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Archiv "Milliardendefizit der GKV: Seehofer sieht Teilschuld bei der Politik" (22.09.1995)

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POLITIK LEITARTIKEL

Milliardendefizit der GKV

Seehofer sieht Teilschuld bei der Politik

Im Jahre drei des Gesundheitsstrukturgesetzes klagt die ge- setzliche Krankenversicherung erneut über Milliardendefizi- te. Im ersten Halbjahr 1995 sind die Kassen mit insgesamt 5,4 Milliarden DM in die roten Zahlen gerutscht. Eine Zwi- schenbilanz, die Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer als alarmierend bezeichnete. Es fällt jedoch auf, daß sich der

Minister mit Vorwürfen an die „Leistungserbringer" deutlich zurückhält. Gut die Hälfte des Defizits ist nach Seehofers Darstellung politisch bedingt und geht damit auf das Konto von Regierung und SPD-Opposition. Das restliche Defizit be- weise zum einen die Grenzen der sektoralen Budgetierung, zum anderen die Notwendigkeit weiterer Reformschritte.

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islang holte der Bundesge- sundheitsminister stets den Knüppel aus dem Sack, wenn die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Ruder zu laufen drohten. Dieses Mal bleibt Horst Seehofer jedoch vergleichswei- se ruhig, obwohl die Krankenkassen bereits im ersten Halbjahr ein be- trächtliches Milliardenloch (4,2 Milli- arden DM in den alten und 1,2 Milli- arden DM in den neuen Ländern) aufweisen. Seehofers Schuldzuwei- sungen richten sich sogar — wenigstens zum Teil — an die eigenen Reihen und an die Adresse der SPD.

Rund die Hälfte des Defizits, sag- te der Minister anläßlich der Haus- haltsdebatte des Deutschen Bundes- tages, habe die Regierung und die SPD durch das 1989 gemeinsam ver- abschiedete Rentenreformgesetz zu verantworten. Dieses Gesetz führt in der Krankenversicherung ab 1995 zu verringerten Beitragseinnahmen von den Beziehern von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld (dazu Deutsches Ärzteblatt, Heft 27/1995). Fünf bis sechs Milliarden DM Finanzausfall schlagen auf diese Weise für das ganze Jahr zu Buche.

Ein Teil davon, etwa zwei bis drei Mil- liarden DM, wird aber durch die von der Pflegeversicherung zu erwartende Entlastung kompensiert.

Bleibt ein „Restdefizit" von gleichfalls zwei bis drei Milliarden DM, das der Minister auf „die bedroh- liche Ausgabenentwicklung in ver-

schiedenen Leistungsbereichen" zu- rückführt — insbesondere im Kranken- hausbereich. Rund ein Drittel aller GKV-Ausgaben entfällt auf den sta- tionären Sektor, der im Gegensatz zu der vertragsärztlichen und zahnärztli- chen Versorgung deutliche Zuwächse über die Grundlohnsummenentwick- lung hinaus aufweist. Die Ausgaben seien doppelt so stark gestiegen. Doch auch hier schränkt Seehofer ein: „Für einen großen Teil der Überschreitung ist der Gesetzgeber verantwortlich."

Nicht zuletzt auf Wunsch der Länder seien zahlreiche Ausnahmen im Ge- setz verankert worden.

Nachlassender Sparwille?

Dennoch: Horst Seehofer plant offenbar eine Verschiebung der Fi- nanzströme zugunsten der ambulan- ten Versorgung. Darauf deutet zu- mindest seine folgende Aussage hin:

„Wenn wir das Ziel ‚ambulant geht vor stationär' ernst nehmen, dürfen wir nicht zulassen, daß der Ausgabe- nanteil für die niedergelassenen Ärz- te immer geringer und für die Kran- kenhäuser immer höher wird."

Bei den Ausgaben für Arzneimit- tel stellt der Bundesgesundheitsmini- ster ein Nachlassen des „Sparwillens der Beteiligten" fest, wenngleich die Ausgaben noch immer unter den Werten des ersten Halbjahres 1992 lä- gen. Die niedergelassenen Ärzte,

mahnt Seehofer, müßten dafür Sorge tragen, daß das Arzneimittelbudget nicht überschritten werde.

Alles in allem attestiert der Mini- ster dem Gesundheitsstrukturgesetz drei Jahre nach dessen Inkrafttreten einen zunehmenden Verlust an Wirk- samkeit, was aber keineswegs überra- schen könne. Genausowenig überra- schend sind die Konsequenzen, die Seehofer aus der Zwischenbilanz zieht.

Gewohnt eloquent, aber doch nicht frei von Widersprüchen, biegt er sich seine Erkenntnisse zurecht. Die sektorale Budgetierung habe ausge- dient, weil man mit ihr „weder die Ausgabenentwicklung besser in den Griff bekommen noch die Ungleich- gewichte zwischen den Leistungsbe- reichen beseitigen" könne. Da wird ihm niemand — mit Ausnahme der SPD — widersprechen wollen.

Anders wertet Seehofer das Arz- nei- und Heilmittelbudget. Obwohl auch hier die realitätsnahe Berech- nungsgrundlage und damit die dauer- hafte Wirksamkeit aufgrund der jüng- sten Ausgabenentwicklung bezweifelt werden darf, hält der Minister an die- sem Instrument offenbar unbeirrt fest.

Um mittelfristig das Gesund- heitswesen finanzieren zu können, sei eine erneute Reform unverzichtbar.

Der Fahrplan dafür steht, so Seeho- fer, nach wie vor fest: Bis Ende des Jahres werde ein Gesetzesentwurf vorgelegt, und die Reform trete am 1.

Juli 1996 in Kraft. Josef Maus Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 38, 22. September 1995 (15) A-2449

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