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Zur Koordination von V-2 Sätzen

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Zur Koordination von V-2 Sätzen

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1. Einleitende Bemerkungen 2. ATB versus CP-Koordination 3. Zur Identifikation des leeren Subjekts

4. Die Interpretation von pro in koordinierten Kontexten 5. Extraposition von Relativsätzen

1. Einleitende Bemerkungen

Die in diesem Aufsatz behandelten Sätze wurden erstmals von Höhle (1983) diskutiert. Höhle verpflichtet sich in seiner Arbeit keinem speziellen Paradigma, er bezeichnet die fraglichen Sätze deskriptiv und informell als SLF-Koordina- tionen, wobei SLF Subjektlücke in finitem Satzgeföge abkürzt. Bei diesen Lücken handelt es sich um leere Kategorien, die in der Subjektposition in zweiten Konjunkten deutscher Satzkoordinationen erscheinen. Der vorliegende Aufsatz verfolgt zwei Ziele: Zum ersten wird strukturelle Evidenz für die Existenz solcher leeren Subjekte angeführt. Zum zweiten wird ihre Verteilung bezüglich der beiden für leere Kategorien relevanten Mechanismen, nämlich Lizensierung und Interpretation, beschrieben. Wie sich herausstellt, teilt das implizite Subjekt alle Eigenschaften einer leeren pronominalen Kategorie - versucht man sich an einer Typologie, so kommt es einem kleinen pro am nächsten. Da jedoch das Deutsche keine pro-drop Sprache im herkömmlichen Sinne ist, kann eine solche leere Kategorie nur in ganz bestimmten Konfiguratio- nen auftreten. Ein geeigneter Kontext wird durch Verb-zweit-Bewegung in koordinierten Hauptsätzen geschaffen, wobei ein overtes Subjekt an derselben Stelle im ersten Konjunkt die durch Verbbewegung lizensierte leere Kategorie im zweiten Konjunkt identifiziert.

Hinsichtlich der Struktur koordinierter Phrasen seien die beiden folgenden Annahmen gemacht: Erstens sind Koordinationen asymmetrisch strukturiert.2

1 Ich möchte mich bei Daniel Büring und Kathrin Cooper für die detaillierten Kommentare, Anregungen und Diskussionen bedanken, die die Entstehung dieses Aufsatzes begleitet haben.

2 Dieselben Beobachtung machte Ross bereits (1967). Seine Daten zeigen, daß die Konjunktion enger an dem zweiten Konjunkt als an dem ersten zu stehen scheint. Sind

Zeitschrift für Sprachwissenschaft 13,1 (1994), 3 - 1 9

© Vandenhoeck & Ruprecht, 1995 ISSN 0721-9067

(2)

In Anlehnung an die Arbeiten von Munn (1987, 1989, 1991) und Hartmann (1991) haben Koordinationen im allgemeinen die folgende Struktur:

(1) [x.X"[B.BXB]]

Β steht fur boolsches, d.h. koordinierendes Element, X für jedwede Kategorie und η für eine natürliche Zahl zwischen 0 und 2. Zweitens existieren prinzipiell zwei Strukturoptionen, wenn sich ein Element einer Koordination gleichzeitig auf alle Konjunkte beziehen läßt, siehe die Repräsentationen unter (2).

(2) α. LZP · · • X P , . . . [γρ [γρ · · · tj . . . LYP · · · M · · · ] ] ] ] b- [γρ[γρ · · · X P Ì - . - H B P B0 LYP · · · ci · · · ]]]

Zunächst kann die Abhängigkeit durch Bewegung across-the-board (ATB) ausgedrückt werden, wie in (2a). In ATB-Bewegungen wird dasselbe Element aus beiden Konjunkten in den nicht koordinierten Teil des Satzes bewegt. Auf diese Weise lassen sich die klassischen Verletzungen des Coordinate Structure Constraint (CSC) umgehen. Daneben offenbart sich jedoch noch eine zweite Möglichkeit, die Interaktion zwischen den einzelnen Konjunkten auszudrücken, siehe (2b). Hier kann sich ein Element des ersten Konjunkts auf ein (phonetisch leeres) Element des folgenden Konjunkts beziehen, sofern dieses identische Präzedenz- und Dominanzverhältnisse aufweist. Diese Option ist auch unter dem Stichwort gapping bekannt (vgl. u.a. Neijt 1979).

Die Sätze (3) und (4) illustrieren diese beiden Möglichkeiten. Sie unterschei- den sich nicht nur strukturell, sondern auch bezüglich der Art der leeren Kategorien, die sie enthalten. In Beispiel (3) sind die leeren Elemente der beiden Konjunkte Spuren, die durch die Anhebung der VP-interaen Subjekte across- the-board (ATB) nach SpecIP entstehen. In (4) verhindern die Wortstellungsre- gularitäten des Deutschen diese Option. Wie sich zeigen wird, können die hier koordinierten Phrasen keine VPs sein; es handelt sich um größere Konstitu- enten, nämlich CPs. Das overte Subjekt des ersten Konjunkts hat ein leeres pronominales Korrelat im zweiten. Während es sich also bei dem leeren Element in (3) um eine gebundene Variable handelt, ist es in (4) eine freie Variable.

(3) weil [,ρ Peter¡ [,. [VP gestern t¡ das Haus] verließ] [und [,. [V P t¡ die Tür]

verschloß]]]

zwei Konjunkte durch eine Intonationspause (markiert durch #) getrennt, wie in (i), oder bilden sie gar zwei eigenständige Sätze, wie in (ii), so muß die Konjunktion Teil des zweiten Konjunkts sein.

(i) a. Philip # and Gesa § and Petra # and Bianca b. 'Philip and # Gesa and § Petra and # Bianca (ii) a. Her brother came for dinner and he stayed overnight.

b. Her brother came for dinner. And he stayed overnight.

c. *Her brother came for dinner and. He stayed overnight.

(3)

(4) [[CP gestern verließ Peter¡ das Haus] [und [CT e¡ verschloß die Tür]]]

Sofort stellt sich die Frage, warum ein eingebetteter Satz eine andere Struktur aufweisen sollte als der korrespondierende Hauptsatz. Die enge Beziehung zwischen den beiden Sätzen ließe sich unter der Annahme von CP-Konjunkten (oder auch C'-Konjunkten) ebenfalls in (3) besser zum Ausdruck bringen:

(3 ) [[CP w ei l [IP Peter gestern das Haus verließ]] [und [C P e [I P e die Tür verschloß]]]]

Während in (3) beide Konjunkte von demselben satzeinleitenden Element weil abhängen, steht in dem zweiten CP-Konjunkt in (3') ein leerer Komplementierer in C°. Damit ist zwar eine gleiche Behandlung von Haupt- und Nebensatzkoor- dination gewährleistet, es bleibt jedoch unklar, wodurch ein leerer Komplemen- tierer in dieser Struktur lizensiert wird. Gerade in Anbetracht ökonomietheore- tischer Erwägungen ist es sinnvoll, Repräsentationen mit einem möglichst geringem Inventar an leeren Kategorien anzunehmen, insbesondere dann, wenn diese Elemente nicht interpretierbar sind (siehe dazu Chomsky 1991). Weniger gravierend erscheint mir v. a. unter Zugrundelegung eines repräsentationalen Modells das Problem unterschiedlicher Strukturen für Haupt- und Nebensätze.

Auf diesen Überlegungen basierend werden in Kapitel 2 Daten diskutiert, die für eine Unterscheidung zwischen ATB und CP-Koordination sprechen.

Kapitel 3 untersucht die Lizensierungsbedingungen fur ein leeres Subjekt und Kapitel 4 erklärt mögliche Interpretationen der leeren Kategorie. Das fünfte und letzte Kapitel gleicht einem Appendix; hier werden Argumente, die von Heycock und Kroch (1993) gegen die in dem vorliegenden Aufsatz favorisierte Theorie vorgebracht werden, entkräftet.

2. A TB versus CP-Koordination

Bevor in diesem Abschnitt ein Koordinationstyp vorgestellt wird, in dem ein Element, das sich auf beide Konjunkte bezieht, nicht across-the-board in eine den Konjunkten vorangehende Position bewegt worden sein kann, möchte ich in aller Kürze die dieser Arbeit zugrundegelegte deutsche Satzstruktur skizzieren.

Den Standardannahmen folgend nehme ich an, daß das satzfinal basisgenerierte Verb im Hauptsatz über ein ebenfalls finales Io nach C° bewegt wird, wie (5) illustriert. Viele Argumente, die für diese Struktur sprechen, finden sich u. a. in den Arbeiten von Vikner (1991), Vikner & Schwartz (1991) und Gärtner &

Steinbach (1993).

(4)

(5) CcpNPjCcoVj] [ip[Vpt¡ · • · tj] [iotj]]]

Unter diesen Prämissen betrachte man nun den Kontrast zwischen den Sätzen (6) und (7) auf der einen und (8) auf der anderen Seite.

(6) [c. weil der Jägerj [,. t¡ in den Wald ging] [und [,. t¡ einen Hasen fing]]]

(7) [cp der Jáger¡ [r ging tj in den Wald] [und [c fing t¡ einen Hasen]]]

(8) In den Wald ging der Jäger und fing einen Hasen.

Die Daten in (6) und (7) lassen eine ATB-Extraktionsanalyse zu. In (6) wird das Subjekt von seiner basisgenerierten Position SpecVP nach SpecIP bewegt, in Beispiel (7) weiter in die Topikposition. Diese Option ist in (8) jedoch ausgeschlossen. Hier sind die Verben beider Konjunkte offenkundig bewegt worden, denn sie erscheinen weder im ersten noch im zweiten Konjunkt in ihrer basisgenerierten satzfinalen Position. Das Subjekt des ersten Konjunkts steht hinter dem Verb in SpecIP. Aber auch das Verb des zweiten Konjunkts steht in C°, so daß auch in diesem Konjunkt eine kanonische Subjektsposition (SpecIP) existiert. An dieser Position muß ein Subjekt jedoch nicht phonetisch gefüllt sein - hier scheint eine leere Kategorie lizensiert zu sein. Daher schlage ich für Satz (8) die folgende Struktur vor:

Vo einen Hasen t,

I t, Abb. 1

(5)

Beide Konjunkte sind CPs, die PP ist nur innerhalb des ersten Konjunkts topikalisiert und das Subjekt des zweiten Konjunkts ist phonetisch nicht realisiert.3 In dem nachstehenden Absatz werden mögliche Einwände gegen diesen Vorschlag vorgestellt und entkräftet.

So könnte es sich beispielsweise bei den Konjunkten in (8) um VPs handeln, wie (10) suggeriert.

(10) In den Wald [V P ging der Jäger] und [V P fing einen Hasen]

Ein erstes Argument gegen diesen Vorschlag wurde bereits gemacht: Verb- bewegung ist im deutschen Hauptsatz obligatorisch und impliziert, daß das Verb die VP verläßt (siehe (5) oben). Ein weiteres Argument geht auf Burton &

Grimshaw (1992) und Wilder (1993) zurück, die zeigen, daß die finiten Verben zweier Konjunkte eine unterschiedliche Tempusmorphologie aufweisen können.

Das ist in (11) gezeigt. Da die Fusion eines Verbstamms mit Finitheits- und/oder Tempusmorphemen (bzw. im neueren Jargon das Merkmalchecking des flektier- ten Verbs mit abstrakter Morphologie) durch Verbbewegung nach Io (bzw.

AGR°) ausgedrückt wird, muß das Verb in jedem Falle nach Io bewegt worden sein, und die Konjunkte sind infolgedessen größer als VP.

(11) Der Jäger gingprä, in den Wald und wirdfu, einen Hasen fangen.

Es könnte sich hingegen um C-Koordination handeln:

(12) [[cp in den Wald [c ging der Jäger] und [c. fing einen Hasen]]

Wieder sprechen mindestens zwei Gründe dagegen. Zunächst modifiziert das lokale PP-Argument in (12) nur das Prädikat des ersten Konjunkts. Es handelt sich um eine direktionale Lokalitätsangabe, die zwar von einem Verb wie gehen, nicht aber von fangen selegiert werden kann. Die PP kann deshalb nur von dem ersten Konjunkt und nicht across-the-board topikalisiert worden sein. Wären die Konjunkte lediglich C , würde Bewegung aus nur einem Konjunkt eine Verletzung des CSC hervorrufen.4 Darüberhinaus kann SpecCP im zweiten

3 Eine ähnliche Struktur schlägt Fanselow (1991) vor. Van Valin (1989) argumentiert für ein leeres Subjekt auch in englischen Hauptsatzkoordinationen.

4 Eine vorstellbare alternative Struktur für (12) wäre Koordination mit unterschied- lich großen Konjunkten, nämlich einem CP- und einem C'-Konjunkt. Dies widerspräche zwar dem Koordinationsschema in (1), würde aber das Problem der PP-Topikalisierung lösen. Allerdings spricht gegen eine solche Struktur, daß Topikalisierung im zweiten Konjunkt möglich ist und daher die C-Projektion des zweiten Konjunkts einen Specifier benötigt, siehe (i).

(i) Gestern ging der Jäger in den Wald und heute fing er einen Hasen.

(6)

Konjunkt durch ein Pronomen gefüllt werden. Das ist natürlich nur dann möglich, wenn eine strukturelle Position fur dieses Subjekt vorhanden ist.

(13) In den Wald ging der Jäger und er schoß einen Hasen.

In subjektinitialen Hauptsatzkoordinationen läßt sich nicht eindeutig entschei- den, welche der beiden möglichen Strukturen gewählt werden sollte. Beispiel (14) kann entweder ATB analysiert werden oder als CP-Koordination. Im ersten Falle sind die Konjunkte C, wie in (15a). Nichts spricht jedoch dagegen, (14) als CP-Koordination und einer leeren Kategorie anstelle des Subjekts im zweiten Konjunkt zu analysieren.

(14) Peter schälte eine Orange und aß sie auf.

(15) a. [CT Peter¡ [[c. schälte t¡ eine Orange] und [c aß t¡ sie auf]]]

b. [Ccp Peter¡ schälte eine Orange] und [cpej aß sie auf]]

In Anbetracht der Datenlage läßt sich also annehmen, daß Verbbewegung in deutschen Hauptsätzen die Koordination von CP-Konjunkten erfordert und gleichzeitig eine kanonische Position für das phonetisch leere Subjekt in nicht-ersten Konjunkten schafft. Eine Ausnahme bilden möglicherweise sub- jektinitiale Hauptsätze (s. o.). Im folgenden sollen nun diejenigen Mechanismen besprochen werden, die diese leere Position lizensieren und ihre Interpretation ermöglichen.

3. Zur Identifikation des leeren Subjekts

Die relevante Konfiguration, in der ein leeres Subjekt stehen kann, ist in dem Strukturausschnitt in (16) gegeben. Das Verb steht in C°, die beiden Spezifizierer SpecIP und SpecCP sind (zumindest phonetisch) leer.

(16) · · · [epe V°[n,e . . . ] ]

Ich nehme an, daß die Fähigkeit, ein leeres Subjekt zu lizensieren, eng an die Verbzweiteigenschaft des Deutschen geknüpft ist. Daß es sich dabei tatsächlich um V-2 und nicht um bloße phonetische Overtheit von C° handelt, zeigen Sprachen, in denen C° zwar durch ein Auxiliar besetzt werden kann, nicht jedoch durch ein Vollverb. Eine solche Sprache - wie zum Beispiel das Engli-

sche - sollte nicht in der Lage sein, ein leeres Subjekt in koordinierten Kontexten der genannten Art zu erlauben: Wir erwarten, daß die Koordination von Hauptsätzen mit einem leeren Subjekt im zweiten Konjunkt im Deutschen, aber nicht im Englischen grammatisch ist. Auf den ersten Bück scheinen die Beispiele

(7)

in (17) und (18) identisch zu sein, sie involvieren jedoch unterschiedliche derivationelle Prozesse. Die folgenden Daten bestätigen die Hypothese, daß V-2 für die Lizensierung des leeren Subjekts verantwortlich ist.

(17) a. Ist er in die Schule gegangen und hat e die Arbeit geschrieben?

b. *[CT Has he gone to school] and [Q, has e taken the exam]?

c. Has he [,. gone to school] and [,. taken the exam]?

(18) a. Ging der Jäger in den Wald und fing e einen Hasen?

b. *Did the hunter go into the forest and did e catch a rabbit?

c. Did the hunter go into the forest and catch a rabbit?

Die Beispiele in (a) und (b) illustrieren die Unterschiede zwischen den beiden Sprachen. Ein leeres Subjekt kann im Deutschen stehen, nicht jedoch im Englischen. Hier scheint ein Auxiliar in C° zu schwach, um ein leeres Element in der Subjektposition zu lizensieren. Koordination ist hingegen wohlgeformt, wenn die Konjunkte kleiner als IP sind, so daß die Konjunkte keine Subjektposi- tion haben. Das zeigen die Beispiele unter (c).

Weitere Fälle, die die Verbbewegungshypothese untermauern, sind deutsche Exklamativsätze. Wie erwartet, ist ein leeres Subjekt im zweiten Konjunkt auch hier möglich.

(19) Geht doch der Jäger gestern in den Wald und fangt e einen Hasen!

Welches nun die exakten Bedingungen für die Lizensierung der leeren Subjekte sind, läßt sich herausfinden, indem man die strukturellen Gegebenheiten in (16) modifiziert. Wenden wir uns zunächst dem leeren Spezifizierer von CP zu. Wie eingangs bemerkt, können satzinitiale Elemente in Koordinationen entweder nur innerhalb des ersten Konjunkts topikalisiert werden, oder sie bewegen sich across-the-board aus beiden Konjunkten in die Topikposition des nicht- koordinierten Satzteils. Nur in diesem letzten Fall hat das bewegte Element Skopus über beide Konjunkte. Welche der beiden Strukturoptionen gewählt wird, hängt entscheidend von der gewünschten Interpretation des Satzes ab.

Während das temporale Adverb in (20a) nur das Ereignis des jägerlichen In-den-Wald-Gehens modifiziert und nicht den Zeitpunkt des Hasenfangs, legt es in (20b) darüberhinaus das Hasenfangen zeitlich fest. Daher ist das Adverb in (20a) nur innerhalb des ersten Konjunkts bewegt worden, während es in (20b) aus beiden Konjunkte an den Satzanfang extrahiert worden ist.

(20) a. [cp Gestern ging der Jáger¡ in den Wald] [und [Q, fing e¡ einen Hasen]]]

b. [C P Gesternj [c. ging der Jager¡ tj in den Wald] [und [e fing e¡ tj einen Hasen]]]

(8)

Während Topikalisiening nur im ersten Konjunkt unproblematisch ist, verän- dert sich die Grammatikalität des Satzes schlagartig, wenn Topikalisiening unabhängig im ersten und im zweiten Konjunkt stattfindet: Steht ein leeres Subjekt im zweiten Konjunkt, ist der Satz ungrammatisch. In (21a) wird ein temporales Adverb, in (21b) ein Argument topikalisiert:

(21) a. *Gestern ging der Jäger in den Wald und heute fing einen Hasen, b. *In den Wald ging der Jäger und einen Hasen fing.

Ein zusätzliches Rätsel ergibt sich durch die Ungrammatikalität von Koordina- tionen mit einem overten Komplementierer im zweiten Konjunkt.

(22) a. weil der Jäger [,. (gestern) in den Wald ging] [und [,. (heute) einen Hasen fing]]]

b. *weil der Jäger (gestern) in den Wald ging und weil (heute) einen Hasen fing.

Die Ungrammatikalität von (22b) gleicht der der englischen Beispiele (17 b) und (18b). Die Erklärung des Kontrasts zwischen dem Englischen und dem Deutschen basierte darauf, daß in C° stehende Auxiliare im Englischen anders als nach C° bewegte Verben im Deutschen kein leeres Subjekt lizensieren können. In den Beispielen unter (22) steht ein lexikalischer Komplementierer in C°, der offensichtlich ebensowenig in der Lage ist, eine geeignete Umgebung für eine leere Kategorie zu schaffen.

Die strukturellen Bedingungen, die leere Subjekte in zweiten Konjunkten deutscher Hauptsatzkoordinationen ermöglichen, sind also offensichtlich ein nach C° bewegtes Verb und ein leerer Spezifizierer von CP. Diese Konfiguration ist in (23) gegeben:

(23) · · · [cpe CeV°/*C° [f fe . . . ] ] ]

Bei näherer Betrachtung ähnelt diese Konfiguration stark derjenigen, die Luigi Rizzi (1990) für die strenge Rektion einer Subjektspur annimmt. Bevor die Koordinationsdaten in Rizzis Version des ECP eingepaßt werden, sei Rizzis Ansatz kurz erläutert. Anders als eine entweder/oder-Version des ECP (ver- gleiche z. B. Chomsky (1981)), verlangt Rizzis konjunktiv formuliertes ECP, daß eine nicht-pronominale Spur sowohl durch Kopfrektion formal lizensiert als auch durch Antezedens- oder Θ-Rektion identifiziert wird. Während sowohl Θ-Rektion als auch Antezedensrektion mehr oder minder gemäß Chomsky (1981) definiert sind, beinhaltet die Menge der Kopfregenten neben den lexikalischen Kategorien AGR° (Kongruenz) und T° (Tempus) (Rizzi 1990: 25).

Schließlich führt Rizzi den Begriff des kongruierenden Komplementierers ein.

So kann im Kopf der CP entweder ein klassischer Komplementierer wie daß

(9)

oder ein kongruierendes Element (AGR.0) stehen (S. 52). Doch lediglich letzteres befindet sich auch unter der Menge der Kopfregenten, so daß eine Subjektspur nur dann dem konjunktiven ECP genügen kann, wenn erstens AGR.0 in C° steht und zweitens ein koindiziertes wh-Wort oder eine koindizierte Spur in SpecCP steht, denn das Subjekt ist ja nicht von einem Θ-markierenden Kopf regiert. Der altbekannte that-trace Effekt wird damit auf eine Verletzung der Bedingung der Kopfrektion zurückgeführt, siehe (24).

(24) [cpwh¡/t¡[c· AGR°[|ptj · · ·]]]

Zur Veranschaulichung zeigen die Beispiele in (25), wie das konjunktive ECP einfache und eingebettete Subjektextraktionen ableitet.

(25) a. Who AGR°[t Io left]

b. Who do you think [r AGR°[_t Io left]]

In beiden Fällen wird die Subjektspur durch Kopfrektion von AGR° lizensiert.

Identifikation erfolgt durch Koindizierung mit einem wA-Element in (25a), mit einer Zwischenspur in (25b).

Zurück zu unserem leeren Element. Vergleichen wir (23) mit (24), so zeigt sich eine auffällige Ähnlichkeit. Die Bedingungen, welche die beiden Konfiguratio- nen restringieren, sind exakt dieselben. Der einzige Unterschied liegt in der Art der involvierten leeren Kategorie. Während die leere Kategorie in (24) eine wA-Spur ist, muß es sich in (23) um pro handeln, folgt man Chomskys funktionaler Determination leerer Kategorien (Chomsky 1982). Eine Spur ist an dieser Stelle ausgeschlossen, da die koindizierte NP aus dem ersten Konjunkt die leere Kategorie nicht c-kommandiert und daher nicht als Antezedens für Spurenbindung in Betracht kommt (vergleiche die Struktur unter (9)). Ebenso- wenig kann es sich um PRO handeln, denn weder ist das Konjunkt, das die leere Kategorie enthält, infinit noch ist ein kontrollierendes Element für PRO vorhanden, und auch arbiträre Kontrolle ist hier ausgeschlossen. In seiner ursprünglichen Formulierung regelt das ECP die Verteilung nicht-pronominaler leerer Kategorien, d.h. Spuren. Im wesentlichen bestimmen die einzelnen Bedingungen, daß eine Spur lizensiert und identifiziert, also interpretiert wird.

Nun sind das genau diejenigen Bedingungen, die auch auf die Verteilung leerer pronominaler Kategorien zutreffen, nämlich PRO und pro. Während PRO nur in infiniten Kontexten lizensiert ist und von einem kontrollierenden Element identifiziert wird, wird pro von einem starken Io lizensiert und durch Koindizie- rung mit einer salienten NP aus dem Diskurs identifiziert. Nicht die grundlegen- den Bedingungen für die Existenz leerer Kategorien im allgemeinen unterschei- den sich also, sondern die jeweiligen Konfigurationen, in denen diese Bedingun- gen zum Ausdruck kommen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, daß Rizzi (1986) selbst einen Mechanismus für die Interpretation von pro

(10)

formuliert, der dem sehr ähnlich ist, was später als sein konjunktives ECP bekannt wurde, nämlich das /?ro-Modul.

(26) Rizzi (1986) pro-Modul

(i) Formale Lizensierung (durch Kopfrektion)

(ii) Interpretation (durch Koindexierung mit einem lizensierenden Kopf) Man sieht sofort, wie eng das pro-Modul und das ECP Rizzis zusammenhängen.

Es spricht daher einiges dafür, das konjunktive ECP als generalisierte Bedin- gung für die Verteilung aller pronominaler wie nicht-pronominaler leerer Kategorien anzunehmen - auch des leeren Subjekts in koordinierten Strukturen.

(27) ist eine leicht modifizierte Version von (23).

(27) · · · [ o »e Ce [n» pro ...]]]

Über die Natur des leeren Spezifizierers äußert sich Cinque (1990). Er behauptet, daß sich nicht alle w/t-Spuren gleich verhalten. Daher unterscheidet er wh- Spuren auf der einen Seite von parasitären Lücken, Tilgung von Verbkomple- menten und Extraktionen aus NP-Inseln auf der anderen Seite. Diese Konstruk- tionen werden nicht wie in früheren Analysen als wA-Spuren analysiert, sondern als von einem leeren Operator A'-gebundenes pro.

(28) a. The article [[0¡ that [we filed t¡ without reading pro-JJ]

b. The article [[0¡ that [we went to England [without reading proJ]J]

c. The article was too long [0¡ for [us to read proj]

(27) ist daher folgendermaßen zu modifizieren:

(29) ··• [cpOp¡[c'V°[ip/>ro¡ ...]]]

Die Erklärung der Daten in (21) und (22) folgt nun ganz natürlich aus dem vorgeschlagenen Formalismus. In (21) steht ein Element in SpecCP, das pro nicht A-binden kann. In (22b) ist C° von einem Komplementierer gefüllt - einem Element, das nach Rizzi nicht zur Menge der Kopfregenten zahlt.5

Es ist unbestritten, daß Deutsch keine pro-drop Sprache ist. Versucht man jedoch, die leere Kategorie, die durch die Struktur deutscher Hauptsatzkoordi- nationen motiviert ist, anhand des bestehenden Inventars leerer Kategorien zu beschreiben, so ähnelt sie noch am ehesten einem kleinen pro: Das leere Subjekt trägt eine eigene Θ-Rolle; anders als die Null-Klitika der süddeutschen Dialekte

5 Es ist also AGR, das pro lizensiert. Das prognostiziert, daß pro an Objektsposition ausgeschlossen ist, was hingegen erwartet werden würde, wenn Kopfrektion durch das Verb ausreichend wäre.

(11)

und des Schweizerdeutschen, die nur in bestimmten Personen vorkommen können (siehe Cooper 1994), erscheint das leere Subjekt an dieser Stelle - wie pro auch - in dem vollständigen Personenparadigma. Um dennoch der Tatsache gerecht zu werden, daß ein leeres Subjekt im Deutschen eben nur in diesem spezifischen Kontext - und nicht wie pro in pro-drop Sprachen immer in Subjektposition - stehen kann, könnte man einen neuen Terminus wählen und von 'impliziten Subjekten' reden. Meines Erachtens kommt es jedoch gerade in Anbetracht einer Perspektive, die die Lizensierungsbedingungen für leere Kategorien zu vereinheitüchen sucht, nicht auf die Nomenklatur leerer Katego- rien an. Ich werde daher das leere Subjekt in koordinierten Hauptsätzen weiterhin pro nennen.

4. Die Interpretation von pro in koordinierten Kontexten Der letzte Abschnitt hat gezeigt, daß sowohl pronominale als auch nicht- pronominale leere Kategorien nur in bestimmten strukturellen Konfigurationen zu einem sie lizensierenden Element stehen können. Unabhängig davon erhalten leere Kategorien dadurch eine Interpretation, daß sie sich auf einen bereits im Diskurs eingeführten Referenten beziehen. Leere Pronomina verhalten sich bezüglich der Interpretationsstrategien wie ihre overten Gegenstücke. Overte Pronomina werden als gebundene Variablen interpretiert, wenn ihr Antezedens ein nicht-referierender Ausdruck ist. In den anderen Fällen werden sie als freie Variablen interpretiert, d. h. koindiziert mit einem Referenten im Kontext. Auch der Satz selbst kann natürlich ein solcher Kontext sein. Evans (1980) nennt eine dritte Klasse von Pronomen, die sog. Ε-type Pronomen. Ε-type Pronomen erscheinen typischerweise in Konstruktionen, denen ein Satz vorangeht, welcher wiederum einen quantifizierten Ausdruck enthält. Sie werden jedoch nicht von diesem Ausdruck gebunden, sondern koreferieren mit demjenigen Objekt, das den vorangehenden Satz wahr macht. Ein Beispiel findet sich in (30).

(30) Nachdem Maria mehrere Tulpenzwiebeln gekauft hat, pflanzt Renate sie ein.

Das Pronomen sie wird von dem Quantor mehrere Tulpenzwiebeln nicht c-kommandiert und daher auch nicht gebunden. Stattdessen referiert es auf genau die Tulpenzwiebeln, die Maria gekauft hat.

Ich argumentiere im folgenden dafür, daß pro in koordinierten Hauptsätzen als freie Variable interpretiert wird, sofern es mit einem referierenden Subjekt im ersten Konjunkt koindiziert ist. Ist das Subjekt des ersten Konjunkts ein Quantor, so ist das leere Subjekt im zweiten Konjunkt in Abhängigkeit der

(12)

strukturellen Gegebenheiten entweder eine gebundene Variable oder ein E-type Pronomen.

In koordinierten Strukturen wird pro diskursgebunden interpretiert, d.h.

koindiziert mit einer kongruierenden overten NP an der gleichen Position eines vorangehenden Konjunkts. Eine andere Interpretation ist nicht möglich. Diese These wird durch spanische Daten gestützt. Im Spanischen, einer pro-drop Sprache, kann pro durch irgendeine NP im Kontext von subordinierten, aber nicht von koordinierten Sätzen gebunden werden, d. h. der Referent von pro ist im ersten Falle nicht notwendigerweise durch das Subjekt des Matrixsatzes determiniert.

In den Beispielen unter (31) scheint es, als suche sich pro den nächst möglichen Antezedenten, den es im Kontext finden kann. In dem ersten Satz ist kein Kontext gegeben, so daß pro sich auf irgendeinen bereits im Diskurs eingeführ- ten Referenten bezieht. In (31b) hingegen ist ein Kontext durch den ersten Satz gegeben. Hier wird pro als obligatorisch koindiziert mit dem overten plurali- schen Subjekt interpretiert. Macht die Flexion des Verbs eine singuläre Interpretation erforderlich, wird der Satz ungrammatisch.

(31) a. pro acaricia el gato.

'er/sie streichelt die Katze'

b. [Lucas y Josefa] van al cine. *pro se va en el intermedio.

'Lucas und Josefa gehen ins Kino. Er/sie geht in der Pause' Diese Generalisierung läßt sich jedoch nicht auf eingebettete Sätze übertragen.

In (32) kann pro entweder mit dem Subjekt des Matrixsatzes oder mit irgendeiner Ν Ρ aus dem Kontext koindiziert werden.

(32) Josefa dice que pro viene mas tarde.

'Josefa sagt, daß sie selbst/er/sie später kommen wird'

Betrachten wir nun koordinierte Sätze, so finden wir wieder das erste Muster:

pro muß den nächst möglichen Antezedenten wählen, nämlich die Subjekt-NP des ersten Konjunkts. Jede andere Interpretation ist hier ausgeschlossen.

(33) a. Josefa barre la casa y pro llama a su amiga.

'Josefa fegt das Haus und ruft ihre Freundin an' b. ??Josefa barre la casa y pro llaman a su amiga.

'Josefa fegt das Haus und (sie) rufen ihre Freundin an'

Es scheint also ein Unterschied darin zu bestehen, ob pro in einem koordinierten oder einem subordinierten Kontext erscheint. Steht es in einer Koordination, ist seine Interpretation auf einen sehr engen Kontext beschränkt, nämlich auf die Ν Ρ des vorangehenden Konjunkts. In einem eingebetteten Satz kann es frei

(13)

interpretiert werden; es kann sich entweder auf das Subjekt des Matrixsatzes oder auf eine andere Entität des Kontexts beziehen.

Im Deutschen erscheint pro weder in einfachen Sätzen noch in Subordinatio- nen, siehe (34a, b). In koordinierten Strukturen verhält es sich, wie erwartet, analog zum Spanischen. Es kann kein Antezedens wählen, das sich von der overten NP des ersten Konjunkts unterscheidet, wie (34c) zeigt. Die einzige Möglichkeit ist (35), wo pro und die NP Peter referenzidentisch sind.

(34) a. *Ißt eine Bratwurst.

b. *Peter behauptet, daß pro eine Bratwurst gegessen hat.

c. *Peter ißt eine Bratwurst und pro rufen ein Taxi.

(35) Peter ißt eine Bratwurst und pro ruft ein Taxi.

Betrachtet man quantifizierte NPs, so zeigt sich, daß diese Lesart nicht immer die einzig mögliche ist. (36) ist in mindestens zwei Situationen wahr, nämlich einmal in der Lesart, in der genau die Jäger, die in den Wald gingen, auch einen Hasen schössen. In der zweiten möglichen Lesart ist die Anzahl derjenigen Jäger, die in den Wald gingen, möglicherweise größer als die Anzahl derer, die auch einen Hasen schössen. In dieser zweiten Lesart ist es also nur für wenige Jäger wahr, daß sie sowohl in den Wald gegangen sind als auch einen Hasen geschossen haben, unabhängig von denen, die zwar in den Wald gingen, aber ohne Beute blieben.

(36) Wenige Jäger gingen in den Wald und schössen einen Hasen.

Wir erinnern uns, daß subjektinitialen Koordinationen zwei mögliche Struktu- ren zugeordnet werden können (vgl. Kapitel 2), und zwar entweder eine Struktur mit ATB-Bewegung der beiden Subjekte oder eine mit einem pro-Subjekt im zweiten Konjunkt. Diese beiden Strukturen geben die beiden unterschiedlichen Lesarten des Satzes in (36) wieder. Die pro-Strategie entspricht der Lesart, in der die Anzahl der Jäger, die in den Wald ging, identisch mit derjenigen ist, die auch einen Hasen fing, d.h. wenn 20 Jäger in den Wald gegangen sind, so haben dieselben 20 Jäger auch einen Hasen gefangen. Das leere Pronomen im zweiten Konjunkt verhält sich hier wie ein Ε-type Pronomen, es referiert in diesem Fall nicht auf das Subjekt des ersten Konjunkts, sondern auf denjenigen Referenten, der die Proposition des ersten Konjunkts wahr macht. Die zweite Lesart von (36) korrespondiert mit der ATB-Struktur. Hier ist die Menge der Jäger, die in den Wald gingen, nicht notwendigerweise identisch mit denen, die auch einen Hasen schössen. Die beiden Konjunkte verhalten sich wie ein komplexes Prädikat, das nur dann wahr ist, wenn beide Teile wahr sind.

Aufgrund dieser Analyse läßt sich folgende Voraussage machen: Wann immer eine Koordination nur eine Struktur haben kann, so hat sie auch nur eine Lesart.

(14)

Eine solche Koordination ist in (37) gegeben.

(37) In den Wald gingen weniger als zwei Jäger und fingen einen Hasen.

In dieser Struktur erscheint der Quantor zwei Jäger in seiner basisgenerierten Position im ersten Konjunkt. Man erwartet, daß das Subjekt des zweiten Konjunkts nur eine Ε-type Interpretation bekommen kann, d.h. die einzig mögliche Situation, in der (37) wahr ist, ist die, in der ein Jäger in den Wald geht und auch einen Hasen fangt. Eine Lesart, in der mehr als ein Jäger in den Wald gingen, ist ausgeschlossen. In (38) dagegen sollten beide Lesarten möglich sein.

(38) Weniger als zwei Jäger gingen in den Wald und fingen einen Hasen.

Die Urteile sind subtil, trotzdem scheint sich diese Vorhersage zu bestätigen. Ich fasse zusammen: Die Identifikation von pro in koordinierten Kontexten geschieht durch Koreferenz von pro mit einer in Person und Numerus kongruierenden overten NP im ersten Konjunkt. Es scheint parametrisiert zu sein, welche Mechanismen eine Sprache zur Verfügung stellt, um eine leere Kategorie zu identifizieren. Sog. Pro-drop-Sprachen lizensieren leere Subjekt- pronomina in vollem Umfang. Das Deutsche benötigt hingegen spezifische Kontexte um pro zu lizensieren und zu interpretieren. Einer dieser Kontexte wird durch Verbzweitbewegung und Diskursbindung durch ein kongruierendes overtes Element gewährleistet.

5. Extraposition von Relativsätzen

Mehrere Argumente sind gegen eine Koordinationsanalyse mit leerem Subjekt hervorgebracht worden. So argumentieren etwa Heycock & Kroch (1993), daß die Extraposition von Subjektrelativsätzen im Holländischen nur möglich ist, wenn kein Subjekt im zweiten Konjunkt erscheint. Das ist in (39) illustriert (siehe Heycock & Kroch 1993, Beispiele (30) und (31a)).

(39) a. Toen kwam een meisje binnen en begon te praten dat dann kam ein Mädchen rein und begann zu sprechen das nog nooit gesproken had.

noch nie gesprochen hatte

'Dann kam ein Mädchen herein und begann zu sprechen, das noch nie gesprochen hatte.'

b. *Een meisje kwam binnen en ze had een brede glimlach ein Mädchen kam rein und sie hatte ein breites Lächeln die ik in jaren niet gezien had.

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die ich seit Jahren nicht gesehen hatte

'Ein Mädchen kam herein und es hatte ein breites Lächeln, das ich seit Jahren nicht gesehen hatte.

Dies wird als indirekte Evidenz für ihre Annahme angesehen, daß sententiale Koordination asymmetrisch ist. In Heycock & Krochs Analyse ist das erste Konjunkt CP (oder eher eine durch Matching entstandene IP/CP-Projektion), das zweite Konjunkt jedoch ist von der Kategorie C (bzw. C'/T) - es hat keine Subjektposition. Für die in diesem Aufsatz favorisierte Analyse mit einem leeren Subjekt stellt sich nun das Problem, den Grammatikalitätskontrast in (39) zu erklären. In diesem Ansatz sind beide Sätze strukturell äquivalent, der einzige Unterschied liegt darin, daß das Subjekt des zweiten Konjunkts in (39a) phonetisch leer ist.

Es sei angemerkt, daß zumindest für das Deutsche die Urteile nicht so klar sind, wie Heycock & Kroch es darstellen. Für viele Sprecher sind die folgenden Sätze fast gleichermaßen ungrammatisch, mit einer leichten Präferenz für die Koordination mit leerem Subjekt.

(40) a. 7?Ein Mädchen kam herein und lächelte, das blonde Haare hatte, b. *Ein Mädchen kam herein und es lächelte, das blonde Haare hatte.

Jede Erklärung muß deshalb nicht nur berücksichtigen, daß der Grammatika- litätskontrast zwischen (40a) und (40b) gering ist, sondern auch, daß keiner der beiden Sätze wirklich grammatisch ist.

Ich werde zuerst die Extraposition eines Relativsatzes mit overtem Subjekt im zweiten Konjunkt betrachten (siehe (40b)). In diesem Beispiel wird der Relativsatz innerhalb des zweiten Konjunkts extraponiert. Es handelt sich dabei um einen appositiven Relativsatz; solche Sätze unterliegen einem generellen Extrapositionsverbot (siehe Smits (1989) für einen sprach vergleichenden Über- blick). Betrachten wir die Lesarten der Relativsätze in (41). Die Relativsätze erscheinen in ihrer Basisposition.

(41 ) a. Die Frau, die rote Schuhe anhatte, kam herein und sie lächelte mich an.

b. Die Frau kam herein und sie, die rote Schuhe anhatte, lächelte mich an.

In (41 a) kann der Relativsatz entweder restriktiv ('die Frau, die als einzige rote Schuhe anhatte") oder appositiv ('die Frau, die übrigens rote Schuhe anhatte') verstanden werden. In (41 b) hingegen ist nur die appositive Lesart möglich. Das ist möglicherweise auf die Tatsache zurückzuführen, daß restriktive Relativsätze die Anzahl der für eine Ν Ρ in Frage kommenden Referenten auf einen reduzieren. Mit Pronomina ist das nicht möglich, da Pronomina bereits anaphorisch interpretiert werden, also bereits einen eindeutigen Referenten bezeichnen. Deshalb ist nur die appositive Lesart möglich, wenn ein Relativsatz

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ein Pronomen modifiziert. Ein appositiver Relativsatz kann jedoch nicht extraponiert werden. Extraposition des Relativsatzes in (41b) ergibt deshalb ein (40 b) entsprechendes ungrammatisches Resultat.

Ist das Subjekt des zweiten Konjunkts leer (siehe (40a)), ist die Extraposition des Relativsatzes nicht ganz so schlecht. Aufgrund des Extrapositionsverbots von appositiven Sätzen ist die einzige Lesart, die wir bekommen, die restriktive (siehe (42a)). Das läßt sich beweisen, indem man einen eindeutig appositiven Relativsatz wählt, der das Subjekt modifiziert. Dieser Relativsatz kann unter keinen Umständen extraponiert werden, wie das ungrammatische Beispiel (42b) zeigt.

(42) a. ?Die Frau kam herein und lächelte mich an, die rote Schuhe anhatte, b. *Maria kauft Rosen und stellt sie in eine Vase, die Blumen mag.

Pronomina können nicht von einem restriktiven Relativsatz modifiziert werden (s.o.). Das ist natürlich trivialerweise auch für leere Pronomen gültig. Leere Pronomen können darüberhinaus überhaupt nicht relativiert werden, wie das spanische Beispiel in (43) zeigt.

(43) *pro que no tiene dinero no puede irse de vacaciones.

'NP, der kein Geld hat, kann nicht in Ferien fahren'

Der Relativsatz in (42a) kann deshalb nur das Subjekt des ersten Konjunkts modifizieren. Da er am Ende des koordinierten Satzes erscheint, ist er aus dem ersten Konjunkt hinausbewegt worden. Dadurch entsteht eine CSC-Verletzung, die die Markiertheit des Satzes hervorruft.

Zwei abschließende Bemerkungen: Erstens ist die Erklärung, die für die Beispiele in (40) vorgeschlagen wurden, nicht inkompatibel mit Heycock &

Krochs Analyse. Ich habe aber gezeigt, daß ihr Argument nicht gegen eine Koordinationsanalyse mit leerem Subjekt verwendet werden kann. Zweitens ist jede Koordinationsanalyse, die auf V°-nach-C°-Bewegung basiert, mit dem

Problem konfrontiert, einen geeigneten Adjunktionsplatz für den extraponier- ten Relativsatz auszumachen. Wenn das Verb des zweiten Konjunkts - mit oder ohne Subjekt - in C° steht, sind die Konjunkte mindestens C. Extraposition eines Satzes (beispielsweise ATB) müßte daher höher als C' adjungieren - eine Annahme, die nur schwerlich zu verteidigen ist.

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Eingereicht am 15.8.1993

Referenzen

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