Beiträge zur Kenntnis des Udischen
auf Grund neuer Texte
Von Karl Bouda, Berlin
1. A. ScHiEFNEE hat in seinem Versuch über die Sprache
der Uden, St. Petersburg 1863 S. 9f. zwei Sibilanten fest¬
gestellt, die er § und | schreibt: „Sie sollen wie sS und zi
ausgesprochen werden. Den ersten dieser beiden Laute scheint
das Kabardinische zu besitzen." Daher hat wohl N. Tetjbetz-
KOT in seiner Arbeit über die Konsonantensysteme der
ostkaukasischen Sprachen, Caucasica 8 (1931), 6 angenommen,
daß das Udische neben den im Kaukasus allgemein bekannten
vorderen und hinteren auch die sonst nur noch im West¬
kaukasischen vorhandene mittlere sibilantische oder c-Reihe
besitzt. Weil aber weder Schiefnbe noch Dike in seiner
Grammatik Sbornik materialov 33 (1904) Abteilung III
die Laute j, c und c von den entsprechenden Hintersibilanten
3, 6 und 6 unterschieden haben, konnte man bisher nicht wissen,
in welchen Wörtern jene Laute vorkommen. Erst die kleine
udische Fibel: 3ejrani Tödör, 3ejrani Mixaki kömägen.
Samji das (T. Dschejean, mit der Hilfe M. Dschejean's.
Erste Lektion). Suchum 1934 ermöglicht eine genaue Fest¬
stellung der mittleren Sibilanten. Dieses kleine Büchlein —
erschienen in der abchasischen Hauptstadt, weit entfernt von
den Uden, die einst die Provinz Uti mit der Hauptstadt
Berdaa an der Kura innehatten, gegenwärtig aber im äußersten
Südosten des daghestanischen Sprachgebiets nur noch in
Warta§en und Ni2, zwei Dörfern des Regierungsbezirks Nucha,
leben — ist trotz des geringen Materials, das es bietet, un¬
schätzbar, weil die Texte S. 50 ff. in den beiden Dialekten der
genannten Ortschaften mitgeteilt sind. Die da benutzten
Zeichen sind teils dem im Daghestan jetzt üblichen, teils
dem neuen abchasischen Alphabet, dessen Zeichen aber
mit wenigen Ausnahmen andere Werte gegeben sind*), ent¬
nommen. S. die Schrifttafel zu § 5. Mittlere Sibilanten kom¬
men in folgenden Wörtern vor. konjux ,, Besitzer". W. äoj
,, schwierig", co „Gesicht", comox „Tür", yae „Bündel".
ocäl „Erde", coca „rot", qac „eng", uc „Honig". W. sui
,, Fuchs", sum ,,Brot". sumak „Weibchen, Henne", zoyul
,, Sommer", zuk ,, Spindel". N. zal „Kochen". Vgl. § 2.
2. Tbubetzkoy hat ferner a. a. 0. 50 auf Grund der
Schreibungen wie poß ,,zwei" usw. bei Dibb und der „getrüb¬
ten" Vokale a, o und u Schiefnee's vermutet, daß das Udische
ebenso wie das Lakkische und Tschetschenische den Eigenton¬
gegensatz zwischen emphatisch - mouillierten und nicht-
mouillierten Konsonanten besitzt. Auch in diesem Fall hat
Tbubetzkoy ganz richtig gesehen. Die neue Fibel schreibt
die emphatische Mouillierung der Konsonanten, ähnlich wie
es in den modernen tschetschenischen und inguschischen
Texten geschieht, mit dem Zeichen des Laryngals, den wir
mit 0 wiedergeben. Im absoluten Anlaut steht das o nicht;
dieser Praxis muß ich mich hier anschließen. Emphatisch¬
mouillierte Konsonanten begegnen vor allen Vokalen außer
i und y, womit der so umschriebene russische Vokal gemeint
ist. Emphatische Mouillierung findet mit gelegentlichen
Schwankungen statt bei:
a) Verschlußlauten. b'eS „vor" (dagegen bei ,, unser").
b'edul „Spaten", b'ey 1. „Sonne". 2. „sehen", b'ek „Nadel".
W. b'oq. N. h'awq „pflücken", b'ub'ü „Brücke", p'a „zwei".
N. p'esman. W. pesman „traurig". Vup ,, Rettich". N. Voy
„neben". W. k'aw'an ,, Wiese", o^'ül ,, Schwanz", cac'ü
,, Krähe", kac'ü „blind", q'ü ,, Furcht". N. m'uq'a. W. muqü
,,Horn". o'al ,, Wachtel", o'al'am ,, Granatapfel", o'am
„Flügel, Schulter, Seite", o'ek „Pferd", o'es „Apfel", o'oli
„an der Spitze angezündeter Pfahl". W. o'on'e. N. o'one
,, Weinen". 3'og'„Joch". »'«y ,, Vorratskammer", o'uq „Wall- 1) Am auffälligsten sind die Zeichen mit einem zusätzlichen abwärts
gerichteten oder unter ihnen angebrachten Strich für Sibilanten sub-
glottaler Expiration, während sie sonst glottokklusive Laute bezeichnen.
62 K. Bouda, Beitr. zur Kenntnis d. Udisclien auf Grund neuer Texte
nuß". o'üzena „Winter", d'uy „trinken", einmal W. uy.
o'ajlux- ajlux- N. äjlux „Kinder". Aus den Varianten der
beiden letzten Wörter muß man auf anlautendes o- schließen.
Ob es aber überall, auch in den Lehnwörtern, gesprochen wird,
kann man nur an der lebenden Sprache feststellen.
b) Spiranten. W. e/'a-. efa-. N. w'a- ,,euch". i'e „Stein".
X'a „Hund" (dagegen „Wolle") N. h'awq s. o.
c) Sonoren, l'ang ,, Schritt", o'al'am s. o. m'ay „Lied".
W. m'uc'a. N. muca „süß". N. o'um'ux- ^- imux ,,Ohr".
m'uq „froh". N. m'uq-luy. W. -l'uy ,, Freude". N. m'uq'a
s. 0. W. N'üz. N. NiL W. o'on'e s. o. W. w'a. wä. N. wa
„und", w'uy ,, sieben". W. k'aw'an s. o.
3. Daß die hinterdorsale Glottokklusiva von der Tenuis
auch hier unterschieden wird, beweisen die Wörter qaj „offen".
qajbak „zurückkehren", m'uq „froh" imd burq „anfangen".
4. Das Udische kennt weder gerundete noch starke Kon¬
sonanten, die als selbständige Phoneme aufgestellt werden
müssen. Doppelte Konsonanten kommen in Fremdwörtern
vor und durch Assimilation oder in der Fuge nach Vokal¬
ausfall zustande, § 7 k.
5. Soweit das Material gestattet, kann das folgende Laut¬
system des Udischen aufgestellt werden.
Vokale: aäeioöuüy.
Sonore Laute: r l l' m m' n n' w w^ j.
Geräuschlaute:
Mediae b b' d g 3 3 3\ 3 \
Tenues p p' t t' k k' c c 6 q q' \ o (?) o'
Glottokklusive p p' t k c c c' ö q J
Spiranten :
stimmhafte z z z' z y |
stimmlose / /' s s S x X' l ^ ^'
6. Die parallelen Texte in den beiden Dialekten von War-
ta§en und Nii bieten in lautlicher Hinsicht willkommenen
Stoff zu Vergleichen.
a) W. al : N. öl „Sache, Arbeit". Dat. aSla : äSlä, vgl.
türk. eS. W. gena : N. genä „aber", hala : hälä „noch", laiaq:
Die neuen udischen Zeichen,
verghchen mit den Werten der abchasischen Buchstaben
Udisches
Zeichen UmBohrlft
Abchasischer Wert desselben
Zeichens
Udisches
Zeichen Umschrift
Abchasischer Wert desselben
Zeichens
ä 9 T Z 3
Ö — r s s
Ü mouilliert den
<
i „
Konsonanten 3 -.
7 y (ä ^ ö ö
r P P c 6 c
f t t e- z z
r ^ ^ i s s
cU. 3 —
1 g q
7- c C q 3
7 c z at
7 y
ii 3 — X X %
^ c c t 0' h
-y c c
läöäg „fest". W. w'a. wä „und", araba „Wagen" : Gen. arabin.
W. hämäsä : N. hämisa ,, immer". §ähär-ä : Mhär-e „in der
Stadt". N. här. her ,, jeder", mejwä „Frucht". Dat. mejwina.
b) W. serin : N. särin „kühl", zehmät : zähmät „Mühe".
arä- : hare- „sind gekommen". 6egi : 6äji „langsam", tytteg :
tyttaj „Flöte", bele : beli ,,Rind". mex : mix „Sichel", e- : hi-
,,was". te-jan : ti-jan „wir nicht". Gegenüber den Suffixen
W. -i für den Aorist und -e für das Perfektum kennt N. nur -i.
W. i6-en : N. iö-in „selbst" (Instrum.). W. eö : N. öö „Tenne".
ockesa:ocküsa ,, wäscht". aSbesun : äSpüsun „diTheiten" . N. ü<e.
c) W. äjzi : N. ajze „im Dorfe", yari : yare „des Sohnes".
N. jetim : W. jetum „Waise". W. Sutu „wem" : N. Sin „von
wem", imux : o'um'ux ,,Zahn". usin .nsun „schnell". N. dirist : W. dyrys „gesund", häkim : häkym „Arzt".
d) Sono „jener, er". Instrum. N. Sotin: W. Setin. Gen.
Sotaj -.Seta. W. zor : N. zur „Kraft", b'oq : h'awq „pflücken".
komhäg : kömäj „Hilfe", gölö : gele „viel".
1) Der ostkaukasischen Orthographie entnommen.
64 K. Bodda, Beitr. zur Kenntnis d. Udisclien auf Grund neuer Texte
e) W. Plur. -ux : N. -ox- kua : koja „ins Haus", -tu- : -ta-
„ihm". Infinitiv -sun, W. auch -sin. W. kokoc-un : N. kokoc-ün
„des Huhnes". Skol-un : -ün „der Schule". N. sapun : W. sapyn
„Seife", gjuruigyry „Donner". N. jym: W. jurä „Art, Weise".
W. muqüjux: N. m'uq'aox ,, Hörner".
f) Kontraktionen des einen Dialekts können aus dem
anderen leicht erkannt werden, sa ,,ein". Gen. N. soyo:W. so
„erster", majaa-l : maa-l ,,wo-hin". p'aalin-.p'alin ,, beide".
hikäa : eka „was?" W. ba^-j-ne^-ce : N. ba-ne-ci ,,er" ist hinein*-
gekommen", wo in N. keine Spur der Verbalwurzel e> i
,, kommen", Infinitiv W. esun : N. ejsun, mehr zu sehen ist.
bajqunci aSla : batunci äSlä „sie gingen an die Arbeit", bajyalzu :
bayalzu „ich werde eintreten". N. kokoc-xoj : W. -yo „der
Hühner".
g) Zwischen Konsonanten stehende Vokale fallen, be¬
sonders in N., leicht aus. W. besane : N. bsane „es macht".
aSbesa:äSbsa „aLtheitet". aSbesun : äSpsun „arheiten''''. girbesun:
girbsun „sammeln", campesunun : campsunun „des Schreibens".
lamanqundesadamantundsa „sie treffen sich", karxesa-.karxsa
„lebt". N. lofoyo: W. loiyo ,, ihnen". Gen. Sotoyoj Jotyo. pajiz:
pajz „Herbst", muyajit : muqejt „vorsichtig", uiitel : ustel
„Lehrer", uk „essen". N. käj-i-tu-xun oSa : W. käj-tu-xo osa
,, nachdem sie gegessen hatten".
h) Zwischen Vokalen vermittelt /. W. ku-a : N. ko-j-a
„ins Haus", muqü-j-ux : m'uq'a-ox „Hörner". In derselben
Stellung kann w ausfallen, ostawar : ostaar „hart".
7. a) Bei den Verschlußlauten fällt auf, daß einer Glottok¬
klusiva oft die wenigstens in Lehnwörtern ursprüngliche
Tenuis entspricht. W. 6ur: N. ^wr ,,Kuh". iä: i6 „selbst", tab. uc.
W. ^M^:N. 6uk ,, ausreißen". 6iö:öi( ,, herausziehen", laöaq:
läiäq „fest". 6äky6:6äky6 ,, Hammer". käläm:käläm ,,Kohl",
kür. kelem. W. N. käsib ,,arm", kür. (aus arab.) kasib. kef
„Gesundheit", kür. kef. kömäg. komhäg ,, Hilfe", kür. (aus
türk.) kümek. kylfet ,, Familie". W. muqejt : N. muyajit ,, vor¬
sichtig", kür. muyajt. tam: tam „Geschmack", zap: zap ,, ziehen".
sapyn : sapun ,, Seife", poj : poj „gut", prazdnik : praznik ,,Fest".
ögyd:ögyt ,, Ermahnung". sahad:sahat ,, Stunde", tumpalaq:
dombalaq ,, Purzeln".
b) Wechsel von Mediae und Tenues liegen vor im Plural¬
suffix W. -ux- N. -ox-'XO' Dat. W.-yo:N.-;fO. qorux-qoruy
,, Wiese, Feld". Stimmhafte Laute können nach stimmlosen
qualitativ assimiliert werden. W. exbal:N. expal „erntend".
asbal:äspal ,, arbeitend", tene portbesa :teneportpsa „er verträgt nicht". ScHiEFNEE § 25.
c) Andere Lautwechsel führe ich in der Folge der Lokali¬
sierungsreihen des §5 an. W. aba:N. awa ,, bekannt", baba:
bawa ,, Vater". 6ebak:6owak „vorübergehen". sapsa:safsa
„allein". pürüldami§besin:fürüldamiSbsun ,, schwingen", e/'a-:
w'a- § 2 b. b'oq : h'awq § 2 a.
d) Bei der dentalen Reihe erwähne ich die interessante
Gleichung W. sul:N. tylki ,, Fuchs", die sich verhalten wie
arö. ssol. awar. cer zu lakk. culöa ds. Man muß daher ein
Suffix -k bei Tiernamen annehmen, das vielleicht auch steckt
in tab. pisinö ,, Schwalbe" gegenüber rut. biöil. ud. N. baöaina
(Schiefnee).
e) Die vorderdorsale Media g wird zu /. W. kömäg:N. kö¬
mäj „Hilfe". gäräg:gäräj. gäre; „nötig". tyUeg:tyttaj „Flöte".
(egi:6äji „langsam".
f) Wie in allen durch neue Texte bekannten ostkauka¬
sischen Sprachen die stimmhafte Spirans i für die Media j
eingetreten ist, so steht W. /coj neben N. koi „Haus". In dem
Namen der einen udischen Ortschaft hat W. die mittel-,
N. die hintersibilantische Spirans. W. N'üz. N. Ni£. Das
moderne russische Lehnwort N. uöitel ,, Lehrer" ist nach
Verlust des Mittelsilbenvokals und dissimilierender Anglei¬
chung der hintersibilantischen an die dentale Tenuis zu W.
uStel geworden. W. pasöay : N. patöah „Zar". N. ;faz : W. ;far
,, Strich, Linie".
g) W. puran : N. purum „wieder", bytyn : bytym ,,alle".
N. cal : W. caw ,, Glanz". In juyaö „Antwort" ist y aus w
entstanden.
h) Alte Anlaute, die N. bewahrt hat, sind in W. verloren¬
gegangen. he.-hi-:e- „was". haq:aq „nehmen", hun.un „du".
Zeitscbrift d. DMQ Bd. 93 (Neue Folge Bd. 18) 5
66 K. Bodda, Beitr. zur Kenntnis d. Udisclien auf Grund neuer Texte
jeq-.eq „Fleisch". nex{a):ex(a) Präsens von pesun „sagen".
Dagegen ist der anlautende Nasal des Personalaffixes der
.3. Sing, -ne „er", den N. nach Konsonanten regelmäßig ein¬
büßt, in W. erhalten. W. hejwanne:N. hejwane ,,es (ist) ein
Tier", komhägne : kömäje „es (ist) eine Hilfe".
i) Auslautendes -n kann in beiden Dialekten schwinden.
N. qan:f^.W. qa ,,und". -man :W. -ma „bis zu". W. kö-
mägbesan : N. kömäjbsa „um zu helfen". N. 6uksa < iuksan
,,um auszureißen". Die ältere Form des Ablativsuffixes W. -xo
liegt in N. -xun vor. Daher ist das Komitativsuffix W. -xoh
N. -xunal eine Zusammensetzung dieses und des Terminativ-
suffixes -al „auf", efaxoliw'axunal „mit euch". Bei Nominal¬
kompositionen heißt das Präsens von pesun in W. immer
-(e)xa gegenüber N. -ne(<-nex), nach -r (und -Z?) -e, wo die
Spirans geschwunden ist. kal-le-xa:kal-e-ne ,,sie ruft", zap-
ne-xa:zap-e-ne „es zieht". tap-ne-xa:tap-e-ne ,,es schlägt".
tytteg-ne fer-exa:tyttaj-e far-e „er bläst die Flöte", m'ax-qun-
exa (assimiliert aus m'ay-qun-exa) : m'ay-tun-ne „sie singen".
k) Über die Assimilation des Anlauts der 3. Sing. W. -ne
„er" hat Scheefneb §77 das Nötige bereits gesagt, kal-le-xa <
kal-ne-xa. ko^ur-re < -ne „es (sind) die Häuser", irähätte „er
(ist) ein Bauer", tetrad-de lade „er hat ein Heft gegeben".
Auch r-l wird zu r-r assimiliert. W. zorru:N. zurru ,, kräftig".
Zur Methathese vgl. Sohiefneb § 23, 91. •
8. Der Wortschatz der beiden Dialekte ist nicht selten
verschieden. W. bukuniN. tapan ,, Bauch", zoyul: jäjnul „Som¬
mer". : iiiy (kür.) ,, Licht". gölöS : äöin „Tanz", borzun:
taxül (iran.) „Korn, Getreide", koy.ääiin (türk.) „schwierig".
Sei ,,gut" ist in N. unbekannt. Dafür wird dort qolaj (türk.)
oder Sahat „schön" gebraucht. buq:6ur (esun) „wollen", vgl.
öuresun „getragen, geführt werden, gehen" Schiefnee.
9. Die Bemerkungen Schiefnee's über die grammatischen
Tatsachen des Udischen und H. Schuohaedt's weitere Aus¬
führungen „Über den passiven Charakter des Transitivs in
den kaukasischen Sprachen" 1895, 29 ff. genügen im allge¬
meinen, um die neuen Texte zu verstehen. Die beiden Dialekte
unterscheiden sich wesentlich dadurch, daß N. den in W.
üblichen bestimmten Akkusativ mit dem Suffix -x lokalen
Ursprungs nicht kennt, sondern dafür den Richtungskasus,
den wir Dativ nennen, gebraucht. W. qurfen kalle%a cirikyox-
N. q. (Instrum.) kalene cirikyo „die Glucke ruft die Küchlein".
W. eznux besane, x^ll^x zapnexa, einux tapnexa . . . wax taneSSa,
N. eza bsane, x^la zapene, ö6ä tapene . . . wa taneäta „(das
Pferd) pflügt, zieht Last(en), drischt . . . trägt dich". W. migila
e^uräz ockesa kulmuyox, ozanex, imxox- N. mejuräz ocküsa
kulmuyo, ozana, o'um'uxxo „sieh, wie ich die Hände, den
Nacken und die Ohren wasche."
10. Von der kaukasischen Praxis hat sich N. deshalb völlig
entfernt, weil es die Empfmdungsverba wie die Transitiva
konstruiert. In W. sind diese Verba intransitiv: unser Subjekt
steht in der Stammform, nicht im Dativ, unser Objekt kann,
wenn es bestimmt ist, in dem Kasus auf -x stehen, den man
nicht Akkusativ, sondern Direktiv oder ähnlich nennen sollte.
Nur in dem konjunkten dativischen Pronomen ist eine Spur
der kaukasischen Denkweise erhalten geblieben. W. me aSlax
a-tu-k-sa x'o- N. me äSlä a-ne-ksa (Instrum.) ,, diese
Sache sieht (-tu- ,ihm'. -ne- ,er') der Hund". W. Nikolaja qa
Sergina gölö m'ayurux-qo aba ,,N. und S. [sind] viele Lieder
(— ihnen) bekannt." N. Nikalajen qa Serginen gele m'ayur-tun
awa ,,N. und S. kennen viele Lieder (— sie)". W. ja aba-ja
asbesun. N. jan awa-jan äSpsun ,,wir verstehen zu arbeiten".
W. Sutu aba maa (apbake. N. Sina awa majaa öapbakio „wer
weiß, wo sie sich versteckt hat". W. i-ja-bake nayarin säsix-
N. i-jan-baki nayarin säsä „wir hörten die Stimme(n) der
Vögel".
11. Die konjunkten Pronomina können präfigiert, suffigiert
oder infigiert werden. Von letzterem kann man aber nur dann
sprechen, wenn man hinzufügt, daß die Infigierung durch
Metathese entstanden ist, s. Schdbfneb § 76 ff. Präfigiert stehen
diese Pronomina vor den Verben, die mit Präverbien oder
Nomina zusammengesetzt sind, sonst werden sie in den Texten
als Suffixe am vorhergehenden Wort geschrieben, was für die
gesprochene Sprache freilich nichts besagt. Vergleicht man die
beiden Dialekte im Hinblick auf die Stellung der konjunkten
68 K. Bodda, Beitr. zur Kenntnis d. Udisclien auf Grund neuer Texte
Pronomina, so ergibt sich, daß eine starre Gesetzmäßigkeit
nicht herrscht. W. Sotyox öuksunax (Akkus. Infinit.) burjanqe.
N. Sotoyo öuksa burqijan ,,wir fingen an, sie (die Pflanzen)
auszureißen". W. etär Sei karjanxesa. N. hetär Sahatjan karxsa
,,wie gut wir leben".
12. Die 3. Personen der konjunkten dativischen Prono¬
mina sind in W. unterschieden: Sing, -tu-.-ta-. Plur. -qo-.
kalkala muqüjux-ta bu „er (der Steinbock) hat sehr große
Hörner". boSSama uksun, o'uysun, lapsun te-qo-bu ,,sie haben
nichts, um sich satt zu essen, zu trinken und anzuziehen".
Diese beiden Sätze heißen in N. kakala m'uq'aox-tax bu und
boSSamun uksun, o'uysun, lapsun te-tax-bu. Das Material ist
vorläufig zu gering, um zu entscheiden, warum die Numeri
hier formal nicht geschieden sind. An Suffixaufnahme in
-tax nach m'uq'a-ox ^^'"^ man hier nicht denken.
13. Es ist wichtig festzustellen, daß das finite Verbum
vom infiniten durch die konjunkten Pronomina geschieden
werden kann. W. gireci exbal gala taci baj-qun-ci aSla „nachdem
sie sich versammelt hatten (und) nachdem sie an den Ernte¬
platz gegangen waren, machten sie sich an die Arbeit". In N.
sind die beiden letzten Verba koordiniert, gireci ta-tun-ci
expala gala wa ba-tun-ci äSlä.
Texte.
W N
sui kokoc-un ku-a. tylki kokoc-ün ko-j-a.
sui ba-j-ne-ce kokocun kua. tylki ba-ne-c-i kokocün
ama kokoc-ux ala-lu ga-la-qun- koja. ama kokoc-xo al-loj gala-
ij. sul-en häräkät-te-b-sa-j tun-i. tylki-n-en häräkät-e-bsaj
kokoc-yo ba-p-a-ne-j. me aä-l- kokoc-xo papanej. me äS-l-ä
ax a-tu-k-sa ;^'a, hawa-la-ne- a-ne-ksa ;f'a-/-e«, hawalane-
bak-sa sul-e la-xo, So-no-al baksa tylki-n lo-xo-l, Sonoal
q'ü-xo busa bukun-en pesman q'ü-je-xun buSa tapan-en
tit-er-i ta-ne-sa. p'esman titeri tanesa.
Der Fuchs in den Hühnerstall.
Ein Fuchs kam in den Hühnerstall. Aber die Hühner
flogen empor. Der Fuchs bemühte sich, die Hühner zu er-
reichen. Diese Sache sieht der Hund, er stürzt sich auf den
Fuchs, der aber läuft vor Furcht mit hungrigem Bauch
traurig davon.
ba-(a)p-a-ne-j 3. Sing. Konj. Prät. von bap. Vgl. ap
,, reifen" und bap ,, eingießen, erreichen, reif werden" Sch.
N. ko-?
mo-no kokoc-yo koj-ur-re. mono kokoc-xo-j koi-ur-e.
b'ey-a-nan e-tär-qun ef-sa, b'eyanan he-tär-tun efsa,
kokoc-yo muqejt-bak-sa. kokoc-xo muyajit baksa.
Das ist der Hühnerhof. Seht, wie man sie hält, auf die
Hühner acht gibt.
o'ek.
o'ek koj-in hejwan-ne,
adamar-i komhäg-ne : ez-n-ux
be-sa-ne, ^eZ-Z-tt;^ zap-ne-xa,
eö-n-ux tap-ne-xa maa-l bu-
wa-q-sa wa-x ta-ne-S-Sa.
o'ek.
o'ek kol-in hejwan-e, am-
dar-i kömäj-e : ez-a b-sa-ne,
xel-a zap-e-ne, ö6-ä tap-e-ne,
majaal 6ur-e-y-a-ji-n wa ta-
ne-S-ta.
Das Pferd ist ein Haustier und eine Hilfe des Menschen:
es pflügt, zieht Lasten, schlägt die Tenne und trägt dich,
wohin du wihst. eyajin: -n<-nu 2. Sing. Konj. Prät. von
e-sun „kommen".
käi.
käi zor-ru hejwan-ne, ama
iyaruy-o gölö te-ne port-be-sa.
käl-l-u gäräg Sei ef-a-n, ii
wädi-n-al uy-es-t-a-n, uk-estan,
ye-n-na-x oc-k-al-d-a-n, o'üz-
ena gam ga-la ejan, iyariyo
serin gala.
zoyul-a, iyariyo tynd wädi-
nal, Sad-b-a-n mandak-luy aq-
estan w'a x^-n-a bas-k-estan.
käi.
käi zur-ru hejwan-e, ama
eyareyo gele te-ne porf-p-sa.
käl-ä gäräj ejan, iö wädinal
ukestan, o'uyestan, här yi
ockaldan, o'üzena gam gala
ejan, eyareyol särin gala.
jäjnul, eyareyoj tynd wädi¬
nal, Sadban mandakluy ha-
qestan wa xena baskestan.
Der Büffel ist ein kräftiges Tier, aber er verträgt nicht viel
Hitze. Den Büffel muß man gut halten, zu seiner Zeit tränken,
füttern, täglich (N. jeden Tag) baden, im Winter an einem
warmen Ort halten, bei Hitze an einem kühlen Ort. Im Som-
70 K. Bouda, Beitr. zur Kenntnis d. Udischen auf Grund neuer Texte
mer, bei sehr heißem Wetter, (muß) man ihn erfreuen, die
Müdigkeit nehmen (sich ausruhen) lassen und sich ins Wasser
legen lassen.
Nach gäräj fehlt im Original das dem W. Sei entsprechende
Wort.
joldaS-m-ux-
Nikolaj naxür-6i-ne, Sergi
gena qoruxöi. yenna^ laman-
qun-de-sa w'a Nikola-en tytteg-
ne jer-exa, Sergi-n-en gölöS-ne-
Xa. Nikolaj-a qa Sergi-n-a gölö
m'ay-ur-ux-qo aba; oSa-al p'a-
len-t-in m'ax-qun-exa.
joldaS-xo.
Nikolaj naxürdne, Sergi
genä qoruyöi. her yi laman-
tun-d-so, Nikalaj-en tyttaj-e
for-e, Sergi-n-en-al ä6in-ne.
Nikalajen qa Serginen gele
m'oy-ur-tun awa; oSaol puran-
non-al m'ay-tun-ne.
Die Kameraden.
N. ist ein Hirt, S. aber ein Mäher (?). Täglich treffen sie
sich (und) N. bläst die Flöte, [und] S. tanzt. N. und S. kennen
viele Lieder; danach singen sie beide. — Zu -qo, -tun awa
vgl. § 10.
täkä. täkä.
täkä kar-re-x-sa ala-lu täkä kor-e-xsa al-loj bur-
bury-o-l. So-no 6ur-ol lori-ne, yol. Sono dural larine, ama ka-
amo kal-kola muqü-j-ux-to bu. kala m'uq'a-ox-tox-bu.
täki-n eq tam-en-ne. täkin jeq tam-lu-ne.
Der Steinbock lebt auf dem hohen Berge. Er ist der Kuh
ähnhch, hat aber sehr große Hörner. Das Fleisch des Stein¬
bocks ist schmackhaft. — Statt des Instrum. tam-en steht in
N. das türk. Suffix.
Skolun dirig.
beS Skol-un dirig-o e-ka
bu-wa-q-sa bu-ne : kartopli,
Vup, käzär, käläm, Siklam,
isa ene-x So-t-yo-x 6uk-s-un-ax
bur-jan-qe. Nikola-en t'up-
n-a be-xo biq-i zop-ne-p-e, sor
b'ey-e-ne öi-ne-6-o, ama käkyl
ke-x-ta mand-e, it-en gena tum-
palaq-ne duy-e.
Skolün dirig.
beS Skol-ün dirig-ä hikä
öur-e-yo-ji-n bune : kartopli,
Vup, käzär, käläm, Siklam, isa
Sotoyo öuk-s-a burq-i-jon. Ni¬
kalaj-en Vup-e be-xun biqi
zap-e-p-i, Sor b'e-ne-y-i 6ine(o,
ama käkyl ki-j-e-ne mand-i,
i6-in genä dombalaq-e duy-i.
In dem Garten unserer Schule gibt es, was du willst:
Kartoffeln, Rettiche, Mohrrüben, Kohl, Zwiebeln, diese haben
wir jetzt angefangen herauszuziehen. Nachdem N. einen
Rettich mit der Hand gefaßt hatte, zog er, es sah aus, als
würde er ihn herausreißen, aber die Stengel blieben ihm in der
Hand, er selbst aber schlug einen Purzelbaum. — dirig eigent¬
lich „Gartenprodukte", ene wohl „neu" (türk.).
pajz. pajiz.
h'o-jan-q-e-sa mejwi-n-ax, hfiw-jan-qsa mejwina, gir-
gir-b-i Hxar-jan-kesa borzun- bi äar-jan-ksa taxüla, qac-jan-
ax, qac-jan-exa tul-l-ux, bajan- ne tula, bajanne jina.
exa ji-n-ax-
Herbst. Wir pflücken die Früchte, beenden das Getreide,
nachdem wir es gesammelt haben, pressen die Trauben aus,
schenken den Wein ein.
migi-la e-jurä-z oc-ke-sa me-jyrä-z oc-kü-sa kul-
kul-m-uy-o-x,ozan-ex,imx-o-x. muyo, ozana, o'um'ux-x^.
ulx-o-x qa iö tum-ur-yox oc- ulux-xo oc-uz-ksa, usun-usunal
zu-k-sa, usin-usin-al oc-k-al- oc-kal-üz-ne. sapun nut tem-a
zu-exa. sapyn nut öem-n-ux cipsun 6ätin-e.
cip-sun koj-ne.
Sieh, wie ich die Hände, den Nacken und die Ohren
wasche. Die Zähne und ihre Wurzeln wasche ich, ich bade sehr
schnell. Die Seife nicht in das Becken zu werfen, ist schwer.
cicik bostun. cicik bostun.
ye Skol-a cicik-qun bot-e: ye Skala cicik-tun bot-i-o:
ene cicik öe-k-äl te-jan. zu sa-l ene cicik ti-jan öekal. zu sal te-z
te-sa q'ü-b-e. Axsapet-en qa q'ü-b-i. Axsapeten qa Kirkor-
Kirkor-eno'on'e-qun-p-e. Mär- en o'one-tun-p-i-o. Märkerit
kärit Su-t-u aba maa öap- Sin-a awa majaa 6ap-bak-i-o.
bak-e. Xatun ku-a-ne tit-er-e. Xatun ko-j-a-ne tit-er-i-o.
So-t-yo cicik-ax dam-nun bot- Sotoyo-j cicik-ä äjöä bot-al-
al-qun. tun.
Impfen. Heute hat man in der Schule geimpft: neue
Pocken werden wir nicht bekommen. Ich habe mich gar nicht
gefürchtet. A. und K. haben geweint. M. hat sich wer weiß wo
72 K. Bouda, Beitr. zur Kenntnis d. Udisclien auf Grund neuer Texte
versteckt. Gh. ist nach Hause gelaufen. Man wird sie morgen
impfen. — cicik bostun (< bot-sun) „Pocken schneiden".
N. ko-? Vgl. den ersten Text.
iänd-be-sun. fehämbesun.
xod-ur-yo-xo %azaZ bar-re- x^^^H'^'X^^ ;fazaZ bar-e-
sa. quS-ur-ux pur-p-ita-qun-sa. sta. quS-ur-xo pur-pi ta-tun-sa.
Verstehen. Die Blätter fallen von den Bäumen herab.
Die Vögel fliegen fort.
iowal-yo kai ta-s-t-an ser- 6owal-xo käS ta-s-t-e-j-nak
jan-b-e daxtak-a-xo kac-p-i daxtakaxun kac-pi quti-jan
quti wä suruk-jan-be xod-a-xo. serbio wa iö-u-al suruk-b-i-jan
sum käj-tu-xo oSa deiurni-yo-n x^daxun. sum käj-i-tu-xun oSa,
sum-e xuru-p-un-ax ci-qun-p-e deiurniyon sume xurupuna
towal-yo-enk. ci-tun-p-i 6owal-xo-j-nak.
Um den Spatzen zu kauen zu geben, haben wir einen aus
Holz geschnittenen Kasten gemacht und an einen Baum
gehängt. Nachdem die Jungen vom Tagdienst Brot gegessen
hatten, streuten sie das zerbröckelte Brot für die Vögel hin. —
W. -enk „für" tritt, wie N. beweist, an den Genitiv.
Von Carl Fries, Konstanz
Die literarisch und monumental neuerdings viel belegten
Beziehungen zwischen der Kultur der Inder und der des
alexandrinischen Griechentums erfahren einen unverkenn¬
baren Beitrag durch folgende Parallele. In der von Karl
Eugen Neumann zugänglich gemachten mittleren Sammlung
Majjhimanikäyo des Päli-Kanons der Buddha-Gespräche II
.394 fmdet sich ein Dialog zwischen dem Buddhajünger
Rattapalo und einem Könige. Rattapalo fragt diesen: „Was
meinst du wohl, großer König, wenn da ein Mann zu dir
herkäme von den östlichen Grenzen, glaubwürdig , und
spräche also: o großer König, daß du es weißt, ich komme
von den östlichen Grenzen her, da hab' ich ein mächtiges
Reich gesehen, blühend, gedeihend, volkreich, von vielen
Menschen bewohnt, da gibt es viele Königselefanten ,
und man kann es mit einer gewissen Streitmacht erobern;
erobere es, großer König. Was würdest du da tun?" — Der
König antwortet: ,,Wir würden es, o Rattapalo, eben erobern
und beherrschen." Es folgt eine gleichlautende Anfrage des
Asketen für die westlichen Grenzen, und der König erklärt,
auch dies Gebiet erobern zu wollen. Dasselbe wiederholt sich
für die südlichen und nördlichen Grenzen, und der König
gibt wörtlich dieselben Antworten. Aus diesem Verhalten
folgert Rattapalo abschließend: „Daran hat er gedacht, der
Erhabene ■ , als er gesagt hat: Bedürftig ist die Welt,
nimmersatt, durstverschlungen; das habe ich erfahren und
gesehen und gehört und bin aus dem Haus in die Hauslosigkeit
gezogen." Er verachtet weltliche Gelüste und zieht sich in
die „Gedenkensruhe" zurück.