eigentlich für Anfang des Monats geplante Lan- desparteitag seiner Partei nun am 25. und 26. Januar 2020 stattfin- den werde. Zunächst schien die Abhaltung des Treffens überhaupt gefährdet. Selbst im benachbarten Brandenburg ließ sich kurzfristig kein Raum finden. AfD-Partei- sprecher Ronald Gläser: „Aus- drücklich erwähnen möchten wir hier das Engagement unserer Par- teifreunde in Brandenburg.“ Mehr als 100 Veranstaltungsorte erteil- ten der Partei eine Absage. Grund dafür waren meistens Drohungen von gewaltbereiten Linksextremi- sten. Zuletzt hatte der Inhaber des Hotel-Restaurants „Schloss Die- dersdorf“ Klage darüber geführt, dass er und sein Personal einge- schüchtert würden. Der Senat hatte sich geweigert, der AfD lan- deseigene Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die Amts- zeit des amtierenden Vorstandes endet im November, er bleibt nun kommissarisch im Amt. F.B.

In Holland kam ein Schiedsrichter bereits zu Tode

P R E U S S E N / B E R L I N

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