Bücherbesprechungen
Johannes Lukas, Deutsche Quellen zur Sprache der Musgu in
Kamerun (= Beiheft zur Zeitschrift für Eingeborenensprachen,
24. Heft). Berhn: Dietrich Reimer. 1941.
,,Was für eine Torheit wäre es doch, wollte sich der nächste
nun wieder von Anfang an abmühen, ohne das zu kennen, was
vergangene Geschlechter bereits erarbeitet haben." So sagt Lukas
(Vorwort S. 7) ganz richtig und wir Afrikanisten sind ihm dank¬
bar, daß er mit Fleiß, Genauigkeit und Umsicht alles zusammen¬
getragen hat, was über die Musgu bereits erschienen ist. Lukas
hat den Nachlaß Rudolf Prietze's, in dem sich Aufzeichnungen
von Heinrich Barth, Adolf Overweo, Gerhard Rohlfs u. a.
fanden, verarbeitet und macht sich so „zum Sprecher imserer
großen Afrikapioniere . . ., denen wir soviel Bedeutsames ver¬
danken". Die Kenntnis der Musgusprache im Norden Kameruns
ist idcht nur wissenschaftlich interessant, sondern auch für kolo,-*
niale Zwecke wertvoll. Es ist also um so dankenswerter, daß
Lukas in dieser Arbeit „die Zusammenfassung des Vorhandenen
und die Gewinnung eines einheitUchen Gesichtspunktes" bietet,
ehe die Wissenschaft an Ort und SteUe „die Schleier, die die Ver¬
gangenheit hat ruhen lassen, endgültig zu zerreißen und die Pro¬
bleme, die Nordkamerun bietet, zu behandeln" wieder in der Lage ist.
Nach einem Vorwort und einer Übersicht über die benutzte
und empfohlene Literatur folgt eine Einleitung (S. 9—18), in der
der Verfasser, wie er sagt, „das wenige, das wir über Land und
Leute wissen, zusammengetragen und so ein Bild entworfen" hat,
„das uns das Volk der Musgu etwas näher bringen soll". In Wirk¬
hchkeit ist es aber keineswegs so wenig. Lukas ist es gelungen,
in Kürze ein sehr anschauhches Bild der Musgu, ihres Verbreitungs¬
gebietes, ihres äußeren imd inneren Habitus und ihrer Rolle in
Kamerun zu entwerfen.
S. 19—21 stellt er, auf dem Standard-Alphabet von Lepsius
fußend, den Lautbestand zusammen, wobei der geschulte Phone¬
tiker fühlbar wird, der in Ermanglung eigener Beobachtung aus
den oft vagen Angaben der früheren Sprachforscher alles heraus¬
holt, was man mit gutem Gewissen vermuten kann. Eine Skizze
der Grammatik findet sich von S. 22—41, die einen guten Einbück
in Jen Bau der Sprache trotz nicht allzu zahbeichen Materials
bietet.
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Besonders begrüßenswert ist das Wörterverzeichnis S. 42—121
(Musgu — Deutsch und umgekehrt), „in der Form, wie es sich
Priktzk vorstellte" und das eine unentbehrhche Grundlage für
die späteren Studien bilden wird. Beigeheftet ist noch eine gute
,, Völkerkarte von Nordkamerun" (französisches Mandatsgebiet), die die Einleitung des Buches ergänzt.
Lukas hat (S. 17) die Stellung der Musgu innerhalb der Glie¬
derung der afrikanischen Sprachen zur Genüge herausgehoben,
ebenso wie die Komponenten dieser „tschadohamitischen" Sprache
klar auseinandergelegt. Es ist dabei erfreuhch, daß er sich Be¬
schränkungen auferlegt hat, deren Grenzen bei der Suche nach
„Verwandtschaft" und „Abstammung" von Sprachen so leicht
durchbrochen werden, was dann zu voreiUgen Schlüssen führt.
Man könnte nämlich ohne Schwierigkeiten zu den grammatischen
Beziehungen des Musgu noch lexikographische („Vokabulare") zur
hamito-semitischen Gruppe ,, entdecken". Man vergleiche zunächst
die Zahlwörter silü 2, jmdu 4, tnetuS 8 mit ägyptisch änw, fdw,
hmt, deren Ähnlichkeit gewiß kein Zufall ist. Wie leicht wäre man
verleitet, weiterzugehen; ich greife aus dem Wörterbuch nur einige
Beispiele heraus und stelle die „Entsprechungen" daneben. Mit
Schlüssen wollen wir vorsichtig sein, obwohl die Liste für so
manchen Sprachforscher schon beweisend wäre. Zu Homburgbr's
Theorie von der ägyptischen „Abkunft" afrikanischer Sprachen
wäre sie ein Beitrag,
M. w^l groß, alt äg- wr M. mara sterben äg. mwt.
,, meda, müda »i mdw arab. mSta
sprechen JJ nem süß äg. ndm.
,, üs Männchen JJ s Mann arab. na'im an¬
„ kom salzig JJ knU Salz genehm
,, bec/e Sklave JJ bk Diener JJ yem Wasser äg. mjw, hebr.
,, nlau Kater, JJ mjw Kater, yam Meer,
Katze JJ {miw mäyim
Löwe) Wasser
„ doe Morgen ,, dwi JJ ntada Kopf somah madak
,, sa trinken swr, swj JJ piltS Pferd arab. faras
,, pa Hinterer JJ pk{-wj) JJ düfra bino „ dufr
,, ta, ti Hand JJ Hierogl. Finger, Zehe Nagel
Ä [d, t) JJ iimme Ohr ,, sami'a
,, elest Zunge JJ n4. hören
kopt. las, JJ wa geboren ,, walada
arab. lisdn werden gebären
u. a. m.
Und nun einige Ergänzungen zur Grammatik! Was Lukas
(S. 33) sagt: „Es mag sein, daß in der einen oder andern Ver-
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bmdung sich noch eine unmittelbare Nachstellung des Genetivs im
M. findet, allein solche Beispiele sind nicht zu belegen ..." steht
im Widerspruch zum Wörterbuch, z. B. S. 50: dif gau Feind
(„Mann des Krieges"), S. 58: hie diffu Dunkelheit, S. 93: wäla aju Fünte (,, Sache des Feuers") u. a
Anschheßend an den Genetiv (§§ 33—39) fehlt der Dativ in
der grammatischen Darstellung, während er im Wb. (S. 81) unter
wu, wui behandelt wird
Zu § 84 wäre vielleicht noch ein Suffix -na hinzuzufügen, das
im Wb. (S. 74) in sina (sich betrinken) erscheint; das Wort könnte
ganz gut mit sa (trinken) zusammenhängen, ä^ena (sich fürchten)
könnte ebenso gebildet sein.
Desgleichen sagt Lukas (Wb. S. 83) von ziteram (lernen):
,,wohl Erweiterung von zetaa", so daß vielleicht ein Element -er¬
hinzukäme.
Andererseits glaube ich, daß die vielen ,, zusammengesetzten
Wörter" im Wörterbuch, die Lukas ganz richtig als Sätze
deutet, z. B. Wetterleuchten: dllau dbara ,,Gott bützt"; krank:
dif fegelek ,,er fühlt Fieber" u. a. vielleicht Erklärungen des
Eingeborenen sind, der ja nicht ,, Vokabeln", sondern seine
Sprache vermitteln will und Fragen auf seine Weise, d. h.
kommentierend und demonstrierend, beantwortet.
So stehen wir vor dem grundlegenden Moment, ,,vom Stand¬
punkte des Eingeborenen zu schauen" — nicht europäisch-logisch
aufgefaßte, sondern psychologisch orientierte Grammatik. In der
ganzen Skizze findet sich (§ 88) ein Ansatz dazu: da ,,mit bei",
das auch ,, Relativpronomen" ist. Hier ist die Identität zu deutlich,
als daß das Element in zwei §§ ,, aufgespalten" werden könnte.
So gäbe es aber, gerade weil es Lukas gelungen ist, sehr über¬
sieh thch vorzugehen, noch eine Reihe von Aspekten, die zu neuem
Griff verlocken könnten, vermuthch Zusammengehöriges zusammen¬
zustellen und die Grammatik dann aus dem Geiste des Sprach¬
volkes aufzubauen. (Vgl. meine Abhandlung ,,Zur Sprache der
Ewe-Neger", Suppl. Africana 1924, besonders meinen Vorschlag
S. 38 und meine Skizze ,,Die Lokalvorstellung und ihre Bedeutung
für den Aufbau afrikanischer Sprachen", Festschrift Meinhof 1927, S. 204ff.).
So ist z. B. na, ne beim attributiven Adjektiv (§ 42), das
Lukas selbst als „vollere Form" mit dem Demonstrativ n (§ 36)
und dem Suffix -na (§ 62) zusammenbringt und das in naui, nui
(§ 38 und für den Genetiv § 37) steckt, nicht nur mit dem „Relativ¬
pronomen" (§ 63) identisch, sondem hängt gewiß mit dem Verbum
na „sein" (§ 68, s. auch § 70; § 74 und § 43, präd. Adjekt.) zu¬
sammen, da Demonstration und „Seinsbegriff" („Da-Sein") überall
in Beziehung stehen (s. „Lokalvorstellung" S. 210). Auch die § 79
angeführte Aktionsart mit ne (etwa habitativ) könnte damit zu
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tun haben. Ob en- des Infinitivs (§ 76) oder das Verbum na
„lassen" ebenfalls auf ein Grundelement n zurückgehen, bleibe
dahingestellt. Dagegen glaube ich, daß das Objekts- und Possessiv¬
suffix der 3. Pers. m. -ni (mit nita fem., § 53) mit na „dies"
zusammenhängt und durch den Vokal differenziert ist (s. „Lokal¬
vorstellung" S. 212fi.). Eine solche Vokaldifierenzierung zeigt sich
in dem , .Bestreben, die Vokale eines Wortes einander zu assimi¬
lieren" (§ 15), also in der sog. Vokalharmonie, die, wie Mbinhof
einmal vermutete, mit dem musikalischen Silbenton zusammen¬
hängen kann (s. auch „Lokalvorstellung" S. 212, Fn. 1). Doch
würde das für das Vorhandensein eines solchen im M. noch nichts
beweisen; ich habe jedoch den Eindruck, daß Töne vorhanden
sind (§ 10); gleichgeschriebene Wörter und Doppelvokale deuten
darauf hin.
Für die Vokaldifierenzierung wie in tukunu kü-dara (du liebst) und tikini ki-diri (ihr hebt), ebenso dara (hebe!) und diri (liebet!) u. a., die, wie sie uns vorliegen, keine „Vokalharmonie" darstellen, wird
man nicht immer mit der Erklärung auskommen, die Lukas § 74,
Fn. 1 für a-wdiliki von laka gibt. Auch haben vokahsche Elemente
wie a- (§ 12) und -i (§§ 14, 21) ursprünglich sicherhch ihre be¬
stimmte Bedeutung.
Dagegen läßt sich die der konsonantischen klarer herausfühlen.
Außer w (s. o.) finden sich noch andere „Grundelemente", die im
grammatischen Aufbau eine Rolle spielen, z. B. l (r), d, t, s, g,
k, m, w. Ohne jetzt näher darauf einzugehen, sei nur darauf hin¬
gewiesen, daß die Laute auffallenderweise in Wörtern, besonders
Verben, wiederkehren, die eine primitive oder allgemeine Grund¬
bedeutung haben, z. B. da „tun", ta ,,ich", sa ,, geben", sa
„machen", ga „gehen", ka ,,tun", ma „Mund", wa , .gebären" usw.
Damit soll nicht gesagt werden, daß die grammatischen Elemente
von diesen Wörtern „stammen"; aber sie könnten gemeinsamen
Ursprungs sein. Das alles sollen nur Anregungen für später seiu;
ehe nicht mehr Material eingebracht und die Bedeutung aller
Formative usw. klar herausgearbeitet ist, ist es noch zu früh, in
dieser Richtung Schritte zu unternehmen. So läßt ein Blick auf
die ,, Iteration" (Reduphkation), die syntaktische Gliederstellung
lind ihren Zusammenhang mit Prä- und Suffigierung, die Plural¬
bildung und so manches andere heute schon erkennen, daß hier
noch viel Lehrreiches für die Sprache selbst und die Gruppe, der
sie zugehört, zu gewinnen ist, weshalb wir es Lukas aufrichtig
danken, daß er in so klarer und übersichtlicher Weise alles
zusammengetragen hat, was über das M. bisher aufgezeichnet
wurde. W. Czermak
154 B ücherbesprechu ngen
Kaare Qr0nbech, Komanisches Wörterbuch. Türkischer
Wortindex zum Codex Cumanicus. Monumenta Linguarum Asiae
Majoris. Subsidia I. 315 S. Kopenhagen: Einar Munksgaard.
1942.
Nach der ausgezeichneten Faksimile-Ausgabe des Codex Cuma¬
nicus bietet Gr0NBECH nun einen ebenso gut ausgestatteten tür¬
kischen Wortindex zu diesem für die Türkologie so wichtigen Werke.
Man wird sagen können, daß Gr0KBECH seinen Zweck, einerseits
der Türkologie den Wortschatz des Codex Cumanicus in bequemer
Form zugänglich zu machen, andererseits ein praktisches Hilfsmittel
für das philologische Studium des Kodex zu schaffen, ganz er¬
reicht hat.
Auf S. 6—11 finden wir einen'kurzen Hinweis auf den Laut¬
bestand und die Dialekte des Komanischen, dem S. 11—19 eine Dar¬
stellung der Lautwiedergabe des Codex Cumanicus folgt. Im Schlüsse
der Einleitung erklärt Gr0Nbech seine Grundsätze der Lautrekon¬
struktion (S. 19—21) und die Einrichtung des Wörterbuchs (S. 21
bis 26, wo auch auf die Indices am Schluß des Werkes hingewiesen
ist: Eigennamen, Index der lateinischen Glossen, Index der deut¬
schen Glossen, Verzeichnis der wichtigsten Zitate); beide werden, so
glaube ich, die BiUigung und den Beifall jedes Turkologen finden.
Bei der phonetischen Rekonstruktion der komanischen Wörter ist
der Verfasser mit einer Umsicht vorgegangen, daß man kaum eine
Stelle findet, wo man mit Verbesserungsvorschlägen kommen könnte
(die wenigen Druckfehler sind leicht zu erkennen, so daß sie nicht
der Aufzählung wert sind). Bei qyn , .Leiden, Marter" (S. 206) und syr ..Rindvieh" könnte man vielleicht daran denken, daß die Schrei¬
bung mit y im Kodex ein yj (oder jy?) wiedergeben soU. An Stelle
von qustun- „keuchen, seufzen" (S. 204) wird man doch wohl küstün-, -er, und küstünmek „Seufzer" für qustunmaq lesen müssen; hierauf
weist neben den angeführten karaimischen Formen k'oztun-, kistun-
auch das kumukische küstünüv „seufzen" (s. KSz XII, S. 134) hin.
Auf drei weitere, unwesenthche Kleinigkeiten möchte ich hier noch
kurz hinweisen: bei yrayty „von weitem" (S. 274) ist angegeben, der
Ablativ heiße stets -j- dan, obwohl neben der erwähnten Ausnahme
temidin „von Gott" auf derselben Seite (274) bei yraq auch yraqtyn
„von weither" angegeben ist; auf 8.193 ist bei qa'Oa „Brett, Diele"
die Herkunft als fraghch bezeichnet, es handelt sich um das karatsch.
balk. kum. belegte jawwo „Holztafel, Brett" = tschuw. häma
„Brett", tat. tob. (WB II. 83) qaoya „Holzgestell des Sattels";
S. 249 läßt der Verf. die Frage offen, ob torayy oder toraq „Turm"
zu lesen sei, und vergleicht zweifelnd osm. doruq „Hügel, Gipfel".
Hierher gehört auch tschuw. tärä (törS) „Gipfel; Dach", das auf
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*toraq oder auf *toruq zurückgehen kann, so daß auch dies die Ver¬
mutung des Verfassers wird bestätigen können, daß das im Kodex
stehende Wort torayy das Possessivsuffix der 3. Person enthält.
Über den großen Dienst, den Gr0nbech mit diesem Koma¬
nischen Wörterbuche der Türkologie geleistet hat, kann man sich
nur freuen und hoffen, daß er bald die grammatikalische Bearbeitung
des Kodex folgen lassen wird. J. Benzino
Totenliste
Prof. Dr. Wilhelm Bolland (Türkologie), t 4. April 1942 im
Alter von 77 Jahren.
Geh. Konsistorialrat Prof. Dr. Gustaf Dalman (Palästinawissen¬
schaft), ♦ 9. Juni 1855 Niesky, t 19- Aug. 1941 Herrnhut i. Sa.
Dr. Hans Fischer (Palästina-Kartographie), t 1- Mai 1941
Leipzig.
Prof. Dr. Giuseppe Gabrieli (Arabistik), * 4. April 1872,
t 7. April 1942 Rom.
Anton Karl Gebauer (Forschungsreisender), • 1872, t Anfang
August 1942 Velten.
Prof. Dr. Hubert Grimme (Semitistik), * 24. Jan. 1864 Pader¬
born, t 5. Sept. 1942 Münster i. W.
James Rendel Harris (Religionsgeschichte), f 1- März 1941 im
Alter von 89 Jahren.
Konteradmiral a. D. Ludwig von Höhnel (Afrikaforscher),
* 1857, t 1942.
Prof. Dr. Johannes Peter Kirsch (Christliche Archäologie und
Kirchengeschichte), t 4. Febr. 1941 Rom im Alter von 79 Jahren.
Verlagsbuchhändler Georges Ort-Geuthner (Ägyptologie),
t 11. Jan. 1941 Paris im Alter von 40 Jahren.
Prof. Dr. Oiva Johannes Tallgren-Tuulio (Arabistik und Ro¬
manistik), ♦ 1878, t 21. Juni 1941 Helsinki.
Prof. Dr. Rudolf Zeller (Orientalische Waffenkunde), ♦ 6. Juli
1869, t 16. Okt. 1940 Bern.