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Uns interessiert hier, welche christologischen An¬ schauungen und welche Kirchenpolitik die Armenier in der ersten Hälfte des 5

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(1)

DIE FÄLSCHUNG ARMENISCHER QUELLEN

ZUR KIRCHENGESCHICHTE DES 5. JHS.*

Von Gabriele Winkler, Collegeville (USA)

Wie allgemein bekannt ist, hat die armenische Kirche das Konzil von

Chalcedon im 6. Jh. abgelehnt und sich dabei der alexandrinischen Christolo¬

gie angeschlossen. Uns interessiert hier, welche christologischen An¬

schauungen und welche Kirchenpolitik die Armenier in der ersten Hälfte des

5. Jhs. vertraten, warum sie sich offensichüich davon abwandten, und warum

sie sich veranlaßt sahen, die Quellen dann auch noch zu überarbeiten.

Die armenische Quellenlage für die erste Hälfte des 5. Jhs. ist so verwor¬

ren und kompliziert, daß ich der Klarheit willen mit meiner These beginne, um

sie dann anhand der Quellen zu untermauern. Meine These lautet folgender¬

maßen: Die armenische Kirchenpolitik war einst prosyrisch ausgerichtet, und

theologisch stand sie unter dem Einfluß der antiochenischen Christologie, die über Edessa in Armenien Eingang gefunden hatte. Hierbei ist zu präzisieren, daß dies für folgende Zeitspanne während der ersten Hälfte des 5. Jhs. gilt: von

etwa 414 bis 423 und vor allem von 428 bis 437, vermutlich sogar bis 444,

wobei sich um 435 oder 436 eine Modifdcation der diophysitischen Ten¬

denzen abzuzeichnen beginnt.

A. Der geschichtliche Rahmen

I. Das Vorspiel zum Drama von 428'

Der Armenier Sahak war im Jahre 387 zum Patriarchen emannt worden.

Das heißt, sein Amtsbeginn fiel in eine Zeit, als Armenien aufgmnd der Tei¬

lung des Landes in eine byzantinische und persische Hälfte aufgehört hatte zu existieren, und somit das Land in einer tiefen nationalen Krise steckte. In wei¬

ser Voraussicht sammelte Sahak die fähigsten Armenier um sich, damnter

auch Mesrop MaStoc', der aufs engste mit der Schöpfung des armenischen

* Der Vortrag erschien in wesenüich erweiteter Form unter dem Titel, Die Überarbeitung der armenischen Quellen zu den Ereignissen der Jahre vor und nach dem Ephesinum, in Oriens ChristianuslO (1986) 143-180. Der geschichtliche Teil baut auf meiner Arbeit, „An Obscure Chapter in Armenian Church History (428-439)" auf, die in Revue des Eludes AmUniennes 19 (1985) 85-179 eingereicht wurde.

1 Cf. Winkler, „An Obscure Chapter", pp. 87-91; eadem, „Die spätere Überarbeitung", pp.

143 ff.

(2)

Alphabets verbunden ist. Mit der Erfindung des armenischen Alphabets kam

es dann nicht nur zu einer schöpferischen Auseinandersetzung mit der syri¬

schen und griechischen patristischen Literatur, sondem auch zu einer gewis¬

sen Eigenständigkeit und kulturellen Einheit des aufgeteilten Landes.

Es ist anzunehmen, daß Patriarch Sahak bereits aufgmnd der helleno-

philen Einstellung seines Vaters, aber auch durch seine eigene griechische

Erziehung und vor allem aufgmnd der Tatsache, daß die byzantinischen

Kaiser im Gegensatz zu den persischen Herrschem den christhchen Glauben

vertraten, den Griechen wohl geneigt gewesen ist. Die politischen Gegeben¬

heiten machten es jedoch erforderlich, daß der armenische Patriarch zunächst

am persischen Hof seine Aufwartung machte. Zudem lassen die Quellen er¬

kennen, daß Sahak wohl nicht lange nach 414 eine armenische Gesandtschaft

unter Leitung von Mesrop MaStoc' über Amida und Samosata nach Edessa

geschickt hat, um das armenische Alphabet zu vervollständigen und zu ver¬

feinem. In Edessa wurden Mesrop Ma§toc' und seine Schüler nach den arme¬

nischen Quellen von einem Bischof Babilas bzw. Babilos empfangen. Nun

steckt hinter B abilas/B abilos, wie Peeters überzeugend nachgewiesen hat,

kein anderer als Rabbula, der in 411 oder 412 Bischof von Edessa geworden

wai^.

Um die Zeit, als die Armenier in Edessa eintrafen, stand Theodor von Mo¬

psuestia an der Perserschule von Edessa in höchstem Ansehen: Unter der Füh¬

mng des Ibas wurden die Schriften Theodors ins Syrische übersetzt. In die¬

sem Abschnitt schließe ich mich der Ansicht Peeters an: Der Aufenthalt von

MaStoc' und seinen Schülem in Edessa fiel in eine Zeit, als die Lehrer der

edessenischen Schule sich anschickten, die diophysitischen Tendenzen der an¬

tiochenischen Christologie über die Vermittiung der Schriften von Theodor

von Mopsuestia in ihren Lehrplan zu integrieren.

Wohl um einen Ausgleich zu schaffen, setzte der armenische Patriarch

Sahak dann zu einem gewagten kirchenpolitischen Manöver an, das ein fol¬

genschweres Nachspiel haben sollte. Zwischen 423 und 425 nimmt Sahak

Kontakt mit Konstantinopel, dem Erzfeind Ktesiphons, auf. Zudem schickt er

MaStoc' mit einer Gmppe von Armeniem über Melitene in die byzantinische

Hauptstadt. Diese kirchenpolitische Eigenständigkeit des armenischen Pat¬

riarchen und sein Versuch, eine subtile Balance zwischen den Fordemngen

Ktesiphons einerseits und den Erwartungen Konstantinopels anderseits, her¬

zustellen, blieb für Sahak nicht ohne gravierenden Folgen. Offensichtlich

hatte er weder die Reaktion mächtiger Rivalen unter seinen eigenen Lands¬

leuten, noch die politische Situation in Persarmenien richtig eingeschätzt. 428

2 Cf. P. Peeters, „Pour I'histoire des origines de l'alphabet arm^nien", Revue des Etudes Arminiennes 9 (1929), pp. 208-209.

(3)

wurde Saliak nicht nur der Kirchenführung enthoben, sondem auch ins Exil gejagt und seine Güter konfisziert.

Die Glaubwürdigkeit von Movses Xorenac'i darf hier nicht angezweifelt werden, wenn er eine direkte kausale Verbindung herstellt zwischen den helle-

nophilen Neigungen des Patriarchen Sahak und seiner Amtsenthebung 428.

Und mit 428 setzt auch die unmittelbare Einflußnahme der Syrer auf die arme¬

nische Kirche ein, erst durch Sahaks Rivalen, den prosyrisch eingestellten Armenier Surmak, dann durch syrische Patriarchen.

Die Bedeutung der Vertreibung Sahaks mit der daraufhin einsetzenden

Periode syrischer Patriarchen, die der armenischen Kiche vorstanden, ist in

den bisherigen Untersuchungen nicht richdg gewürdigt worden.

n. Der iranophile Patriarch Surmak (428-429) und die Reorientiemng der

armenischen Kiche'

Die ältesten und wichdgsten armenischen Quellen zu diesen Ereignissen,

nämlich Lazar P'arpec'i und Movses Xorenac'^i, geben ein beredtes Zeugnis

über die Vertreibung Sahaks. Surmak hatte nach Movses Xorenac'i offen¬

sichtlich ein besonderes Interesse an dem Sturz von Sahak, „denn die böswil¬

ligen und streitsüchtigen Prinzen hatten ihm den erzbischöflichen Thron ver¬

sprochen. So hatte er also im eigenen Interesse seine Zunge in ein mör¬

derisches Schwert verwandelt"".

Es ist anzunehmen, daß Surmak nicht nur die iranophilen armenischen

Prinzen, sondem auch jenen mächtigen Flügel der armenischen Kirche hinter

sich hatte, der eine enge Zusammenarbeit mit den syrischen Kirchengemein¬

schaften in Persien befürwortete.

Was Surmak dann während seiner einjährigen Amtszeit von 428-429 tat

bzw. nicht tat, darüber schweigen die armenischen Quellen. Die nachfolgen¬

den Ereignisse lassen jedoch die Schlußfolgemng zu, daß Surmak möglicher¬

weise nicht entschieden genug gegen die Byzantiner eingestellt war, oder daß

seine Rivalität mit Sahak zuviel Unmhe unter den Armeniem stiftete, denn

bereits 429 übemahmen Syrer das höchste Amt in der armenischen Kirche.

Die neuen Patriarchen der armenischen Kirche waren nun nicht mehr Arme¬

nier, sondem Syrer, die dem persischen Hof in Ktesiphon nahestanden. Sur¬

mak muß jedoch ein mächtiger Prälat geblieben sein, denn mehrere Jahre

später führte er nochmals die armenischen Kirchengeschäfte.

3 Cf. Winkler, „An Obscure Chapter", pp. 94-97; eadem, „Die spätere Überarbeitung", pp.

150-151.

4 Cf. Movses Xorenac'i III, 64; kriL Ausgabe von M. Abetean ew S. Yarulfiwnean, Movsisi Xorenac'woy, Patmufiwn Hayoc' (Tiflis 1913, photomech. Nachdruck New York 1981), pp. 348-349.

(4)

in. Die Periode der syrischen Patriarchen in der armenischen Kirche'

I. Der Syrer BrJcngoCy)

Die proiranisch eingestellten armenischen Prinzen baten den persischen Herrscher Vram, den Syrer Brk^iSoCy) zum Patriarchen zu ernennen.

Dieses emeute Rapprochement zwischen den armenischen und syrischen

Kirchengemeinschaften führte zu Armeniens Verwicklung in die christologi¬

schen Auseinandersetzungen.

Die armenischen Quellen lassen erkennen, daß die Armenier im nach¬

hinein die Amtsenthebung Sahaks und den prosyrischen Kurs der arme¬

nischen Kirche zutiefst bedauerten. So überrascht es nicht, daß die arme¬

nischen Historiographen die prosyrische Einstellung ihrer Landsleute herab¬

zuspielen, und die Spuren davon zu verwischen suchten. Lazar ParpeCi z.B.

beschwert sich bitterlich über die neue Kirchenleitung. Auch Movses Xore¬

nac'i, der von Lazar abhängig ist, hat nichts Gutes über die Syrer zu melden:

{Movses Xorencufi ÜI, 64) Brlrt$o(y) traf in übler Gesellschaft ein, indem er Frauen als Hausgenossen mit sich führte [und] zügellos und in Ausschweifung lebte

durch Plünderung von Diözesen, deren [Bischöfe] verstorben waren'.

Dazu ist folgendes zu sagen:

(1) Hier dürfte es sich keineswegs dämm handeln, daß sich die Syrer durch

Plündemng der Kirchengemeinschaften zu bereichem trachteten, sondem um

eine gezielte Kontrolle über die armenische Kirche, um die verbliebenen

Anhänger des friiheren armenischen Patriarchen Sahak oder Gegner des persi¬

schen Regimes auszuschalten.

(2) Der angeblich zügellose Lebensstil der syrischen Kirchenleitung in

Gesellschaft übler Frauenzimmer dürfte als eine grobe Unterstellung zu

werten sein, die dazu dienen soll, vom wahren Sachverhalt abzulenken. (Sol¬

che Strategien sind wohl so alt wie die Menschheitsgeschichte).

5 Cf. Winkler, „An Obscure Chapter", pp. 97-106; eadem, „Die spätere Überarbeitung", pp.

151-159.

6 Cf. Abetean - Yanit'iwnean, Movsisi, p. 349.

(5)

Hier kann kein Zweifel über die wahren Absichten der Syrer und des per¬

sischen Hofs bestehen. Die Syrer waren von den Armeniem ins Land gemfen

worden, um die Kirchenleitung zu übemehmen, und damit hatten die syri¬

schen Prälaten die schwierige Aufgabe, die Kontrolle über den armenischen

Klems und die Klöster in ihre Hand zu bekommen, und zugleich die Möglich¬

keit einer byzantinischen Einflußnahme, die der amenische Patriarch Sahak

angestrebt haben dürfte, drastisch einzuschränken. Die tatsächlich anstehende

Aufgabe der ins Land gemfenen Syrer, nämlich die Aufsicht über (a) die ar¬

menischen Klöster und (b) über den armenischen Klems an sich zu ziehen, ist

auch in Lazar ParpecM durch Anschuldigungen überdeckt:

{Lazar P^arpecfil, 15)

(a) 1 [Die Syrer] lebten nicht gemäß dem heiligen und reinen monaslischen Leben, 2 das von dem Vorkämpfer Gregor [Illuminator] in allen armenischen Kirchen

eingeführt und vorgeschrieben worden war ...

(b) 1 Noch üefer zermürbt und untrösüich war der ueffliche Klerus ...

2 der von der apostolischen Hand des heiligen Patriarchen Sahak geweiht worden war...'

Lazar Parpec'i und Movses Xorenac'i berichten von der wachsenden Op¬

position des Klems und einiger armenischer Prinzen gegen den Syrer

Brk'i5o(y), der nach drei Jahren bereits wieder das Amt niederlegen mußte. Es

mag sein, daß dieser Verlust an Beständigkeit innerhalb der Kirchenleitung -

Surmak war nur ein Jahr im Amt, Brk'iSo(y) lediglich drei Jahre - auch damit zutun haben könnte, daß der Syrer Brk'Tiso(y) vielleicht einen extrem diophysi¬

tischen Kurs eingeschlagen hatte. Es ist immerhin denkbar, daß Brk'-iSo(y)

seine Ausbildung in Edessa empfangen hatte, wo in dieser Zeitspanne die

antiochenische Exegese höchstes Ansehen genoß.

Die Vermutung, daß Brk'i5o(y) und sein Gefolge mit der antiochenischen

Christologie vertraut waren, und daß die Syrer ihre Anschauungen dann auch

in der armenischen Kirche durchzusetzen suchten, hat einiges für sich. Diese

Annahme läßt sich untermauem, wenn wir auch noch das Zeugnis von Mo¬

vses Xorenac'i und den Bericht über den nächsten syrischen Patriarchen,

§(a)muel mit heranziehen.

7 Lazar P'arpec'i I, 15; kriL Ausgabe von G. Ter-MkrtC'ean ew St. Malxasean, Lazaray P'arpetfwoy, Patmufiwn Hayocf ew T'utf er Vahan Mamikonean (Tiflis 1904), p. 26.

(6)

2. Der syrische Patriarch S(a)muel (432-437)

Bei der Amstenthebung von Brk'i§o(y) hatten vielleicht die Fraktionen, die hinter dem hellenophilen, früheren Patriarchen Sahak standen, eine nicht

unbedeutende Rolle gespielt. Daß jedoch die Anhänger Sahaks nicht mächtig

genug waren, den Armenier Sahak wieder in das Patriarchenamt zu heben, läßt

sich daran erkennen, daß es ihnen zwar gelang, Sahak vom Exil zu befreien,

daß aber ein anderer Syrer namens (S(a)muel die tatsächliche Führung der

armenischen Kirche übemahm. Der frühere Patriarch Sahak durfte in seine

Heimat AStiäat zimickkehren, jedoch war seine Jurisdiktion weitgehend

eingeschränkt. Sahak war es zwar wieder erlaubt, den armenischen Klems zu

weihen, zuvor hatte er jedoch die Zustimmung des Syrers §(a)muel einzuho¬

len. Und von diesem Recht der Intervention scheint S(a)muel dann auch

ausgiebig Gebrauch gemacht zu haben, wie Movses Xorenac'i zu erkennen

gibt.

Sahak mußte zudem vor dem persischen Herrscher Vram einen Eid able¬

gen, dessen Inhalt recht aufschlußreich ist. Sahak erhielt nämlich die Auflage

„loyal zu bleiben ... und keinen Aufstand zu planen, um ihn in einer häre¬

tischen Glaubensgemeinschaft mit den Griechen [S(a)muel] zu hintergehen'".

Die angeblich verächUiche Erwidemng Sahaks auf die Fordemng Vrams ge¬

hört dem Bereich der frommen Legende an.

Der syrische Patriarch S(a)muel kontrollierte zudem die Steuereinnahmen und den Gerichtshof, das heißt, die Syrer hatte die wichtigsten kirchlichen und

politischen Kontrollfunktionen inne: die Überwachung der Kirche, der

Steuem und des Gerichtswesens. Daß S(a)muel auch von der Finanzschraube

Gebrauch machte, um seinen Vorstellungen Nachdmck zu verleihen, ist bei

Movses Xorenac'i nachzulesen: S(a)muel konfiszierte kurzerhand die Güter

aufsässiger armenischer Fürsten und Prälaten und übergab sie denjenigen, die

seine Ideen teilten. Davon scheint der frühere armenische Patriarch Surmak, der offensichtlich das Vertrauen S(a)muels genoß, besonders profitiert zu ha¬

ben. Dies hat sicherlich nicht die Zustimmung aller Armenier gefunden. Wenn jedoch Movses und Lazar P'arpec'i übereilt behaupten, daß die Syrer bei allen

Armeniem verachtet und verhaßt waren, dann entspricht dies nicht den histo¬

rischen Tatsachen. Es ist immerhin bemerkenswert, das §(a)muel bis zu sei¬

nem Tod in 437 im Amt geblieben ist. Außerdem hatte er die Unterstützung

mächtiger armenischer Fürsten und Prälaten, damnter auch Surmak. Zudem

ist es bedeutsam, daß es der Gmppe hinter Sahak und Mesrop Ma§toc', nach

dem Tod von S(a)muel in 437, und Sahak in 438/439 sowie von Mesrop in

440, nicht gelang über Surmak die Oberhand zu gewinnen. Das Ringen um die

8 Cf. Movses Xorenac'i III, 65; Abetean - Yarufiwnean, Movsisi, pp. 350-351.

(7)

Macht zwischen der iranophilen Partei, vertreten durch Surmak, und den

Anhängern Sahaks endete mit dem Sieg Surmaks.

Soviel zu den kirchenpolitischen Aspekten, wenden wir uns aber auch

nochmals der Lehrauffassung der Syrer zu, von der wir behaupteten, daß sie

diophysitische Tendenzen aufwies.

Lazar Parpeci, der kein gutes Haar an den Syrern läßt, spricht gering¬

schätzig von ihrer „trüben Lehre"'. Was damit gemeint ist, läßt er offen. Ein wesenüich klareres Bild ergibt sich aus den Aussagen des Movses Xorenac'i.

Zwar erwähnt Movses dabei nicht ausdrücklich die syrischen Patriarchen

Brk'iso(y) und S(a)muel, jedoch muß seine berühmte Klage aufgrund der An¬

spielung auf die Amtsenthebung Sahaks und die Verjagung des armenischen

Königs mit der Periode der syrischen Kirchenleitung unmittelbar in Verbin¬

dung gebracht werden:

(1) Ich beweine dich, Land der Annenier ...

(2) denn dein König und dein Wester, [dein] Berater und Lehrer sind beseitigt worden ...

(3) Die Rechtgläubigkeit ist ins Wanken geraten

(4) [und] die Häresie hat Wurzel gefaßt aufgrund der Unwissenheit ...

(5) Nun gibt es Streit im Innern und Schrecken von draußen:

(6) Schrecken durch die Heiden und Streit durch die Häretiker ...

(7) Wer wird die Unverschämtheit derer zum Schweigen bringen, die die Opposition gegen die heilsame Lehe schürten,

(8) [und jene], die gleich bei jeder Rede völlig aufgelöst sind und zusammenbrechen:

(9) sie entfemen [dann] viele Lehrer und 7.ahlreiche Bücher ...

Der Text bietet keine Schwierigkeiten: Erst spielt Movses Xorenac'i auf die

Amtsenthebung Sahaks und den Sturz des armenischen Königs an (1-2), dann

sagt er eindeutig, daß die „Rechtgläubigkeit ins Wanken geraten" war (3). Bei dem Vorwurf der „Häresie" (3-4) dürfte es sich um die diophysitischen Tendenzen in der antiochenischen Christologie handeln, die in Armenien durch

Surmak und insbesondere durch die syrischen Patriarchen Brk'iäo(y) und

§(a)muel in der armenischen Kirche Eingang gefunden haben. Von Movses

Xorenac'i werden sie allesamt zu „Häretikern" (6, cf. 7-9) abgestempelt.

Damit können wir mit einiger Sicherheit annehmen, daß die armenische

Khche mit der Erhebung Surmaks auf den Patriarchenstuhl 428 bis zum Tod

S(a)muels 437, wenn nicht sogar bis zum Ableben Surmaks 444 unter syrischer Vormundschaft und auf exegetischem Gebiet im Schatten der antiochenischen Schule stand. Diese Annahme können wir weiter erhärten.

9 Cf. Lazar P'arpec'i 1, 16; Ter-Mkrtc'ean - Malxasean, Lazaray, p. 27.

10 Cf Movses Xorenac'i III, 68; Abetean - Yarufiwnean, Movsisi, pp. 358, 360, 362.

(8)

Auswirlcungen der syrischen Vormundschaft

In diese Zeitspanne der wachsenden syrischen Kontrolle über die armeni¬

sche Kirche müssen wir die Entsendung einer Gruppe von Armeniem nach

Edessa legen. Die armenische Gesandtschaft, die den Auftrag hatte, die syri¬

schen Väter ins Armenische zu übersetzen, wird von enem gewissen Yovsep'

und Eznik von Kolb angeführt. Nun mag es von Bedeutung sein, daß der frü¬

here Emissar, Mesrop Ma§toc' nicht mehr erwähnt wird. Dies könnte darauf

hindeuten, daß diese Mission nicht, wie von Koriwn und Movses Xorenac'i

behauptet wird, von Sahak, sondem von der syrischen Kichenleitung aus¬

ging-

In einer näheren Untersuchung, die ich hier nur zusammenfassen kann,

legte ich dar, wamm die Mission in Edessa wohl nicht später als 432 stattge¬

funden haben dürfte".

Dieser zunehmende andochenische Einfluß, der über die Vermittlung von

Edessa sich in der amenischen Kirche ausbreiten konnte, vemrsachte nicht

geringe Besorgnis in Melitene. Bischof Acacius wandte sich schließlich zwi¬

schen 433 und 434 mit einem behutsam abgefaßten Brief an Sahak. Und da¬

mit kommen wir zu einem neuen Fragenkomplex, der sich mit der Kampagne

gegen die antiochenische Exegese, wie sie in den Schriften des Theodor von

Mopsuestia greifbar wird, zu befassen hat.

Die Bedeutung (1) der Vemeibung Sahaks von seinem hohen Amt, (2) die

darauf einsetzende Periode der syrischen Patriarchen, und (3) die wesentlich

eingeschränkte Amtsbegugnis Sahaks zur Zeit S(a)muels, die in der bisheri¬

gen Forschung fast unberücksichtigt geblieben sind, darf nicht unterschätzt werden. Beides, die Reihenfolge der einzelnen Briefe und ihr Inhalt kann erst

mit dem geschichdichen Hintergmnd und einer angemessenen Würdigung der

Bedeutung der Ereignisse nach dem Sturz von Sahak richdg aufgeschlüsselt werden.

B. Die armenischen Fälschungen im Zusammenhang mit

Theodor von Mopsuestia I. Der Brief des Acacius an Sahak'^

In dem Schreiben des Acacius von Melitene an Sahak äußert er seine Be¬

sorgnis, daß Anhänger von Theodor von Mopsuestia, aber auch „die üble Seu-

11 Cf. Winkler, „An Obscure Chapter", pp. 107-109,172.

12 Cf. Girk' Ttl^ocf (Tiflis 1901), pp. 14-15; Winkler, „An Obscure Chapter", pp.

109-110.

(9)

che des Nestorius" in der armenischen Kirche Eingang gefunden haben könn¬

te. Zudem verweist er auf das Konzil von Ephesus 431, auf dem Nestorius

verurteilt worden war.

n. Die Antwort Sahaks"

Dieser Brief im GirldTHfoc bereitet einige Schwierigkeiten, denn (1)

stimmt er mit einem anderen, ebenso Sahak zugeschriebenen Brief an Proklus

von Konstantinopel weitgehend überein, (2) weicht er dem Vorwurf des

Acacius, daß diophysitische Lehren in Armenien verbreitet worden sind, aus.

Erst am Ende whd behauptet: „bezüglich der hrlehre, über die du schreibst, daß wü- sie verabscheuen sollen .... nichts dergleichen hat [uns] erreicht".

Diese Behauptung überrascht, denn es kann kein Zweifel daran bestehen, daß

gerade Theodor von Mopsuestia in der armenischen Kirche zu dieser Zeit

noch hoch angesehen war. Weder geht Sahak auf Theodor oder Nestorius ein,

noch wird das Konzil von Ephesus erwähnt, auf das die Armenier durch den

Brief des Acacius aufmerksam gemacht worden sind. Alles in allem ist es ein

recht eigenartiges Dokument, das mehr Fragen aufwirft als es Antwort gibt,

und deshalb mit Vorbehalt zur Kennmis genommen werden muß.

in. Die Anfrage Sahaks an Proklus von Konstantinopel'"

Die Warnung des Acacius dürfte in Sahaks Kreisen einigen Alarm aus¬

gelöst haben. Sicherlich war es für Sahak und Mesrop Mastoc' auch wichtig,

Genaueres über das Konzil von Ephesus und die Verurteilung des Nestorius zu

erfahren. So entschied sich Sahak möglichst diskret, eine Delegation nach

Konstantinopel zu schicken, um sich Kenntnis über die Ereignisse in Ephesus

und die diophysitischen Tendenzen der antiochenischen Christologie zu ver¬

schaffen. Nun dürfen wir nicht vergessen, daß eine Kontaktaufnahme mit

Konstanrinopel am persischen Hof häufig als Landesverrat interpretiert wur¬

de. Folgende triftige Gründe dürften Sahak veranlaßt haben, dieses Risiko

einzugehen: (1) die Denunziationen des Acacius, (2) die Auseinandersetzun¬

gen zuhause, (3) die Notwendigkeit, auf die Konzilsl5eschlüsse zu reagieren,

(4) der Umschwung in Edessa, wo die Bücher des Theodor von Mopsuestia,

der vor kurzem noch in höchstem Ansehen stand, nun öffentlich verbrannt

wurden. Kenntnis von den Tumulten in Edessa dürfte Sahak aufgrund der

armenischen Gesandtschaft unter Leitung von Yovsep' und Eznik, die zu

dieser Zeit noch in Edessa weilte, erhalten haben.

13 Cf. Girkf rtfoc', pp. 16-18; Winkler, „An Obscure Chapter", p. 111.

14 Cf. Winkler, „An Obscure Chapter", pp. 111-113..

(10)

Der Brief des Sahak an Proklus, den er den Emissären Lewond(es) und

Koriwn mitgegeben haben muß, wie aus der Antwort des Proklus ersichtlich

wird, ist uns nicht überliefert.

Die delikate Mission hatte 2 Aufgaben, wie die Antwort des Proklus er¬

kennen läßt:

1. sich zu erkundigen, was es nüt Nestorius und seiner Verurteilung auf dem Konzil von Ephesus 431 auf sich hat;

2. sich von Konstantinopel Klarheit über anstehende christologische Fragen

zu verschaffen.

Die Anfragen resultierten dann in dem berühmten Tomas ci/dArmenios des

Proklus; und als die Gesandten, tewond(es) und Koriwn, mit dem Tomus

nach Persarmenien zurückkehrten, wurde die Synode zu Astisat einberufen.

IV. Die Synode von Astiäat in 435/436''

In der bisherigen Forschung sehen wir ein äußerst verworrenes Bild, was

die Synode von Astisat anbetrifft. Die Synode wirft folgende wichtige Fragen auf:

1. Weswegen wurde die Synode einberufen? Wegen Nestorius (so der arme¬

nische Zeuge) oder wegen Theodor von Mopsuestia (so eine lateinische

Quelle).

2. Geht die Synode dem Tomus von Proklus voran oder folgt sie auf den

Tomus? In der armenischen Quelle folgt die Synode auf den Tomus, in der

lateinischen folgt der Tomus auf die Synode.

3. Gab es eine armenische Synode vor und nachdem der Tomus von Proklus

abgefaßt wurde? Diese Hypothese beruht auf der Kombination der

armenischen und lateinischen Dokumente und vermeidet die Diskussion

über die Glaubwürdigkeit der einzelnen Zeugen.

Diese Synode ist noch in keiner der bisherigen Veröffentiichungen näher

besprochen worden. Das Buch von Sarkissian, The Council of Chalcedon and

the Armenian Church erwähnt die Synode von Agtisat überhaupt nicht,

obwohl Sarkissian mehrere Kapitel dieser fraghchen Zeit gewidmet hat. In

meiner Diskussion habe ich ausführlicher dargelegt, warum der armenische

Zeuge im Girk" T'tfocf glaubwürdiger ist, und warum der lateinischen Quelle

kein Vertrauen geschenkt werden darf.

15 /Wd.pp. 115-126.

(11)

1. Das Zeugnis des Girk' 'Plt'oc' bezüglicli dieser Synode

Die Synode wird im Girkf T"tfoc" im Zusammenhang mit einem Über¬

bhck über die verschiedenen Konzilien angeführt, und stellt eines der wich¬

tigsten Bindeglieder in der Rekonstruktion d?r damaligen Ereignisse dar. Der relevante Text lautet folgendermassen:

(1) Der heilige Sahak und selige Mesrop beriefen [die Synode] ein in AStiSat, (2) zur Zeit, als die Briefe des Cyrill und FYoklus eintrafen.

(3) Sie akzeptierten [die Entscheidungen] der 200 Väter in Ephesus ...

(4) wodurch sie sich schützten vor dem verfluchten Nestorius."

Auffällig ist, daß kein Wort über Theodor verloren wird! Die Synode

wurde ausschließlich einberufen um die Konzilsentscheidungen von Ephesus

mit der Verurteilung des Nestorius anzunehmen (3—4). Es ist wichtig fest¬

zuhalten, daß Theodor von Mopsuestia nicht erwähnt wird. Auch der Tomus

des Proklus, der hier als Brief identifiziert wird, spielt eine untergeordnete Rolle. Was die Erwähnung eines Briefs von Cyrill anbetrifft, so dürfte es sich

um einen späteren Einschub handeln, wie ich in meiner Untersuchung näher

dargelegt habe.

Ebenso eigenartig ist die Tatsache, daß es angeblich Sahak und Mesrop

sind, die die Synode von AStiSat einberufen haben sollen. Sicherlich kam die

Synode erst mit Zustimmung des syrischen Patriarchen S(a)muel zustande.

Der Nachdruck auf die Rolle von Sahak und Mesrop MaStoc' ist irreführend

und wohl erst im Nachhinein entstanden.

2. Die Fälschung in der armenischen Version des Tomus von Proklus"

Wie gesagt, der Tomus beinhaltet das Antwortschreiben des Proklus auf

die Anfrage Sahaks. Dieses wichtige christologische Dokument liegt im grie¬

chischen Original sowie in armenischer, syrischer und lateinischer Über¬

setzung vor. Der armenische Text ist nicht sehr gut überliefert. An dieser Stel¬

le fasse ich lediglich meine Ergebnisse über die armenische Version zusam¬

men:

1. Nur der armenische Text im Knib Hawatoy behauptet, daß der Tomus des

Proklus an Sahak gerichtet gewesen sei, woran das Girkf Tffocf noch den

Namen des Maätoc' hinzufügt. Weder das griechische Original noch die

anderen Versionen geben als Adressaten Sahak oder Maätoc' an.

16 Cf. Girkf T'tfoC, p. 220.

17 Cf Winkler, „An Obscure Chapter", pp. 126-135.

(12)

Ursprünglich wandte sich der Tomus nicht an Sahak und Maätoc", son¬

dem an „die Bischöfe, Presbyter und Archimandriten" von Armenien.

2. Der Tomus von Proklus war ursprünglich nicht gegen Theodor von Mo¬

psuestia gerichtet. Theodor kommt im Gegensatz zu Nestorius (und ande¬

ren) im gesamten Text niemals vor. Erst im Nachhinein wurde der ar¬

menische Text mit dem ausdrücklichen Hinweis auf Theodor, der als Hä¬

retiker abgestempelt wird, interpoliert. VieUeicht ist es von Interesse zu wissen, daß auch eine syrische Version sowie der lateinische Text später in

die Kampagne gegen Theodor miteinbezogen worden sind, wie Van Rom-

pay in einer schönen Arbeit nachgewiesen hat.

Der Tomus war einst gegen diejenigen diophysitischen Aussagen

gerichtet, die auf dem Konzil von Ephesus verworfen worden waren. Die

Schriften des Theodor hatten daran keinen Anteil. Im Nachhinein wurden

jedoch verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Tomus des Proklus in der

Hetze gegen Theodor als maßgebliche Autorität miteinzubeziehen.

3. Die gegen Theodor gerichteten Interpolationen in Movses Xorenac'i und Koriwn

So wie Armenier einen gegen Theodor von Mopsuestia gerichteten Ab¬

schnitt in die armenische Version des Tomus von Proklus interpolierten, so

sind auch Movses Xorenac'i und Koriwn mit Einschüben über Theodor ver¬

sehen worden.

In diesem Zusammenhang ist darauf aufmerksam zu machen, daß Koriwn

in zwei verschiedenen Versionen vorliegt, nämlich in einer längeren und einer kürzeren Version, von mir als Koriwn 1 und II bezeichnet.

Movses Xorenac'i III, 61 (krit Ed., pp. 342-343)

[1. Verurteilung des Nestorius airfdem Konzil von Ephesus 431]

1 In jenen Zeiten saß der gotdos Nestorius unwürdigerweise auf dem bischöflichen Thron der Byzantiner ...

2 Deshalb versammelten sich die heiligen Väter in ... Ephesus ...

3 und sie verwarfen Nestorius.

[11. Einschub über Theodor von Mopsuestia]

4 Und da jedoch Sahak der Große und Mesrop nicht auf dem Konzil anwesend waren, 5 schrieben die Bischöfe von Alexandrien, ft-oklus von Konstanünopel und Acacius von

Melitene an sie und warnten sie. (cf. 23, 24, 25)

(13)

6 Denn sie hatten vernommen, daß einige seiner [= des Nestorius] unorthodoxen Schüler (cf. 19) sich nach Armenien begeben hatten, (cf 21)

7 indem sie die Bücher von Theodor von Mopsuestia, (cf 19-20) dem Lehrer des Nesto¬

rius und Schüler Diodors, mitgenommen hatten.

[III. HeinJcehr der armenischen Delegation von Konstantinopel]

9 DarauiTiin trafen unsere Übersetzer, deren Namen wir zuvor erwähnten, ein;

10 sie fanden Sahak den Großen und Mesrop in A5tiäat von Tarön, 11 (cf. Koriwn)

12 (cf. Koriwn)

13 [und] sie legten die Briefe

14 und die Besümmungen des Konzils von Ephesus, das aus sechs Kanons besteht, vor 15 sowie genaue Kcpien der Schrift.

Koriwn I (Venedig 1894, pp. 33,40-41) [I. deesi]

[II. cf. infra IV.]

[III. Heimkehr der armenischen Delegation von Konstantinopel, p. 33]

9 Darauf gelangten sie [= die Emissäre] in das Land der Armenier, 10 (cf. Movses)

11 wobei sie mit zuverlässigen Kopien der gottgegebenen Schriften erschienen 12 und mit vielen, hernach gnadenhaft niedergeschriebenen Überlieferungen der Väter 13 (cf Movses)

14 und mit den nicänischen und ephesenischen Kanons,

15 und sie legten die [beiden] mitgebrachten Testamente den Vätem der heiligen Kirche vor

[IV. Einschub über Theodor von Mopsuestia (unmittelbar vor dem Tod Sahaks), pp. 40-41]

16 (cf. Koriwn II) 17 (cf. Koriwn 11) 18 (cf Koriwn II)

19 In jener Zeit, als man in das Armenierland Fabeln brachte, (cf. 6)

20 erschienen die nichtigen Überlieferungen eines Mannes ... namens Theodor, (cf 7) 21 (cf. Koriwn II)

22 (cf Koriwn II)

23 worauf die synodalen Patriarchen {sie), (cf. 5) 24 als sie die heiligen Kirchen informierten, (cf 5)

25 [auch] den rechtgläubigen Gottesdienem, Sahak und Maätoc', Nachricht gaben, (cf. 5) 26 Und sie, in ihrer Wahrheitsliebe, entfernten sie umgehend aus ihrer Mitte,

27 hinausgejagt aus ihrem Gebiet, verwarfen sie [sie],

28 auf daß kein satanischer Rauch sich an [ihre] leuchtende Lehre anheften würde.

(14)

Koriwn II (Venedig 1894, pp. 33, 4(M1) [I. deest]

[II. cf.infralV.]

[III. Heimkehr der armenischen Delegation von Konstantinopel, p. 33]

(cf. Koriwn 1: die Abweichungen in Koriwn II sind unbedeutend) [IV. Einschub über Theodor von Mopsuestia, pp. 40-41]

16 Einst, als gewisse Männer vom Konzil zu Ephesus verstoßen worden waren 17 - dessen Name Theodor war (sie) -

18 trachteten sie,

19 nachdem sie sich Bücher mit der Häresie des Paulus von Samosata und Nestorius für die Dummen und Leichtgläubigen beschafft hatten, (cf 6)

20 (cf Koriwn I)

21 und in unser Land gekommen waren, (cf. 6) 22 [auch hier ihre] üble Iniehre zu unterrichten.

23 Worauf sie [= die Konzilsväter von Ephesus], (cf 5)

24 indem sie vom heiligen Konzil [von Ephesus] Briefe sandten, (cf 5)

25 [auch] den rechtgläubigen Gottesdienem, Sahak und Mesrop, Nachricht gaben, (cf. 5) 26 Und sie entfernten wahrhaftig lungehend die krummen Häretiker,

27 indem sie [sie] aus ihrem Lande jagten,

28 auf daß nicht etwa irgendein satanischer Rauch sich mit [ihrer] leuchtenden Lehre vermengen würde.

Erläuterung

Beim Kommentar zur Gegenüberstellung von Movses Xorenac'i und

Koriwn werden wir nur die wichtigsten Faktoren kurz überdenken; für eine

detailliertere Analyse verweise ich auf meinen Aufsatz in Oriens Christianus 70 (1986) 173-180.

1. Die schwankende Position der Interpolation:

In Koriwn 1 und II ist der Abschnitt über Theodor unmittelbar vor dem

Bericht über den Tod Sahaks eingeschoben worden (cf. Überblick IV,

16-28), während Movses Xorenac'i die Warnung vor Theodor der Heim¬

kehr der armenischen Delegation aus Konstantinopel voranstellt (cf. II,

4-7).

2. Die Interpolation bei Movses besteht aus 3 wesentlichen Elementen:

1. Der Text stellt nun einen indirekten Zusammenhang zwischen der Ver¬

urteilung des Nestorius auf dem Konzil von Ephesus 431 und Theodor

(15)

von Mopsuestia her (cf. I-II). Dieser angebliche Zusammenhang

entspricht nicht historischen Tatsachen: Theodor ist bei der Ver¬

werfung des Nestorius auf dem Konzil nicht impliziert worden.

2. Die Abgrenzung zwischen den Anhängern des Nestorius und den

Schriften des Theodor ist bewußt verwischt worden (cf. 6-7).

3. Der armenische Patriarch und sein Mitariieiter Mesrop Maätoc'

werden durch Briefe gewarnt (cf. 5), wobei wiederum ein indirekter

Zusammenhang mit Ephesus hergestellt wird. Auch dies ist unge-

schichüich.

Ein Brief soll angeblich aus Alexandrien stammen (cf. 5), worüber uns nichts bekannt ist. Der Brief von Proklus (cf. 5) ist mit an Sicherheit

grenzender Wahrscheinlichkeit mit dem Tomus des Proklus zu iden¬

tifizieren. Der Tomus ist jedoch nicht von Ephesus aus 431 abgesandt

worden, sondem erst 435 den Gesandten tewond(es) und Koriwn

mitgegeljen worden. Außerdem enthielt der Tomus keine Wamung vor

den Schriften des Theodor, wie wir bereits gesehen haben.

Zudem ist der Tomus nicht an Sahak und Mesrop gerichtet gewesen,

sondem generell an den armenischen Episkopat. Zu diesem Zeitpunkt

war der Syrer S(a)muel Patriarch und Sahak war §(a)muel unterstellt.

Historisch ist die Tatsache, daß der Brief bzw. Tomus des Proklus und

die Konzilsakten von Ephesus (cf. 13-14) vorgelegt wurden, und zwar

auf der Synode von Agtiäat 435/436, die Movses Xorenac'i jedoch

stillschweigend übergeht, wenn man von der vagen Anspielung auf die

Synode in Zeile 10 absieht.

3. Die Interpolation in Koriwn I und II besteht im Wesentlichen aus 4

Faktoren:

1. Koriwn II, im Gegensatz zu Koriwn I, bringt Theodor von Mopsuestia

in eine direkte Verbindung mit dem Konzil von Ephesus (cf. 16-17).

In Koriwn II handelt es sich dat)ei um eine äußerst ungeschickte In¬

terpolation, die nicht einmal den Gedankengang und die Satzkon-

stmktion berücksichtigt.

2. Auch in Koriwn II wird Nestorius und Theodor nicht eindeutig von

einander abgegrenzt, während Koriwn I überhaupt nur von Theodor

spricht (19-20).

3. Wie in Movses Xorenac'i so werden auch in Koriwn 1 und n Sahak und

Mesrop vor den diophysitischen Lehren gewamt: In Koriwn I wird da¬

bei Theodor von Mopsuesti angefiiht (cf. 20), während Koriwn II die

Schriften des Nestorius und Paulus von Samosata erwähnt.

Daß die Benachrichtigung angeblich vom Konzil von Ephesus aus¬

gegangen sein soll, wird ausdrücklich von Koriwn II behauptet (cf.

(16)

23-24), während Koriwn 1 hier die Sache im Unklaren läßt. Diese an¬

gebliche Wamung der Armenier, die von den Konzilsvätem von Ephe¬

sus ausgegangen sein soll, entspricht nicht den historischen Tatsachen,

denn die Schriften des Theodor standen auf dem Konzil von Ephesus

nicht zur Debatte.

4. Abschließend behaupten Koriwn 1 und 11, daß die Armenier, dh. Sahak

und Mesrop Ma§toc', sofort auf die Wamung reagiert, und sich von

diesen häretischen Schriften distanziert haben sollen. Auch dies ist

nicht korrekt. Was es damit wirkhch auf sich hat, werden wir gleich noch sehen.

Beide Quellen, Movses und Koriwn I und II, übergehen die Tatsache, daß

zur Zeit des Konzils von Ephesus 431 Sahak gar nicht die armenischen

Kirchengeschäfte als Patriarch leitete, sondem sich in Verbannung befand. In

dieser Zeit stand der Syrer Brk'iSo(y) der armenischen Kirche vor. Als in 432

Sahak aus dem Exil zurückkehren diirfte, war seine Amtsbefugnis aufgmnd

des mächtigen syrischen Patriarchen S(a)muel weitgehend eingeschränkt.

Zusammenfassend kommen wir zu dem Ergebnis, daß die Abschnitte über

Theodor von Mopsuestia in Movses Xorenac'i und Koriwn 1 und II als spätere

Einschübe zu deuten sind. Die Fälschungen dienten dazu der Kampagne gegen

Theodor durch den Einbezug des Konzils von Ephesus und der Autorität des

Proklus von Konstantinopel größeren Nachdmck zu verleihen.

Die Verwerfung der Schriften Theodors in der armenischen Kirche gehört

nicht der Periode des Ephesinum an, sondem einer späteren Zeit. Die Synode

von AStiSat in 435/436 hat nur die Konzilsakten von Ephesus anerkannt; wie

auf den Tomus des Proklus reagiet wurde, werden wir gleich noch näher un¬

tersuchen.

Höchst eigentümlich ist die Tatsache, daß außer dem vagen Hinweis auf

AStiSat in Movses Xorenac'i (cf. 10) diese Synode von AStiSat von allen frü¬

hen armenischen Historiographem sichüich totgeschwiegen wurde. Weder

Movses Xorenac'i noch Koriwn oder Lazar P'arpec'i gehen auf diese wichtige

Synode ein. Hier müssen triftige Gründe vorgelegen haben, denn gerade diese

Synode hat die diophysiüschen Schriften des Nestorius und seiner Anhänger

abgelehnt, indem sie sich zu den Bestimmungen des Konzüs von Ephesus

bekannte. Auch der Tomus ad Armenios des Proklus von Konstantinopel

wurde auf der Synode zu AStiSat vorgelegt. Und in der Reaktion auf den To¬

mus, so wie sie heute vorliegt, muß auf eine nachträgliche Überarljeitung geschlossen werden.

(17)

4. Die Fälschung des armenischen Antwortschreiben auf den Tomus des

Proklus (d.h. die Fälschungen in dem Synodalschreiben von Aätiäat an

Proklus)"

Sahaks angebhche Antwort auf den Tomus des Proklus fmdet sich im

Girt T°tfo(f und in Auszügen ebenso im Knit Hawatoy. Beide Quellen

geben an, daß es Sahak und Mesrop waren, die auf den Tomus geantwortet

haben. Ich bin jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß es als das Synodal¬

schreiben von AStiSat zum Großteil auf die Autorität des syrischen Patriar¬

chen §(a)muel, der zu dieser Zeit die armenischen Kirchengeschäfte leitete,

zurückgehen muß, und daß dieser dem Sahak zugeschriebene Brief nicht in

der ursprünglichen Fassung, sondem nur als Torso auf uns gekommen ist.

Bereits Adontz hatte die Annahme geäußert, daß dieser sog. Brief des Sahak

insgesamt eine Fälschung ist.

Anlaß zu dieser Vermutung gibt vor allem die Tatsache, daß weite Teile

dieses Briefes nichts weiter als ein Duplikat eines früheren Briefs von Sahak an Acacius von Melitene darstellen. Dieser an Acacius gerichtete Brief gehört dem Jahr 434 an, der an Proklus gerichtete Brief wurde 435 oder 436 verfaßt.

Nun ist es wenig glaubhaft, daß Sahak, einem der wichtigsten kichenpoli- tischen Führer in der armenischen Kirche, nichts besseres eingefallen haben soll, als einen Brief hervorzuholen, den er einige Jahre zuvor an den streit¬

süchtigen Acacius gesandt hatte, um ihn dann weitgehend zu kopieren, ohne

irgend etwas wesentiiches außer dem Credo hinzuzufügen, und daß Sahak so

ein Duplikat an den Patriarchen von Konstantinopel in einer Krisenzeit ab¬

sendet, die größte Aufmerksamkeit und Geschick erforderten. Diese Hypothe¬

se ist wohl auszuschalten.

Aber auch noch ein anderer Umstand spricht für die Annahme einer spä¬

teren Fälschung. An keiner Stelle geht der Brief auf den Tomus des Proklus

ein, was am besten damit zu erklären ist, daß dieser Brief - außer dem Credo - eben nicht das ursprüngliche Antwortschreiben ist, sondem eine Fälschung.

Der angebliche Brief des Sahak besteht aus einem frommen, jedoch

nichtssagenden Rahmen, in den ein Credo eingebettet ist. Ich bin zu dem

Schluß gekommen, daß das Credo den historischen Kem bildet, und daß der

Rahmen dämm später von dem ersten Brief Sahaks an Acacius weitgehend

übemommen wurde und den ursprünglichen Text des Synodalschreibens er¬

setzt hat.

Das Credo führt uns dabei auf die richtige Spur. Erst einmal ist zu über¬

legen, wamm ein Glaubensbekenntnis, dessen erster Teil übrigens dem Nicä-

num entspricht, überhaupt notwendig war. Zieht man nun die griechischen

18 Cf. Winkler, „An Obscure Chapter", pp. 136-143; eadem, „Die spätere Überarbeitung", pp.

170-173.

(18)

Briefe aus dieser Zeit mit heran, wie z.B. die Korrespondenz des Patriarchen

Johannes von Antiochien, so ist festzustellen, daß die Anführung des Nicä-

nums meist, wenn nicht immer, dazu diente, die eigene Position zu vertei¬

digen. So wares bei den Anuochenem, die ihren Standpunkt gegenüber Kon¬

stantinopel und Alexandrien verteidigten, und das gleiche gilt auch von dem

armenischen Synodalschreiben von AStisat an Konstantinopel.

Die Präsenz eines Glaubensbekenntnisses in dem armenischen Synodal¬

schreiben von AStiSat ist im Licht der Quellen von Antiochien aus jener Zeit zu interpretieren. So wie Patriarch Johannes von Antiochien die antiocheni¬

sche Christologie in 437 und dann nochmals in 438 anhand des nicänischen

Credos gegen Proklus von Konstantinopel verteidigte, so haben auch die

Armenier unter Leitung des syrischen Patriarchen S(a)muel auf den Tomus

des Proklus von Konstantinopel mit einem defensivem Glaubensbekenntnis

reagiert. Von dem ursprünglichen Synodalschreiben von AStiSat aus dem Jahr

435 oder 436 ist nur das Glaubensbekenntnis auf uns gekommen. Das Credo

ist der Torso, der verblieben ist, um den sich fromme aber nichtssagende

Worte gerankt haben, die dem Sahak und Mastoc' zugeschrieben worden sind.

Das einstige Antwortschreiben an Proklus von Konstantinopel sah sicher an¬

ders aus als der uns überlieferte Brief, und es ist anzunehmen, daß der syrische

Patriarch §(a)muel, der damals die armenische Kirche leitete, maßgeblich den

ursprünglichen Text des Synodalschreibens von AStiSat mit geprägt hat.

Erst mit der Annahme, daß sie Synode von AStiSat zwar die diophysitische

Lehre des Nestorius abgelehnt, aber an der bisherigen antiochenischen Chri¬

stologie festgehalten hat, werden auch die nächsten Ereignisse, die bislang im

Dunkel lagen, klarer: Das Tauziehen der verschiedenen Parteien in der arme¬

nischen Kirche mit ihren pro- und antisyrischen Flügeln führt zu neuen Kon¬

flikten und Denunziationen, auf die Acacius von Melitene nochmals mit

einem Brief reagiert. Diesmal richtet er ihn jedoch nicht mehr an den armenis¬

chen Klerus, da die meisten und mächtigsten Prälaten sich allem Anschein

nach zur antiochenischen Christologie bekannt hatten, sondem er schreibt nun

an einige armenische Prinzen, die offensichtlich nicht den antiochenischen Kurs der armenischen Kirche unterstützten.

Erst wenn wir diophysitische Strömungen innerhalb der armenischen

Khche postulieren, deren extreme Formuliemngen dann zwar auf der Synode

von AStiSat modifiziert wurden, wird auch die Tatsache verständlich, wamm

die Synode von AStiSat in der armenischen Überliefemng so schlecht bezeugt

ist, d.h. wamm sie von Movses Xorenac'i, Koriwn und Lazar Parpec'i still¬

schweigend übergangen wird.

Movses lüftet noch den Vorhang der Geschichte und gibt uns Einblick in

die tumultartigen Ereignisse der damaligen Zeit in seiner berühmten Klage

über die Zustände in Armenien, Lazar Parpec'i kämpft erbittert gegen die

syrischen Patriarchen, die er als Eindringlinge abstempelt und ihnen sogar

(19)

Unredlichkeiten und sexuelle Ausschweifungen unterstellt, und Koriwn macht

den Emissär Sahaks, Mesrop MaStoc', unsterblich, indem er beide Augen vor

den Wirmissen und Schrecken der damaligen Zeit zudrückt.

(20)

Leitung: Susanne Diwald

QUANTIFIZffiRUNG DER KORANVERSE ALS NEUES

KRITERIUM DER CHRONOLOGISIERUNG DES KORANS

Von Mahdi Bazargan Deutsche Fassung: A. Falaturi

Anders als die bisherigen islamischen und wesdichen Versuche, die

Koransuren und -verse chronologisch anzuordnen, beschreitet Bargazan, diese

zur Kennmis nehmend, einen ganz anderen Weg zu diesem Zweck, und zwar

einen Weg zu dem die apologetischen Tendenzen und sonstigen Emotionen

keinen Zugang haben; einen Weg, der auch nicht durch historische oder

sonstige wissenschaftliche Hypothesen oder auch bestimmte Motive manipu¬

lierbar ist, nämlich einen einzigartigen rechnerischen mathematischen Weg,

unterstützt von bereits bekannten Forschungen als zusätzliche Indizien. Mit

Hilfe dieses mathematischen Instrumentariums erreicht Bazargan zunächst

I. eine rein sprachliche Chronologie, woran sich

II. die Chronologie der Themen und daran

III. die inhaltliche Entwicklung jedes Themas anschließt.

Zu Teil I:

Die Frage „Ist die Mannigfaltigkeit der Koranverse im Hinblick auf ihre

Form und ihren Inhalt irgendeiner Gesetzmäßigkeit unterworfen und wenn ja,

welcher?" bildet den Ausgangspunkt der Untersuchung. Nicht die Länge und

Kürze der Koranverse, sondem die Durchschnittslänge der Koranverse inner¬

halb jeder einzelnen Sure bietet sich als allererster Gmndstein an. Die gesuch¬

te Durchschnittslänge ist zu gewinnen durch die Teilung der Summe der Wör¬

ter (kalimät) einer einzigen Sure durch die Gesamtzahl der in der selben Sure enthaltenen Verse.

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