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Bemerkungen zu Bühler's Artikel im 39. Bande dieser
Zeitschrift, S. 704 fgg.
Von 0. BShtiingk.
I, 22. Ich hatte behauptet, dass der Vers
^^(Mlai Tcrtt nVi^n tttttt: I
TTmwTTTTtTrer h TPrreTTftft ii
nicht übersetzt werden könne: He who during a year associates
with an outcast becomes (likewise) an outcast; not by sacrificing
for him, by teaching him or by (forming) a matrimonial (alliance
with him), but by using the same carriage or seat". Dagegen
spräche die Grammatik, die da verlangt, dass T ^ zum Polgenden
gezogen wird , und auch der Sinn , da das Opfem für , das Lehren
von und eine eheliche Verbindvmg mit einem Ausgestossenen
grössere Vergehen seien, als mit einem solchen Manne zusammen zu
reisen oder zu sitzen, was ja oft unvermeidlich ist. Nun wird in
den Text und in die üebersetzung auf die gezwungenste Weise
hineininterpretirt, dass das grössere Vergehen alsbald, das geringere
aber erst nach Verlauf eines Jahres die Ausstossung bewirke. Dass
der eigentliche Autor dieses Verses, der an verschiedenen SteUen
wiederkehrt, dieses hat sagen woUen, glaube auch ich. Diesen
Gedanken drücken aber correct mu- folgende Fassungen des zweiten
TheUes des Verses aus: TTTTTSTRTT^fNWTt T T 31«t|I^>IT(i:
(metrisch falsch) oder »TTt T ITTTTTTni;. Die erste Lesart
finden wir in der v. 1. zu Baudbäjana 2,2,35, die zweite bei
Kullüka zu Manu 11, 180. Ob die genauere üebersetzung „wer
es mit Ausgestossenen hält, wird nach einem Jahre ein Ausgestossener",
im Englischen einen weniger guten Satz bildet, als die weniger
genaue „wer es während eines Jahres mit Ausgestossenen hält, wird
ein Ausgestossener", vennag ich nicht zu entscheiden.
II, 10 (nicht II, 24). Bühler räumt zwar ein, dass TTTlffTTf
kein Verbum fin. enthält, sondem „jemals" bedeutet, hält aber
TRTT^nf für eben so berechtigt wie das ganz sicher beglaubigte
TfTTTTTf:. Hören wir seine Gründe: 1) es giebt einen Stamm
Tfl. neben Tf^, von dem nach deu Grammatikem zwar kein
Nom. Acc. Tf gebildet werden daif, auch sonst niemals angetroffen
BöJdlingk, Bemerkungen su BvJiler's Artikel im 39. Bande etc. 145
wird, der aber doch nach der Analogie andrer neutraler Stämme
auf so gebildet werden könnte. 2) Da zwei zum Rgveda,
em zum Sämaveda und ein zmn Jagurveda gehöriges Werk, alle
die Form ohne Visarga geben, so ist ein blosser Fehler nicht wahr¬
scheinlich. Darauf antworte ich, dass der Vers überall auf die¬
selbe Quelle zurückgeht, die Uebereinstimmung also sebr wenig
zu bedeuten hat. Wollte ich aber auch zugeben, dass der Autor
dieses Verses wirklich «wn*l^«!lt5 geschrieben hätte, so würde
dieses nur beweisen , dass er TJf: darin nicht mehr erkannte und
den kaum hörbaren Visarga fortliess. Also Unwissenheit von semer
Seite. 3) Das von mir aus RV. 10, 128, 4 angeführte TiTTWTTt
stehe ungenau für TiTTTTTf , und dieses sei der von Pänini 8, 4, 57
besprochene Fall. Mit dem Monstrum TTf fällt auch Tff in sein
Nichts zurück.
II, 24 (nicht II, 10). Ich will gern zugeben, dass auch Steine
nicht verkauft werden dürfen, desgleichen, dass T Ti^TftT^ aus
dem Vorhergehenden ergänzt werden kann, und schliesslich, dass
man aus dem Zusammenhange errathen kann, worum es sich handelt ;
aber dennoch begreife ich nicht, wie der Autor sich so ungeschickt habe ausdrücken können.
II, 35. Dieses Sütra möchte Bühler für echt erklären, weil
es ganz im Stile des Nirukta gehalten ist. Aus eben demselben
Grunde woUte ich es ausscheiden, weil eine solche Erklärung hier
nicht am Platz ist.
X, 27. Bühler sagt „TnjTt giebt allerdings einen Sinn, wenn
man es mit Kfshnapandita in der Bedeutung von ^TTT oder ^fT"
Ti^'^^ nimmt". Offenbar hat er sagen wollen „wenn man mit Ky.
TJT in der Bed. u. s. w. nimmt".
XI, 2. Dass die Zahl „sechs" im vorangehenden Sütra «gT-
f)l#|(Tftt^l«in. gesagt sein sollte, ist eine Spitzfindigkeit. Dass
T im Sinne von „und so weiter" von einem Autor selbst gebraucht
werde, bezweifle ich nach wie vor.
XI, 7. Hier habe ich übersehen, dass Bühler in den , Ad¬
ditions and Corrections" der Lesart TTTTTT den Vorzug giebt.
XI, 27. Das habe ich auch gewusst, dass man die Eigen¬
namen TWnTT und HY*T%T abgekürzt auch in der Form von
TRT und T^T gebraucht. Wenn Manu „Karren", TTTf
„Eber" u. s. w. in der Bedeutung von „eine Schlachtordnung in
Bd. XL. 10
146 Böhtlingk, Bemerkungen zu Bühler's Artikel im 39. Bande etc.
der Gestalt eines Karrens, eines Ebers' u. s. w. gebraucht, so ist
dieses nicht anders, als wenn wir sagen ,die Sonne ist in die Jung¬
frau' statt „in das Zeichen der Jungfrau getreten'. Dass man
aber statt ^T^T, welches nicht in %T -|- ^T zerlegt werden
kann, sondem ein Derivat von ftTf^T ist, kurzweg ^T „Gott"
sagen könne, war mir nicht eingefallen, und wenn es mir eingefallen
wäre, hätte ich es nicht zu äussem gewagt. Wir können von den
indischen Commentatoren viel , sehr viel ' lemen , dürfen uns aber
dabei nicht des eignen Urtheils begeben. Zum Ueberfluss sei noch
bemerkt, dass wir hier gar kein %t^t, sondem einfach ^% er¬
warten, wie die ParallelsteUen haben.
xn, 40. Bühler bleibt bei seiner Conjectur •^q^«Jn und ver¬
wirft das von mir vorgeschlagene q^«J^, weü dieses gewöhnliche
Wort nach seiner Meinung nicht verunstaltet sein würde. TTTft
soU = fr^ sein und da in dem im Pet. W. aufgeführten ftft-
TTOT (aus Bhägavatapuräna!) fT^ die Bedeutung „disdain" oder
„not care of habe, so wäre TITTtT hier am Platz. frftTTOT
bedeutet aber „der mit seinem Sitz bald fertig geworden ist', d. i.
„dem es einerlei ist, worauf er sitzt'. Vasishtha wUl aber offenbar
sagen „man solle keine Versammlungen besuchen', nicht etwa „man
soUe es mit den Versammlungen nicht zu genau nehmen, dabei nicht
wählerisch sein'. Apast. Dh. 1, 32, 18 fg. wird jener Gedanke
durch T %tT ausgedrückt, was dasselbe wie das von mir vor¬
geschlagene ist.
Xin, 47. Dass Vasishtha's Dharma9ästra an sehr zahlreichen
und starken Corruptelen leidet, sagt Bühler ausdrückUch, möchte
aber dennoch TTTT ?J Ijt T TTft nicht in TTTT T ^ T TTft
ändem, da sogar im classischen Sanskrit der Accusativ mitunter
gesetzt werden darf, wo wir den Locativ erwarten würden; man
sage ja ^^'^Hrft. Nach meiner Meinung darf man doch nicht
alle Locative und Accusative über einen Kamm scheeren. Das
eben angeführte Beispiel bedeutet „er schläft im Lande der Kura",
TTTT T T TTft soU aber besagen „eine Mutter ist keine
Ausgestossene für den Sohn". Mein Tt wird also wohl richtig sein.
XV, 19. TIM<(TU|Ifil1 der Benares Ausgabe giebt auch
keinen Sinn.
BShtUngk, Bemerhungen zu Bühler's Artikel im 39, Bande etc. 147
XVI, 16. Hier werde ich getadelt, dass ich «ffm^n, gegen
alle Handschriften und die Benares Ausgabe in TTfinTf : zu iindern
vorschlage, während ich im nächsten (genauer: übernächsten) Verse
WTWrtt stehen lasse. Da «fn«? ein Masculinum ist, kann T-
fflVf«t. kein Nommativ sein, und da die folgenden Worte alle im
Nominativ stehen , so ist der Accusativ hier nicht am Platz. Was
nun WTWVfl' betrifift, so habe ich dieses wohl in TlTTtHt ver¬
ändert imd dabei auf Manu 8, 149 verwiesen.
XVI, 21—23. Diese Sütra sind nicht wahrscheinlich, sondern
ohne allen Zweifel verdorben und zwar in der allerschlimmsten Art.
Die Bühler'sche Uebersetzung stimmt gar nicht zum Text und
giebt auch nichts weniger als einen einigermassen befriedigenden
Sinn. Sie lautet : ,A king will be superior even to Brahman if
he lives surrounded by servants (who are keen-eyed) like vultures.
But a king will not be exalted if he lives surrounded by servants
(who are greedy) like vultures. Let him live surrounded by
servants (who are keen-eyed) like vultures, let him not be a vulture
surrounded by vultures". Wenn Krshnapandita sagt, dass TT nach
tVfft die Bedeutung TrfT babe, so hat er übersehen, dass dieses
TT mit dem TT im folgenden Sütra in Correlation steht.
XXVI, 7. Dass T Ttf flfttt T die Pratika T Ttf: und
l[ft sein sollten, scheint mir sehr unwahrscheinlich zu sein. Icb
hatte vorgeschlagen T Ttf 1[ft ftTT. zu lesen, weil drei Veda-
Sprüche mit T Ttf: beginnen. Mit Xf^ beginnen sieben Sprüche,
welcher von diesen soll nun gemeint seinV Wenn das erste tjn
in ^pfVft als Pratika gefasst wird, vermisst man ein drittes \ffl
nach tf .
Zum Schluss bemerkt Bühler, dass er für seine Person es
selbst bei einem so verdorbenen Texte für angezeigt halte, sehr
conservativ zu sein. Ja, conservativ sein ist eine gar schöne Tugend, hat aber gewiss auch seine Greuzen.
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Anzeigen.
W. Robertson Smith, Kinship and Marriage in early Arabia.
Cambridge 1885.
Robertson Smith hätte sich schon dann einen bleibenden Namen
unter den Erforschern des semitischen Alterthums erworben , wenn
er nichts weiter gethan hätte , als zuerst ') energisch darauf hin¬
zuweisen, dass sich bei den alten Arabern und Israeliten noch
mancherlei Spuren des einstigen „Matriarchats" finden; das ist der
sociale Zustand, in welchem nur die Abstammung von der gemein¬
samen Mutter als Verwandtschaft zählt und der Mann nicht durch
seine Kinder beerbt wird , sondern zunächst durch seinen Bruder
von derselben Mutter, in Ermanglung eines solchen durch die Söhne
seiner Schwester von derselben Mutter. Ja schon das ist ein grosses
Verdienst, dass er überhaupt begonnen hat, zu untersuchen, wie
weit die socialen und Familienverhältnisse der Araber und der
Semiten insgemein einstmals von dem abweichen , was uns als
normal erscheint.
Nachdem nun inzwischen G. A. Wilken's Scluift „Het Matri-
archaat bij de oude Arabieren" (Amsterdam 1884)^) die Haupt¬
beweise des scharfsinnigen und gelehrten Schotten für das Matriarchat
klar zusammengestellt und nicht wenig verstärkt hat , trägt uns
dieser in dem neuen Buche ausführlich vor, wie sicb nach seiner
Ansicht die modernen Stamm- und Familienverhältnisse der Araber
aus der ursprünglichen ärgsten Rohheit durch eine Reihe von
Zwischenzuständen allmählich entwickelt haben. Es ist em Bau
von imponierender Geschlossenheit; AUes scheint um so sicherer,
als es im Wesentlichen nur die Anwendung des von J. F. Mc Lennan
1) In dem Artikel „Animal worsliip and anima! tribe.s among the Arabs and in the Old Testament" Journal of Pliilolugy 9, 75 ft'.
2) Deutsche Uebersetzung: „Das Matriarchat (das Mutterrecht) bei den alten Arabern". Leipzig 1884. — S. meine Besprechung in der literar.-krit.
Beilage der ,, Oesterr. Monatsschrift für den Orient" 1884, 301 ff. — Ferner vgl. Wilken's Streitschrift gegen Redhouse: „Eenige Opmerkingen naar aanleiding eener critiek van mijn Matriarchaat . . ." (Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederl. Indie 4e Volgr. lOe Dl. 3e Stuk) Haag 1885.
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